Arno Gruen: Wider den Gehorsam

Arno Gruen: Wider den Gehorsam, Stuttgart: Klett-Cotta 2014. 97 S., 12 €

Arno Gruen, Ber­li­ner des Jahr­gangs 1923, USA-Emi­grant und seit Jahr­zehn­ten Wahl­schwei­zer, hat als Psy­cho­lo­ge und Autor sei­ne Meri­ten und begeis­ter­ten Anhän­ger. Der Bar­de Kon­stan­tin Wecker nun emp­fiehlt uns via Rück­ti­tel­bot­schaft nach­drück­lich (»es macht Lust auf Wider­stand gegen vor­ge­fer­tig­te Mei­nun­gen«) Gruens aktu­el­les Bänd­chen. Im For­mat wie inhalt­lich ähnelt das Büch­lein dem Mil­lio­nen­hit Empört Euch! (dt. 2011) von Sté­pha­ne Hes­sel. Wie Hes­sel ist Gruen eine graue Emi­nenz. Man weiß nicht mit völ­li­ger Sicher­heit, ob die­se grei­sen Her­ren davon aus­ge­hen, daß sie mit ihren Erwe­ckungs­ru­fen beton­har­te Sicher­heits­tü­ren ein­tre­ten, oder ob sie ahnen, daß es nur ein faden­schei­ni­ger Per­len­vorang ist, den sie mit der Vehe­menz der letz­ten Pus­te zur Sei­te wehen.

Es ist des­halb einer­lei, weil Gruens Büch­lein zwei Ver­ständ­nis­ebe­nen eröff­net, auch wenn es ihm vor allem um jene eine geht: Gehor­sam mache den Men­schen zum Knecht. Er meint nicht nur den Kada­ver­ge­hor­sam auf dem Drill­platz, son­dern – in ers­ter Linie – den Gehor­sam des Kin­des gegen­über sei­nen Eltern. Dar­über kann man strei­ten. Die Rede ist hier von prü­geln­den, wenigs­tens rohen Eltern, von Stu­di­en, die auf der Basis eines Gesell­schafts­mo­dells von Anno 1950 oder 1970 erstellt wur­den. Gruen hat Väter und Müt­ter im Blick, die ihre Kin­der nach Maß­ga­ben von Johan­na Haa­r­ers natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Rat­ge­bern erzo­gen: auf Här­tung aus. Hat der Autor gemerkt, daß sich der Wind gelin­de gedreht hat? Womög­lich nicht, selbst wenn das Lite­ra­tur­ver­zeich­nis auch neue Stu­di­en umfaßt.

Das macht nichts, da sei­ne Ana­ly­sen auch (viel­leicht gera­de!) unter geän­der­ten Vor­zei­chen lesens­wert sind. Nicht die Gehor­sams­for­de­rung an sich, son­dern die »abs­trak­ten Ideen«, denen heu­te Fol­ge zu leis­ten ist, sind neue. Die Struk­tu­ren des Gehor­sams, schreibt Gruen, sei­en so sehr Teil unse­res Lebens, daß wir sie als sol­che nicht mehr wahr­näh­men. Wir hiel­ten uns für selbst­er­run­ge­ne Indi­vi­dua­lis­ten und spür­ten die Fes­seln der Knecht­schaft nicht. Um so schlim­mer: Unse­re Unter­wer­fung gehe so weit, daß wir uns mit dem Aggres­sor iden­ti­fi­zier­ten, sei­ne Zie­le zu unse­ren mach­ten und somit zu einer »fremd­be­stimm­ten Iden­ti­tät« gelangten.

Unse­re »ursprüng­li­che Gefühls­wirk­lich­keit« wer­de umge­kehrt, wir sei­en »gefan­gen in der Angst, zu sehen, was wirk­lich ist.« Das arti­ge »Mit­ma­chen« beim gefor­der­ten Tun und Den­ken ver­hül­le den Tat­be­stand des Gehor­sams zugleich: »Gute Leis­tung erzeugt in sol­chen Men­schen die Illu­si­on, er wür­de aus frei­em Wil­len han­deln.« Aus­ge­rech­net erfolg­rei­che Schü­ler, die sich den Ambi­tio­nen von Eltern und Gesell­schaft anpaß­ten, hiel­ten sich für »auto­nom«, dabei sei­en gera­de sie Sta­bi­li­sa­to­ren der Norm. Die­se Norm bestehe in fremd­be­stimm­ten »Intro­jek­ten«, die uns »von den eige­nen Wur­zeln« ent­frem­de­ten. Gehor­sam, sagt Gruen, unter­maue­re Macht. »Er macht es unmög­lich, die Wut gegen jene zu rich­ten, die für sie ver­ant­wort­lich sind.« Die Mäch­ti­gen: für den Ver­fas­ser sind das Hit­ler, Hit­lers geis­ti­ge Erben und Mari­ne Le Pen. Man darf als Leser getrost eine neue Per­so­nal­fo­lie drüberziehen.

Arno Gruens Wider den Gehor­sam kann man hier bestel­len. 

 

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