Seinen letzten Essay veröffentlichte der Umwelthistoriker Rolf Peter Sieferle im Winterheft 2015 /16 der Zeitschrift Tumult, wo er mit »Deutschland, Schlaraffenland – Auf dem Weg in die multitribale Gesellschaft« eine der wohl luzidesten Analysen zu dem »ganz Europa destabilisieren- den Wahnsinn der Grenzöffnung« vorlegte.
Diese Grenzöffnung sei vielleicht »nur der Vorbote umfassenderer Konvulsionen«, »in denen alles untergehen« werde, »was uns heute selbstverständlich ist«. Drei Tage vor seinem Freitod in Heidelberg im September 2016 schickte er an seine engsten Freunde noch einen Brief, in dem er zu der Schlußfolgerung kam, daß wir »es zur Zeit offenbar mit einer gezielten Selbstzerstörung der deutschen, europäischen, westlichen Kultur zu tun« haben. Danach ver- stummte der gebürtige Stuttgarter für immer, der als Denker sui generis zu Lebzeiten bei weitem nicht die Aufmerksamkeit erfuhr, die ihm aufgrund der Bedeutung seines Werks eigentlich hätte zukommen müssen.
Sieferle war zunächst lange Zeit in Mannheim als Privatdozent und Professor tätig, ehe er im Jahre 2000 eine Berufung auf den Lehrstuhl für Wirtschaftsgeschichte in St. Gallen erhielt. In ihrem Nachruf wies die Wiener Umwelthistorikerin Verena Winiwarter, die mit Sieferle immer wieder wissenschaftlich zusammenarbeitete, darauf hin, daß sich der
»brillante Vortragende« dem »internationalen Konferenztourismus« entzogen und die »gelegentliche Abgeschiedenheit als Privatgelehrter« geschätzt habe. Das habe »seiner Bekanntheit« geschadet. »Viele von uns«, so Winiwarter, trauerten um »einen unbestechlichen, aber stets wohlwollenden Kritiker«, aber auch um »einen humorvollen, treuen Freund«, der sich »fremden Denkwelten« gegenüber »wie kaum ein anderer« aufgeschlossen zeigte.
Es waren wohl diese Eigenschaften, die Sieferle zu einem Seismographen für die Offenlegung von »unterirdischen« Transformationsprozessen prädestinierten, die ihr besonderes Profil durch dessen Bemühen gewannen, seine Erkenntnisse mit Niklas Luhmanns Systemtheorie zu amalgamieren. Moralisierende Einlassungen, schon gar politisch korrekter Natur, finden sich in seinem Werk deshalb so gut wie nicht.
Von diesem Ansatz sind auch seine eben postum publizierten Miszellen geprägt, die im kaplaken-Band Finis Germania nachgelesen werden können. Überdies erschien in der Werkreihe von Tumult die letzte Studie Sieferles; sie trägt den Titel Das Migrationsproblem. Beide Publikationen können auch als Belege dafür gelesen werden, warum der Umwelthistoriker, dessen Arbeitsschwerpunkte Umweltgeschichte, Universalgeschichte, Sozial- sowie Kultur- und Ideengeschichte der Industrialisierung umfaßten, immer wieder als »Universalgelehrter« bezeichnet wurde. Sein umfassender Bildungshorizont ermöglichte ihm Analysen und Synthesen, die eine Gesamtschau auf Vorgänge eröffneten, wie sie so sonst kaum zu finden sind. Die Lektüre von Sieferles Texten bedeutet deshalb immer einen Erkenntnisfortschritt – auch wenn diese Erkenntnisse, zumal aus deutscher Sicht, schmerzlich sein können.
Läßt man das Gesamtwerk Sieferles Revue passieren, ist ein durchgehender roter Faden zu erkennen, der sich bis in seine letzten Schriften erstreckt. Auf einige ausgewählte Veröffentlichungen seines Werkes sei im folgenden eingegangen.
Das Thema seiner Doktorarbeit, mit der er Ende der 1970er Jahre promoviert wurde, lautete Die Revolution in der Theorie von Karl Marx. Sieferle versuchte in dieser Arbeit, zu zeigen, daß Marx die Gesellschaft in eine »geschichtsphilosophische Konstruktion« stellte, die von vornherein ihre Aufhebung garantierte. Der Kern der Wirklichkeit liege aber für Marx in der Ökonomie, weshalb die Analyse des Kapitalismus im Mittel- punkt seines Denkens stehe.
Sieferle sollte sich auch in der Folge immer wieder mit Marx auseinandersetzen; 2007 legte er beispielsweise eine Einführung in das Denken von Karl Marx vor. Der Marxschen Kritik der Politischen Ökonomie bescheinigte Sieferle eine beachtliche analytische und prognostische Kraft; die Grenzen seines Denkens würden aber in dessen Planungsoptimismus, in seiner ökonomischen Simplifizierung sozialer Phänomene und nicht zuletzt in der Voraussage einer herrschaftsfreien Gesellschaft nach dem Zusammenbruch des Kapitalismus deutlich.
Der nächste bedeutende Wurf Sieferles war das 1982 publizierte Buch Der unterirdische Wald. Energiekrise und industrielle Revolution. Dieses Werk kann als Versuch gedeutet werden, eine Art Geschichte der Energiesysteme unter ökologischen Aspekten vorzulegen. Der Übergang zur Nutzung fossiler Energieträger, vor allem der Kohle, in der Zeit der Industriellen Revolution stellte die Weichen für die zukünftige wirtschaft- liche und soziale Entwicklung. Wäre der industrielle Brennstoffbedarf bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts durch Holz gedeckt worden, wäre die industrielle Entwicklung wohl stark verlangsamt worden. Die aus dem hohen Tempo der Industrialisierung entstehende soziale Krise wäre dann nicht oder in wesentlich gemäßigterer Form eingetreten.
Der unterirdische Wald führte quasi direkt zu Sieferles Auseinandersetzung mit den Fortschrittsfeinden (1984) von der Romantik bis zur Gegenwart. Ausgangspunkt ist die These, »daß die Technikkritik seit dem 19.Jahrhundert als Reaktion auf die Zertrümmerung der altständischen Gesellschaft entstand und daher als Versuch zu begreifen ist, die mit der Entstehung des Industriesystems verbundene Umwälzung intellektuell zu bewältigen«. Er versucht, diesen Prozeß nachzuzeichnen, indem er einen Bogen von der Aufklärung über die Maschinenstürmer, den Pauperismus, Karl Marx, die konservative Technikkritik sowie den Nationalsozialismus bis hin zu den Protest- und Alternativbewegungen der 1980er Jahre schlägt.
Die Industriegesellschaft stand auch im Fokus seiner folgenden Arbeit: Bevölkerungswachstum und Naturhaushalt (1990). Er geht hier einer Auseinandersetzung zwischen Moralphilosophen, Theologen und Ökonomen im 18. und 19. Jahrhundert über Probleme nach, die die soziale Legitimität der Industriegesellschaft in der Folge beeinflussen sollten. Aufgezeigt wird zunächst, wie in der Neuzeit die Natur mehr und mehr als Regelsystem mit eingeschriebenen Gesetzmäßigkeiten verstanden wurde
in dem Gott letztlich nur die Rolle eines Uhrmachers zukommt, der nicht mehr einzugreifen braucht. Die Denkfigur der Oeconomia naturae, das Modell einer harmonischen Ordnung der Natur, ist Ausdruck dieses Ansatzes. Welche Ordnungsstrukturen letztlich auch entstehen, alles bleibt von der allmächtigen göttlichen Providenz abgesichert. Auf die bürgerliche Gesellschaft übertragen, bedeutet dies, »daß die Rolle der staatlichen Kontrolle und fürstlichen Herrschaft zugunsten der Selbstregulierung herabgesetzt werden kann«.
Adam Smiths Werk vom Wohlstand der Nationen (1776) liest Sieferle vor diesem Hintergrund weniger als nationalökonomisches Lehrbuch, sondern als philosophisches Traktat, das diesem Ansatz Gestalt verliehen hat. Smith ging unter anderem der Frage nach, wie sich die unterschiedlichen Interessen der Menschen in ein ausgewogenes Ganzes fügen könnten. Er entwickelte dabei das Axiom, daß das individuelle Streben der einzelnen insgesamt auf eine harmonische gesellschaftliche Entwicklung hinauslaufe. Die »freie und spontane Verfolgung von Eigeninteressen und Bedürfnissen« erfordert also keine Tugend, die es notwendig macht, »selbstsüchtige Triebe zugunsten des sittlichen Ganzen« einzuhegen. Diese Smithsche Volte, wenn man so will, macht deutlich, warum der schottische Moralphilosoph als einer der herausragenden Vertreter des Programms einer »automatischen Selbststeuerung der Gesellschaft« gilt.
Im ausgehenden 18. Jahrhundert gab es nun allerdings Entwicklungen, die erhebliche Zweifel an der Wohlgeordnetheit der Natur auf- kommen ließ. Es waren nicht nur die elenden Lebensverhältnisse der Unterschichten (z. B. in England), sondern auch die Befürchtung, daß der »Wohlstand der Nationen« durch Überbevölkerung zunichte gemacht werden könnte. Befeuert wurden diese Befürchtungen durch die düstere Bevölkerungstheorie des britischen Ökonomen Robert Malthus, der die Auffassung vertrat, daß sich eine ständig wachsende Bevölkerung zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr aus ihrem Lebensraum ernähren könne. Ist dieser Punkt erreicht, kommt es zu einer Begrenzung der Be- völkerungsgröße durch »positive checks« wie zunehmender Sterblichkeit durch Hunger infolge fortschreitender Verelendung der Menschen.
Die nicht zu überwindenden Widersprüchlichkeiten im Modell der Oeconomiae naturae führten nach Sieferle zur Ausformung eines Fortschrittspostulats, das im wesentlichen auf der Idee eines ständigen wissenschaftlichen und technischen Fortschritts beruhe. Not und Elend wurden durch die Verheißungen der Zukunft relativiert. Der Big bang, den dieser wissenschaftliche Paradigmenwechsel im 19. Jahrhundert ausgelöst hat, kann allerdings nicht übertünchen, daß die im 18. Jahrhundert diskutierten Visionen von Überbevölkerung und endlichen natürlichen Ressourcen keineswegs entkräftet sind. Vielmehr handelt es sich um Szenarien, die heute wieder mit Vehemenz im Raum stehen.
In seinem 1997 publizierten, einmal mehr hochkomplexen Werk Rückblick auf die Natur, das sich als Beitrag zur Umweltgeschichte versteht, erläutert Sieferle unter anderem, warum er den Begriff »Moderne« für eine »Fiktion« hält. Modern sei »der jeweilige Status quo sowie die Überwindung dieses Status quo zugleich«. Da man aber kein Wissen davon besitzen könne, wohin sich dieser Prozeß bewege, sei »modern« schlechthin alles, und das bedeute: »nichts«. Die Umwälzungen der letzten zweihundert Jahre belegt Sieferle stattdessen mit dem Begriff »Transformationsphase«. Entsprechend ist für Sieferle der Prozeß der Industriellen Revolution immer noch voll im Gang – worin er sich mit denjenigen Stimmen trifft, die die gerade anbrechende Ära der Digitalisierung als »Vierte Industrielle Revolution« deklarieren. So spricht zum Beispiel der Historiker Andreas Rödder von einem »weiteren Beschleunigungsschub einer größeren, übergreifenden Entwicklung, die spätestens mit den ersten Eisenbahnen des 19. Jahrhunderts einsetzte«. Auch Rödder deutet diesen Schub als Ausdruck »vielfältiger Transformationsprozesse«, die vor gut 100 Jahren mit der Elektrifizierung eingesetzt hätten.
Diese Einsichten leiten über zu einem Werk Sieferles, das auch über zwanzig Jahre nach seinem Erscheinen durch seine prognostische und analytische Kraft besticht und mit Sicherheit zu dessen Opera magna gehört, nämlich Epochenwechsel (1994). Wenn man so will, ist dieses Buch eine Art »Lesebuch« für Sieferles oben angesprochene, postum veröffentlichte letzte Schriften. Zu Recht hat Karlheinz Weißmann in Band 2 des Staatspolitischen Handbuchs darauf hingewiesen, daß diese Arbeit mit Blick auf die Ausdeutungen und Konsequenzen der Wende von 1989 /90 in der Regel nicht genannt wird, obwohl sie zu den »klügsten Analysen« gehört, die zu Papier gebracht worden sind.
Weißmann führt diese Beobachtung auf den Umstand zurück, daß Sieferle hier »unangenehme Wahrheiten« anspreche und seine Präferenz für den »preußischen Sozialismus« alles andere als zeitgeistkompatibel sei. Entsprechend reserviert fielen auch die Rezensionen aus, die den Autor möglicherweise bewogen haben, in der Folge »vermintes Gelände« zu meiden – sieht man einmal von seinen fünf »biographischen Skizzen« zur Konservativen Revolution ab (1995). Ähnlich Akzentuiertes zur politischen Lageanalyse ist erst wieder in seinen nachgelassenen Arbeiten zu lesen, auf die noch näher einzugehen sein wird.
Es sind nicht nur Sieferles Prognose einer Wiederkehr der Machtpolitik oder die Entfaltung der Migrationsproblematik und ihrer, zumal aus deutscher Sicht, bedrohlichen Konsequenzen, die Verwerfungen des Geburtenschwunds, die Darlegung, warum der Sozialstaat nur als Nationalstaat möglich sei, oder die profunden Analysen zur »Globalisierung«, die das Buch aus konservativer Sicht unentbehrlich machen, sondern vor allem seine ideengeschichtliche Abrechnung mit den selbstzerstörerischen Konsequenzen des »humanitären Universalismus«, der in der Bundesrepublik »zum unbefragten, selbstverständlichen Daseinsprinzip werden konnte«, die das Buch als Kardinalbegriff durchzieht.
Der humanitäre Universalismus ende erst dann, so analysiert Sieferle, »wenn völlige Freizügigkeit, Offenheit sämtlicher Grenzen und totale Mobilität auf den Weltarbeitsmärkten« bestehe. Es ist im Sinne dieser Logik also nur konsequent, wenn sich die Kanzlerin kurzerhand vom ethnischen Volksbegriff verabschiedete, als sie kürzlich verkündete, das Volk sei »jeder, der in diesem Land lebt«.
Wenn man so will, steht Epochenwechsel im Spannungsfeld zweier Pole, die der jüdischen Mythologie entlehnt sind, nämlich Behemoth und Leviathan. »Das negative Extrem der Freiheit«, so Sieferle, trage »den Namen Behemoth«. Es handele »sich um die kriminelle Anarchie oder den offenen Bürgerkrieg, im äußersten Fall um den Kampf aller gegen alle«. Das negative Extrem der Ordnung heiße »Leviathan: Despotie und Tyrannei bis hin zur totalen Herrschaft«. Das Extrem der Freiheit sei »das blutige und grausame Chaos«, »das Extrem der Ordnung die blutige und grausame Unterdrückung«. »Das dominante Feld der politischen Ideologie« sei »so weit in Richtung des Behemoth verschoben worden, daß fast durchweg der Leviathan als der einzige Feind des Menschengeschlechts gilt«. Wenn diese Verschiebung an ihr Ende gekommen sei, winke jedoch »kein sanftes Arkadien«, sondern die »harte Ordnung des Behemoth, der Sieg der Stärksten, Skrupellosesten und Durchsetzungsfähigsten, die den Schwachen nur insofern Schutz gewähren, als sie sich in ihren Einfluß- und Interessenzonen befinden«. Diese Entwicklung käme einem Rückfall in eine »multitribale Gesellschaft« – vgl. z. B. Tumult, Winter 2015 /16 – gleich; ein Thema, das Sieferle insbesondere in seinen letzten, oben angesprochenen Miszellen beschäftigt hat.
Die 30 Kurzschriften Sieferles in dem kaplaken-Band Finis Germania, die sich in Teilen wie ein Kompilat des Epochenwechsels lesen, umkreisen unter anderem die Themen »Deutscher Sonderweg und Siegerperspektive«, »Die neue Staatsreligion«, die Logik des Antifaschismus, die im »starken Maße Antigermanismus« sei, bis hin zum »ewigen Nazi« als »praktischer Negation des humanitären Universalismus«. Die aus diesem Universalismus herausziselierte »neue Religion der Menschheit«, so Sieferle, impliziere die programmatische Forderung nach einer multikulturellen Gesellschaft. Deren Gegner würden durch eine »programmatische Identifikation von Faschismus/Rassismus und Rechtsradikalismus« ins Abseits gestellt werden.
Denkt man alle Linien, die in diesen zum Teil pamphletistisch gesteigerten Streitschriften ausgezogen werden, zu Ende, kommt man um eine Schlußfolgerung nicht herum, die Raimund Th. Kolb, der mit Sieferle in engem Kontakt stand, im Nachwort so ausdrückt: Was uns »heute noch lieb und teuer ist«, werde »in absehbarer Zeit verschwunden« sein. Unterstrichen wird diese Wahrnehmung von der zutiefst zivilisationskritischen Prognose Sieferles, daß der Naturzu- stand am Ende und nicht »am Anfang der bürgerlichen Gesellschaft« stehe. Wenn das »Aas des Leviathan« verzehrt sei, gingen sich »die Würmer« in einer in den Tribalismus zurückgefallenen Gesellschaft »gegenseitig an den Kragen«.
Im Mittelpunkt der Manuscriptum-Publikation Das Migrationsproblem stehen Ursachen und Konsequenzen der aktuellen Völkerwanderung sowie die Unvereinbarkeit von Sozialstaat und Massenzuwanderung, ein Thema, dem im Epochenwechsel ebenfalls bereits eine exponierte Bedeutung zukam. Der unhaltbare Druck, der durch Massenmigration auf den deutschen Sozialstaat ausgeübt wird, müsse, da dieser auf der Nationalökonomie fuße, über kurz oder lang seinen Zusammenbruch zur Folge haben (Social overstretch). Sieferle arbeitet heraus, daß die Legitimierung der Politik der Massenzuwanderung mit starken Narrativen arbeitet.
Zu diesen Narrativen gehöre die Behauptung, bei den Einwanderern handele es sich um »Schutzsuchende«. Diese Behauptung solle bei der auf- nehmenden Gesellschaft entsprechende »solidarische Effekte« auslösen. Unter den drei Alternativen, mit denen auf die Völkerwanderung reagiert werden könne (nämlich totale Abschottung, selektive Zuwanderung und uneingeschränkte Zuwanderung), habe Deutschland die letzte Alternative gewählt, die Sieferle als »hochriskante, geradezu abenteuerliche Politik« bewertet, »die in die soziale Katastrophe führen kann«. Unmißverständlich ist das Urteil, das Sieferle über die Hauptverantwortliche für diese Politik, nämlich Angela Merkel, fällt: Sie werde als eine der »großen Katastrophengestalten« in die deutsche Geschichte eingehen.
Mit Krieg und Zivilisation, dessen Veröffentlichung gerade vorbereitet wird, steht noch ein nachgelassenes Opus magnum Sieferles aus, das den Bogen von den tribalen über die Staatenkriege bis hin zu den heutigen
»Cyber-Kriegen« schlägt. Sieferle schrieb in seinem Vorwort, daß er mit diesem Buch »eine Strukturgeschichte des Krieges« vorlegen wolle, »in der auch technische und politische Faktoren zur Sprache« kommen. Die Durchdringungstiefe, die allen Schriften dieses außergewöhnlichen Intellektuellen eigen ist, läßt völlig neue Einsichten in das Phänomen Krieg erhoffen.
Am 17. September 2016 »versank er im Meer, ohne auch nur geahnt zu haben, wie sehr man ihn vermissen wird«, schreibt Raimund Th. Kolb. Die schmerzliche Lücke, die Rolf Peter Sieferle hinterläßt, wird, diese Prognose sei an dieser Stelle abgegeben, nicht zu schließen sein.