Es handelt es sich hier weder um das unpolitisch pseudopolitisierende Nostalgieren vom christlichen Abendland, noch um jene taktisch defensive Befürwortung der EU und des Euros unter Protest, deren einziger Daseinszweck darin besteht, jenen Teil der Wählerschaft nicht zu verschrecken, der vor allem seine Ruhe haben will.
Dadurch gewinnt dieses Projekt die Aussicht dem Ruch von Impotenz und Zeitverschwendung zu entkommen, der spätestens seit dem Ausbruch der großen Finanzkrise, also seit bereits einem vollen Jahrzehnt, an dem Namen ‚Europa‘ haftet.
Was allerdings bisher fehlt, ist eine Klärung der politischen Fragestellungen. Der rechte Paneuropäismus speist sich fast ausschließlich aus einem Bewußtsein der relativen Kleinheit und der eingeschränkten Gestaltungsspielräumen der europäischen Nationalstaaten auf der heutigen Weltbühne.
Hier die Fragen, an denen sich jede europäische Idee messen lassen muß, die mehr sein soll als ein Hirngespinst:
1. Warum sollten die europäischen Nationen eine politische Einheit anstreben?
Dies ist keine leichthin zu beantwortende Frage. Da sie allerdings die derzeitige Diskussion beherrscht und den bereits vielfach geäußerten Standpunkten in diesem Rahmen nichts wesentliches mehr hinzuzufügen ist, ist sie hier nur der Vollständigkeit halber aufgeführt.
2. Wer soll Europapolitik betreiben? Welches politische Subjekt soll die Einheit Europas in der angestrebten Form herbeiführen?
Das derzeitige Projekt der Europäischen Einigung beruht auf zwei Pfeilern: Der amerikanischen Hegemonie und der Sachzwangslogik der Spill-Over-Effekte. Diese letztere sogenannte „Methode-Monet“ setzt darauf, daß die Vereinheitlichung eines Politikbereiches die Vereinheitlichung weiterer erzwänge und somit die Europäische Einigung inkrementell (schrittweise), aber unaufhaltsam vonstatten ginge.
Diese Strategie hat mit dem Euro sowie der Kombination von Dublin-Abkommen und Schengenraum gleich doppelt Schiffbruch erlitten. Es hat sich gezeigt, daß sie nur bei jenen Aufgabenfeldern funktioniert, die lediglich der administrativen Regulation angehören und weitgehend von politischen Freund-Feind-Bestimmungen gelöst sind.
Aus der Deutschen Geschichte kennen wir den prominenten Fall, daß sich das Paulskirchenparlament mit der versuchten Reichseinigung von 1848 auf lächerlichste Weise verhob, woraufhin die Reichseinheit durch preußische Hegemonialpolitik erreicht wurde. Träger der deutschen Einigungspolitik war der preußische Staat und nicht die deutsche Nationalbewegung. Vertreter der letzteren verübten sogar Anschläge, sowohl auf Bismarck, als auch auf König Wilhelm, in der Überzeugung dadurch die wesentlichen Hindernisse auf dem Weg zur nationalen Einheit zu beseitigen.
Ist also heute der deutsche Staat, irgendein anderer europäischer Staat oder aber eine supranationale Organisation samt der ihr verbundenen Elite ein geeigneter Träger für eine Politik der Europäischen Einigung? Zur letzten Option: Kann die EU entsprechen reformiert werden, oder wäre es möglich nach ihrer Auflösung eine neue supranationale Organisation zu schaffen? Worauf soll sie sich stützen? Kann überhaupt einer dieser Akteure die notwendige Macht erlangen?
Von dieser Frage hängt die gesamte weitere Gestaltung jedweder Europapolitik ab. Denn diese verschiedenen denkbaren Träger einer europäischen Einigungspolitik sind keine bloßen Mengen von Macht, so daß der Eine durch den Anderen ersetzbar wäre, weil es nur darauf ankäme einen bestimmten Schwellenwert an Durchsetzungskraft zu überschreiten, um die europäische Einheit zu erzielen.
Alle denkbaren Träger befinden sich in sehr unterschiedlichen politischen Situationen und funktionieren selbst auf unterschiedliche Weise. Das bedeutet: Nicht nur der Weg, sondern sehr wahrscheinlich auch das Ziel würde je nach dem Akteur unterschiedlich ausfallen. Ein um Deutschland herum gruppierter Staatenbund wäre etwas anderes, als eine vom Globalismus gesäuberte Europäische Union.
3. Gegen wen muß Europapolitik betrieben werden?
Diese Frage hängt von der vorherigen ab. Sie ist gleichzeitig die wichtigste, denn mit ihrer Beantwortung steht oder fällt jedes europäische Projekt. Wer sind die Feinde desjenigen politischen Subjektes, das die Einigung Europas herbeiführen soll? Und wie sind deren Feindschaften einzeln zu gewichten?
Die deutsche Reichseinheit wurde bei Königgrätz und Sedan erkämpft. Von beiden Schlachten war Königgrätz die ungleich wichtigere, auch wenn die Erinnerungskultur lieber des Sieges über den Erbfeind gedachte und den Bruderkrieg von 1866 nach Kräften vergaß. Doch die deutsche Einheit wäre ohne einen Krieg gegen Frankreich denkbar gewesen, nicht aber ohne die Beendigung der preußisch-österreichischen Doppelhegemonie und die Verdrängung des habsburger Vielvölkerstaates aus Deutschland.
Populäre Feindschaften eines geeinten Europas sind heute diejenigen gegen den Islam, die Vereinigten Staaten und gegen China. Mit ihnen wird nicht zuletzt Frage 1 beantwortet, warum wir überhaupt ein geeintes Europa anstreben sollten.
Es läßt sich jedoch nicht abstreiten, daß die stärkste Feindschaft gegen jedes europäische Einigungsprojekt vom europäischen Kontinent selbst ausginge. Denn jede Umstrukturierung der gegenwärtigen europäischen Mächtekonstellation müßte gegen ihre Verlierer durchgesetzt werden. Diese Verlierer wären vor allem die dadurch ihrer Souveränität beraubten Nationalstaaten. Die zahlreichen Kleinstaaten haben dabei weniger zu verlieren. Ihre Souveränität ist sowieso weitgehend Fiktion. Bei den Großen Fünf, Deutschland, Frankreich, Britannien, Spanien und Italien, sieht es trotz aller Unkenrufe und Verächtlichmachung anders aus.
Das Hegemoniestreben eines einzelnen europäischen Staates kann zwar dazu führen, daß sich die kleineren Länder willig unter seine Führung begeben. Die größeren, dem angehenden Hegemon an Macht ähnlich, werden sich allerdings widersetzen und Gegenallianzen bilden. In den Termini Technici der Außenpolitiklehre: Wenn Staaten mit der Drohung einer Hegemonie konfrontiert sind, können sie prinzipiell zwischen zwei Optionen wählen: Bandwagoning, dem Anschluß an den Hegemon, oder Balancing, der Aufhebung der Hegemonie durch Allianzbildung. Kleinere Staaten sind eher zu ersterem, größere eher zu letzterem geneigt.
Durch die überwölbende amerikanische Hegemonie auf nichtmilitärische Gebiete verwiesen, macht die Bildung von Gegenallianzen gegen die drohende deutsche Übermacht den Kern der französischen Politik, spätestens seit der deutschen Wiedervereinigung aus. Solange der Große Austausch den französischen Staat nicht zerreißt oder dauerhaft handlungsunfähig macht (was ganz andere Probleme mit sich brächte), wird sich an dieser Kernstrategie kaum etwas ändern. Kann Frankreich aus Europa verdrängt werden wie die Habsburger aus Deutschland? Wie hat man sich das vorzustellen?
Eine der Europäischen Union nachempfundene supranationale Organisation hingegen kann ihre Macht nur auf Kosten aller Nationalstaaten erlangen, womit all diejenigen ihre Feinde sind, die stark genug an ihren Nationen hängen, daß sie deren Souveränität nicht auf den Rang von Folklore und Verwaltung herabgedrückt sehen wollen. Diesen aus gesamteuropäischer Sicht separatistischen Bestrebungen hätte ein nicht nur geeintes, sondern auch souveränes Europa ohne amerikanische Rückendeckung entgegenzutreten.
4. Kann der europäische Raum abgeschlossen werden?
Jede Einigung Europas wäre sinnlos, wenn dadurch kein Großraum mit Interventionsverbot für raumfremde Mächte hergestellt würde. Die geopolitische Abschließung Europas bedeutet nicht weniger, als daß der Träger der europäischen Einigungsidee in der Lage sein muß, diese auch dann noch aufrechtzuerhalten, wenn die zentrifugalen Kräfte an raumfremde Mächte Anlehnung suchen. Heute die Vereinigten Staaten, morgen kann es China sein.
Die Katastrophe der deutschen Geschichte im 20. Jahrhundert lag darin, daß Deutschland zwar stärker als seine Nachbarn war, aber nicht stark genug um zu verhindern, daß diese sich aus Furcht vor der deutschen Macht zum Brückenkopf der Vereinigten Staaten machten. Niemand, der von der Einigung Europas spricht, sollte das vergessen.
Von einer europäischen Einheit zu sprechen ist sinnlos, solange die Zentrale dieser Einheit nicht in der Lage wäre, jede europäische Macht zu zerschlagen, die sich zum Brückenkopf oder trojanischen Esel außereuropäischer Mächte hergibt.
Dies sind zweifellos hohe Hürden. Doch der Preis für die Beibehaltung souveräner Nationalstaaten darf ebenfalls nicht verschwiegen werden: Ohne Einheit wird Europas Schicksal weiterhin von äußeren Mächten bestimmt werden. Selbst wenn auf den absehbaren amerikanischen Niedergang keine neue Hegemonie einer raumfremden Macht über Europa folgen sollte, Europa ist durch tausend Fäden mit dem Rest der Welt verbunden und unser Schicksal entscheidet sich nicht nur zwischen Atlantik und schwarzem Meer.
Für heutige Weltpolitik sind auch die größten europäischen Staaten zu klein. Doch wer den Fragen ausweicht, die sich aus dem Ziel europäischer Einheit ergeben, soll lieber schweigen.
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Rorschach
Wenn der ohnehin längst tote Nationalstaat überwunden wird, könnte das Ende des Schuldkults eingeläutet werden, der ja das Fundament der Bundesrepublik darstellt. Unsere Regierung, welche uns gerne austauschen möchte, würde verschwinden ("Merkel muss weg" reicht ja nicht) . Wenn wir uns als Europäer verstehen und aus dem Gefängnis "BRD" entkommen, verändert sich auch die demographische Katastrophe und eine Islamisierung würde erschwert (in unserem Staat ist sie alternativlos) . Abschließend sind noch die zukünftigen globalen Herausforderungen zu erwähnen, die interessant erscheinen (Migration, Weltmacht China, das grenzenlose Finanzsystem ect.)
Bin kein Experte und habe mich noch nicht tiefgehend mit der Thematik befasst aber es klingt interessant. Vielleicht liege ich auch total daneben.