Das war’s. Diesmal mit: Mietklauseln gegen rechts …

... Sexismus aus Spaß, der ewigen Emma und einer Geil-Scheiße-Andererseits-Runde.

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

29. Okto­ber

Ein guter Freund eröff­net die­ser Tage in einer säch­si­schen Klein­stadt ein Fach­ge­schäft für ortho­pä­di­schen Fach­be­darf. Im Rat­haus war man dem Ansin­nen mit gro­ßem Hal­lo ent­ge­gen­ge­kom­men: Bele­bung der suks­zes­si­ve ver­grei­sen­den Innen­stadt, immer gern!

Und mal kein „Nagel­stu­dio“ kei­ne „Tat­too­fac­to­ry“, son­dern ein Unter­neh­men mit soli­dem Finanz­plan – gekom­men, um zu bleiben!

Nun hat der Freund den Miet­ver­trag in klein­städ­ti­scher 1a-Lage bes­ten Gewis­sens unter­zeich­net, aber eine Klau­sel macht ihn stut­zig. Gut, er hat­te in Wahr­heit nie vor, Ban­da­gen mit „rechts­extre­mis­ti­schen“ Auf­dru­cken feil­zu­bie­ten. Auch irgend­wel­che sinis­tren oder „dex­trö­sen“ „Ver­samm­lun­gen“ waren nie­mals geplant.

Aber Moment mal, rein theo­re­tisch dürf­te er Stütz­strümp­fe mit Anti­fa-Logo oder Che-Gue­va­ra-Kon­ter­fei anbie­ten, oder? Und Pro­the­sen sowie Inkon­ti­nenz­be­darf feil­bie­ten, wor­auf sala­fis­ti­sche Auf­ru­fe abge­druckt wären? Dies alles fie­le wohl kaum unter die „Klau­sel“, gell?

Der Mie­ter bekennt mit der Unter­schrift, dass das Sor­ti­ment kei­ne rechts­extre­men, ras­sis­ti­schen und anti­se­mi­ti­schen Inhal­te haben wird.

Der Ver­käu­fer ver­si­chert, dass im Laden kei­ne Pro­duk­te, Mode­mar­ken oder Acces­soires ver­kauft wer­den, die in der Öffent­lich­keit mit einem Bezug zur rechts­extre­men Sze­ne wahr­ge­nom­men werden.

Noch­mal:

… die in der Öffent­lich­keit mit einem Bezug zur rechts­extre­men Sze­ne wahr­ge­nom­men werden.

Schon unglaub­lich, wie­der­mal. Wer ist “die Öffent­lich­keit”? Was ist ein “Bezug”? Wo beginnt die “rechts­extre­me Sze­ne”? Nicht, daß man das nicht unge­fähr wüß­te, aber in einem Miet­ver­trag? Die For­mu­lie­run­gen kom­men von hier.

– – –

30. Okto­ber

Nichts sagen? Was sagen? Unge­woll­te Rei­se­ge­nos­sen­schaft kann quä­lend sein.

Eine Zeit­lang hilft es, das Geschwätz mit Humor zu neh­men, klei­ne sozio­lo­gi­sche Stu­di­en zu betrei­ben und das Gro­tes­ke dar­an zu genie­ßen. Drei Frau­en mitt­le­ren Alters, ein­an­der bis­lang unbe­kannt,  sit­zen mit mir am Tisch des Abteils, stun­den­lang. (Am Ende wird das net­te Bei­sam­men­sein in einem Tele­fon­num­mern­aus­tausch gipfeln.)

Die Rol­len sind bald klar. Die eine fin­det alles mög­li­che (Land­schaft, Fahr­kar­ten-App, Kaf­fee­be­di­en­ser­vice) wahn­sin­nig toll und vor allem „geil“, wohin­ge­gen ihre Pull­over­auf­schrift eine klar abgren­zen­de Bot­schaft ver­kün­det: „Bevor du fragst: NEIN!“

Die zwei­te fin­det alles mög­li­che (den Novem­ber, die Arm­leh­nen, die Deut­sche Bahn) ent­setz­lich oder vor allem „schei­ße“. Die drit­te, die offen­kun­dig ältes­te,  gibt die Abwä­gen­de, „einer­seits den­ke ich…, ande­rer­seits habe ich das Gefühl…“. Die vier­te hat Stöp­sel in den Ohren, obwohl der Akku des Abspiel­ge­räts leer ist. Das bin ich.

Die The­men gehen nicht aus. Nach einer Debat­te über die Schwie­rig­keit, im Herbst noch Blu­men­schmuck zu fin­den, der nicht nach Beer­di­gung aus­sieht („… aber ande­rer­seits hal­ten mei­ne Chry­san­the­men bis in den Advent hin­ein“) und einer Umfra­ge, ob die neu­en Freun­din­nen mal „spa­ßes­hal­ber“ gezählt haben, wie oft am Tag sie auf ihr smart­phone schau­en (hat die Opti­mis­tin, näm­lich 94 mal, „ich ste­he dazu“), muß es ja zwang­läu­fig bei der Poli­tik enden.

Die eine haßt die AfD, die ande­re hat Angst vor den Rech­ten, die drit­te wägt ab zwi­schen Anwi­de­rung, Bestür­zung und „kla­rer Ableh­nung“. Wer hat am meis­ten Klein­geld übrig für’s Phra­sen­schwein? Mei­ne Güte, was für ein hoh­les, schier end­lo­ses Wortgeklingel.

Ich über­le­ge kurz, die trau­te Run­de zu spren­gen und etwas wie „Wie­so, schei­ße, die AfD ist doch geil!“ ein­zu­wer­fen, aber das wäre ers­tens kin­disch, zwei­tens gelogen.

Die Zeit zieht sich zäh. Im Abteil gegen­über nimmt etwas spä­ter eine Groß­fa­mi­lie Platz, zu sechst auf vier Plät­zen. Sie packen gleich Essen aus. Es riecht gut – fin­de ich. Aus der Tat­sa­che, daß gegen­über kein Deutsch gespro­chen wird, schlie­ßen mei­ne Ladies, daß auch kein Deutsch ver­stan­den wird. Sie fin­den, es stinkt. Sie fin­den es unmög­lich. Sie fin­den, daß die Frau so guckt, als has­se sie die Run­de hier bei uns, weil wir kein Kopf­tuch tra­gen. Die Abwä­ge­rin sagt, sie fän­de „Kopf­tuch an sich nicht schlimm“, wol­le aber, daß „jeder und jede“ selbst dar­über ent­schei­den sol­le. Alle nicken.

Die ande­re: „Bei uns in Gel­sen­kir­chen denkst du in vie­len Stra­ßen­zü­gen, du bist im Ori­ent.“ Die Drit­te: „Kenn ich aus Köln.“ „Ja, oder guck dir Stutt­gart an.“ –„Oder Nürn­berg.“  Wort­fet­zen: ent­setz­lich, wo soll das enden, guck mal, was die auf­ta­feln, das ist doch krank, das besteht ja nur aus Knob­lauch! „Ich bin ja für Tole­ranz, aber an sowas wer­de ich mich nie gewöhnen!“

Es kommt, wie kom­men muß, eine Sze­ne wie aus einem Indok­tri­na­ti­ons­film für die Mit­tel­stu­fe: Eine der Kopf­tuch­frau­en merkt die Bli­cke und bie­tet sol­che Bäll­chen an, „wol­len Sie pro­bie­ren?“ Alle AfD-Has­se­rin­nen leh­nen ab, zwei­mal gar mit abge­wand­tem Blick..

Ich grei­fe zu , dan­ke, kann mich lei­der nicht revan­chie­ren. Zwei­mal hoch­ge­zo­ge­ne Augen­brau­en, nur die Abwä­ge­rin sagt ver­ste­he­risch lächelnd mit schief­ge­leg­tem Kopf: „Ich hät­te ein­fach Angst, daß mir das zu scharf ist.“ Übri­gens gibt es heu­te und hier­zu­lan­de seit 99,9 Jah­ren das Frauenwahlrecht.

– – –

31. Okto­ber

Ach , die gute alte Tan­te Emma! Ich habe die Zeit­schrift jüngst nach zwei Jahr­zehn­ten treu­er Leser­schaft abbe­stellt, aber sie läßt mich nicht los.

Als jüngst eine Emma-Repor­te­rin eine Online-Repor­ta­ge aus Chem­nitz schrieb, in der sie besorg­te Chem­nit­zer Bür­ge­rin­nen sich aus­spre­chen ließ („Für Frau­en ist das Leben gefähr­li­cher gewor­den. Ich habe Angst um mei­ne Töch­ter und um mei­ne Schul­kin­der. Vor allem die Mäd­chen. Die­se jun­gen Män­ner haben nichts zu tun. Sie haben ein abwer­ten­des Frau­en­bild, sind sexu­ell auf­ge­la­den“ etc.) hagel­te es gleich schar­fe Kri­tik von den Kol­le­gen und Kol­le­gin­nen der Haupt­strom­me­di­en und der soga­nenn­ten Netz­ge­mein­de. Die Emma habe ein­mal mehr den Beweis erbracht, daß Ali­ce Schwar­zer und ihre Frau­en Ras­sis­tin­nen seien!

Befragt hat­te die Repor­te­rin unter ande­ren Nes­rin, seit 17 Jah­ren in Chem­nitz lebend und mit einem Deut­schen ver­hei­ra­tet. Auch Nesrins Töch­ter wur­den bereits mas­siv sexu­ell  von Neu­an­kömm­lin­gen belästigt:

In der aktu­el­len Druck­aus­ga­be wird „Chem­nitz“ noch mal auf­ge­ar­bei­tet. Eine Redak­teu­rin beäugt dazu auch die Bands, die beim berüch­tig­ten „Soli-Kon­zert“ auf­tra­ten. Daß es dort Deutsch­land- und „Bullen“haß kübel­wei­se gab, ist mitt­ler­wei­le bekannt.

Aber auch sol­che Tex­te, die die Kapel­le K.I.Z. verbreitete?

„ Tre­te dei­ner Frau in den Bauch, fres­se die Fehl­ge­burt (…), nimm ein Glas von mei’m Urin und ent­spann dich, zwei Huren in jedem Arm mit Tri­so­mie einundzwanzig.“

Die Emma-Repor­te­rin:

Ist irgend­je­mand auf dem anti­ras­sis­ti­schen Soli-Kon­zert irri­tiert über den puren Sexis­mus, den die vier Jungs von K.I.Z. da von sich geben? Aber nein. Im Gegen­teil. Das Publi­kum ist text­si­cher und singt laut­hals mit:

„Ist eine Frau nicht nackt, dann beschmeiss ich sie mit Schei­ne, macht sie sich dann nackt, dann beschmeiss ich sie mit Stei­ne.“ Oder:

“Ich rasie­re mein Äff­chen und lass es anschaf­fen, tret so lan­ge auf dein Kopf, bis vier und drei acht machen“

Ist doch nur Sati­re, heißt es nun. Sie wol­len doch nur spie­len, die vier Hass­rap­per auf dem Anti-Hass-Konzert.

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

Nichts schreibt sich
von allein!

Das Blog der Zeitschrift Sezession ist die wichtigste rechtsintellektuelle Stimme im Netz. Es lebt vom Fleiß, von der Lesewut und von der Sprachkraft seiner Autoren. Wenn Sie diesen Federn Zeit und Ruhe verschaffen möchten, können Sie das mit einem Betrag Ihrer Wahl tun.

Sezession
DE58 8005 3762 1894 1405 98
NOLADE21HAL

Kommentare (33)

Dieter Rose

1. November 2018 10:29

Da fehlen mir die Worte.
Wohin wird das führen?
Wer könnte da gegensteuern,
reichen da unsere Ideen?

Sandstein

1. November 2018 10:33

Diesmal bleibt mir das Lachen im Halse stecken wie Reisbällchen mit zuviel Koblauch getränkt.

Der Zustand dieser Gesellschaft ist nicht mehr witzig, alles bewegt sich am Rande des Wahnsinns.
Solche Gespräche kann man überall aufschnappen, und ja, besonders unter Frauen.

KIZ war schon immer dafür bekannt, geschmacklose Texte zu verbreiten. Bei einem gewissen Publikum trifft das eben auf Anerkennung. Wahrscheinlich wegen der Sprengung aller Normen und Prinzipien.
Es sind billige Kinderfänger, jeder mit bisschen Grips ü25 kann sowas nicht mehr hören.

Maiordomus

1. November 2018 10:51

Das mit den Mietklauseln ist keine Kleinigkeit. Würde es den Islam betreffen oder eine Volksgruppe, gälte es als ein Verstoss gegen die europäische Menschenrechtskonvention.

Franz Bettinger

1. November 2018 11:09

"Bevor du fragst: NEIN!" An dem Pullover-Aufdruck würde mein Blick wohl etwas länger als schicklich kleben bleiben. Dann würde ich sagen: "Vergeben Sie mir, aber hat sie in ihrem Leben schon jemals einer ... ähm ... etwas gefragt?" Eins ist klar: Bei den Chrysan- und den anderen Themen wäre es keinesfalls der Beginn einer langen Freundschaft geworden.

L.Wauer

1. November 2018 16:25

Solche Gespräche auszuhalten hilft Schopenhauer: "Wenn aber die Absurditäten eines Gesprächs, welches Anzuhören wir im Falle sind, anfangen uns ernstlich zu ärgern, stelle man sich vor, es handele sich um eine Komödienszene zwischen zwei Narren. Probatum est."

Stefanie

1. November 2018 18:20

Bei gut gefüllter Kriegskasse und einem Kläger, der die Nerven dazu hat, könnten solche Klauseln wahrscheinlich angefochten werden - und sei es nur, daß sie um die linksextremistisch oder islamistisch öffentlich wahrgenommenen Modelabel erweitert würden. (Um es darauf ankommen zu lassen: "meyn geduld hat ursach" -samt Schlange, auf einer Beinschiene oder einem Rollator aufgedruckt wäre bestimmt ein Renner; wenn es wohl auch nur bei einer besonders ausgesuchten "Öffentlichkeit" als rechtsextrem wahrgenommen würde.)
Genaugenommen ist aber auch die Antidiskriminierungsmasche nur das, was manche hier als "cuckservativ" bezeichnen würden - Heuchelei auf der Gleichheitsschiene, wie sie bei Pönsgen nebenan beklagt wird. Denn um was es eigentlich geht, ist das Hausrecht: natürlich sollte ein Vermieter sich weigern können, an einen "Nazi" vermieten zu müssen - genauso müßte er sich aber auch explizit weigern können an Punker/Zigeuner/E-Gitarrenspieler/Grüne oder katholische Priester zu vermieten. Das ist eines der wenigen Gebiete wo radikaler Libertarismus funktionieren könnte, indem er Wohnraum für weniger angenehme Zeitgenossen exorbitant verteuern und für eine gewisse geographische Sortierung sorgen würde, die den einzelnen Gruppen dann den Freiraum gäbe ihre eigene Kultur zu pflegen. Im Moment gibt sie nur denen diesen Freiraum, die es schaffen über ihren Minderheitenbonus alle Nichtdazugehörenden aus der Nachbarschaft hinauszuekeln. - Ob nun mit oder ohne Knoblauch.

mrspock

1. November 2018 19:43

für solche leidigen Mietgeschichten o.ä. gibt es eine im Grunde simple Lösung:
a) eine "richtig" gute & nachhaltige Idee
b) "die "richtige" Immobilie
c) "richtige" Leute mit Kapital und Investitionsfreude als Investor&Vermieter
d) …. , die an die "richtigen" Mieter vermieten und vice versa
e) die "richtigen" Dritten für Kontakte und Kontaktanbahnung
f) win-win Situation für alle Beteiligten

Nemesis

1. November 2018 20:40

„Wieso, scheiße, die AfD ist doch geil!“

Ach, ich wünschte, Sie hättens getan. Wegen der Aussage? Iwo. Allein wegen der dann entgleisenden Gesichtsphysiognomien.Man gönnt sich ja sonst i.d.R. viel zu wenig... :))

Danke für diese kurze Beschreibung der Szenerie. Das gleiche hier. Und auch wenn ich jetzt wahrscheinlich gleich wieder verbale Prügel einstecken muß: Ich sitze mittlerweile im Cafe lieber bei Menschen, die ich zwar möglicherweise sprachlich nicht immer ganz verstehe, die aber auf Blickkontakt wenigstens menschlich reagieren, statt bei autistischen Zombies. Erfahrungswert. Keine Generalisierung.

Allerdings bemerke ich auch, daß bei so manchen Einheimischen da etwas am Aufbrechen ist, der Panzer der Selbstisolation erste zaghafte Risse zu bekommen scheint. Wenn ich mich hin und wieder mal tatsächlich erdreiste jemanden anzusprechen, starrt der immerhin statt auf die Eigenen, auf meine Zehenspitzen. Ich gehe noch nicht soweit von einer extrovertierten Seinsänderung zu sprechen. Es kommt dem aber schon gefährlich nahe.

Der Rest des Gesprächs der drei Grazien: Geschenkt. Und täglich grüßt das Murmeltier. Beim Haltung zeigen aber sehr wahrscheinlich ganz vorne mit dabei. Und so gesehen ist das ja nicht mal falsch. Denn auch eine Verkrümmte ist schließlich Eine.

Ruewald

1. November 2018 21:05

@Kositza
Die Eisenbahngeschichte ist sozialpsychologisch – ich möchte fast sagen: soziobiologisch – sehr aufschlußreich. Einfach unwissenschaftlich so ausgedrückt: es geht um den Widerspruch zwischen Gefühl und Kopf, oder: "Instinkt" und Intellekt bzw. emotional und mental.

Die Köpfe der Damen sind zwar verdreht (mental gegen Rechts und AfD), aber in der Ablehnung der Fremden folgen sie ihrem Instinkt und dieser dominiert (d.h. instinktiv sind sie "rechts")!

Der Ethologe Eibl-Eibesfeldt (vor kurzem verstorben und bedeutendster Schüler von Konrad Lorenz) hat sich mit der Erforschung der Universalien im menschlichen Sozialverhalten weltweit befaßt. "Xenophobie" (besser vielleicht: Fremdendistanzverhalten, da es sich ja nicht um eine Phobie als Krankheit handelt) gehört zu den universalen Mechanismen der identitätsbewahrenden Abgrenzung nach dem Muster des "wir" und "die anderen". –
Andererseits gehört zu den "affilialen", d.h. Bindung stiftenden, Universalien das Geben, Schenken und Bewirten (Reziprozität gehört dazu). Auf dieser Klaviatur spielen die Fremden in der Eisenbahngeschichte.

Nun wird es spannend: wie ist das Verhalten von Frau Kositza motiviert? Hat "im Parlament der Instinkte" das Affiliale gesiegt? Oder der Intellekt und die Wahlfreiheit, sich von der Distanzneigung zu distanzieren?

Benno

1. November 2018 21:25

Das erinnert mich an eine mir bekannte alte Dame aus FaM. Jedes mal wenn man sie sieht, heisst es: "Bei uns in der Nachbarschaft gibts nur noch Kanaken! Die haben keinen Anstand. Klauen mir die Äpfel vom Baum, benutzen meinen Pool, müllen mir den Garten zu, deren Kinder sind frech wie nur etwas, jetzt lungern auch noch überall Zigeuner rum die stinken und kriminell sind, ich trau mich kaum noch vors Haus etc. pp." Aber einmal das Kreuz bei einer rechten Partei setzen? Unmöglich! "Ich hab schon alles ausprobiert, ich weiss nicht meh,r was ich noch wählen soll. Es wird immer nur schlimmer." Wobei sie natürlich noch nie alles ausprobiert hat, sie wechselt nur von CDU zur SPD, vielleicht noch mit einem Umweg über die FDP. "Und weisst du, in Österreich, wo ich jeweils zur Kur hinfahre, da sind alle so braun geblieben. So etwas gäbe es in Deutschland zum Glück nicht!"
Man ist dann jeweils peinlich berührt und weiss nicht was man der Dame sagen soll.

Ein gebuertiger Hesse

1. November 2018 21:57

@ L. Wauer

Sie werfen eine weitreichende Frage auf: wie verhält man sich nun am besten zu dem zivilisatorischen Niedergang, wie man ihn tagtäglich selbst in vermeintlich harmlosen Situationen antrifft? Indem man ihn sich verbrämt zu Komödienszenen? Das würde die Sache aber, indem man sie in ein bekanntes Cluster umdeutet, bestenfalls erträglich machen. Was freilich nicht wenig bedeutete, da man ja auch für die eigene psychische Hygiene sorgen muß. Doch ist es das schon? Ginge es nicht vielmehr immer wieder um ein Einschreiten, und sei es durch ein einziges freches Wort, das den dummen Niedergangs-Konsens aufmischen würde? Ich denke, wir müßen im Alltag Kleinstarbeit leisten, indem wir genau das tun. Auch wenn es anstrengend ist und immer wieder Ärger einhandelt. Es reicht nicht, die Dinge besser zu wissen und doch den Mund zu halten.

Sandstein

1. November 2018 22:40

@Stefanie

Volltreffer. Aber dennoch utopisch. Das wissen wir alle.
Das lässige "mit oder ohne Knoblauch" ist dennoch gemerkt. :)

Peter Niemann

2. November 2018 07:39

Das Gegacker der Hühner richtet sich nach dem Hahn - die drei porträtierten Frauen werden in wenigen Jahren „rechts“ gackern, da brauchen wir nur etwas Geduld. Die Länder „kippen“ eines nach dem anderen pro-rechts um, entsprechend ist auch Deutschland bald dran. Spannend dann die Frage wie die „rechtsgewordene“ Republik aussehen wird. Leider wird die Polizei noch mehr militarisiert und der Migrationsdruck noch größer bis dahin geworden sein. Und die Akteure der Macht (also Großkonzerne, Hedge-Fonds usf.) werden die selben sein.

quarz

2. November 2018 09:33

@gebürtiger Hesse

"Ginge es nicht vielmehr immer wieder um ein Einschreiten, und sei es durch ein einziges freches Wort, das den dummen Niedergangs-Konsens aufmischen würde?"

Dabei aber weder aggressiv noch arrogant auftreten, weil das nur ein vorgezeichnetes Feindbild verfestigt. Keinesfalls aber auch inkompetent in Erscheinung treten, sondern für alle klar ersichtlich werden lassen, dass man über ein in der strittigen Frage wesentlich reflektierteres und auf Sachwissen gründendes Urteil verfügt als die mit politisch korrekter Konfektionsware und ohne nennenswerte Sachkenntnis ihr Gespräch abwicklenden Plauderanten. Nur so hat man die Chance, Unsicherheit zu erzeugen und Zweifel zu wecken, die auch über die Situation hinaus ihre Wirkung entfalten.

Gustav Grambauer

2. November 2018 10:26

- Peter Niemann ("rechtes",- feinsinnig in Anführungszeichen -, Gegacker, "Und die Akteure der Macht, also Großkonzerne, Hedge-Fonds usf., werden die selben sein.")

- Ein gebürtiger Hesse (Komödienszenen)

- Stefanie (Cucks) und

- Ellen Kositza (Knoblauch):

Mein erster Gedanke beim Lesen über die drei Damen war: "Nazi-Volksgemeinschaft". Das Rollback kommt, das sage ich schon lange, aber es wird nicht das Attribut "rechts" verdienen. Die Deutschen werden auf unabsehbare Zeit nie wieder im wohlverstandenen Sinne rechts sein, dank der Impfung Luther-Hegel-Hitler. Das war spätestens an den deutschen Reaktionen auf die Marienbilder in Danzig 1981 seismographisch ablesbar, die der Westen in seiner Borniertheit nicht mal gesehen hat und die sich der Sozialismusverbesserungsosten, und damit meine ich vor allem auch die Dissi-Szene, nur belustigt wie einstmals das deutsche Bürgertum ein Moliere-Stück mit der Lorgnette angeschaut hat, und zugleich irritiert-zornig über die "Undankbarkeit" der Polen.

Peter Niemann, sie werfen die Frage auf, wie die, - und auch wieder treffend in Anführungszeichen -, "rechtsgewordene" Republik aussehen wird. Da ein Rechtsruck über die Karikatur von dessen Karikatur hinaus nicht gewünscht wird und da der deutsche Progressivmichel nicht mal das Zeug wenigstens zum echten Cuck hat, werden diese Großkonzerne, Hedgefonds usf. mit großem Erfolg daran arbeiten, aus ihm eine so richtige Cuck-Karikatur zu machen, über die seinerseits die ganze Welt lachen wird. Man könnte meinen, Friedrich Merz sei schon mal genau zu diesem Zweck in die Spur geschickt worden!

Sollte der Knoblauch die Oszillationsachse des Deutschen sein? Knoblauch, liebevoll "Knobi" genannt, war das weltoffen-subversive Ossi-Sehnsuchtsgewächs. Keine dissidentisch angehauchte Fete ohne das unvermeidliche "Knobi-Brot". Knoblauchbulgarien war insbesondere für Heiner-Müller-Adepten eine Art verschrobenes geistiges Substitut für das, was um 1830 für das "aufgeklärte Bürgertum" Lorbeergriechenland gewesen war, ganz besonders in "Spree-Athen". Aber auch in Geißendörfers Multi-Kulti-Lindenstraße in München wurde fleißig Knoblauch gehackt und Knoblauchodor verströmt. Im Prenzlauer Berg hat nach 1990 sogleich ein Knobi-Haus aufgemacht, wohingegen es unvorstellbar gewesen war, daß auch nur eine einzige ("Nazi"-)LPG eine einzige Zehe Knoblauch angebaut hätte. Mein Großvater, Fleischermeister, hat mir mal erzählt, wie groß das Tabu betreffend den als unarisch

https://de.wikipedia.org/wiki/Tamas
https://de.wikipedia.org/wiki/Guna

(Knoblauch gilt als Inbegriff von Tamo-Guna!)

bzw. zigeunerisch uns insgesamt wehrkraftzersetzend geltenden Knoblauch in der Nazi-Zeit gewesen war. Da gab`s ordentlich Majoran (sic!) an die Wurst! Wurst ist ihrerseits tamasisch, aber bei den Mannschaften und bis tief ins Offizierskorps hinein immer noch wehkraftfördernd, in Anbetracht dessen, daß diese auch nicht zu reflektierend werden sollen. Und das wird jetzt allmählich wieder gebraucht.

- G. G.

Maiordomus

2. November 2018 13:57

A propos Knoblauch: Hier sollte die Debatte noch in Richtung Vampirforschung geöffnet werden, was aber meines Erachtens doch zu viel zu grossen Ab- und Ausschweifungen führen würde, weswegen ich mich hier fernerer Ausführungen enthalte.

Ein gebuertiger Hesse

2. November 2018 14:45

@ Quarz

Was das Einschreiten angeht: den einen richtigen Ton, der das Gegenüber in der Seele erreicht und ihm veritable Zweifel an der eigenen verqueren Orientierung einflößt, gibt es nicht. Jedenfalls trifft man den Ton nicht auf vorgefaßte Weise, sondern nur in der gegebenen Situation (die stets ein Einzelfall ist). Klar, arrogant und schnöselig sollte man die Dinge ohnehin nicht sagen. Auch darf man gern den Mund halten, wenn es einen zum Widerspruch gerade nicht TREIBT. Die Wirkung des Gesagten, des ungefragten Einsprengels, auf das Gegenüber aber ist etwas, das Sie nicht in der Hand haben. Da muß von anderswo her nach- und mitgeholfen werden.

Stefanie

2. November 2018 20:40

@ Maiordomus
Falls Sie Vampir-Lektüre suchen: Terry Pratchett: Carpe Jugulum
Es sind durchaus auch einige brauchbare Methoden für die gegenwärtige Situation dabei.

Nemesis

2. November 2018 22:00

@Ein gebuertiger Hesse
@ Quarz
Ich bin da ziemlich pragmatisch. Ich habe in Hochzeiten der no Border Euphorie die Diskussionen in meinem Umfeld i.d.R. mit einer einzigen, ruhig gestellten Frage geerdet:
Ich fragte einfach, wenn es denn also keine Grenzen und in Folge davon dann logischerweise auch keinen Staat mehr gäbe und jeder dorthin gehen kann wo er will, warum sie dann jeden morgen aufstehen würden, um bis zum Steuerstichtag im September für etwas zu arbeiten, was es laut ihrer Überzeugung doch gar nicht mehr gibt.
Meist habe ich dann noch ganz ruhig die Frage hinterhergeschoben, ob sie sich schon mal Gedanken über den weiteren Verlauf des Sozialstaats und insbesondere über die Entwicklung ihrer Rente gemacht haben.
Danach war i.d.R. Schluß mit der hohlen Phrasendrescherei und es herrschte abrupt betretenes Schweigen, weil sie im Grunde genau wissen, wie widersinnig das Ganze ist.
Es geht i.d.R. nur übers Geld. Es ist das Einzige, was verbindet.
Leider.

Westpreusse

3. November 2018 00:27

Manchmal bekommt man Antworten, mit denen man gar nicht gerechnet hat, auf Themen und Fragen, die zum Beispiel Frau Kositza anspricht...

Ich lese "jetzt" gerade (noch einmal) Walter Kempowskis Tagebuch "Sirius", das Jahr 1983 betreffend, angereichert ab und zu mit Kommentaren aus der Sicht von 1990, also dem Erscheinungsjahr von "Sirius"...

1983: "TV: Nun werden wir Zeuge von kitschigen Mahnminuten. Das konnte ich schon in der Kirche nicht leiden (...) Menschenketten und ähnliches: Leute tun das, die an Gott nicht glauben. Wenn sie es täten, dann würde ihnen das Beten im stillen Kämmerlein genügen. Die Politiker verbrüdern sich mit der Straße. Das geschieht immer dann, wenn sie mit ihrem Latein am Ende sind.
Das TV ist paralysiert: Es sind immer dieselben Themen aus immer derselben Perspektive."
(Seite 471)

"Im Zug nach Marburg Sa 22. Okt. 1983
(...) Der Bahnhof wimmelt von Friedensmenschen, die von einer Demonstration kommen. (Arno Schmidt hätte formuliert: 'Dämonstration'.)
Sie bevölkern die Bahnsteige: Modische Aufmachung, wie aus einem Spezialkatalog für Friedensdemonstrationen bestellt, zünftig also.
Und das Auftreten: frisch, fromm, fröhlich, frei. (...) Manche haben zusammengeklappte Transparente unterm Arm, zur weiteren Verwendung: Wir haben Angst / um uns / und um Sie."
(Seite 495, Sirius, btb Taschenbuch 2006).

Liebe Frau Kositza,
außerdem etliche Seiten über seinen Besuch der Buchmesse. Kurios. Und wie. Seine Schilderung endet auf Seite 487 mit:
"Die Buchmesse: Ich möchte dabeisein und doch wieder nicht. Immer habe ich ein 'ungutes Gefühl', wenn ich heimfahre, so als hätte ich mich schuldig gemacht oder irgendetwas versäumt."

Nun mag ich Sie nicht nach Ihren Gefühlen fragen, wenn Sie von der Buchmesse nach Hause fahren. Ich vermute: Müde und irgendwie froh und zufrieden trotz allem...

Walter Kempowski:
Welch merkwürdiger Mensch mit manchmal merkwürdigen Ansichten. Und doch: Welch Lesegenuß, seine Chroniken und Romane deutscher Identität und Seinsbefindlichkeit durch die Zeiten hindurch.
Eben im Radio: "Die Gedanken sind frei, instrumental (Klavier) Ach, wie schön...
: Grüße von der Weichsel

Kositza: Danke, vor allem für das Kempowski-Zitat! Dabiseinwollen und doch lieber nicht, das triffts! Ansonsten, Thema "Rückblick auf die Messe": Vor allem nervt mich, ganz schnöde und profan, mein seit dem Überfall lädierter Meniskus...

nom de guerre

3. November 2018 12:16

@ Nemesis
"[...] Danach war i.d.R. Schluß mit der hohlen Phrasendrescherei und es herrschte abrupt betretenes Schweigen, weil sie im Grunde genau wissen, wie widersinnig das Ganze ist."
Wenn Ihnen das gelungen ist, ziehe ich meinen Hut. Ich habe selbst ähnliche Gespräche geführt und hatte immer den Eindruck, ich rede gegen eine Wand. Zum ersten Mal ist mir das 1998 im Gemeinschaftskundeunterricht beim Thema Nord-Süd-Konflikt passiert, als unser Lehrer in Bezug auf die Migration exakt die heute bestehende Situation voraussagte, und seit 2015 immer mal wieder. Wenn 18-jährige Schüler, obwohl immerhin auf dem Weg zum Abitur, argumentieren, man dürfe bei so etwas nicht nach der Machbarkeit fragen, das würde schon irgendwie gehen, ist das gelinde gesagt unbefriedigend, aber die gleichen Aussagen von gestandenen Erwachsenen mit entsprechender Lebenserfahrung gehören zu den Dingen, die ich mir immer noch nicht erklären kann.

@ Stefanie
"Falls Sie Vampir-Lektüre suchen: Terry Pratchett: Carpe Jugulum Es sind durchaus auch einige brauchbare Methoden für die gegenwärtige Situation dabei."
Habe herzlich gelacht, danke dafür! Ich fürchte nur, das wird uns nichts nützen, Granny Weatherwax ist tot und ich glaube, sie hätte sich auf unserer Rundwelt auch nicht besonders wohl gefühlt.

numerusclausus

3. November 2018 14:27

Mietklausel gegen den Vertrieb von Produkten mit unterstelltem rechtsextremem Öffentlichkeitswahrnehmungspotenzial???

Klarer Fall für den Verfassungsschutz, Diskriminierungsverbot, Meinungsfreiheit usw... hier werden massiv Grundrechte verletzt.

Da hilft nur eines: beobachten, beobachten und nochmals beobachten!

cnahr

3. November 2018 20:44

@benno und auch betreffend den Artikel: das Alter ist kein Zufall. Ich empfehle das Studium von Wahlanalysen. Dort zeigt sich regelmäßig, daß Union und SPD als einzige Parteien eine linear steigende Zustimmung mit dem Alter erfahren. Alte Leute sind natürlich auch die hauptsächliche verbleibende Zielgruppe von Zeitungen und Fernsehen.

Um das neueste Twitter-Mem zu verwenden, alte Leute sind häufig NPCs, die alles nachplappern, was sie in den zentral gesteuerten Massenmedien gehört haben. Ich glaube nicht, daß die das jemals ablegen können. Glücklicherweise sterben sie alsbald weg, was zweifellos auch zu den kollabierenden Stimmanteilen von Union und SPD beiträgt.

Maiordomus

4. November 2018 08:29

@Westpreusse. Ihre Hinweise auf Walter Kempowski sind eine Trouvaille. Eigentlich hatte er seine Zeit vor etwa 25 Jahren, als er bei Bertelsmann u.a. durch "Echolot" Starautor war. Man steht heute aber in der Regel nur relativ kurz im Rampenlicht, und gerade dann übersieht man oft die wahre Bedeutung, die dann noch etwas später zum Vorschein kommt, wenn einer nicht mehr so stark im Rampenlicht steht, dann wird er entdeckt, so wie sie hoffentlich auch noch für andere von hier Walter Kempowski vielleicht entdeckt haben. Schön, von der Weichsel wieder was zu hören. Bestellte soeben aus einem Antiquariat "Die Volkskunde des Proletariates" von Will Erich Peuckert von 1931, noch einer, der nun mal wie Baader über das Proletariat mehr wusste als Marx und Engels.

Stefanie

4. November 2018 10:38

@ nom de guerre
"Granny Weatherwax ist tot.."
Ja das ist ein Jammer. Ich hätte zu gern gewußt, wie vor dem gegenwärtigen Hintergrund z.B. in Ankh Morpork weitergegangen wäre. - Andererseits wäre ich aber vielleicht auch enttäuscht gewesen, wie bei anderen Künstlern, die nicht über den weltanschaulischen Schatten springen können, der auf Ihnen liegt. Pratchett kann man sicher nicht als rechts bezeichnen - am ehesten vielleicht als einen metaphysisch begabten Dawkinisten. Doch er schafft es gleichzeitig über die Story zu fesseln, philosophische Fragen aufzuwerfen und durch die Persiflage bekannter Werke einem weiterführende literarische Pfade zu erschließen. Möglicherweise könnte man versuchen, die Scheibenweltsaga weiterzuspinnen, so wie es Manfred Kleine-Hartlage bei Harry Potter versucht hat (Die Unbestechlichen.de), doch erstens ist es schwierig, dabei nicht zu holzhammer-, bzw. holzschnittmäßig fortzufahren; zweitens sind da die Urheberrechtsanwälte vor, wenn man es wirklich weit verbreiten wollte. Es bleibt also nur den glattgebüglten 18-Jährigen, die glauben Machbarkeit sei eine sekundäre Frage in der Politik, die alten Scheibenweltromane zu schenken. Es besteht die Chance, daß sie sie lesen. Im Gegensatz zu einem kaplaken-Bändchen oder ähnlichem, denn dann würden sie wohl zwangsläufig, beim Anblick der Schlange, Weihwasser, Kreuz und Knoblauch hervorholen, vom Zeichen gegen den bösen Blick ganz zu schweigen.

Gustav Grambauer

4. November 2018 14:57

Mit dem Topos NPC, cnahr, mußte erst googeln, haben Sie mir den Sonntag versüßt. In meiner Jugend hatten wir den Begriff StiNoSiMis, "Stinknormale sinnlose Mitläufer", oder einfach StiNos.

NPC ist aber der ambitioniertere Begriff, da er auf das zugrundeliegende Spiel und damit auf das Schöpfertum verweist. Bei den Sezessionisten kenne ich keinen einzigen, der kein Spieler wäre, im ästhetischen Spiel

https://de.wikipedia.org/wiki/Über_die_ästhetische_Erziehung_des_Menschen#11._bis_16._Brief

selbstverständlich, nicht im profanen Spiel. Nur: ich kenne auch kaum einen, der offen dazu stünde, ein solcher Spieler zu sein! Dies wird gern verbrämt insbesondere mit allerhand Dienstethos (siehe hier Friedrich II),

https://sezession.de/13451/division-antaios-auch-an-deiner-wand

Errettungsethos usw., damit oft nur mit neuen und etwas pfiffigeren Varianten der Hypermoral.

Gern wird z. B. - mehr oder weniger glaubhaft - gejammert: "Wir wollen dienen, aber man läßt uns nicht", bezeichnenderweise meist von Spielertypen und kaum von Mitspielertypen. Falls die Betreffenden wirklich dienen wollen würden, dann hat es für sie vielleicht auch einen entwicklungspsychologischen Grund, daß diese Möglichkeit nicht mehr so wie früher gegeben ist, über den es sich lohnte, einmal nachzudenken?!

Nicht unerheblich, neben der Unterscheidung des Dienens an einer Idee und des Dienens an einer ideologischen Struktur, noch die Unterscheidung von Spielen mit Pyramidenstruktur, die z. T. zugleich Schneeballsysteme sind, und anderen. Erstere kennt die Patriotenszene nur zu gut.

https://netzpolitik.org/2018/getarnt-als-gamer-einblicke-in-eine-rechtsradikale-troll-armee/

Gebe zu Bedenken, daß jedes Dienstethos, jede Dienstideologie und jedes Dienstsystem in Pyramidenform, von einem bzw. mehreren Spielern erschaffen, nur von Spielern getragen werden kann. Wenn ein solches Spiel (wie oft genug im 20. Jahrhundert, um das Muster endlich zu sehen) zusammenbricht, dann immer, weil sich die Spieler zurückziehen und die Mitspieler, die NPCs, alleingelassen und unfähig sind, es noch am Laufen zu halten.

Gehe noch weiter: habe noch niemals bei Pyramidenspielen beobachtet, daß sich deren Schöpfer nicht zurückziehen, wenn es aussichtslos wird oder wenn sie derer einfach wg. Langeweile überdrüssig werden, insbesondere wenn sie ein neues, interessanteres Spiel haben. Kurz vorher werden immer gern noch Durchhalteparolen an die NPCs ausgegeben, oder nicht mal mehr das. Im Militär gibt es dafür den Begriff 'Verheizen', die zynischsten Pyramidenspieler beenden ihre Spiele auch mit "Verbrannter Erde". Zumindest das Verheizen ist strukturell angelegt, und wenn es nicht (!) getan wird, dann weil sich ausnahmsweise konstruktive Persönlichkeiten dem entgegenstellen. Allein somit sind, einmal finalistisch gedacht, alle Pyramidenspiele in dem Geruch, schmutzige Spiele zu sein.

Sollte aber nicht unser Problem sein. Bei uns hier sollte kein Interesse an Pyramiden- bzw. Schneeballstrukturen (inzident: Sektenstrukturen) bestehen, sondern daran, wie man möglichst viele NPCs in die Selberdenker- und damit in die Schöpferposition, im besten Falle auch in die Selbstverantwortungsposition bringen kann, dann steigen sie von allein dort aus oder sprengen mit ihrer Größe die Struktur. Der Souveränitätsgedanke sollte sich, bevor er sich auf ein Ameisengebilde wie den Staat bezieht, erstmal auf das Ich-Bewußtsein beziehen ...

- G. G.

H. M. Richter

4. November 2018 15:18

@ cnahr

"[...] alte Leute [...]
Glücklicherweise sterben sie alsbald weg".
__________________________________________

Ich will hilfsweise annehmen, daß Sie sich lediglich sehr unglücklich ausgedrückt haben.
Sollte dies aber nicht der Fall sein, dann sollten Sie dieses Diskussionsforum m. E. zukünftig besser meiden.

Ruewald

4. November 2018 17:58

@Cnahr
Statistisch, d.h. i.w. die Durchschnitts-"Alten" betreffend, mag das stimmen. Ein m.E. nicht zu unterschätzender Grund für das Wahlverhalten der Alten ist aber ihre Unflexibiliät, nämlich daß sie weiterhin "ihre" Parteien wählen, die sie "schon immer" gewählt haben, ohne daß ihnen der inzwischen erfolgte Etikettenschwindel bewußt geworden ist.

Wenn man jedoch die "Alten" nach Altersgruppen und sozio-ökonomischem Status differenziert, dann sieht es nach meinem Eindruck anders aus. In über 40 Berufsjahren hatte ich vorwiegend mit Menschen aus den MINT-Fachgebieten zu tun. Auffällig ist dabei der gewaltige Einfluß der zunehmend penetranteren Nachkriegs-Umerziehung und der 68er. Die heute 30- bis 50-60-Jährigen sind mit dem Schuldkomplex indoktriniert, sind politisch ziemlich unkritisch und tendieren in Richtung Grün-Rot. Die heute über 60- und über 70-Jährigen der Kriegs- und Nachkriegsgeneration haben noch mehr Gedankenfreiheit als heute erlebt und haben/hatten mit ihren Eltern als Erlebnisgeneration noch ein Korrektiv des Geschichtsbilds zur Verfügung.
Was ich an anderer Stelle schon einmal erwähnt hatte: mit meiner Mutter, Jg. 1921, fast blind, aber geistig noch hell, spielte ich vor der Bundestagswahl 2017 den WaloMat-Fragebogen durch. Mit ihrer Erlaubnis: ihre Trefferquote lag nahe bei der AfD. Sie lehnt den Schuldkult und die Einwanderung ab. Wegen ihrer Erblindung sieht sie kein TV und folgt i.w. ihrer Lebenserfahrung und ihrem gesunden Menschenverstand.

@Cnahr: "glücklicherweise sterben sie alsbald weg" schreiben Sie zynisch. Ich möchte als Mittsiebziger, also auch schon "Alter", doch noch nicht so bald wegsterben – zumal ich überzeugt bin, daß die Jüngeren von "uns Alten" doch noch einiges lernen können.

Michael B.

4. November 2018 19:00

> Auffällig ist dabei der gewaltige Einfluß der zunehmend penetranteren Nachkriegs-Umerziehung und der 68er. Die heute 30- bis 50-60-Jährigen sind mit dem Schuldkomplex indoktriniert

Dabei lassen Sie aber eine groessere Gruppe aus - ich bin mit Mitte 50 einer ihrer Vertreter - naemlich die der ostdeutsch Sozialisierten. Trotz strammer offizieller antifaschistischer Ideologie gibt es unter diesen viel seltener die bizarre Selbstzerfleischungs- und Schuldkomponente, die mir persoenlich schon unmittelbar nach 1989 als seltsam aufgefallen ist.

nom de guerre

4. November 2018 20:13

@ Stefanie
"Die Unbestechlichen" kenne ich (hatte es kürzlich selbst hier empfohlen) und halte es für einen der gelungeneren Versuche, Harry Potter weiterzuspinnen - wobei Kleine-Hartlage als Publizist natürlich gegenüber den meisten Hobbyautoren, die sich sonst daran versuchen, im Vorteil ist. Die Scheibenwelt fände ich für so ein Projekt aber zu komplex, die Parry-Potter-Welt ist im Vergleich dazu doch recht eindimensional. Wie Terry Pratchett angesichts der heutigen Situation das Thema Einwanderung, das in Ankh Morpork ja schon längere Zeit relevant war, weiterentwickelt hätte, weiß ich überhaupt nicht zu beurteilen, ich habe ihn immer als eher links wahrgenommen, aber - ja, das kann man als Widerspruch sehen, ich weiß - mit einer relativ klaren und illusionsfreien Sicht auf die menschliche Natur. Trotzdem hatten die späten Bücher immer weniger Ecken und Kanten und waren von so einem Weltverbesserungs- und Harmoniebedürfnis geprägt, das früher nicht da war - was vielleicht auch mit seiner Erkrankung zusammenhing. Aber ich gebe Ihnen Recht, gerade unter den alten Scheibenweltromanen sind echte Perlen, die den Horizont erweitern können. Eigentlich tatsächlich kein schlechtes Weihnachtsgeschenk, zumindest wäre es als Missionierungsversuch weniger offensichtlich als ein Kaplakenbändchen...

Ruewald

4. November 2018 22:08

@Michael B.
Entschuldigen Sie bitte, wenn ich mich auf die weitaus problematischeren Westdeutschen beschränkt habe. In der Tat sind die ostdeutsch Sozialisierten i.a. politisch viel bewußter und sehen die Tendenz der BRD zu einer DDR 2.0 viel klarer.

Alveradis

5. November 2018 17:04

Die Szene im Zug ist gut beschrieben aber das Fazit teile ich nicht.

Vor den Augen Fremder würde ich mich auch nicht wegen unwichtiger Albernheiten demonstrativ gegen die eigenen Leute stellen.

Auch bei mir war der Instinkt lange unterdrückt - heute nicht mehr.
Weil ich mich politisch nicht einordne habe ich es auch nicht nötig, mich als offen und ausländerfreundlich geben oder mit bunten Kontakten hausieren gehen zu müssen. Das ist eine Freiheit, die man sich nur selbst schenken kann.

Es stimmt übrigens, dass es zu dieser Zeit schwer ist, Blumen zu finden die nicht nach Friedhof aussehen.

cnahr,

das neueste Twitter Mem aus der Memmühle nachplappern - aber NPC sind immer die Anderen. So funktioniert das ganze blöde System. Man selbst ist natürlich immer eine stolze handelnde Figur in einer vorgegebenen Spielanordnung, die man selbst nicht ausgedacht hat. So cool.

Wir alle werden sterben und so wie es aussieht, werden dann Fremde auf unseren Gräbern tanzen, sollten wir es nicht schaffen als Volk zusammen zu finden.

ElDuderino

12. November 2018 17:59

"Übrigens gibt es heute und hierzulande seit 99,9 Jahren das Frauenwahlrecht."

Deutlich weniger diplomatisch formuliert es Janice Fiamengo: "The anti-feminist position [during the late 19th century] said: […] Women are too emotional, women are less rational than men, women […] personalize everything, so they’re not able to […] separate themselves and make decisions […] in an objective, unbiased manner, […] and that this was related to their biology and various things. And I remember I used to laugh and think how ridiculous that was. […] I have to say that it makes me wonder sometimes whether those anti-feminists from the late 19th century weren’t right? […] What is it about this mass movement? So angry, this movement of vengeance that is starting to make these completely irrational claims about […] why it doesn’t matter that we suspend basic principles of presumption of innocence, and due process? How can it be this is actually being taken seriously in our public culture? […] I don’t know, but I do have to wonder whether the presence of women isn’t having some kind of really deleterious effect on our public conversations about these things."(https://www.youtube.com/watch?v=pSvpWR7aD6c)

Die "In der Kürze liegt die Würze"-Goldmedaille geht freilich wie immer an Atze S. aus Ffm.: "Der Gedanke, Weiber das Richteramt verwalten zu sehen, erregt Lachen." (https://pichost.org/images/2018/11/08/SchopenhauerWeiberRichteramtMem0a187.jpg)