Damals ging es um Frauke Petrys ziemlich unbeholfenen Versuch, das Wörtchen „völkisch“ als völlig normales Adjektiv zu „Volk“ zu rehabilitieren, was natürlich schiefgehen mußte. Denn schon im Begriff „Volk“ steckt so viel Zünd- und Dramenstoff und so viel Unausgesprochenes, daß eine reductio ad populum nur noch mehr Wirrnisse erzeugt. Doch diese wollen entworren werden.
Vergangene Woche war ich nach Köln zu einer Podiumsdiskussion des „Instituts für Medien- und Kommunikationspolitik“ eingeladen zum Thema „Die neue Rechts-Links-Kommunikation“. Es wurde zu einer Stunde der Wahrheit, was eigentlich „Deutschsein“ bedeutet: Fragen Sie Frau Sommerfeld.
Atmosphärisch nicht besonders inquisitorisch aufgeheizt, eher so, als hätten sie sich einen unbekannten Mistkäfer zur Beschau eingeladen, leichtes Grausen und übergroßes Interesse: eine echte Rechte. Podiumsdiskussionen funktionieren eigentlich anders, mehr oder minder gleichberechtigte Teilnehmer, besonders einige sind gleicher als die anderen, scharen sich um ein Thema, und jeder versucht einigermaßen aggressiv seiner Meinung möglichst breiten Raum zu verschaffen.
Doch hier ging nicht mehr ums Agendasetzen, Begriffelancieren, Sichgehörverschaffen. Man hörte. Ich begann mit unseren Links-Rechts-Bruchlinien „Vertrauen vs. Mißtrauen in die Massenmedien“, „globalistisch vs. identitär“ und „Realisten vs. Utopisten“, und ab dann wurde nur noch darüber diskutiert. Ihrem Instinkt folgend witterten die Teilnehmer hinter jedem dieser Begriffe den mistkäferstinkigen Volksbegriff. Und damit hatten sie recht. Um diesen geht es.
Patrick Bahners, faz, war auch zugegen und hat hier (leider kostenpflichtig, right sells) erstaunlich fair dokumentiert, was die Beschau ergeben hat. „Aus Schlumpfhausen, bittesehr“ keimte ihm jedoch am Ende ein schrecklicher Verdacht herüber: ich könnte womöglich „völkisch“, „white supremacist“, „ethnischer Nationalist“ oder anderweitig verdächtig an unserer gemeinsamen Rasse interessiert sein.
Mache ich es ihm doch leichter. Auch, um seinen haßerfüllten Kollegen Kazim und Emcke das Ausgegrenztseinsspiel zu verderben, indem ich noch einmal die Regeln erkläre: Klar habe ich einen ethnischen Volksbegriff. Den zu explizieren ist einerseits ganz einfach, andererseits ausgesprochen kompliziert, weil auf gänzlich verschiedenen Ebenen gefragt und geantwortet wird, wenn die Frage auftaucht: „Wer ist deutsch?“.
Ebene 1: Abstammungsdeutscher sein.
Deutschsein ist prima facie eine Frage der Abstammung. Alles weitere ist kontraintuitiv und daher begründungsbedürftig. „Deutsch ist, wer deutsche Eltern hat“, pflegt Götz Kubitschek zu sagen. Daß jemand auch aus anderen Gründen und auf anderen Ebenen Deutscher sein oder werden kann, setzt diesen Kern des Begriffs nicht außer Kraft.
Die Abstammung ist keine Frage von Rassereinheit (auch nicht der linkerseits gebetsmühlenartig wiederholten „totalen Homogenität“ des Volkes) oder eine Frage danach, welche Germanenstämme es nun wirklich gab. Abstammung ist in einem ganz materiellen Verständnis eine Frage von Gen- und Blutlinien, in einem umfassenderen Verständnis jedoch begreift sie auch große und lange Vererbungsstränge mit ein, die Charakterliches und atmosphärisch Typisches fortpflanzen.
Max Weber hat das Wort „ethnisch“ in diesem Sinne definiert:
Wir wollen solche Menschengruppen, welche auf Grund von Ähnlichkeiten des äußeren Habitus oder der Sitten oder beider oder von Erinnerungen an Kolonisation und Wanderung einen subjektiven Glauben an eine Abstammungsgemeinschaft hegen, (…) ‚ethnische‘ Gruppen nennen, ganz einerlei, ob eine Blutsgemeinschaft objektiv vorliegt oder nicht. (Wirtschaft und Gesellschaft, 1922)
Der aus physischer Vererbung und im weberschen Sinne ethnisch Gemeinsamem hervorgehende Phänotyp des Deutschen ist augenscheinlich. Wie jeder Phänotyp hat er unscharfe Ränder, birgt Verwechslungsmöglichkeiten, kennt Ausnahmeerscheinungen und wandelt sich historisch. Er ist aber eindeutig nicht mit dem Phänotyp des Schwarzafrikaners oder des Koreaners zu verwechseln, auch ein Mischlingskind ist für gewöhnlich nicht phänotypisch deutsch in Aussehen und Ausdruck.
Wenn wir einen einzelnen Schwarzafrikaner hernehmen, der nach Deutschland kommt, eine Deutsche heiratet, mit ihr Kinder bekommt und sich sukzessive mit der deutschen Volksseele verbindet, dann nähern sich seine Kinder und Kindeskinder ihrerseits schrittweise dem Abstammungsdeutschtum an und werden so auch leibliche Teile des Volkskörpers. In der Sprachwissenschaft gibt es den Ansatz der „Prototypensemantik“. Eine Amsel ist ein protypischer Vogel, ein Pinguin nicht, aber beide sind Vögel. Der prototypische Deutsche ist deutscher Abstammung und schaut auch so aus. Daß es Fremde, Eingebürgerte und Mischlinge gibt, denen es mitunter viel besser als den meisten Deutschen gelingt, für Deutschland einzustehen, greift diesen Volkskörper nicht an, sondern bekräftigt und kräftigt ihn sogar.
Ebene 2: Paßdeutscher sein.
Die Frage nach dem deutschen Volk ist mit einem (meist in Diskussionen zuallererst durchgespielten) „Nationalismustest“ nicht zu beantworten. Ob ins Ruhrgebiet eingewanderte Polen, preußisch gewordene Hugenotten (von denen ich abstamme und daher nicht sonderlich germanisch ausschaue), die Bewohner der französischen Grenzregionen oder gar Österreicher samt in der Donaumonarchie weiland beheimateter Tschechen und Ungarn nun Deutsche sind, ist für uns heute völlig irrelevant.
Es gibt keinen ethnischen oder wie auch immer beschaffenen bedeutsamen religiösen und kulturellen Unterschied. Der Witz ist, daß es nicht um die gemeinsame Rasse geht (die zweifellos vorhanden ist, die Leute waren und sind Europäer), sondern beim „Nationalismustest“ kulturelle Parameter abgeprüft werden, die eben nicht nennenswert verschieden sind bei Nachbarvölkern.
Einbürgerung macht den Begriff des deutschen Volkes nicht bedeutungsleer, wie die Mehrheit der heutigen Deutschen zu meinen beliebt. Daß ein Fünftel der deutschen Bevölkerung einen Migrationshintergrund hat, führt noch lange nicht dazu, das deutsche Volk als Kategorie aufgeben zu müssen. Der Paßdeutsche ist und bleibt vom Abstammungsdeutschen unterscheidbar, auch wenn er in einem ganz bestimmten Sinne des Wortes ebenfalls „Deutscher“ genannt werden kann und muß. Es ist nicht wünschenswert, daß in Zukunft nur mehr dieser eine Wortsinn existieren sollte.
Das Volk der Deutschen lebt zu großen Teilen auf dem Territorium der Bundesrepublik Deutschland. Das Grundgesetz sieht zumindest fiktiv eine Doppeldefinition des deutschen Volkes bestehend aus ius solis (Territorialprinzip) und ius sanguinis (Abstammungsprinzip) vor. Deutschland gehört zu denjenigen Staaten, die das Abstammungsprinzip bei der Vergabe der Staatsbürgerschaft zugrundelegen. „Fiktiv“, weil es sich beim Grundgesetz nicht um eine sich selbst vom Volk gegebene Verfassung handelt, und man daher das historisch existierende Volk des Jahres 1949 als Souverän nur als Annahme voraussetzen kann.
Nichtsdestoweniger muß man aber davon ausgehen, daß die Deutschen in den 40er Jahren en gros abstammungsmäßige Deutsche und die Vertriebenen und Ostzonendeutschen jener Jahre explizit mitgemeint waren. Als Völkerrechtssubjekt ist Deutschland wie jedes Land auf ein Volk angewiesen. Das „Selbstbestimmungsrecht der Völker“ bedeutet nicht, daß Populationen Territorien bevölkern, außer in der sowjetischen Völkerrechtslehre, die unter unter „Volk“ die jeweilige Bevölkerung eines bestimmten Territoriums verstand.
Erforderlich sind dort nur ein gemeinsames Gebiet und weitere Gemeinsamkeiten geschichtlicher, kultureller, sprachlicher und religiöser Art sowie die Verbindung durch gemeinsame Ziele, die sie mit Hilfe des Selbstbestimmungsrechtes erreichen will. Es steht zu befürchten, daß der gegenwärtigen Umdefinition des Volksbegriffs sowjetische Begrifflichkeiten und entsprechende Ziele zugrundeliegen.
Wer nach Deutschland einwandert, um Paßdeutscher zu werden, jedoch nur die Vorteile dieses Status abgreifen will, ohne für die Volksseele auch nur ein Fünkchen Gespür zu haben, ist folglich ein Fremdkörperdeutscher oder, wenn er in Massen auftritt, Umvolkungsdeutscher.
Frank Böckelmann bringt das Paradox des Paßdeutschen in der aktuellen TUMULT auf den Punkt, wenn er fragt: “Wie denn? – am Ende schriebe ein Grundgesetz aus den späten vierziger Jahren für den Fall der Einwanderung von Abermillionen ins deutsche Asyl die Selbstaufopferung des Staates vor? Verhielte es sich wirklich so, wäre es höchste Zeit für eine Verfassung von Deutschen für Deutsche.”
Es verhält sich hier wie mit dem Schiff des Theseus: Planke um Planke wird ausgetauscht, doch bleibt es „das Schiff des Theseus“. Wann aber schlägt Quantität in Qualität um? Wären eines Tages alle Deutschen ausgetauscht, dann spätestens – realiter wohl schon deutlich früher – fiele der Begriff und würde final ersetzt durch den Begriff der „Bevölkerung der Bundesrepublik“. Doch noch ist er nicht gefallen. Und damit er nicht fällt, ist eine weitere Ebene zu beschreiten.
Ebene 3: Volksdeutscher sein.
Auf irgendeinem Territorium, meinetwillen in Deutschland oder Frankreich oder Italien, leben so und so viele Menschen, und weil die sinnlichen Augen nur so und so viele Menschen als äußere Gestalten sehen, so können sich solche Abstraktlinge das, was man Volksgeist oder Volksseele nennt, nur wie eine bloß begriffliche Zusammenfassung des Volkes vorstellen. Wirklich real ist für sie nur der einzelne Mensch, nicht die Volksseele, nicht der Volksgeist. (Rudolf Steiner, Vortrag in Düsseldorf, April 1909)
Die meisten Deutschen sind heute solche „Abstraktlinge“, sie zählen die Köpfe der Bevölkerung zum Zwecke demographischer Additions- und Subtraktionsexperimente. Deswegen entgeht ihrer Wahrnehmung auch Deutschlands geistige Zukunftsperspektive. „Die Deutschheit liegt nicht hinter uns, sondern vor uns“, schrieb Friedrich Schlegel.
Die Zukunft, die wir anstreben, bedarf einer anknüpfungsfähigen Herkunft. Wir müssen daher achtgeben, daß nichts, auch nichts Physisches, davon verloren geht, dessen das zukünftige Deutschtum bedarf, um sich hieraus kontinuierlich weiter entfalten zu können. Abstammungsdeutsche werden dazu dringend benötigt. In ihnen ist aufgehoben, woraus sich das Deutsche überhaupt speisen kann.
Eine Ansammlung von allenfalls verfassungspatriotischen „Werte“-Paßdeutschen zehrt nur geraume Zeit – in Abwandlung von Böckenfördes Diktum über den säkularen Staat – von der ethnischen Substanz.
Deutschland hat eine causa finalis, das bedeutet, es ist um etwas willen in der Welt. In jedem Volk werden sehr spezielle Seeleneigenschaften herausgebildet und gepflegt, die später als Geistesgabe in die ganze Menschheit übergehen sollen. Deswegen ist Ethnopluralismus so eminent wichtig, die Rettung der bedrohten Völker. Jedem einzelnen Volk, und sei es noch so klein und scheinbar unbedeutend, kommt damit eine wesentliche und unverzichtbare Aufgabe im Zuge der gesamten Menschheitsentwicklung zu.
Diese Aufgabe dürfen wir doch nicht ignorieren, nicht willentlich abschneiden, nicht abstrakt per capita wegrechnen. Und auch nicht dem fürchterlichen Irrtum erliegen, jetzt schon mir nichts, dir nichts, zur „Menschheit“ übergehen zu können.
Wenn wir auf diese Art und Weise auf Deutschland schauen, wird allerdings eines klar: Eine Menge Abstammungsdeutsche und ihnen zugezählte Paßdeutsche haben keinen Anteil an irgendeiner Form geistigen oder auch nur seelischen Deutschseins, siehe zum Beispiel dieses Exemplar. Sie wenden sich im Zweifelsfall gegen Deutschland, würden im Zweifelsfall nicht dafür einstehen, ja, für überhaupt nichts einstehen. Sie sind in einem wesentlichen Sinne keine Deutschen, haben ihre Volkszugehörigkeit verwirkt.
Dieses Fehlen geistiger Identität ist die größte Schwäche, unter der wir momentan leiden, und es wirkt überdies auf die physische Substanz zurück.
In diesem Sinne „Volksdeutscher“, der wahrhaftig Teil seines Volkes ist, zu sein bedeutet auch ästhetische und moralische Selbsterziehung, Sich-Ausrichten, Sich-Aufrichten. Das ist kein Massenprogramm, sondern wird nur mehr von Kaltenbrunners „Elite“ gedacht. So gesehen bin ich dann „völkisch“: Ich leide unter der tiefen Diskrepanz zwischen der verkommenen Gegenwart und einem überzeitlichen höheren Gedanken des deutschen Volkes.
FrankaFrey
Ein sehr schöner Kommentar zu einer zentralen Frage: Wer ist das Subjekt für unseren Überlebenskampf? Der „Volkslehrer“ hat vor Kurzem in dem Interview mit Barry Kosky für 3Sat eine sehr schöne und schlichte Formel für dieses Subjekt gefunden, nachdem Kosky (ein Passdeutscher) befand, für ihn sei der Begriff „Deutsches Volk“ eine „unappetite Sache“ und man möge ihm doch bitte definieren, wer nun zum Deutschen Volk gehöre. Nerling definierte: „Deutscher ist, wer sein Land und Volk liebt und sich nicht schlecht fühlt, wenn er sagt, er sei Deutscher.“
Natürlich gehören auch noch viele andere dazu, mit denen nur im Moment nicht gerechnet werden kann, weil sie sich eben schlecht fühlen und sich gar zu solchen Aussagen hinreißen lassen, wie kürzlich der Trainer des SC-Freiburgs (das von Ihnen, Frau Sommerfeld, beispielhaft angeführte Exemplar)
Christian Streich ist ein Systemling, der in den letzten Jahren immer wieder auffiel mit extrem angepassten und platten politisch korrekten Kommentaren, die dann auch immer fleissig in der Badischen Zeitung veröffentlicht wurden, weil der politische Einfluss eines Fussballtrainers nicht zu vernachlässigenen ist. (Hierzu ein guter Artikel von Konrad Weiß im TUMULT Winter 16/17 „Wir kriegen Euch alle“ - Die Gängelung des Sports durch die politische Korrektheit)
Streich ist mit derartigen Verlautbarungen peinlicherweise zu einer politischen Institution hier in Südbaden geworden. Er ist ein typischer Emporkömmling, ein schlichter Metzgerssohn und auf dem 2.Bildungsweg studierter „tipico primo laureato della famiglia“, wie der Italiener sagen würde (in unserer Sprache fehlt eine solche Wendung) der. Er kann eigentlich schon deshalb kein Deutscher sein, weil er Badener ist und wahrscheinlich noch nicht einmal das sondern einfach nur Eimeldinger (das südbadische Dorf aus dem er stammt) - traurig...