Es bezeugt einmal mehr die Bedeutung der Vereinigten Staaten als politischer Taktgeber der westlichen Welt.
Deshalb halte ich es für notwendig, Gerlichs Überblick über die verschiedenen Denkrichtungen eine Analyse zweier Dynamiken beizufügen, die die Alt-Right in der Zeit nach der Wahl Donald Trumps geprägt haben.
Die erste Dynamik entfaltete sich dadurch, daß mit Donald Trump nun “ihr” Kandidat im höchsten Staatsamt ist. Die Alt-Right steht vor der Frage: Was nun?
Sie feierte Trumps Wahlerfolg nicht zu unrecht auch als eigenen Sieg. Derjenige, der lange vor allen anderen mit dem Feiern wieder aufhörte, war Richard Spencer. Ich muß zugeben, daß ich damals seine Prognosen weitgehender politischer Wirkungslosigkeit der Präsidentschaft Trumps auf gekränkte Eitelkeit schob, die es nicht ertrüge, eine übergeordnete Führungsfigur anzuerkennen.
Heute hat er, auch gegen den größten Teil „seiner“ Bewegung, recht behalten. Ja, Trump hat die Republikanische Partei ein Stück weit verändert. Kavanaugh sitzt im Obersten Gerichtshof, Nevertrump ist tot (auch wenn Mitt Romney gerade plant, es wiederzubeleben) und einige Erzcucks, wie Senator Jeff Flake, verlassen jetzt das Schiff. Ja, soweit dies auf rein administrative Ebene möglich ist, wurde in Einwanderungsfragen still und effizient eine Hundertachtziggradwende zur Macht-hoch-die-Tür-Politik Barack Obamas eingeleitet.
Doch drei Faktoren drohen, dies alles zur Makulatur zu machen.
Erstens ist der Minderheitenstatus der Weißen nur noch eine Frage der Zeit. Selbst wenn alle illegale sowie die bisher kaum angesprochene legale Einwanderung sofort aufhörten, wären Weiße spätestens zur Jahrhundertmitte in den Vereinigten Staaten eine Minderheit. Wahrscheinlich wird dies bereits wesentlich früher der Fall sein, eine Studie des National Policy Instituts spricht bereits von 2031 für die Gesamtbevölkerung und 2044 für die Wahlberechtigten. Politisch relevant wird dieser Minderheitenstatus bereits zuvor werden.
Denn zweitens wird das Mittelschichtsmillieu der weißen Liberalen so schnell nicht verschwinden. In Verbindung mit den nahezu einheitlich wählenden Schwarzen und den ebenfalls recht homogen wählenden Latinos beschert dieses Milieu den Demokraten bereits mittelfristig exzellente Wahlaussichten. Texas und Florida werden im Verlauf der zwanziger Jahre demographisch kippen, und damit verschwindet jede Wahlchance eines republikanischen Präsidentschaftskandidaten. Selbst hauchdünne Siege, wie der Trumps 2016, werden in absehbarer Zeit völlig unmöglich sein.
Drittens haben die Beharrungskräfte des Establishments zwar nur geringe Schlagkraft, dafür aber große Zähigkeit beweisen. Letzteres ist alles, was sie brauchen um den Großen Austausch zur vollendeten Tatsache zu machen. Trump hat es nicht geschafft, eine Neuregelung der Einwanderung in gesetzlicher Form durchzudrücken. Selbst für die ohnehin mehr symbolische Grenzmauer verweigert der Kongreß die notwendigen Gelder und wird es ab Januar 2019, wenn die neue demokratische Mehrheit ins Repräsentantenhaus eingezogen sein wird, noch vehementer tun.
Er hat es auch nicht geschafft, den Diskurs wesentlich zu verändern. Er hat den verdrängt werdenden Weißen eine Stimme gegeben, mit der sie ihrem Ärger Luft machen können, aber er hat sie noch nicht einmal als eigene Gruppe angesprochen. Donald Trump zählt bisweilen auf, was er für Schwarze, Latinos oder Juden getan hat. Er spricht nie von Weißen. Allenfalls von „ehrlichen, hart arbeitenden Amerikanern“. Das Tabu, Weiße auch nur als eine legitime Interessengruppe anzusprechen, hat er nicht gebrochen.
Gleichzeitig ist er als Kopf der Exekutive scheinbar nicht in der Lage zu verhindern, daß ebenjene Exekutive seine Anhänger verfolgt, während sie der Antifa in ihren Gewaltexzessen freie Hand gewährt. Über die Intrigen dieser Exekutive gegen ihr verfassungsmäßig gewähltes Oberhaupt kann ich hier schon aus Platzgründen nicht ins Einzelne gehen. Das grobe Bild ist allgemein bekannt.
Trumps Wahlsieg hat die Alt-Right damit konfrontiert, daß in einem vom Großen Austausch bedrohten Land eine rechtspopulistische Regierungsübernahme entweder erst der Anfang oder gar nichts ist. Wir Europäer hätten das eigentlich aus der Erfahrung in Ungarn und Polen lernen können. In beiden Ländern bestand die rechte Machtübernahme eben nicht bloß aus einem Wahlsieg. Die Wahlsiege wäre bedeutungslos geblieben, wenn sie nicht konsequent zur Besetzung der staatlichen, halbstaatlichen und gesellschaftlichen Machtstrukturen ausgenutzt worden wären.
Jeder kennt noch die Anklagen des europaweiten Establishments, die nichts anders besagten als: Wir sind zwar bereit, eine Wahlniederlage anzuerkennen, aber die Institutionen, in denen die langfristige Macht liegt, die gehören uns! Alles andere verstößt gegen die Rechtsstaatlichkeit, die Pressefreiheit die Unabhängigkeit der Justiz und überhaupt gegen die Werte und Prinzipien der Europäischen Union.
Dies alles geschah in Ländern, die vom Großen Austausch nicht direkt betroffen sind. Trotz der vergleichsweise günstigen Ausgangsposition ließ sich die linksliberale Hegemonie nicht durch eine Wahl, sondern erst durch deren konsequente Ausnutzung brechen. In Westeuropa und Amerika kommt das factum brutum der vorhandenen Multiethnizität hinzu. Die läßt sich nicht mit einer Abstimmung beseitigen.
Diese Multiethnizität verschiebt sich durch Geburtendynamik und Einwanderung stetig zulasten der Weißen. Für uns ist sie nicht akzeptabel, nichts worüber wir einen Kompromiß schließen könnten, der nicht in einer halben Generation bei verschlechterter demographischer Lage nachverhandelt würde und damit nichts anderes wäre, als ein Kredit zulasten unsere Nachfahren.
Gleichzeitig ist diese Multiethnizität aber auch ein Bestandteil des Status Quo, der sich nicht ohne schwerste Erschütterungen beseitigen lassen wird. Auch viele, die den Großen Austausch eigentlich nicht wollen, schützen das weitgehend ungehinderte Ablaufen dieses Prozesses, weil sie die moralischen oder materiellen Kosten seiner Beendigung nicht zu tragen bereit sind.
Solange das Ziel einer patriotischen Bewegung darin besteht, überhaupt erst Teil des Diskurses zu werden und einige ihr wohlgesonnene Kandidaten in Ämter zu bringen, lassen sich diese Probleme weitgehend ignorieren. Sie stellen sich in voller Härte erst nach der Regierungsübernahme. (Es wird sehr spannend, wie sich das in Österreich entwickeln wird.)
In den Vereinigten Staaten ist nun folgendes geschehen: Durch die Überraschungskandidatur eines Milliardärs wurde eine noch sehr junge und kaum formierte politische Bewegung, die Alt-Right, mit nach oben katapultiert. Jetzt muß diese Bewegung mit den Problemen umgehen lernen, die sich durch Trumps Wahl überhaupt erst stellen. Weil er als erster erkannte, daß der Trumptrain nach 2016 nirgendwo mehr hinfährt, dreht sich diese Debatte zu einem nicht geringen Teil um die Person Richard Spencers.
Die internen Auseinandersetzungen hatte aber auch damit zu tun, daß sich nach Trumps Wahlsieg die Internetrepression massiv verschärft hat. Diese hat, vor allem nach dem Charlottesville-Protest, die Alt-Right gespalten und ihre inneren Strukturen geformt.
Dieses neuartige Phänomen ist Gegenstand des zweiten Teils.
Nath
"Derjenige, der lange vor allen anderen mit dem Feiern wieder aufhörte, war Richard Spencer. Ich muß zugeben, daß ich damals seine Prognosen weitgehender politischer Wirkungslosigkeit der Präsidentschaft Trumps auf gekränkte Eitelkeit schob, die es nicht ertrüge, eine übergeordnete Führungsfigur anzuerkennen."
Um es geradeheraus zu sagen. Ein "Typ" wie Spencer fehlt mir in Deutschland. Er besitzt jene Art von "Coolness", an welchem die üblichen Einschnapp-Affekte des bürgerlichen Mainstreams einfach abperlen. Natürlich kann er sich dies in den USA eher leisten, weil hier eine Tradition der freien Meinungsäußerung existiert (obwohl dort ebenfalls eine äußerst agressive Antifa existiert), von welcher man in Deutschland nur träumen kann. Trotzdem ist das Fehlen jenes Gemischs aus Biedermeier-Bürgerlichkeit, Antikommunismus, Recht-und Ordnungs-Rhetorik sowie dem unvermeidlichen Credo für den freien Markt, das die die Rechte diesseits wie jenseits des Atlantiks seit der Nachkriegszeit kennzeichnet, derart wohltuend, dass ich über manches Kritikwürdige bei ihm hinwegsehe: Etwa, wenn er, obgleich bekennender Nieztscheaner, dem Kollektivismus gegenüber dem Individualismus den Vorzug gibt oder - in guter yankee-Tradition - der weißen Rasse die Eroberung des Weltalls als faustische Perspektive für kommende Jahrhunderte anempfiehlt, oder auch, wenn er Kant als "nicht sehr bedeutenden Philosophen" bezeichnet etc.
Doch all dies hindert mich nicht daran, ihn als erfrischend unkonventionell zu empfinden. (Z.B votiert er als "Rechter" für ein bedingungsloses Grundeinkommen.) Man stelle sich bespielsweise vor, ein AFD-Vertreter würde einen Satz sagen wie, "Die Rasse zählt." - Er wäre noch am selben Tag aller Ämter enthoben. Dabei impliziert diese Aussage doch keineswegs mit Notwendigkeit, dass gewisse Rassen höher stehen als andere, dass manche zum Dienen, andere zum Herrschen bestimmt seien, noch dass die Rasse der letztlich bestimmende Faktor der menschlichen Existenz sei. Doch in Millisekundenschnelle würde er von den Mainstream-Rezeptoren als überdeutliches Signal für abgrundtiefen Rassismus identifiziert werden, und aus abertausenden antifaschistsichen Kehlen würde unisono ein triumphierendes SEHT IHR! entweichen.
Der Hauptvorwurf gegen Spencer könnte lauten, dass er als metapolitischer Denker nicht das ausreichende Format besitzt, nicht "profund" genug ist, um sich derartige enfant terrible-Provokationen leisten zu können. Martin Sellner ließ kürzlich in einem Video kurz durchblicken, er halte manche seiner Äußerungen für einen Ausdruck von Undiszipliertheit, als Provokation um ihrer selbst willen. Daran mag ein Körnchen Wahrheit sein.
Wie Spencer selbst kürzlich zugab, "langweilen" ihn die Trippleschritte der politsichen Alltagsarbeit, als ob "stop immigration" die rettende Losung sei, als ob Trumps "civic nationalism" mehr sei als ein alter republikanischer Hut.
"We need something new!", ist ein oft wiederkehrender Satz bei ihm.
Wie kritisch man auch zu ihm stehen mag - etwas von diesem Geist wünschte man sich auch für Deutschland.
Und wie Poensgen schreibt - in Bezug auf Trump hat er absolut Recht behalten.
[Spencer und Sellner operieren in gänzlich unterschiedlicher Situation. In Deutschland und Österreich ist eine friedliche Wende durch den demokratischen Prozeß zwar schwierig, aber nicht unmöglich. In den USA aus den oben aufgeführten Gründen schon. Und Spencer weiß das, auch wenn er es aus offensichtlichen Gründen nicht zu laut durch die Lande posaunt. Das "something new" das die Amerikaner brauchen, wäre etwas, das Jahrzehnte des stückweisen Ordnungszusammenbruchs und der Verdrittweltisierung überleben und sich dann in einer gewaltsamen Neuordnung durchsetzen könnte. Sowas zaubert man natürlich auch nicht aus dem Hut und da liegt das Problem. JKP]