Der bewegte Mann

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

Was sehen wir? Sie­ben Per­so­nen. Sechs davon agie­ren defi­ni­tiv eine männ­li­che Rol­le aus. Bei der sieb­ten, ganz rechts im Bild, blieb die geschlecht­li­che Zuwei­sung auch unter Hin­zu­zie­hung wei­te­rer Bil­der allen Betrach­tern unklar. Das ist des­halb bemer­kens­wert, weil sie als ein­zi­ge Per­son unver­schlei­ert »Gesicht zeigt«. Drei Män­ner sind in die­ser Auf­nah­me ver­deckt, jedoch tra­gen auch sie Kapu­zen und zum Teil Son­nen­bril­len. Wir sehen fer­ner eine zelt­ähn­li­che Über­da­chung und ein Ban­ner, das sich auf­grund typo­gra­phi­scher Eigen­hei­ten  als  Wer­be­stoff der Par­tei »Die Lin­ke« zuord­nen läßt. Was ist da los? War­um der Gletscherlook?

Der 17. Febru­ar 2017, der Auf­nah­me­tag des Pho­tos, ging weder auf­grund einer beson­de­ren Inten­si­tät der Son­nen­strah­lung noch einer extre­men Käl­te in die meteo­ro­lo­gi­schen Anna­len des Land­krei­ses Saa­le­kreis ein. Die Kluft dien­te der Tar­nung. Denn: Das hier abge­bil­de­te Per­so­nal war Teil eines Auf­mar­sches, der sich gegen die Win­ter­aka­de­mie des Insti­tuts für Staats­po­li­tik (IfS) rich­te­te. Unter dem Kampf­ruf »IfS dicht­ma­chen!« hat­ten im Vor­feld sowohl an Uni­ver­si­tä­ten als auch in sach­sen-anhal­ti­schen Klein­städ­ten mehr als ein Dut­zend »Mobi­li­sie­rungs­ver­an­stal­tun­gen« statt­ge­fun­den, auf denen dazu auf­ge­ru­fen wur­de, miß­li­e­bi­ge Ein­stel­lun­gen mund­tot zu machen.

Bemer­kens­wert: Sogar auf die­sen oft stun­den­lan­gen »Mobi-Tref­fen« inner­halb  uni­ver­si­tä­ren, mit­hin staat­li­chen Gelän­des wur­de so sorg­sam wie loo­kis­tisch sor­tiert. Als »Inte­res- sent« ging nur durch, wer links genug aus­sah. Wer den links­ra­di­ka­len Äußer­lich­keits­kri­te­ri­en nicht voll­ends ent­sprach, wur­de hin­aus­kom­pli­men­tiert – so gesche­hen in Hal­le und Dres­den. In Leip­zig und Mer­se­burg hin­ge­gen war die Tar­nung wohl geschmei­dig genug.

Knapp ein­hun­dert Men­schen folg­ten letzt­lich dem breit­ge­streu­ten Ruf (es rie­fen unter ande­rem: Bünd­nis Auf­ste­hen gegen Ras­sis­mus Mit­tel­deutsch­land; Bünd­nis Quer­furt für Welt­of­fen­heit; SDS.Die Lin­ke MLU) ins erklär­te Fein­des­land Schnell­ro­da.  Sie  zogen  kra­kee­lend, mit­tel­fin­ger­stre­ckend und ban­ner­schwen­kend (»Int­e­lek­tu­el­le [sic!] Rech­te halt’s Maul!«) durchs Dorf.

Nun also die­se Grup­pe hier. Wid­men wir uns der drit­ten Per­son, von rechts gese­hen. Hän­de ver­gra­ben in Blue­jeans, das Kinn im schwar­zen Mega­schal ver­bor­gen, die Augen son­nen­bril­len­be­deckt, das emp­find­li­che Haupt dop­pelt gehü­tet sowohl von Base­cap als auch von einer Kapu­ze. Blei­ben sicht­bar: Wan­gen­par­tie, strich­för­mig gespreiz­te Lip­pen, Naso­la­bi­al­be­reich. Der kecke Spruch über Mother’s baby, father’s may­be fin­det hier defi­ni­tiv kei­nen Anker: Das ist ganz offen­kun­dig, allen Tarn­ver­su­chen zum Trotz, das jun­ge Ant­litz eines Ralf Stegner!

Ist es wirk­lich: Der uns hier so recht­wink­lig angrient, ist Fabi­an Ste­g­ner, sei­nes Zei­chens Sohn von Ralf, dem Links­aus­le­ger und stell­ver­tre­ten­den Bun­des­vor­sit­zen­den der SPD, Chef sei­ner schles­wig­hol­stei­ni­schen Lan­des­par­tei. Es ging oft über die »vater­lo­se Gesell­schaft« (Alex­an­der Mit­scher­lich); hier wäre ein Gegen­bei­spiel. Der Nach­kriegs­ge­nera­ti­on war oft ihr krank­haf­ter Bruch mit den »Vätern« vor­ge­wor­fen wor­den – hier fin­den wir ein Indiz des Gegen­teils: der Über­iden­ti­fi­ka­ti­on. Papa Ralf hat­te sich gele­gent­lich so sehr im Ton gegen­über der poli­ti­schen Kon­kur­renz ver­grif­fen, daß es straf­recht­lich rele­vant wurde.

Sohn Fabi­an (einer von drei Ste­g­ner-Söh­nen) nun stu­diert, rund 450 Kilo­me­ter von Mama und Papa ent­fernt, in Halle/Saale Lehr­amt für För­der­schu­len. Fabi­an hat sein Twit­ter-Kon­to mons­trös durch kom­mu­nis­ti­sche Sym­bo­lik ver­ziert. Wäh­rend der Papa oft mehr­mals in der Stun­de zwit­chert (Sachen wie »mein Musik­tipp für Euch da drau­ßen«; Rein­hard Mey, Sweet Baby et al.), ver­hält es sich mit dem Schnä­bel­chen des Soh­ne­manns anders, da gibt es über Mona­te Lade­hem­mung. Auch kei­ne Stel­lung­nah­me zu jenen Kom­bat­tan­ten in Schnell­ro­da, die da skandierten:

»Faschofres­se, Kin­der­schreck, haut Kubit­schek die Zäh­ne weg!« Artig hin­ge­gen der Tweet des Jung­stu­den­ten von anno 2013: »Heu­te per Brief­wahl bei­de Stim­men der SPD gege­ben. Ver­än­de­rung durch Bewe­gung! Jetzt!«

Ich bewe­ge mich bedeu­tet à la Fabi­an: Taschen­bil­lard, Schal­kra­gen hoch­zie­hen, fami­li­är beding­te Mund­win­kel­an­span­nung. Papa Ralf hat­te im Mai 2016 dazu auf­ge­ru­fen, »Rechts­po­pu­lis­ten und ihr Per­so­nal« anzu­grei­fen. An die­ser Stel­le fehlt der Platz, sämt­li­che seit­her erfolg­ten Anschlä­ge auf AfD-Büros, Autos und Info­stän­de der SPD-Kon­kur­renz auf­zu­zäh­len. Jedoch: Das Fünk­chen lodert fort! So unter­stützt der Stu­die­ren­den­rat der Mar­tin-Luther-Uni­ver­si­tät Hal­le (wie­wohl nur mit einem hoch­schul­po­li­ti­schen Man­dat aus­ge­stat­tet) einen soge­nann­ten »Arbeits­kreis Pro­test«, und zwar mit bis zu 9259 Euro im Jahr. Die­ser Kreis arbei­tet eng mit dem Bünd­nis Hal­le gegen Rechts zusam­men und hat sei­ne Aus­rich­tung ent­spre­chend angepaßt.

Auch  die  Aktio­nen gegen »Schnell­ro­da« wur­den aus die­sem Säckel geför­dert. Ach, Stu­den­ten­rat, Stu­den­ten­par­la­ment! (Par­don: Heu­te heißt es »geschlech­ter­ge­recht« Stu­die­ren­den­dings.) Wo ist die Legi­ti­ma­ti­on für eine Agit­prop-Trup­pe, wenn die Wahl­be­tei­li­gung unter 20 Pro­zent liegt?

Wir wei­chen ab. Es ging um Fabi­an Ste­g­ner und sein Ver­mum­mungs­spiel. Es gibt auf You-Tube einen sel­ten gese­he­nen Film­schnip­sel, der unter der Such­an­fra­ge »Haben die Alten unse­re Zukunft ver­saut?« leicht zu fin­den ist. Dort wird Ste­g­ner jun. gemein­sam mit Johan­nes Kret­sch­mann (»Dr Ernscht dr Lage«; Sohn des baden-würt­tem­ber­gi­schen Lan­des­va­ters  Win­fried Kret­sch­mann) unver­hüllt inter­viewt. Die Auf­nah­me datiert von 2012. Der Ste­g­ner­fi­li­us trägt hier ein Bot­schafts-T-Shirt mit der Auf­schrift »Sta­te­l­ess. No lea­ders. No nati­ons. No bor­ders« zur Schau. Ste­g­ner raucht. Und wie!

Ja, wie denn? Ich habe es mir auf der Life­style-Netz­sei­te pinehearts.at erläu­tern las­sen. Dort: »Im Gegen­satz zu Frau­en, wo man die­se Ges­tik fast nie sieht, erkennt man dies bei vie­len Män­nern, die die Ziga­ret­te ›aus der Hand­flä­che her­aus‹ rau­chen. Die Erfah­rung hat gelehrt, dass es zweck­mä­ßig ist, sol­chen Men­schen mit Vor­sicht zu begeg­nen, da deren Emp­fin­dungs­le­ben sich auf das Aller­not­wen­digs­te beschränkt, um mit der eige­nen Umwelt fer­tig zu wer­den. Das ist übri­gens auch einer der Grün­de, wie­so in typi­schen Fil­men aus Hol­ly­wood über den Zwei­ten Welt­krieg rau­chen­de Nazis die Ziga­ret­te fast immer ganz unten am Hand­tel­ler hal­ten. Die­se Ges­tik wird in Fil­men bewusst ein­ge­setzt, um so eine käl­te­re und här­te­re Wesens­art der betref­fen­den Per­son darzustellen.«

In Wahr­heit wis­sen wir natür­lich wenig über das Emp­fin­dungs­le­ben eines Fabi­an Ste­g­ner. Wir ken­nen ja nur unse­ren Mit­scher­lich in- und aus­wen­dig. Er läßt kaum Gutes an der über­trie­be­nen Prä­gung durch den Vater. Mit­scher­lich: »Unver­stand und Nei­gung zu Bru­ta­li­tät, die wir in der Kind­heit erfah­ren, hin­ter­las­sen für immer Spu­ren in unse­rem Cha­rak­ter. Wir sind ein­ge­denk des Pas­cal­schen Sat­zes: ›Nie­mals tut man so voll­stän­dig und gut das Böse, als wenn man es mit gutem Gewis­sen tut.‹ […] Das sind die Aspek­te des ent­ar­te­ten Gewis­sens, des­sen Gehor­sams­for­de­rung nicht von Ein­sicht gelenkt ist, son­dern wie­der­um ein unzu­gäng­li­ches Abso­lu­tum darstellt.«

Fabi­an! Laß den Mum­men­schanz! Eman­zi­pier’ dich mal von Papa!

 

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

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