Alle paar Jahre erinnern sich die Drehbuch-Schreiberlinge der einschlägigen öffentlich-rechtlichen Krimiserien von SOKO XY bis hin zum heiligen tatort jener verschmißten und stets gut gekleideten korporierten Kommilitonen, auf deren Häuser sie sich zu Studienzeiten nicht getraut haben. Von solcherlei Sehnsucht nach der Zeit an der eigenen alma mater ergriffen, klicken sie sich nächtelang durch Wikipediaartikel, schreiben hilflose Mails an die linken Verbindungsexperten, für deren Vorträge sie sich damals nicht interessiert haben und kochen sich aus diesem Sud von Sekundär- und Tertiärinformationen ein seichtes Süppchen.
Jedem, der einmal ein Verbindungshaus von innen gesehen hat, gereichen diese Machwerke finkenhafter Unbeholfenheit vor allem zum Amüsement. So genießt etwa der Münsteraner tatort mit dem charmanten Titel „Satisfaktion“ einen regelrechten Kultstatus unter Verbindungsstudenten; allerdings liegt das vermutlich eher daran, daß in jenem Fall durch den geschickten Einbau so mancher korporativer Schrulle ein durchaus realitätsnahes Bild dargestellt wird.
Anders hingegen eine aktuelle Produktion des ZDF, die vor kurzem unter dem Titel „SOKO Stuttgart – Goldene Zeit“ ausgestrahlt wurde. Der Plot ist rasch zusammengefaßt: Ein Mitglied der Burschenschafte Aurea Aetas Stuttgart wird erstochen auf dem Paukboden des Hauses gefunden. Tatwaffe ist – wie könnte es anders sein – ein Mensurschläger, der dem jungen Mann von hinten durch den Brustkorb gerammt wurde.
Auch sonst findet sich in der Aurea Aetas all‘ das, was sich ein findiger Rechercheur an Unheimlichkeit hinter den schweren, mit Wappen und Zirkeln beschnitzten Holztüren der Verbindungshäuser vorstellen kann: Frauen als willenlose Schmuckstücke der angesehen Burschen, ein Chargierter mit Hitler-Komplex, der seine Untergebenen mit Stasimethoden unter Druck setzt, brutalste Saufrituale für das einzige Jungmitglied, durch dessen weniger wohlhabenden sozialen Hintergrund die „Burschenschaftsbrüder“ ihren Elitismus gefährdet sehen und ein mächtiger Alter Herr, der mit staubtrockener Prinzipientreue auf den Conventen die Zügel in der Hand hält.
Mir bleibt gar nichts anderes übrig, als für solch eine filmische Leistung diese Woche den goldenen Lorbeerzweig zu verleihen. Ob die taffe Kommissarin das Komplott der Bundesbrüder aufdecken kann, wer wen zum Duell fordert und wie ein Bierjunge geht (Spoiler: So nicht), das erfahren meine geschätzten Leser hier. Wohl bekomm’s!
Maiordomus
Dass "Tatort" heute in den Feuilletons der Zeitungen unter "Kultur" läuft, gehört zu den nachgerade am stärksten zu denken gebenden Belegen und Symptomen einer absoluten Nullepoche des öffentlichen Geisteslebens.