Rückzug aus Algerien – eine Lehre

Geschich­te wie­der­holt sich nicht, so wis­sen wir oder glau­ben zu wis­sen. Doch sie kann vor­aus­grei­fen, kann anti­zi­pie­ren, und dies zumeist uner­kannt, ja unbe­wußt. Nur weni­ge, die in die Gescheh­nis­se ihrer Zeit invol­viert sind und zugleich in aus­rei­chen­der Distanz zu ihnen leben, ver­mö­gen es, die Zei­chen oder Mene­te­kel aus­zu­ma­chen, die Zukünf­ti­ges sym­bo­lisch oder real vor­weg­neh­men. Geschichts­träch­ti­ge Ereig­nis­se erschöp­fen ihr Poten­ti­al sel­ten in der Tages­ak­tua­li­tät, und was gebo­ren wird, wächst sich aus. Frei­lich kann es sehr lan­ge dau­ern, bis etwas aus der Ver­gan­gen­heit in der Zukunft aus­ge­tra­gen sein wird.

Der Krieg in Alge­ri­en wur­de von vie­len, zumeist fran­zö­si­schen Betei­lig­ten, als epo­cha­le Zäsur wahr­ge­nom­men. Der Ver­lust des Dépar­te­ment fran­çais Alge­ri­en war für sie auch ein Ver­häng­nis, das weit über Frank­reich hin­aus­grei­fen wür­de. Das ahn­ten die Sol­da­ten und euro­päi­schen Sied­ler (Colons oder Pieds-noirs genannt) am Atlas. Damals als unver­bes­ser­li­che Impe­ria­lis­ten und bald schon als Faschis­ten geschmäht, ver­steht man erst heu­te, was sie geahnt haben könnten.

Die bewaff­ne­te Orga­ni­sa­ti­on de l’armée secrè­te (Orga­ni­sa­ti­on der gehei­men Armee), kurz OAS, lie­fer­te den alge­ri­schen Akti­vis­ten des FLN sowie spä­ter den fran­zö­si­schen Sicher­heits­or­ga­nen ein blu­ti­ges Rück­zugs­ge­fecht, das sich heu­te ange­sichts neue­rer dys­to­pi­scher Ahnun­gen aus der Feder eines Boua­lem San­sal (2084) oder Michel Hou­el­le­becq (Unter­wer­fung) als Vor­hut neu­er, wei­ter rei­chen­der Rück­zü­ge ausnimmt.

Memoi­ren von Gene­rä­len genie­ßen lite­ra­risch wie his­to­risch einen eher schlech­ten Ruf. Eine Aus­nah­me bil­den aus­ge­rech­net die­je­ni­gen de Gaulles, des Geg­ners von Luft­waf­fen­ge­ne­ral Mau­rice Chal­le (1905 –1979), des eins­ti­gen Ober­be­fehls­ha­bers der 10. fran­zö­si­schen Mili­tär­re­gi­on, Alge­ri­en. Des­sen Erin­ne­run­gen, Stel­lung­nah­men, Rück- und Aus­bli­cke wur­den unter dem Titel Not­re Révol­te / Unse­re Revol­te zusam­men­ge­faßt und 1968 veröffentlicht.

In die­sem Jahr, das die Mai-Revol­ten der Lin­ken in Paris sehen soll­te, begna­dig­te de Gaul­le den Put­schis­ten des Jah­res 1961 nach knapp sie­ben­jäh­ri­ger Haft. Die­se Memoi­ren, die der Autor gleich­wohl nicht als sol­che bezeich­nen moch­te, sind ein lei­den­schaft­li­ches Plä­doy­er für das Han­deln nach Maß­ga­be des eige­nen Gewis­sens und eines ein­mal gege­be­nen Ver­spre­chens, und zwar auch dann, wenn das Han­deln gegen die legi­ti­me staat­li­che Ord­nung gerich­tet ist. Ähn­lich übri­gens, wie es der frisch ernann­te Gene­ral de Gaul­le 1940 selbst getan hat­te, als er sich nach Lon­don absetz­te und damit die Kapi­tu­la­ti­on sei­ner Regie­rung vor Deutsch­land rund­weg ablehnte.

Mau­rice Chal­le beschreibt enga­giert, unro­man­tisch und mit gera­de­zu sehe­ri­scher Nüch­tern­heit, die nur aus dem haut­na­hen Mit­er­le­ben stam­men kann, das Schei­tern Euro­pas (er spricht mehr­fach aus­drück­lich von Occi­dent) in Nord­afri­ka. Man lernt etwas über den unbarm­her­zi­gen Cha­rak­ter des revo­lu­tio­nä­ren Krie­ges, dem sich die Kämp­fer des FLN, der Befrei­ungs­front für ein unab­hän­gi­ges Alge­ri­en, ver­schrie­ben hat­ten und wel­cher den poli­ti­schen Ent­schei­dungs­trä­gern im fer­nen Paris stets wie »Sans­krit« vor­ge­kom­men sein muß, so der bis­si­ge Aus­druck des Experten.

Man nimmt teil am Frust eines Mili­tärs, der mit küh­nen Ope­ra­tio­nen dabei war, in den Dje­bels des Hin­ter­lan­des den Krieg mili­tä­risch zu gewin­nen, den die Regie­rung kurz dar­auf poli­tisch ver­spie­len wür­de. Man staunt über sein ach­tungs­vol­les Ver­ste­hen der mus­li­mi­schen Men­ta­li­tät, die Loya­li­tä­ten eher an Respekts­per­so­nen knüpft denn an abs­trak­te Ver­wal­tungs­nor­men anony­mer Appa­ra­te. Schließ­lich erfährt man Nähe­res zu dem Umsturz­ver­such einer Grup­pe hoher Mili­tärs vom 21. bis 25. April 1961, zu deren Füh­rung er gehört hat­te und des­sen Schei­tern in der feh­len­den Ein­heit der fran­zö­si­schen Armee sowie im noch intak­ten Nim­bus des Welt­kriegs­hel­den de Gaul­le begrün­det lag. Die dar­auf fol­gen­den Säu­be­run­gen, die bis in die bun­des­deut­schen Gar­ni­so­nen reich­ten, schwäch­ten die Armee auf Jah­re hin­aus und lie­ßen sie in den Augen ihrer alge­ri­schen Geg­ner an Ach­tung einbüßen.

Bei all­dem ist Mau­rice Chal­le weder ein glü­hen­der Impe­ria­list noch ein Anhän­ger einer Mili­tär­dik­ta­tur zur Ret­tung eines fran­zö­si­schen Alge­ri­ens. Er ist viel­mehr ohne Illu­sio­nen über das Schick­sal der Euro­pä­er in Afri­ka wie über das der Alge­ri­er nach dem Rausch der Unab­hän­gig­keit von Frank­reich. Das Abtre­ten Alge­ri­ens an eine ter­ro­ris­ti­sche Orga­ni­sa­ti­on wie den FLN war in sei­nen Augen kein Akt der De-Kolo­ni­sie­rung, die er im Grund­satz begrüßt, für die es aber ver­nünf­ti­ge Ver­hand­lungs­part­ner und eine inne­re Sta­bi­li­tät gebraucht hät­te. Alge­ri­en hat­te man viel­mehr an Ter­ro­ris­ten aus­ge­lie­fert, um so rasch wie mög­lich zu einem Frie­den zu gelan­gen. Die euro­päi­sche Bevöl­ke­rung, die 1958 noch voll Hoff­nung auf die Rück­kehr de Gaulles ins höchs­te Staats­amt geblickt hat­te, vor allem, nach­dem er die magi­schen Wor­te »Je vous ai com­pris!« aus­sprach (»Ich habe euch ver­stan­den!«, was immer noch anders klingt als »Wir schaf­fen das«), wur­de mehr oder weni­ger sich selbst überlassen.

Was nüt­ze es da, Fran­zo­se zu sein, wenn einem die Keh­le durch­schnit­ten wür­de, fragt Chal­le bit­ter. Altru­is­tisch sei man nur, solan­ge es nicht an das eige­ne Leben gehe, hält er den betont huma­nis­ti­schen Stim­men aus dem fer­nen Mut­ter­land ent­ge­gen. Am Ende steht die Ein­sicht eines alt­ge­dien­ten Mili­tärs, der weiß, daß man sich bei der Men­schen­füh­rung nicht allein auf Wor­te, son­dern eben­so auf die Qua­li­tät von Bli­cken ver­las­sen müsse.

Die OAS ist Ver­gan­gen­heit. In der Wun­de der Pieds-noirs hat­te sie sich als Wund­brand ent­wi­ckelt und hielt sie somit über Jah­re offen, als Paris und das Mut­ter­land von dem Schick­sal ihrer Mit­bür­ger auf der ande­ren Sei­te des Mit­tel­mee­res schon nichts mehr wis­sen woll­ten. Sie wur­de in der hys­te­ri­schen Pha­se nach dem Mili­tär­putsch von fran­zö­si­schen Intel­lek­tu­el­len der selbst­ge­wis­sen Haupt­stadt gar als faschis­tisch ver­femt, obwohl in ihr neben den kon­ser­va­ti­ven Mili­tärs katho­li­sche Tra­di­tio­na­lis­ten, rechte

Revo­lu­tio­nä­re, lin­ke Gewerk­schaft­ler und auch ehe­ma­li­ge Résis­tance- Kämp­fer eine Akti­ons­platt­form gefun­den hat­ten. Sogar eini­ge weni­ge jüdi­sche Mit­glie­der und Sym­pa­thi­san­ten hat­te sie, wel­che die Orga­ni­sa­ti­on an der Sei­te israe­li­scher Sied­ler­be­we­gun­gen im Dau­er­kampf mit ara­bi­schen Ansprü­chen ver­or­ten woll­ten. Allen gemein­sam war der Ein­satz für ein fran­zö­si­sches Alge­ri­en. Hin­zu kam das  psy­cho­lo­gi­sche Trau­ma vie­ler jun­ger Offi­zie­re, denen das Fol­tern gefan­ge­ner FLN-Kämp­fer befoh­len wor­den war und die man nach der abrup­ten poli­ti­schen Kehrt­wen­de mit die­ser Schuld allei­ne ließ.

Den­noch ist unbe­strit­ten: Die OAS wähl­te den Weg des Ter­rors, vor allem dann, als Plä­ne, einen Maquis (Bezeich­nung fran­zö­si­scher Par­ti­sa­nen wäh­rend des Zwei­ten Welt­kriegs) in Gebie­ten befreun­de­ter mus­li­mi­scher Stäm­me zu grün­den, buch­stäb­lich im San­de ver­lie­fen und Pro­pa­gan­da­ak­tio­nen wie Graf­fi­ti oder die Inbe­trieb­nah­me eines Pira­ten­sen­ders ange­sichts der sich zuspit­zen­den Lage nicht mehr aus­rei­chend erschienen.

Begon­nen hat­te sie im Aus­land, in Fran­co-Spa­ni­en, wo sich in Madrid die zivi­le Bewe­gung FAF (Front de l’Algerie fran­çai­se) einen gehei­men Zweig zuleg­te, der spä­ter den Namen OAS erhielt. Gegrün­det wur­de sie von Zivi­lis­ten, die nicht am Putsch der Gene­rä­le in Alge­ri­en betei­ligt waren (ent­ge­gen manch fal­scher Dar­stel­lung). Schlag­kräf­tig wur­de sie aber erst durch den Ein­tritt hoher Offi­zie­re, dar­un­ter des ehe­ma­li­gen Ober­be­fehls­ha­bers der fran­zö­si­schen Armee in Alge­ri­en und eines der spä­te­ren Köp­fe des Put­sches Raoul Salan, dem sogleich die Füh­rung der Orga­ni­sa­ti­on über­tra­gen wur­de. Obwohl bereits wäh­rend der legen­dä­ren Schlacht um Algier 1956 eine rege Zusam­men­ar­beit zwi­schen Zivi­lis­ten und Mili­tärs bestan­den hat­te, gestal­te­te sich die­se inner­halb der OAS beson­ders schwie­rig. Es räch­te sich nun, daß die Orga­ni­sa­ti­on ein Sam­mel­su­ri­um an Strö­mun­gen ver­ei­nen und zu einer gemein­sa­men Linie ver­pflich­ten wollte.

Es fehl­te ihr eine kla­re poli­ti­sche Stra­te­gie eben­so wie eine effi­zi­en­te Füh­rung im Unter­grund­kampf, und dies, obwohl aus­ge­rech­net die Mili­tärs als Spe­zia­lis­ten des revo­lu­tio­nä­ren Krie­ges gal­ten. Trotz­dem gelan­gen ihr mit der Zeit zum Teil spek­ta­ku­lä­re Aktio­nen, wie 1962 die Ein­nah­me des euro­päi­schen Stadt­teils von Algier, Bab-el- Oued, der als eine Art euro­päi­sches Masa­da von Ara­bern und fran­zö­si­schen Ord­nungs­kräf­ten glei­cher­ma­ßen befreit wer­den soll­te. Die Fol­ge waren wochen­lan­ge Stra­ßen­kämp­fe mit der regu­lä­ren Armee. Den über- wie­gen­den Teil des Reper­toires jedoch bil­de­ten Atten­ta­te, die erst selek­tiv, spä­ter auch blind­lings vor­ge­nom­men wur­den und in der End­pha­se, als die Unab­hän­gig­keit Alge­ri­ens unum­kehr­bar gewor­den war, in eine Poli­tik der ver­brann­ten Erde (Terre brûlée) ein­mün­de­ten.

Der Ter­ror ver­la­ger­te sich bald auch nach Frank­reich, wo man ver­such­te, den Prä­si­den­ten der Fünf­ten Repu­blik, Gene­ral de Gaul­le, zu liqui­die­ren, so wie es im berühm­ten Thril­ler Der Scha­kal von Fre­de­rick For­syth beschrie­ben wird. Das bekann­te Atten­tat von Petit-Clamart hin­ge­gen, bei dem Oberst­leut­nant Bas­tien-Thiry gleich­sam zu einem Stauf­fen­berg der fran­zö­si­schen radi­ka­len Rech­ten avan­cier­te, ent­sprang nicht ihrer Pla­nung (auch hier gibt es nach wie vor fal­sche Darstellungen).

Das Ende der OAS in Frank­reich zeich­ne­te sich ab, als die Anschlä­ge völ­lig Unbe­tei­lig­te tra­fen, wie 1962 beim Angriff auf den Wohn­sitz von André Mal­raux, bei dem das Mäd­chen Del­phi­ne Renard schwer ver­letzt wur­de, was den Kampf der OAS bei der Bevöl­ke­rung end­gül­tig in Miß­kre­dit brach­te. Zwar ver­such­ten Akti­vis­ten auf die vie­len vom FLN ermor­de­ten Kin­der der Colons auf­merk­sam zu machen, doch war die media­le Schlacht end­gül­tig verloren.

Die OAS hat kei­nes ihrer Zie­le je erreicht: Sie konn­te nicht wesent­lich Ein­fluß auf die Regie­rung in den Ver­hand­lun­gen mit dem FLN neh­men. Im Gegen­teil, sie dien­te dem FLN sogar noch als pro­pa­gan­dis­ti­sche Muni­ti­on, um poli­tisch Druck aus­zu­üben. Auch konn­te sie den mas­sen­haf­ten Exodus der euro­päi­schen Bevöl­ke­rung aus Alge­ri­en weder stop­pen noch wirk­sam decken, und dies trotz eines Geheim­ab­kom­mens mit dem FLN in Algier. Dem Mas­sa­ker an der Zivil­be­völ­ke­rung von Oran am 5. Juli 1962, bei dem auch pro-fran­zö­si­sche Alge­ri­er zu den Opfern ent­hemm­ter Tei­le der FLN gehör­ten, muß­te sie macht­los zusehen.

Die OAS wur­de schließ­lich zum Mythos, ja bei­na­he schon zum Wie­der­gän­ger in der fran­zö­si­schen Innen­po­li­tik. In den Rei­hen des Front Natio­nal um Jean-Marie Le Pen, der zwar in Alge­ri­en gedient hat­te, jedoch nie Mit­glied der OAS gewe­sen war, wit­ter­te man regel­mä­ßig ehe­ma­li­ge Akti­vis­ten. Gleich­wohl griff der Patri­arch des FN in einer Rede 1992 in Niz­za das Motiv ihres Kamp­fes auf, um ihm sogleich eine bri­san­te Aktua­li­tät zuzu­wei­sen: Der dama­li­ge Kampf für ein fran­zö­si­sches Alge­ri­en sei die Vor­be­rei­tung gewe­sen für den anste­hen­den Kampf für ein fran­zö­si­sches Frankreich.

Aus­blick: Wie hältst Du es mit der Gewalt?

Krieg­füh­ren­de tau­schen Eigen­schaf­ten aus, so heißt es lapi­dar. Daß man vom Geg­ner ler­nen kön­ne, gilt eben­so als bel­li­zis­ti­sche Bin­sen­weis­heit. Den­noch kann man ihn nie imi­tie­ren, Kon­text und Men­ta­li­tät müs­sen berück­sich­tigt wer­den. Sicher liegt auch hier ein Grund für das Schei­tern der OAS, die als eine Art »fran­zö­sisch-euro­päi­scher FLN« eben­bür­tig Ant­wort geben woll­te und bald fest­stel­len muß­te, daß die­se Form der Gewalt bei ihren Lands­leu­ten fern des Maghreb auf kei­ner­lei Ver­ständ­nis stieß. Obwohl gera­de die Mili­tärs unter ihren Mit­glie­dern Mao Tse­tung gele­sen hat­ten, der lehr­te, in einem Gue­ril­la­krieg müs­se auf­grund des mili­tä­ri­schen Ungleich­ge­wichts beson­de­rer Wert auf den inne­ren Zusam­men­bruch des Fein­des gelegt wer­den, oder in Maos poe­ti­schem Stil gespro­chen: »das Netz breit aus­wer­fen und eng zusam­men­zie­hen«, gelang es nie, eine wirk­sa­me Sub­ver­si­on zu entwickeln.

Der Feind, der FLN, war im Gegen­zug bereits früh an meh­re­ren Fron­ten aktiv, ins­be­son­de­re ab dem Zeit­punkt, als er mili­tä­risch de fac­to besiegt war. Wich­ti­ge Schau­plät­ze waren die Mobi­li­sie­rung der inter­na­tio­na­len Öffent­lich­keit sowie die Ein­wur­ze­lung in die (damals schon) in Frank­reich arbei­ten­den Alge­ri­er. So wur­den harm­los klin­gen­de Par­al­lel-Gewerk­schaf­ten gegrün­det, um der Pro­pa­gan­da und der »Spen­den­samm­lung« unter den alge­ri­schen Arbei­tern eine lega­le Fas­sa­de zu ver­lei­hen. Aus einem Kom­mu­ni­qué der Orga­ni­sa­ti­on von 1958, das im befreun­de­ten Kai­ro ver­faßt wor­den war, geht her- vor, wie der lega­le Rah­men Frank­reichs hem­mungs­los aus­ge­nutzt wer­den soll­te, da nur die Sou­ve­rä­ni­tät Alge­ri­ens Loya­li­tät ver­die­ne. All dem war die OAS nicht gewach­sen und hat­te nichts Ver­gleich­ba­res ent­ge­gen­zu­set­zen. Vor allem aber fehl­te ihr in Zei­ten der all­ge­mei­nen Ent­ko­lo­ni­sie­rung die inter­na­tio­na­le Rückendeckung.

Was hat die­ser Rück­griff auf eine ver­gan­ge­ne Peri­ode mit unse­rem Heu­te zu tun? War­um sich mit einem Phä­no­men wie der OAS über­haupt beschäf­ti­gen? Zum einen war sie der gewalt­sa­me Aus­druck einer damals noch kaum bewuß­ten Angst vor einem grö­ße­ren Rück­zug, der, wie ein­gangs gesagt, nicht auf das fran­zö­si­sche Alge­ri­en allein beschränkt blei­ben wür­de. Doch auch aus der fehl­ge­schla­ge­nen Stra­te­gie las­sen sich Leh­ren für den Kampf in der längst begon­ne­nen Neu-Kolo­ni­sie­rung Euro­pas durch die Kul­tur des Islams ziehen.

Hier­zu lohnt sich ein kur­zer Blick auf einen ande­ren revo­lu­tio­nä­ren Kampf, an des­sen Ende eben­so eine natio­na­le Unab­hän­gig­keit stand: Gan­dhis gewalt­lo­se Kam­pa­gnen gegen die bri­ti­sche Kolo­ni­al­ver­wal­tung Indi­ens. Man ver­gißt hier­zu­lan­de schnell, daß Gan­dhi zual­ler­erst indi­scher Natio­na­list war! Fußend auf der Dar­stel­lung des unbe­que­men indi­schen Psy­cho­lo­gen Ashis Nan­dy, der sich inten­siv mit den psy­cho­lo­gi­schen Impli­ka­tio­nen von Gan­dhis Kampf befaßt hat, könn­te man fol­gen­des in Betracht zie­hen: Wie wäre es, wenn man kei­ne Anpas­sungs­leis­tung an  die Kampf­me­tho­de des aggres­si­ven Islams erbrin­gen wür­de, son­dern kon­se­quent des­sen ent­schlos­se­ne Anti­the­se verkörperte?

Wie wäre es, wenn man die Ste­reo­ty­pe der Leit­me­di­en umkeh­ren, die tra­dier­ten Bil­der auf den Kopf stel­len und ihnen kei­nen Gefal­len mehr tun wür­de und das Kli­schee der dump­fen, rech­ten Gewalt­tä­tig­keit durch­brä­che? Wie wäre es, wenn man den Geg­ner dis­kre­di­tie­ren wür­de, anstatt sei­ne Metho­den zu kopie­ren? Wie wäre es schließ­lich, wenn man den Geg­ner durch emo­tio­na­le Dis­zi­plin in sei­ner über­sen­si­blen Emo­tio­na­li­tät tref­fen und so zu tak­ti­schen Feh­lern ver­lei­ten wür­de? Bei die­sen Impul­sen, die sicher schon in der Dis­kus­si­on sind, gilt frei­lich auch, daß Gewalt als legi­ti­me Not­wehr in ihrem Recht unan­ge­tas­tet bleibt.

Die schwa­chen Ner­ven gro­ßer Tei­le der (west-)deutschen Ver­wöhn­ge­sell­schaft wür­den nichts ande­res ertra­gen oder ver­ste­hen. Die­se Tei­le gilt es zu gewin­nen, möch­te man sich nach­hal­tig eta­blie­ren. Doch soll­te ihnen eines gezeigt wer­den: Gewalt­lo­sig­keit heißt nicht Kampflosigkeit.

Nichts schreibt sich
von allein!

Das Blog der Zeitschrift Sezession ist die wichtigste rechtsintellektuelle Stimme im Netz. Es lebt vom Fleiß, von der Lesewut und von der Sprachkraft seiner Autoren. Wenn Sie diesen Federn Zeit und Ruhe verschaffen möchten, können Sie das mit einem Betrag Ihrer Wahl tun.

Sezession
DE58 8005 3762 1894 1405 98
NOLADE21HAL

Kommentare (0)