Die Macht der Gewaltlosigkeit

Martin Sellner

Martin Sellner ist Kopf der österreichischen Identitären Bewegung.

Am 28. Janu­ar 2016 sitzt Jim Pal­mer, CEO von Camp­bell Edward, einer gro­ßen ame­ri­ka­ni­schen Wer­be­agen­tur, an sei­nem Schreib­tisch und fühlt sich erst­mals in sei­ner beein­dru­cken­den Kar­rie­re macht­los. Bereits am nächs­ten Tag wird er arbeits­los sein. War Jim Pal­mer ein mäch­ti­ger Mann? Wirt­schaft­lich betrach­tet: ja. Er war ein­fluß­reich, glaub­te an die Macht des Gel­des und ver­ach­te­te wahr­schein­lich die »unpro­duk­ti­ven« Ideo­lo­gen und Geis­tes­wis­sen­schaft­ler an den Unis. Doch an die­sem Tag zeig­te ihm genau die­se Grup­pe, was Macht sei: Es war die eMail-Ein­la­dung zu einer Kos­tüm­par­ty, ver­sandt von einem engen Mit­ar­bei­ter, die Pal­mer zu Fall brach­te. Das The­ma der Par­ty hieß »Ghet­to-Life«, und das Design spiel­te mit jenen Gangs­ter-Ste­reo­ty­pen, die von Schwar­zen selbst ger­ne in Rap- Vide­os ver­brei­tet werden.

Pal­mer bear­bei­te­te die­se Ein­la­dung nicht mit der ange­mes­se­nen »Sen­si­bi­li­tät«, das heißt: Er ver­ur­teil­te sie nicht scharf, brach­te den Fall nicht an die Öffent­lich­keit und ent­ließ sei­nen Mit­ar­bei­ter nicht. Die Ein­la­dungs­mail sowie Pal­mers Ver­säum­nis wur­den öffent­lich. Das reich­te, um die gesam­te Macht Pal­mers zu zer­stö­ren. Die »anti­ras­sis­ti­sche Agen­da«, die wirt­schaft­lich unbe­deu­ten­de Social jus­ti­ce war­ri­ors in häß­li­chen Hör­sä­len aus­ge­brü­tet hat­ten, konn­te die Kar­rie­re eines Wirt­schafts­ka­pi­täns in Augen­bli­cken been­den. Ein Ent­rüs­tungs­sturm in den lin­ken Medi­en – schon fürch­te­ten Pal­mers Stake­hol­der um ihr Geld. Sei­ne Ver­diens­te gal­ten nichts mehr, er muß­te gehen.

Mit Max Weber gespro­chen, bedeu­tet Macht »jede Chan­ce, inner­halb einer sozia­len Bezie­hung den eige­nen Wil­len auch gegen Wider­stre­ben durch­zu­set­zen, gleich­viel, wor­auf die­se Chan­ce beruht«. Es gibt ver­schie­dens­te Grund­la­gen für Macht – von sozia­lem Druck über ver­trag­li­che Eini­gung bis hin zum staat­li­chen Ober­be­fehl. Das Bei­spiel Jim Pal­mers zeigt: Auch die größ­te öko­no­mi­sche Macht besteht nur im Rah­men der und bei stil­ler Dul­dung durch die meta­po­li­ti­sche Macht. Die kul­tu­rel­le Hege­mo­nie, das ist für mich der Aus­gangs­punkt jeder ernst­haf­ten Ana­ly­se, ist das Zen­trum der poli­ti­schen Macht.

Kein Netz­werk und Ver­mö­gen kann so groß sein, daß es einen Ver- stoß gegen das mora­li­sche Regel­werk ermög­licht. Der meta­po­li­ti­sche Canos­sa­gang Hein­richs IV., der gegen die dama­li­ge »kul­tu­rel­le« Hege­mo­nie auf­be­gehr­te, fin­det heu­te tag­täg­lich statt. Die Hyper­mo­ral des Wes­tens hat dies zur Tages­ord­nung gemacht. Der Rah­men des Sag­ba­ren ist schnei- dend eng, eine macht­vol­le »Pries­ter­herr­schaft« der mul­ti­kul­tu­rel­len Intel­li­gen­zi­ja führt die schein­ba­ren Poten­ta­ten am Gän­gel­band. Was Anto­nio Gramsci in sei­nem Ver­gleich mit den west­li­chen-bür­ger­li­chen Gesell­schaf­ten und dem feu­da­lis­ti­schen Ruß­land her­aus­ar­bei­te­te, hat sich ver­schärft. Wir spre­chen heu­te von einem »Info­krieg«. Das Macht­zen­trum der euro­päi­schen Demo­kra­tien liegt nicht bei der Armee, der Poli­zei, dem Staat und auch nicht bei der Wirt­schaft. Es liegt in der öffent­li­chen Mei­nung. Macht haben die­je­ni­gen, die sie in Fern­seh­sen­dun­gen, Zei­tungs­ar­ti­keln, Vor­le­sun­gen, Thea­ter­stü­cken und Pop­songs erzeugen.

Es war Alain de Benoist, der in sei­nem bahn­bre­chen­den Werk die lin­ke Kul­tur­he­ge­mo­nie als Haupt­feind und die Erobe­rung der­sel­ben als Haupt­auf­ga­be einer Neu­en Rech­ten erkannt hat. Doch was der Neu­en Rech­ten weit­ge­hend fehl­te, war eine stra­te­gi­sche Hand­rei­chung für ihre Akti­vis­ten. Wie »kämpft« man als akti­vis­ti­sche Grup­pe am bes­ten in die- sem Infokrieg?

Im August 2015 sitzt ein jun­ger Mann in einer Gefäng­nis­zel­le in South Caro­li­na und ver­faßt auf einem Schreib­block sein »Mani­fest«. Es ist Dylann Storm Roof. Die Zei­len sind in unge­len­ker Block­schrift zu Papier gebracht. »We have no skin­heads, no real KKK, no one doing any­thing but tal­king on the  inter­net. Well someone has to have the bra­very to take it to the real world, and I guess that has to be me.« Was der 21jährige »White Natio­na­list« tat, war ein Amok­lauf in einer Kir­che in Charles­ton, bei der neun Schwar­ze starben.

Dylann woll­te mit die­ser Tat einen »Ras­sen­krieg«  aus­lö­sen.   Der   Race war und »Tag X«, also eine gro­ße jähe Wen­de, war lan­ge die Sehn­sucht natio­na­lis­ti­scher Akti­vis­ten. Die­ser Äqui­va­lent­my­thos zum kom­mu­nis­ti­schen Gene­ral­streik offen­bart ein fal­sches Ver­ständ­nis von Macht. Sie wird unre­flek­tiert mit Gewalt gleich­ge­setzt. Fast alle rechts­extre­men Grup­pen, die nach poli­ti­scher Macht streb­ten, waren daher gewalt­tä­tig und tra­ten mili­tant auf. Die gan­ze Bild­spra­che, das Auf­tre­ten und das Selbst­ver­ständ­nis ent­spra­chen dem des Stra­ßen­kämp­fers und poli­ti­schen Soldaten.

Die­se Ido­li­sie­rung der offe­nen und »ehr­li­chen Gewalt« läßt sich bis auf Geor­ges Sor­el zurück­füh­ren. Doch die­ser Fetisch ist ein schlech­ter Bera­ter für die poli­ti­sche Stra­te­gie von Auto­ri­tät heu­te. Han­nah Are­ndt hilft uns, die­ses Miß­ver­ständ­nis zu über­win­den. Gewalt ist nach Are­ndt nicht das Sub­strat der Macht; Gewalt ist eine Defi­zi­enz­form poli­ti­scher Herr­schaft, die in ihr Vaku­um wuchert. Die­se zeich­net sich stets durch Auto­ri­tät und ein gewohn­heits­mä­ßi­ges und unhin­ter­frag­tes Gehor­chen aus. Auto­ri­tät erfor­dert eine Akzep­tanz der Posi­ti­on des Befehls­ha­bers im Rah­men einer grö­ße­ren gesell­schaft­li­chen Ord­nung, die Macht­ha­ber und Macht­un­ter­wor­fe­ne glei­cher­ma­ßen umfaßt.

Die wah­re Macht hat daher den Quell der Legi­ti­ma­ti­on bestimmt, aus dem sich auch die Gren­zen der »poli­ti­schen Kor­rekt­heit« erge­ben. Der Refe­renz­punkt die­ser Kor­rekt­heit ist die herr­schen­de Ideo­lo­gie. Are­ndts Text, der zur Basis­lek­tü­re jedes lei­ten­den Akti­vis­ten gehö­ren soll­te, zieht auch die rich­ti­gen Schlüs­se aus die­ser Erkennt­nis: »Revo­lu­ti­on als Fol­ge des bewaff­ne­ten Auf­stands ist ein Mär­chen. […] Erst, wenn der Zusam­men­bruch der Staats­macht offen­kun­dig ist, begin­nen Rebel­len, sich zu bewaffnen.«

Gewalt spielt in vie­len revo­lu­tio­nä­ren Ver­än­de­run­gen eine Rol­le, aber nicht die ent­schei­den­de. Nur im Rah­men eines rei­nen mili­tä­ri­schen Sze­na­ri­os, in der Kon­fron­ta­ti­on zwei­er Armeen, zählt pri­mär die Gewalt. Are­ndt stellt klar: »Die Kluft zwi­schen staat­li­chen Gewalt­mit­teln und dem, womit sich das Volk not­falls bewaff­nen kann – von Bier­fla­schen und Pflas­ter­stei­nen bis Molo­tow-Cock­tails und Schuß­waf­fen – ist enorm.«

Bewaff­ne­te Ver­bän­de, Mobs, Siche­rungs- und Schlä­ger­trup­pen sind immer nur Rand­fi­gu­ren in poli­ti­schen Kon­flik­ten. Wer sich auf die­se Metho­den beschränkt, erle­digt meist nur die »Drecks­ar­beit« des Regime chan­ge, wie das offen­bar der ukrai­ni­sche »Rech­te Sek­tor« tat. Gewalt­tä­ti­ge Aktio­nen füh­ren in der Regel sogar zu einer Fes­ti­gung eines schwan­ken­den Sys­tems. Tat­säch­lich muß jeder, der die poli­ti­sche Lage ver­än­dern will, mit der Fließ­rich­tung der Macht arbei­ten. Iden­ti­tä­re Schu­lun­gen zu die­sem The­ma arbei­ten dazu mit einem Dia­gramm vom »Kreis­lauf der Macht«.

Der nor­ma­le Staat herrscht und hat Macht nur auf­grund sei­ner Legi­ti­ma­ti­on, aus der sei­ne Auto­ri­tät resul­tiert. Das Volk akzep­tiert die­se Ideo­lo­gie als Wahr­heit – und damit die Herr­schaft. Macht­aus­übung ohne Legi­ti­ma­ti­on wird von den Regier­ten als Gewalt und Will­kür wahr­ge­nom­men. Man muß sie dann mit­tels Repres­si­on zum Gehor­sam zwin­gen, was wei­te­ren Wider­stand erzeugt. Geht ihrer­seits nun der Wider­stand gewalt­tä­tig gegen den Staat und sei­ne Orga­ne vor, arbei­tet er gegen den Fluß der Macht.

Ech­te poli­ti­sche Arbeit setzt hin­ge­gen als Sub­ver­si­on bei der herr­schen­den Ideo­lo­gie an. Fal­len näm­lich deren Ideen und Begrif­fe, wird das ideo­lo­gi­sche Han­deln der Herr­schen­den als ille­gi­tim wahrgenommen.

Auf das Heu­te bezo­gen: Fällt die Kul­tur­he­ge­mo­nie des Refu­gees wel­co­me, wer­den die Grenz­öff­nun­gen, der Asyl­heim-Bau­wahn und die Remi­gra­ti­ons­ver­wei­ge­rung als das wahr­ge­nom­men, was sie – juris­tisch betrach­tet – bereits sind: Ver­bre­chen. Die Zer­schla­gung der Mul­ti­kul­ti-Ideo­lo­gie bedeu­te­te das Ende des sanf­ten Tota­li­ta­ris­mus, der unse­re Rechts­ord­nung geka­pert und den Arm des Geset­zes aus­ge­renkt hat. Die Schwä­chung der domi­nie­ren­den Begrif­fe und Bil­der ent­larvt das Han­deln der Herr­schen­den genau dort, wo es nicht mehr Recht und Gesetz schützt, son­dern einer Ideo­lo­gie folgt. Kurz gesagt: Erst wenn sich die öffent­li­che Mei­nung zur Mas­sen­ein­wan­de­rung ändert, wer­den sich die Geset­ze dazu ändern. Erst wenn der ideo­lo­gi­sche Bun­ker um die Main­stream­m­e­di­en gefal­len ist, wird eine Fes­tung Euro­pa auf­ge­baut wer­den können.

Die­se Erkennt­nis­se stel­len uns erneut vor die Fra­ge: »Was tun?« Wel­ches Ziel und wel­chen Auf­trag gibt man jun­gen Men­schen »mit Tem­pe­ra­tur­er­hö­hung«, die das bren­nen­de Gefühl haben, »etwas« tun zu müs­sen? Erneut geben uns hier lin­ke Den­ker Ant­wor­ten, wie sie auch Alain de Benoist für sei­ne Macht­ana­ly­se bei Gramsci fand.

Am 12. Janu­ar 2000 sitzt der lin­ke ser­bi­sche Akti­vist Srdˉa Popo­vic  in sei­nem Büro und schreibt an einer Rede, die er am Abend vor­tra­gen wird. Es ist der ser­bisch-ortho­do­xe Neu­jahrs­abend, und sei­ne Bewe­gung OTPOR hat zu einer Ver­samm­lung auf­ge­ru­fen. Tau­sen­de wer­den kom­men. OTPOR begann als eine klei­ne Grup­pe aus ver­träum­ten Stu­den­ten. Durch geziel­te und klug ein­ge­setz­te Tak­ti­ken der Non­vio­lent action gelang es ihnen, die Mas­se zu gewin­nen und zu akti­vie­ren. Ihr Ziel ist ein Regime chan­ge. Miloše­vic  soll ver­schwin­den. Die Akti­vis­ten wer­den mora­lisch und finan­zi­ell vom Wes­ten unterst­tützt, aber die Arbeit vor Ort müs­sen sie allei­ne tun.

An die­sem Abend wird OTPOR ihre fina­le Kam­pa­gne lan­cie­ren. Ein Jahr spä­ter ist Miloše­vic  abge­setzt und die poli­ti­sche Wirk­lich­keit in Ser­bi­en eine ande­re. Gezielt hat OTPOR das Regel­werk der Non­vio­lence ange­wandt: »Disper­si­ons­tak­ti­ken«, »Laugh­t­i­vism«, »Anti-Repres­si­ons­tech­ni­ken«, »sym­bo­li­sche Kon­fron­ta­tio­nen«, »Wider­stands­bran­ding«. Ziel: die Auto­ri­tät des Regimes zu schwä­chen und sei­ne gewalt­tä­ti­gen Reak­tio­nen anzu­pran­gern. Mit jeder Akti­on wuch­sen das Geläch­ter über die Herr­schen­den und die Anzahl der OTPOR-Mit­strei­ter. Die Stu­den­ten haben das alles nicht erfun­den. Sie hat­ten ein Hand­buch. Es stammt von Gene Sharp.

Sharp gilt als theo­re­ti­scher Vater der Non­vio­lent action (NVA). Der Poli­tik­wis­sen­schaft­ler hat  Wider­stand­for­men  (vom Ruhr­kampf  über Gan­dhi und Mar­tin Luther King bis zum »Ara­bi­schen Früh­ling«) kate­go­ri­siert, ihre Tak­tik und ihre Grand stra­tegy struk­tu­riert und eine Art »Anlei­tung für den Regime chan­ge« geschaf­fen.

Das Kon­zept der NVA ver­läuft in zwei Phasen:

 

  1. In der »Disper­si­ons­pha­se« wer­den über spek­ta­ku­lä­re Aktio­nen, die Akti­vis­ten und Sym­pa­thi­san­ten rekru­tie­ren, der Pro­test »gebran­ded« und die bes­ten Ele­men­te der Oppo­si­ti­on geeint. Sobald die Bewe­gung kam­pa­ge­nen­fä­hig ist, wer­den mit grö­ße­ren »meta­po­li­ti­schen Ope­ra­tio­nen« gezielt die tra­gen­den Ideen und Begrif­fe der herr­schen­den Ideo­lo­gie unter­gra­ben. Es kommt zu Legi­ti­mi­täts­ver­lust auf der einen und Akten des zivi­len Unge­hor­sams auf der ande­ren Seite.
  2. In der »Kon­zen­tra­ti­ons­pha­se« wird nach einem aku­ten »Auto­ri­täts­va­ku­um« mit ver­ein­ten Kräf­ten ein Platz besetzt, mit der For­de­rung, daß die Regie­rung zurück­tre­ten müs­se. Über den gesam­ten Pro­zeß hin­weg gibt es kei­ner­lei Anwen­dung von Immer müs­sen die mäch­ti­gen Geg­ner »den ers­ten Schlag« set­zen und wer­den mit Pro­vo­ka­ti­on und Sub­ver­si­on aus der Reser­ve gelockt.Mit Schüt­zen­hil­fe des Wes­tens wur­de das Ver­fah­ren in zahl­rei­chen soge­nann­ten Farb­re­vo­lu­tio­nen angewandt.
    Uns in West­eu­ro­pa steht ein sanf­ter Tota­li­ta­ris­mus gegen­über, des­sen Herr­schaft fast aus­schließ­lich in der öffent­li­chen Mei­nung liegt, wes­we­gen unser Kampf vor allem in ihren Medi­en stattfindet.Die Kern­fra­ge von Popo­vic und Sharp schließt an die Erkennt­nis­se von Are­ndt an: »Wenn du gegen Mike Tyson  antre­ten  müß­test,  wel­ches Feld wür­dest du wäh­len? Den Box­ring oder ein Schach­brett?« Das Schlag­wort Sharps, das er Ghan­di ent­lehnt, ist die »Non­ko­ope­ra­ti­on«, die »Nichtteilnahme«.Genaugenommen wird die »meta­po­li­ti­sche Wir­kung« einer Akti­on durch ihren »gewalt­frei­en« Aspekt erzielt. Geziel­te Nadel­sti­che gegen die Ner­ven­strän­ge der herr­schen­den Eli­te sind wir­kungs­vol­ler und nach­hal­ti­ger als Stra­ßen­ge­walt. Bild und Paro­le ste­hen im Vor­der­grund. Wäh­rend mili­tan­tes Vor­ge­hen immer zur stren­gen Geheim­hal­tung und der Bil­dung eines Unter­grunds zwingt, ermög­licht das gewalt­lo­se Vor­ge­hen eine Trans­pa­renz der eige­nen Zie­le und ihrer Akteu­re, was ihre Brei­ten­wir­kung und Anschluß­fä­hig­keit mas­siv steigert.Erica Cheno­veth, eine ame­ri­ka­ni­sche Mili­tär­stra­te­gin, hat in einer wis­sen­schaft­li­chen Stu­die die Erfol­ge gewalt­lo­ser und gewalt­sa­mer Bewe­gun­gen ver­gli­chen. Die Ergeb­nis­se sind bemer­kens­wert: Aufs Gan­ze gese­hen, waren zwi­schen 1900 und 2006 gewalt­lo­se Grup­pen dop­pelt so häu­fig erfolg­reich wie mili­tan­te. Cheno­veth sieht den Vor­teil gewalt­frei­en Vor­ge­hens in der gerin­ge­ren Schwel­le für die Teil­nah­me und der dadurch grö­ße­ren Peo­p­le power. Sie steigt mit der Anzahl der Teil­neh­mer, wel­che in die Wider­stands­be­we­gung invol­viert sind. Wenn drei Pro­zent der Bevöl­ke­rung in die Bewe­gung ein- und damit aus der herr­schen­den Ideo­lo­gie aus­ge­stie­gen sind, besteht nach Cheno­veths Unter­su­chun­gen eine sta­tis­ti­sche Erfolgs­chan­ce von rund 80 Prozent.Statt eine jähe Ent­schei­dung am Tag X zu erseh­nen, arbei­ten die gewalt­lo­sen Akti­vis­ten Schritt für Schritt an einem lang­fris­ti­gen, stra­te­gi­schen Pro­jekt: an der Stei­ge­rung und Kul­ti­vie­rung der Peo­p­le power und der Aus­trock­nung der Macht­quel­len der herr­schen­den Ideo­lo­gie. Deren Ver­tre­ter wis­sen das und wer­den ver­su­chen, mit Repres­si­on von oben und lin­kem Ter­ror von unten Oppo­si­ti­ons­be­we­gun­gen zu radi­ka­li­sie­ren und auf den Pfad der Gewalt zu drän­gen. Dage­gen gibt Gene Sharp als Losung die »gewalt­lo­se Dis­zi­plin« vor. Die­se erfor­dert meist mehr Schu­lung, Wil­lens­kraft und Idea­lis­mus und ist kein Aus­druck von Schwä­che, son­dern von Sou­ve­rä­ni­tät und Dis­zi­plin. Drei The­sen dazu:

     

    1. Gewalt­frei­heit ist nicht gleich Pazi­fis­mus. Gewalt­lo­ses poli­ti­sches Vor­ge­hen kann, aber muß nicht Aus­gang einer ideo­lo­gi­schen Ableh­nung jeder Gewalt Es geht ihm um das­sel­be wie jedem ande­ren poli­ti­schen Han­deln: um Machtgewinn.
    2. Gewalt­frei­heit ist erfolg­rei­cher. Gegen den sanf­ten Tota­li­ta­ris­mus und die Kul­tur­he­ge­mo­nie eines hyper­mo­ra­li­schen Staats ist gewalt­lo­ser Akti­vis­mus nach­weis­bar die praktikable
    3. Gewalt­frei­heit ist neu­rechts. Die Idee der »Kul­tur­re­vo­lu­ti­on von rechts«, mit der Benoist Gramscis meta­po­li­ti­sches Kon­zept über­nahm, führt kon­se­quent zu einer Stra­te­gie der gewalt­lo­sen Akti­on – Ist die kul­tu­rel­le Hege­mo­nie als Haupt­pro­blem erkannt, ist ein gewalt­lo­ser Info­krieg die logi­sche Konsequenz.

     

    Die­se unbe­ding­te Gewalt­lo­sig­keit einer neu­rech­ten, akti­vis­ti­schen Avant­gar­de ist daher nicht Aus­druck eines welt­frem­den Pazi­fis­mus. Sie will mit zivi­lem Unge­hor­sam die »klei­ne Ord­nung« stö­ren, die Dis­kurs­re­geln der herr­schen­de Ideo­lo­gie bre­chen und so den Arm des Geset­zes wie­der ein­ren­ken. Mit ihren Stra­ßen­thea­tern, sym­bo­li­schen Okku­pa­tio­nen und ästhe­ti­schen Inter­ven­tio­nen hat sich die Iden­ti­tä­re Bewe­gung bereits einen gewis­sen Bekannt­heits­grad erwor­ben. Es kommt jetzt dar­auf an, die Dis- per­si­ons­pha­se erfolg­reich abzu­schlie­ßen, kam­pa­gnen­fä­hig zu wer­den und, unbe­ein­druckt von Kri­mi­na­li­sie­rungs­ver­su­chen und links­extre­mem Ter­ror, den Weg des gewalt­lo­sen Wider­stands einzuhalten.

Martin Sellner

Martin Sellner ist Kopf der österreichischen Identitären Bewegung.

Nichts schreibt sich
von allein!

Das Blog der Zeitschrift Sezession ist die wichtigste rechtsintellektuelle Stimme im Netz. Es lebt vom Fleiß, von der Lesewut und von der Sprachkraft seiner Autoren. Wenn Sie diesen Federn Zeit und Ruhe verschaffen möchten, können Sie das mit einem Betrag Ihrer Wahl tun.

Sezession
DE58 8005 3762 1894 1405 98
NOLADE21HAL

Kommentare (0)