Gedanken über den Krampus

Am 6. Dezember war Nikolaustag, und ich war schockiert, was die Firma Manner mit Krampus und Nikolo angestellt hat.

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

Bei­de Scho­ko­la­den­fi­gu­ren haben einen selt­sam ver­schla­ge­nen und all­zu mensch­li­chen Gesichts­aus­druck bekom­men, der Kram­pus (für mei­ne bun­des­deut­schen Leser, die ihn nicht ken­nen: er ist das alpi­ne Pen­dant zum Knecht Ruprecht) sieht aus wie ein bal­ka­ne­si­scher Zuhäl­ter und der Niko­lo wie ein Schwer­ver­bre­cher oder Kin­der­ver­zah­rer. Ihnen fehlt alles Win­ter­nächt­li­che, Mär­chen­haf­te, Geheim­nis­vol­le. Am ein­schnei­dends­ten ist aller­dings, daß anstel­le eines Kreu­zes auf der Mitra des Niko­lo das “M” des blau-rosa Man­ner-Schrift­zugs prangt.

Damit ist die Figur des Niko­laus nicht nur ent­zau­bert, son­dern auch ent­chris­tia­ni­siert wor­den. Das Ergeb­nis ist jedoch kei­ne neo-heid­ni­sche Figur, son­dern ein tri­via­ler “kapi­ta­lis­ti­scher” Arti­kel. Das Firmen-“Branding” ist in den Vor­der­grund gerückt. Die Kon­kur­renz­fir­ma Mil­ka ist in die­ser Hin­sicht nur wenig bes­ser – der Niko­laus ist in das Mar­ken­li­la gehüllt, und auch beim Kram­pus drängt sich der Schrift­zug stark in den Vordergrund.

Einem Freund gelang es aller­dings, doch noch eine “tra­di­tio­nel­le” Vari­an­te der bei­den Figu­ren auf­zu­trei­ben, die so aussieht:

Laut Auf­schrift auf der Rück­sei­te wur­den auch die­se Figu­ren von “Man­ner Napo­li Casa­li Wien” pro­du­ziert. Es scheint sich dabei jedoch um ein Aus­lauf­mo­dell zu han­deln. Sie ent­spre­chen jeden­falls im wesent­li­chen dem Aus­se­hen, wie ich es in mei­ner Kind­heit kann­te: Ein schar­fer, auch farb­li­cher Kon­trast zwi­schen den Gestal­ten, wol­ki­ge, himm­li­schen, wat­te­bart­wei­ße Güte auf der einen Sei­te, flam­men­des Rot, tie­fes Schwarz und höl­li­scher Gru­sel auf der anderen.

Alle­go­rien von Gut und Böse und mär­chen­haf­ter Form, mit dem selt­sa­men, fast schon mys­ti­schen Umstand, daß die­se bei­den Mäch­te hier offen­sicht­lich har­mo­nisch zusam­men­ar­bei­ten. Denn der Kram­pus war dem Niko­laus unter­ge­ord­net wie Cali­ban dem Pro­spe­ro oder viel­leicht auch wie der Teu­fel dem Herrn im Buch Hiob. Und wie so oft, ist der Böse­wicht inter­es­san­ter, weni­ger lang­wei­lig als der Gute, der aller­dings in Gestalt des Niko­lo mit sei­ner Bischofs­müt­ze, sei­ner Mitra und sei­nem Wat­te­bart auch etwas ein wenig Unheim­li­ches und Gebie­te­ri­sches hat­te, als Reprä­sen­tant des Him­mel­va­ters oder ent­fern­ter Abkömm­ling des bär­ti­gen Herr­got­tes, wie ihn Michel­an­ge­lo gemalt hat.

Der öster­rei­chi­sche Kul­tur­anthro­po­lo­ge Roland Girt­ler nennt ihn in sei­nem herr­li­chen Buch “Gruß vom Kram­pus” (Wien 2001) eine “edle Abart des Teu­fels”. Das Böse, so Girt­ler, kann einen gewis­sen Charme haben, wenn es mit einem Ehren­ko­dex ver­bun­den ist. Der Kram­pus gleicht dem “edlen Gano­ven”, “der die Rei­chen bestiehlt und ein Freund der Ver­folg­ten ist” oder dem “ver­we­ge­nen Wild­schütz”, der “dem aris­to­kra­ti­schen Jäger die Gams vor der Nase weg­schießt”. Dies unter­schei­de ihn von den wahr­haft bösen “Sata­nen”, die “men­schen- und tier­ver­ach­ten­de Wesen” sei­en. Der Kram­pus hin­ge­gen, eine merk­wür­dig “himm­lisch-teuf­li­sche Exis­tenz”, jage unter der Obhut des Niko­laus den Men­schen einen Schre­cken ein, “um sie anzu­hal­ten, den guten Weg zu suchen” und stra­fe nur jene, die selbst Böses getan haben.

Der Kram­pus ist wie die heid­ni­schen Göt­ter und Geis­ter ein Geschöpf des Wal­des, des Lan­des, des Dorf­le­bens, der bäu­er­li­chen Welt. Der 1941 gebo­re­ne Girt­ler, der in dem klei­nen Gebirgs­dorf Spi­tal am Pyrhn in Ober­ös­ter­reich auf­ge­wach­sen ist, berichtet:

Er gehört zum Pro­gramm und zur Kul­tur der alten katho­lisch-heid­ni­schen Fami­li­en, eben­so wie der Oster­ha­se, das Oster­lamm, der Bischof, der Palm­bu­schen und die Pfar­rer­kö­chin. Er war Teil mei­ner Kind­heit im ober­ös­ter­rei­chi­schen Gebir­ge, und irgend­wie war ich, obwohl mir der Kram­pus eine gehö­ri­ge Angst ein­flöß­te, immer froh, unter Men­schen zu leben, unter heid­ni­schen Katho­li­ken oder katho­li­schen Hei­den, die dem ihren Kram­pus Respekt zoll­ten und ihn zumin­dest ein­mal im Jahr gehö­rig feierten.

“Heid­nisch-katho­lisch” – das ist eine Kom­bi­na­ti­on, in der auch ich mich zuhau­se füh­le. Nicolás Gómez Dávila schrieb:

Nur der ist ein wah­rer Katho­lik, der die Kathe­dra­le sei­ner See­le über heid­ni­schen Kryp­ten errichtet.

Aller­dings ist unzwei­fel­haft “der Teu­fel schlecht­hin” der Stamm­va­ter des pel­zi­gen, gehörn­ten und bocks­fü­ßi­gen Kram­pus. Eine zeit­wei­lig in Wien leben­de ame­ri­ka­ni­sche Freun­din aus fer­nen Tagen war so ent­zückt von den “Aus­tri­an cho­co­la­te devils”, daß ich ihr noch jah­re­lang pünkt­lich zur Advents­zeit etli­che Exem­pla­re nach Kali­for­ni­en schi­cken muß­te. Die Acces­soires des Kram­pus wie Ruten, Ket­ten und Koh­len­büt­ten ver­wei­sen deut­lich auf die ewi­gen Höl­len­stra­fen, die den Sün­dern, Ver­damm­ten und Got­tes­läs­te­rern zuge­dacht sind. Das Buch, in dem der Niko­lo nach­schlägt, wel­che Buben und Mäd­chen brav oder schlimm waren, wel­che Süßes oder Sau­res, Rute oder Nasche­rei ver­die­nen, ähnelt durch­aus dem Buch des Lebens, das am Jüngs­ten Gericht auf­ge­schla­gen wird, um die Toten nach ihren Wer­ken zu richten.

Girt­ler betont das christ­li­che Fun­da­ment des niko­lausi­schen Einkehrfestes:

Der gute Christ weiß, der Höl­le und ihren Qua­len kann man nur dadurch ent­ge­hen, daß man sei­ne Sün­den regel­mä­ßig einem Pries­ter beich­tet und sich auch sonst bemüht, ein got­tes­fürch­ti­ges Leben zu füh­ren, an des­sen Ende ein himm­li­sches Hal­le­lu­ja beginnt. Ansons­ten ist man des Teu­fels. Ein sol­ches Den­ken ist auch der heid­ni­schen Vor­zeit bekannt, nicht nur dem bra­ven Katholiken.

Dabei gibt es etli­che Vari­an­ten und Typen des Kram­pus. Enge Ver­wand­te sind die eben­falls in den Alpen­ge­gen­den behei­ma­te­ten “Perch­ten”, die tra­di­tio­nel­ler­wei­se am 6. Jän­ner mit Kuh­glo­cken­ge­läu­te und Ket­ten­ge­ras­sel die bösen Geis­ter des Win­ters aus­trei­ben. Auch die­ser Brauch reicht bis weit in vor­christ­li­che Zei­ten zurück.

Der “klas­si­sche Kram­pus”, der bis heu­te in der Erin­ne­rung vie­ler Öster­rei­cher prä­sent ist, ist natür­lich der Beglei­ter des Niko­laus, eigent­lich des Bischofs von Myra, des­sen Fest am 6. Dezem­ber gefei­ert wird. Die volks­tüm­li­che Phan­ta­sie hat aus die­sem ins­be­son­de­re in der Ost­kir­che ver­ehr­ten grie­chi­schen Hei­li­gen, dem etli­che Wun­der­ta­ten zuge­schrie­ben wer­den, eine hyper­bo­räi­sche Gestalt aus deut­lich nörd­li­cher Him­mels­rich­tung gemacht, eine Art christ­lich ver­edel­ten Odin, eng ver­wandt mit Väter­chen Frost und dem Weih­nachts­mann (heu­te vor allem in sei­ner ame­ri­ka­ni­schen Dege­ne­ra­ti­ons­form “San­ta Claus” bekannt, in des­sen Name der Niko­laus steckt).

Doch bereits in den Tagen vor dem 6. Dezem­ber, so Girtler,

… mach­ten bis in die letz­ten Jahr­zehn­te jun­ge, als Kram­pus­se ver­klei­de­tet Bur­schen in Mas­ken, Fell­män­teln und mit Ruten das Dorf unsi­cher, so sehr, daß man heu­te schon vom 5. Dezem­ber als vom “Kram­pus­tag” spricht. Gan­ze Grup­pen von Kram­perln waren unter­wegs. Sie sahen sich durch altes Über­ein­kom­men ermu­tigt, mas­kiert aller­hand Volk und vor allem Buben zu ver­dre­schen. Eine beson­de­re Freu­de mach­te es den Kram­pus­sen, jun­ge Mäd­chen zu “stam­pern”, ihnen also nach­zu­lau­fen und sie mit Ruten mehr oder weni­ger zart zu schla­gen. Die Mäd­chen schrien und kreisch­ten bei sol­cher­art Behand­lung durch die sich wild gebär­den­den Kram­pus­se, hin­ter deren Mas­ken sich viel­leicht poten­ti­el­le Ver­eh­rer ver­bar­gen. … Dar­um war das Auf­tre­ten des Kram­pus “für uns Buben nicht nur mit Angst ver­bun­den, son­dern auch mit Abenteuer.

Dem wil­den Trei­ben der Kram­pus­ban­den stand die “bür­ger­lich-zivi­li­sier­te” Vari­an­te gegen­über. Die­ser mach­te auf Bestel­lung zusam­men mit dem Niko­laus thea­tra­li­sche Haus­be­su­che. Aller­dings beschränk­te sich sei­ne Rol­le auf blo­ße, dräu­en­de Anwe­sen­heit. Ihm war es “nicht gestat­tet, tat­säch­lich die Rute ein­zu­set­zen, um schlim­me Buben zu malträtieren.”

Sol­che Besu­che haben einen merk­lich ritu­el­len Cha­rak­ter und erin­nern an Volks­tums­ver­an­stal­tun­gen für den Frem­den­ver­kehr oder an Heimatabende.

Auch von die­sem Niko­lo und “zivi­li­sier­ten Kram­pus” gibt es meh­re­re Typen. Er wird ent­we­der von buch­ba­ren Dar­stel­lern ver­kör­pert, oder aber von Fami­li­en­mit­glie­dern  oder – freun­den. Dabei kann es “zu lus­ti­gen Erken­nungs­sze­nen kom­men, wenn die aus dem Bart ragen­de Nase der des Groß­va­ters ähnelt oder der Stim­me des Niko­laus anzu­mer­ken ist, daß hier der Onkel Pepi spricht.”

Die­se Sze­ne habe ich buch­stäb­lich so erlebt:

Beson­ders ver­we­gen ist es dann, wenn eine Tan­te den Niko­laus spielt. Meist ver­sucht sie krampf­haft, sich mit einer tie­fen Stim­me Respekt zu ver­schaf­fen. Even­tu­el­len Pein­lich­kei­ten wird meist so begeg­net, daß der Kram­pus mit Droh­ge­bär­den neu­gie­ri­gen Fra­gen der Kin­der hin­sicht­lich der Her­kunft der Per­son des Niko­laus verhindert.

Wie erbost ich war über die­sen Betrug!

Meis­tens erleb­te ich den Niko­lo­tag aller­dings in der abge­speck­ten Ver­si­on, die Girt­ler eben­falls schil­dert. Man stell­te Schu­he oder Strümp­fe ins Fens­ter­brett, die sich über Nacht wun­der­sam mit Scho­ko­la­de, Zuckerln, Kek­sen, Man­da­ri­nen, “Aschan­ti­nüs­sen” und mög­lichst knall­ro­ten “Kram­pus­äp­feln” füll­ten. Die­se ver­wie­sen, nebst rotem Krepp­pa­pier, Koh­len und Ruten mit rotem Schleif­chen, die zum Brav­sein ermahn­ten, sym­bo­lisch auf die Exis­tenz des Kram­pus, obwohl die­ser selbst nicht in Erschei­nung trat. Gele­gent­lich klopf­te die Oma mit dem Besen ans Fens­ter, um uns Kin­dern die erwünsch­te Angst ein­zu­ja­gen (wir kreisch­ten uns die See­le aus dem Leib, und wuß­ten natür­lich, daß sie es war).

Ein wei­te­rer schö­ner Umstand am Kram­pus­brauch ist, daß er nicht nur öster­rei­chisch, son­dern donau­mon­ar­chisch-öster­rei­chisch ist: Man fin­det ihn auch in Süd­ti­rol, Ungarn, Böh­men und Mäh­ren, Tei­len Nord­ita­li­ens und Kroa­ti­ens sowie im rumä­ni­schen und ser­bi­schen Banat.

Oder soll man bes­ser sagen “fand”? Das der bäu­er­li­chen Welt ent­stam­men­de Brauch­tum ist deut­lich im Schwund begrif­fen, und es ist leicht ersicht­lich war­um. Ver­städ­te­rung, Moder­ni­sie­rung und Tech­ni­sie­rung sind Wesen wie dem Kram­pus und Niko­lo feind­lich geson­nen, und auch der Rück­gang des katho­li­schen Glau­bens und der Auf­stieg der pro­gres­si­ven Päd­ago­gik machen wesent­li­che Bestand­tei­le des Fes­tes zum Ana­chro­nis­mus. Die Erzie­hung durch Angst­ma­che und Andro­hung phy­si­scher Stra­fe ist eben­so “out”, wie der Glau­be an Him­mel und Höl­le, an Sün­de, Bei­che und Buße.

War es schlecht, unfolg­sa­me Kin­der kör­per­lich zu züch­ti­gen, wie es vor nicht gar all­zu lan­ger Zeit üblich war? Ich den­ke ja, und traue­re die­ser Pra­xis nicht nach. Die “gesun­de Wat­schen” war wohl ein Mythos, um den es nicht scha­de ist. War es schlecht, den Kin­dern Angst ein­zu­ja­gen und Fei­er­tags­thea­ter zu spie­len, auch in sei­nen ungru­se­li­gen Vari­an­ten wie Ostern und Weih­nach­ten, die frü­her oder spä­ter zur Ent­täu­schung füh­ren, wenn das Spiel ent­tarnt ist?  Ich den­ke nein, wenn es wohl­do­siert gesche­hen ist. Ich glau­be sogar, daß Kin­der, die in ihren Träu­men eben­so­vie­le, wenn nicht noch mehr Ängs­te und Trau­men ver­dau­en müs­sen wie Erwach­se­ne, ein gewis­ses see­li­sches Bedürf­nis nach Gru­sel­kit­zel haben, und nicht umsonst sind die klas­si­schen Mär­chen gesäumt mit Hexen, Kobol­den, Zwer­gen, bösen Wöl­fen und Feen. Ich erin­ne­re mich gern an den woh­li­gen Gru­sel der Kram­pus­näch­te, und bin froh, das Thea­ter noch mit­er­lebt zu haben, das ich in mir tra­ge wie ein Geschenk.

Gelöst aus die­sem christ­li­chen, “katho­lisch-heid­ni­schen” Rah­men, abseits der Ritua­le und Bac­chana­li­en der Dorf­ge­mein­schaft, besteht das Niko­l­o­fest für vie­le Men­schen nur mehr dar­in, pas­send auf­ge­mach­te Süßig­kei­ten und Arti­kel zu kon­su­mie­ren, die – vide die moder­nis­ti­schen Unta­ten der Fir­ma Man­ner – umso schö­ner sind, je nost­al­gi­scher sie sind. Sur­ro­ga­te, die noch einen Hauch Kind­heits­ma­gie und ‑phan­ta­sie bewah­ren, auf die man auch in Zei­ten von Inter­net und Trans­hu­ma­nis­mus nicht ver­zich­ten will.  “Nur durch den zau­ber bleibt das leben wach” heißt es in einem Gedicht von Ste­fan Geor­ge, in dem ein Vet­ter des Kram­pus auftritt:

Doch wer hängt das behaar­te bein herab/Von die­ses fel­sens träu­felnd fet­tem moos?/ Aus buschig krau­sem kop­fe lugt ein horn ..

Das aus rein kom­mer­zi­el­len Grün­den in Deutsch­land und Öster­reich instal­lier­te ame­ri­ka­ni­sche “Halloween”-Fest, hat einen nicht gerin­gen Teil der kram­pu­si­schen Ener­gie auf­ge­so­gen. Wie einst auf den Kram­perl­jag­den, zie­hen heu­te Kin­der und Jugend­li­che in Gru­sel­kos­tü­men durch die Stra­ßen, aller­dings hat die Dia­lek­tik von Stra­fe und Beloh­nung eine merk­wür­di­ge Umkeh­rung erfah­ren: Die Kin­der erschei­nen selbst als Abge­sand­te der Unter­welt, die ohne irgend­ei­nen Ver­dienst ihrer­seits Süßig­kei­ten­tri­bu­te ein­for­dern, ansons­ten spuk­haf­te Heim­su­chung ange­droht wird. An die Stel­le der patri­ar­cha­len Auto­ri­tät des Niko­laus, die zur Tugend­haf­tig­keit ermahnt, sind klei­ne, gie­ri­ge Teu­fel getre­ten, die die Erwach­se­nen mit ihren Kon­sum­wün­schen terrorisieren. 

In Baden bei Wien sah ich vor etwa fünf Jah­ren nach lan­ger Zeit wie­der einen Kram­pus­lauf. Vie­les hat­te sich seit mei­ner Kind­heit ver­än­dert. Die Mas­ken waren um etli­che Gra­de grau­si­ger, detail­lier­ter und rea­lis­ti­scher, ange­paßt an die Ästhe­tik moder­ner Hor­ror- und Fan­ta­sy-Fil­me. Und in der Tat, der Anblick war min­des­tens so infer­na­lisch wie die Ork-Armee aus “Herr der Rin­ge”, als hät­ten sich tat­säch­lich die Pfor­ten der Höl­le auf­ge­tan. “Hell is emp­ty, and all the devils are here!”, wie es in Shake­speares “Sturm” heißt.

So ein­drucks­voll die­ser Tanz der Teu­fel war, er hat­te doch einen beun­ru­hi­gen­den Bei­geschmack. Hier schien mir etwas aus der Balan­ce gera­ten zu sein. Die­se moder­nen Kram­pus­se gli­chen doch eher “Sata­nen” und Dämo­nen als den edlen Schur­ken in Girt­lers Deu­tung. Ihre Prä­senz wur­de nicht durch güti­ge, from­me Niko­läu­se aus­ge­gli­chen, die mit ihren Wat­te­bär­ten ohne­hin kaum mit dem immer raf­fi­nier­ter und kras­ser wer­den­den Hol­ly­wood-Hor­ror-Design mit­hal­ten kön­nen. Man hat­te qua­si Gott und den Him­mel auf­ge­ge­ben, den Teu­fel und die Höl­le behalten.

Man kann dar­in und in der Aus­brei­tung von “Hal­lo­ween” eine Art Re-Dämo­ni­sie­rung des Brauch­tums sehen. Gleich­zei­tig steht es unter dem Beschuß der “poli­ti­schen Kor­rekt­heit”. Noch sind die Angrif­fe nicht beson­ders stark, aber im Zuge der Mul­ti­kul­tu­ra­li­sie­rung wird der Kul­tur­kampf auch auf Kram­pus und Niko­lo aus­ge­dehnt. Knecht Rup­p­recht soll nicht mehr “zeit­ge­mäß” sein, der Niko­laus, der per Mul­ti­kul­ti-Pro­pa­gan­da zum “Tür­ken” erklärt wur­de, ver­är­gert angeb­lich mus­li­mi­sche Kin­der, und der Kram­pus wird ver­däch­tigt, zur Gewalt auf­zu­sta­cheln. Am schlimms­ten hat es “Zwar­te Piet”, den hol­län­di­schen Krampus/Knecht Rup­p­recht erwischt, dem die Kar­di­nal­sün­de “Ras­sis­mus” vor­ge­wor­fen wird.

Hier ver­kün­det die Klei­ne Zei­tung (Stei­er­mark) erleich­tert, daß der mys­ti­sche Bischof zwar “end­lich nicht mehr päd­ago­gisch miß­braucht” wer­de, beklagt jedoch, daß sein Bischofs­tab inzwi­schen den bösen, eng­stir­ni­gen “Kämp­fern für die christ­li­che Leit­kul­tur” als “Speer­spit­ze” die­ne. Eine ähn­li­che Debat­te wird bei­spiels­wei­se hier geführt, wobei frag­lich ist, wer den christ­li­chen Tra­di­tio­nen feind­li­cher gegen­über­steht – dau­er­be­lei­dig­te Mus­li­me oder doch eher “Poli­ti­ker der SPÖ Wien”.

Hier hat eine Blog­ge­rin des links­li­be­ra­len Stan­dard die “toxi­sche Mas­ku­li­ni­tät”, den iden­ti­tä­ren Natio­na­lis­mus und sado­ma­so­chis­ti­schen Sexis­mus des Kram­pus ent­deckt. Kost­pro­be der aus die­ser mes­ser­schar­fen Ana­ly­se erblü­hen­den kul­tur­mar­xis­ti­schen Meisterprosa:

Der Kram­pus ist eine gro­tes­ke Reprä­sen­ta­ti­on von Mas­ku­li­ni­tät, in der sich eine patri­ar­cha­le, länd­li­che Vor­mo­der­ne und katho­li­sches Sün­den­ver­ständ­nis – die begehr­li­chen Frau­en bekom­men, was sie ver­die­nen – in sel­te­ner Har­mo­nie tref­fen. Wie eine Stu­die jun­ger Kul­tur­anthro­po­lo­gen deut­lich macht, dient der Kram­pus heu­te als zumin­dest tem­po­rä­re Rück­ver­si­che­rung die­ser im All­tag längst ver­gan­ge­nen männ­li­chen Iden­ti­täts­kon­struk­ti­on als “wil­der Mann”. (…) Nicht nur der Niko­laus, auch der Kram­pus wird zuneh­mend zur Ver­si­che­rung einer “abend­län­di­schen” oder zumin­dest “öster­rei­chi­schen” Iden­ti­tät her­an­ge­zo­gen. (…) Der Kram­pus wird unge­ach­tet der eige­nen ambi­va­len­ten Her­kunft zur Ver­kör­pe­rung einer abend­län­di­schen Iden­ti­tät, die es zu schüt­zen und bewah­ren gilt.

Wenn die poli­ti­sche Kor­rekt­heit einen pro­tes­tan­tisch-puri­ta­ni­schen Ursprung hat, wie Paul Gott­fried ver­mu­tet, kann man all dies viel­leicht als einen ent­zau­bernd-neo­pro­tes­tan­ti­schen Angriff auf das heid­nisch-katho­li­sche Brauch­tum betrach­ten, wie ihn bereits Luther betrie­ben hat – wobei eine List der Geschich­te dazu geführt hat, daß aus­ge­rech­net er das in vor­wie­gend katho­li­schen Län­dern so belieb­te “Christ­kind” gestif­tet hat, das heu­te noch wacker den Pos­ten gegen den mate­ria­lis­ti­schen Kul­tur­im­pe­ria­lis­mus des ame­ri­ka­ni­schen “San­ta Claus” hält.

Was ich auch die­ses Jahr zur Kram­pus­zeit ver­mis­se, ist der Schnee. Eine mei­ner Tan­ten, gebo­ren in den fünf­zi­ger Jah­ren, ist über­zeugt davon, daß der “Kli­ma­wan­del” Rea­li­tät ist, weil sie sich an die tie­fen, ver­schnei­ten Win­ter ihrer Kind­heit auf dem Land in Nie­der­ös­ter­reich erin­nert. Heu­te sei­en die Jah­res­zei­ten in all ihrer Unter­schied­lich­keit zuneh­mend im Ver­schwin­den. Auch wenn dies an sich noch kein Beweis für den omi­nö­sen “men­schen­ge­mach­ten Kli­ma­wan­del” wäre, so ver­un­si­cher­te sie mich doch ein wenig mit die­ser Behauptung.

Ich ver­such­te mich zu erin­nern. Wie war das, damals in den glück­li­chen acht­zi­ger Jah­ren, als die Welt noch in Ord­nung war? Waren die Som­mer nicht som­mer­li­cher, die Früh­lin­ge nicht früh­lings­haf­ter, die Herbs­te nicht herbst­li­cher, der Win­ter nicht win­ter­li­cher, käl­ter und wei­ßer, mit meter­ho­hem Schnee, schon am 6. Dezember?

Mei­ne Erin­ne­rung sagt, ungern nur, Ja, so ist es gewe­sen, und da drau­ßen im fins­te­ren Wald leb­ten wirk­lich ein Kram­pus und ein Nikolo.

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

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Kommentare (35)

Maiordomus

18. Dezember 2018 13:53

@Lichtmesz. Was Sie als notorischer Österreicher Krampus nennen, heisst in der Schweiz Schmutzli, hat volkskundlich mit der brutalen, schreckenerregenden Seite des Nikolaus zu tun, vgl. Struwwelpeter. Bei Nikolaus wäre einiges zu verwesentlichen. Empfehle dringend, einen der bedeutendsten Wallfahrtsorte Europas mal aufzusuchen, nämlich Bari in Süditalien, nicht nur mit den von den Kreuzzügen geborgenen Reliquien des Heiligen, sie sind schon etwa 900 Jahre vor Ort, auch das Nikolaus-Museum dort mit Putins Gedenktafel an Nikolaus, der für die Orthodoxen einer der wichtigsten sie mit den Katholiken verbindenden Heiligen ist. Klar war der Nikolaus vielleicht in Sachen des aktuell tobenden Kulturkampfs kaum je so bedenkenswert wie heute. Darum wird er denn auch verfälscht und entchristianisiert, wobei das enthemmende und diabolisch anmutende Krampus-Zeugs nicht gerade das Wesentliche ist. Hatte in Bari wunderbare Begegnungen mit russisch-orthodoxen Popen und mehrheitlich mit Kopftüchern verschleierten russischen Pilgerinnen, die es partout nicht wollten, dass man sich Englisch mit ihnen unterhält. In Italien gibt es keine Stätte, welche die Oekumene zwischen Katholiken und Orthodoxen stärker betont als Bari, eine Oekumene übrigens, zu deren grössten Pionieren die rechtskonservativen religiösen Staatsdenker Joseph de Maistre und Franz von Baader gehörten. Wir sollten wieder am echten Respekt gegenüber dem heiligen Nikolaus "arbeiten". Die schwarzen Gesellen lenken von seiner Substanz ab und werden seit Generationen auch zum Treiben von Unfug missbraucht, ohnehin wird das Nikolausbrauchtum in diesem Zusammenhang oftmals zum "Anschwärzen" von Kindern und Mitbürgern in eine falsche Richtung verzerrt. Ein ganz grandioser Nikolauskenner ist Professor Mezger von Freiburg, auch Verfasser von Standardwerken zu St. Nikolaus wie auch zur schwäbischen Fasnet und deshalb verdienter Bodenseeliteraturpreisträger.

Laurenz

18. Dezember 2018 15:02

Komischer Artikel und interessant zugleich. Der Weihnachtsmann ist natürlich älter als ein katholischer Bischof aus der Levante namens Nikolaus. Zu Lebzeiten des Nikolaus gab es noch keine orthodoxe Kirche. Damals ging es auch noch rabiater her. Er wurde während der Christenverfolgung gefoltert, und teilte allerdings auch selbst aus. Mit Liebe hatte der wenig zu tun. Wenn man die kirchliche Berichterstattung, der Rettung junger Prostituierter, relativiert, war er mutmaßlich auch noch ein Nuttenpreller. Nicht nur der Nikolaus, sondern alle kirchlichen Feiertage sind heidnischen Ursprungs, Verfälschung, also im Grunde alles ganz christlich erstunken und erlogen.
Zitat- Und wie so oft, ist der Bösewicht interessanter, weniger langweilig als der Gute -Zitatende.... daß Heiden eine abrahamitische Polarisierung kannten, zwischen "gut" und "böse" unterschieden, ist nicht nur an den Haaren herbeigezogen, nein, die Haare sind ausgerissen. Heiden erkannten schon immer unsere Nano-Parallele zum Universum. Universal betrachtet, ist das Anerkennen eines Gleichgewichts aller menschlichen und kosmischen Kräfte erstrebenswert, auch wenn, zugegeben, ein Hagen von Tronje sicher spannender ist, als ein strahlender Siegfried.

Johannes Poensgen

18. Dezember 2018 15:41

"Der Krampus (für meine bundesdeutschen Leser, die ihn nicht kennen: er ist das alpine Pendant zum Knecht Ruprecht) sieht aus wie ein balkanesischer Zuhälter."

Und warum passt der dann nicht ins traditionelle Wien?

Konnte ich mir nicht verkneifen.

MartinHimstedt

18. Dezember 2018 15:47

Der große Austausch läuft auf Hochtouren:

(Rock-)Diskos weichen Paviankäfigen, welche überwiegend von Türken und Arabern besucht werden. Wenn in manchen Großstädten über 50% der Kinder, und damit einer der Hauptzielgruppen für Schokolade, einen Migrationshintergrund haben: Natürlich mache ich dann das Kreuz weg, wenn ich Schokolade verkaufen möchte. Alles andere wäre ja auch töricht. Ein Kreuz könnte ferner auch die vokale Minderheit der üblichen Verdächtigen auf den Plan rufen: Der Schokoladenhersteller hätte im Nu den Vorwurf der Ausgrenzung am Hals – und ab jenem Punkt ist eigentlich klar, dass der Betrieb nur von einem Nazi geführt werden kann. Außerdem war Nikolaus doch sowieso ein Türke, oder werden hier etwa rechte Verschwörungstheorien verbreitet? Nein? Dann wünsche ich allen Lesern der Sezession schon mal ein buntes Winterfest!

Gustav Grambauer

18. Dezember 2018 16:52

Ulla von Bernus hat berichtet,

https://www.flensburgerhefte.de/hefte-und-buecher/einzelansicht.html?tt_products[begin_at]=20&tt_products[backPID]=28&tt_products[product]=9&cHash=1c9e50a3afffe917e7e32a2a6feaa194

daß sich der Erzengel Michael (!) von scheußlichen, fürchterlich-aggressiven Höllenwesen, insbesondere hyänenartigen, begleiten läßt. Schiva und Krischna haben mit Vorliebe von Schlangengruben aus Darshan gegeben und hatten sowieso meist Nattern, Boas und anderes Gezücht um sich herum, gern auch um den eigenen Hals. (Jeder hier kennt das Märchen "Der Froschkönig".) Der Tandava

https://de.wikipedia.org/wiki/Tandava

wird in Bengalen noch heute von zigeuneräugigen Sadhus mit Totenschädeln auf den Handflächen oder lebendigen Nattern bzw. brennenden Fackeln in den Händen haltend getanzt. Schon die kleinen Kinder lernen dort, wie man einen Totenschädel "entfleischt". (Er wird lange genug in einen Ameisenhaufen gelegt, dann mit Yantras tätowiert.) Die Kapalika, eine hier nicht zu vermittelnde Meditation, wird in der Neumondnacht nachts auf dem Fridhof auf einem möglichst frischen Grab "performed", wobei man wissen muß, was sich nachts auf Friedhöfen in Benares, Kerala oder Kalkutta so für Gangstergesindel herumtreibt. In Tibet wird der Vater bestattet, indem der älteste Sohn vor den Augen der Sippe den Leichnam zerhackt. Von den Schamanen in Peru rede ich erst gar nicht, erst recht nicht von unseren Asen. Siehe auch zur (rauhen) Percht:

https://de.wikipedia.org/wiki/Percht

Fazit: bin mir sicher, Krampus bzw. Schmutzlis spielen auf diese "schmutzige", rohe Dimension der Mystik bzw. Weißen Magie an. Wir lernen: auch Weiße Magie, ambitioniert praktiziert, ist nichts für Etepetete-Leute mit Waschzwang!

***

Ziehe aber gern noch andere, weniger ambitionierte Saiten auf, immerhin geht es auf Weihnachten zu ...

Bei uns im Dorf lebt der Chlaus-Brauch, er hat sogar ein eigenes Portal im Netz:

http://www.samichlaus-birmensdorf.ch/

Die Liebe und Sorgfalt dazu sind immens. Kaum einer, der nicht mitmacht, Jung und Alt, und wenn nur als finanzielle Föderer. Die Kinder lernen schon Wochen vorher die Lieder und Sprüche. Die Chläuse und Schmutzlis sind meist Prim-Lehrer, die soweit wir es mitbekommen den richtigen Ton in Strenge und Milde treffen wenn sie die aufgeregten Kinder vor sich haben, welche berichten müssen, ob sie im zurückliegenden Jahr artig waren.

Übrigens haben wir im alemannischen Raum ein so friedliches und unverfängliches Pendant zu Halloween (das allerdings trotzdem leider von vielen gefeiert wird), welches dem Chlaus auch keinerlei Konkurenz macht, im Gegenteil - den Räbelichtli-Umzug:

https://de.wikipedia.org/wiki/R%C3%A4benlicht

http://primabirmensdorf.ch/index.php?id=307

Unser Kind wollte schon von kleinauf immer wieder und immer wieder dieses Weihnachtslied hören und spielt es heute, obwohl inzwischen für sie "Baby-Lied", bei Weihnachts-Anlässen mit Vorliebe auf der Blockflöte:

https://www.youtube.com/watch?v=FefdjfIKmjQ

Bin gespalten. Habe mich gerade heute gefragt, ob die Hierarchien es verzeihen, wenn Menschen die ihnen gewidmete Stimmung mißbrauchen, dies aber in solcher Reinheit und auf so hohem künstlerischen und pädagogischen Niveau geschieht, bzw. ob man überhaupt in dem Fall von Mißbrauch sprechen kann, bzw. ob sie sagen würden: der niedergesenkte Geist der Weihnachtszeit ist für alle da sofern die Würde gewahrt wird.

Mein Lieblings-Weihnachtslied ist immer noch "Das" Weihnachtslied meiner Familie väterlicherseits seit es bildlich gesprochen in den noch rauchenden Ruinen Dresdens komponiert und kurz darauf bekannt wurde; es ist womöglich germanisch-heidnisch geprägt:

https://www.youtube.com/watch?v=9ULKiYjTnSo

- G. G.

LotNemez

18. Dezember 2018 16:53

Danke vielmals für das Davila-Zitat. Es spricht mir aus der Seele. Ein Arsatru-Heide berichtete mir kürzlich von den "Gottesdiensten" seiner Religion. Mir wurde ganz warm ums Herz, während ich den Beschreibungen ritueller Handlungen in freier Natur lauschte. Schade, dachte ich da, dass wir Katholiken uns so von den urchristlichen Bräuchen entfert haben. Damals brauchte es kein Gotteshaus. Und selbst heute möchte man meinen, der Himmel selbst ließe uns Gott näher sein als das schönste Kreuzrippengewwölbe. Irgendwo der sächsischen Schweiz soll es (1mal monatlich?) einen Gipfelgottesdienst geben. Natürlich evangelisch. Aber dafür bin ich doch fast geneigt, ein bisschen Ökumene Einzug in mein Glaubensleben halten zu lassen.
Und eine weitere Perle barg mir dieser Text: Ich besuche aktuell einen Glaubenskurs. Der Pfarrer gab uns eine Fotografie, auf der das Schwarz-Weiß von Muttererde und tauendem Schnee ein auf den ersten Blick chaotisches Muster ergab. Man sollte sich darin vertiefen, etwas erkennen, suchen. Ich sah eben den von George im Gedicht beschriebenen einhörnigen Faun und mir fielen sofort die selbigen Zeilen ein, die ich auch zur allgemeinen Verwunderung vortrug. Heidnische Symbolik im katholischen Glaubenskurs? Das kann doch der Herr Pfarrer unmöglich gemeint haben. Hätte ich das Bild anders herum betrauchtet, wäre mir evtl. früher oder später das Antlitz des Heilands ins Auge gefallen. So aber war der Faun die Kehrseite Jesu. Durch ihre Zeilen bekommt die Begebenheit für mich einen nicht unliebsamen Sinn.

Louise

18. Dezember 2018 17:33

Die Feier des „Nikolaus“, der den Kindern Geschenke bringt, ist wieder mal ein typisches Beispiel dafür, wie die Kirche heidnisches Brauchtum aufgegriffen, überlagert und verfälscht hat. In vielen Gegenden Deutschlands wird der „Krampus“ als „Knecht Ruprecht“ (hruodperaht ‚Ruhmglänzender‘) bezeichnet. Hier sieht man schon am Wort sofort den Zusammenhang mit den „Perchten“. Ruprecht war im Volksglauben der Knecht der Frau Holle (Frau Hulda, Perchta,…), wird auch mit Wotan und dem Führer der wilden Jagd gleichgesetzt. Frau Holle ist vermutlich eine Entsprechung der germanischen Göttin Hel, die Herrin über die Welt der Toten ist. Im Märchen von Frau Holle fällt die Marie in den Brunnen hinein, in eine Art Unterwelt – die Welt der Frau Holle. Diese hat einen belohnenden und einen strafenden Aspekt (so wie das halb schwarze, halb weiße Gesicht der Hel). Ruprecht, als ihr „Diener“, oder vielmehr ihr männlicher Gefährte, verkörpert eben auch diese beiden Aspekte: belohnend und strafend, gütig und streng. Die Kirche hat nun mit der Figur des Nikolaus den gütigen Aspekt für sich gekapert und den heidnischen Ruprecht oder Krampus, als böse assoziiert, zu einer Teufelsfigur gemacht. Meine Literaturempfehlung zu Weihnachten: Rudolf Simek: Religion und Mythologie der Germanen, Thomas Höffgen: Schamanismus bei den Germanen – Götter-Menschen-Tiere-Pflanzen. Zu beziehen über Antaios. 😉

Andreas Walter

18. Dezember 2018 18:07

https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/a/a4/Millais_-_Christus_im_Hause_seiner_Eltern.jpg

Entweder man fühlt es, oder eben nicht. So wie man Jesus im Herzen hat, oder eben nicht. Eine selige Weihnachtzeit (haben) darum all jene(n), die es fühlen.

micfra

18. Dezember 2018 19:03

Ich habe diesen Artikel mit einem Lächeln im Gesicht gelesen und sehr genossen, wenn er auch schmerzhaftes, wie den Zerfall von Sitten und Bräuchen, beschreibt. Mich hinterlässt er mit Wehmut und der Frage, ob wir irgendwas davon retten oder wiederbeleben können?

Gerald

18. Dezember 2018 19:16

"Und wie so oft, ist der Bösewicht interessanter, weniger langweilig als der Gute"
Vielleicht würde der erwähnte Dávila Ihnen widersprechen, wenn er notiert: "Es gibt viele Sünden, die langweiliger sind als jede Tugend." und "Die einzig interessanten Lösungen sind jene, die Gott für sich reserviert."

Maiordomus

18. Dezember 2018 20:45

@Laurenz. Ihre Ausführungen sind frei vom Wissen über die frühchristliche und byzantinische Kirchengeschichte zur Zeit des heiligen Nikolaus von Myra im einst christlichen Kleinasen samt quellenkritischem Hintergrund und natürlich auch dem genannten Standardwerk von Prof. Mezger. Nur Banausen reduzieren den Nikolaus auf ein paar Legenden wie Sie mit Ihrem lächerlichen Nuttenpreller; und natürlich gehört zum Verständnis des heiligen Nikolaus die Problematik der Spaltung zwischen Katholiken und Orthodoxen, die ihn aber stets in gleicher Weise verehrten und verehren; wobei Nikolaus von Myra einer der wichtigsten Heiligen der Orthodoxen Kirche ist und bleibt, vgl. Zar Nikolai, oder Leo Nikolaiewitsch Tolstoi; weswegen nun mal eine Reise nach Bari, in dessen Museum man von Nikolaus-Analphabetismus geheilt werden kann, für den Erwerb elementarer Grundkenntnisse nicht schlecht wäre. Sie erinnern mich angesichts Ihrer "Kenntnisse" an einen seinerseits tendenziös ignoranten katholischen Seelsorger, der mit St. Nikolaus wie folgt "multikulturelle" Propaganda machen wollte: "St. Nikolaus war ein Türke." Eben gerade nicht. Dass das Nikolaus-Brauchtum Überschneidungen und Vermischungen mit germanischer und anderer Überlieferung angenommen hat, können Sie bei Mezger studieren und sich erklären lassen. Gewaltig ist im Alpenraum die Bedeutung von Nikolaus als Pass-, See- und Fährenheiliger, so ist er zum Beispiel der Patron von Überlingen und der Patron des Vierwaldstättersees sowie im Prinzip der Patron eigentlich aller mitteleuropäischen Alpenpässe, die zwar auch noch mit den heiligen Wolfgang, Gotthard, Theodul und anderen ergänzt wurden. Befasst man sich mit Christenverfolgungen im moslemischen Raum, vgl. das Buch von Mosebach, welches ich bei Antaios soeben bestellt habe, begegnet man flächendeckend immer wieder mal dem heiligen Nikolaus. Dieser ist auch für die Christenheit von Syrien von gewaltiger Bedeutung, und insofern aktueller denn je.. Das Problem indes, das Lichtmesz mit der Entchristianisierung kritisch anspricht, dass man aus St. Nikolaus z.B. mit der Entfernung des Kreuzes sozusagen einen "Türken" macht, hat mit einem nicht kleinen heute weitverbreiteten teilweise sogar bösartigen Banausentum zu tun.

Maiordomus

18. Dezember 2018 21:08

@Andreas Walter. Auch ich wünsche Ihnen eine gesegnete Weihnachtszeit, wie Sie es fühlen; Theodor Storm fühlte es sogar noch, obwohl er bereits nicht mehr glaubte.

Mit Wikipedia und Wikimedia meinen Sie es natürlich gut, aber vergleichen Sie, was in diesem Zusammenhang in einer kürzlichen Nachbarkolumne betr. einen Artikel von Poensgen betr. Alt-right über Richard Spencer und andere, wie sie in Wikipedia dargestellt sind, ausgeführt wurde. Ich appelliere an das Lesen des endlich eingetroffenen gedruckten Heftes "Sezession". Ein Artikel besser recherchiert als der andere, fast immer mit Bezug auf Bücher und Literatur, und nie mit solchem Schrott, mit dem man sich hier im Blog gegenseitig "aufzuklären" vermeint. Ein solcher Austausch ist auf jeden Fall nicht "rechtsintellektuell".

@Grambauer. Schön, dass Sie auf das Samichlausbrauchtum im aargauischen Weindorf Birmenstorf zu reden kommen, wo in der Nacht vom 16. auf den 17. Dezember 1146 der heilige Bernhard von Clairvaux zu Gast war und vor seiner Weiterreise nach Wettingen auch predigte. Das berühmte Wort von Saint-Exupèry "Man sieht nur mit dem Herzen gut" ist ein Zitat des Kreuzzugspredigers. Aber zwischen den 1100 Seiten über den @Erzengel Michael und Genossen auf der Basis von Dionysios Areopagita aus der Feder des bei den Gründern von SiN hoch angesehenen deutschen Rechtsintellektuellen Gerd-Klaus Kaltenbrunner und Wikipedia-Analphabetenfutter klaffen Abgründe.

quarz

18. Dezember 2018 21:46

"für meine bundesdeutschen Leser, die ihn nicht kennen: er ist das alpine Pendant zum Knecht Ruprecht"

Der Krampus ist durchaus auch den Bewohnern der bairischen Voralpenländer (Oberbayern, Niederbayern, Oberpfalz) vertraut. Hingegen hat der Knecht Ruprecht im alemannischen Westösterreich Tradition.

"Das aus rein kommerziellen Gründen in Deutschland und Österreich installierte amerikanische "Halloween"-Fest, hat einen nicht geringen Teil der krampusischen Energie aufgesogen."

Wenn mich mein Eindruck nicht täuscht, hat die (ggf kurzlebige) Halloween-Mode hierzulande ihren Zenit bereits überschritten. Weniger einschlägig streunende Kinder an den Haustüren und weniger Werbung für Halloween-Utensilien im Briefkasten als noch vor ein paar Jahren.

Laurenz

19. Dezember 2018 05:06

@MartinHimstedt ..... Nikolaus war Levantiner oder von mir aus Byzantiner. Es dauerte noch ca. 1.000 Jahre bis die Türken seine Heimat eroberten. Von daher, erst recherchieren, dann denken, dann posten.

Laurenz

19. Dezember 2018 05:14

@Gustav Grambauer ..... wie wäre es mit dem Wikinger-Gebet aus dem Film "der 13te Krieger", hat zwar nichts mit der Wintersonnenwende und Baldur zu tun, ist aber auch gut genug für Weihnachten. https://youtu.be/-tJZTVdfSvw
oder hier vom Film Last Mohican das Gebet für Uncas ab 03:40 https://youtu.be/CVmbUrpBGUU .... alles allemal besser als diesen christlichen Osama bin Laden zu bauchpinseln.

Laurenz

19. Dezember 2018 05:34

@Maiordomus .... ich habe nichts gegen Ihr christliches Laurenz-Bashing. Allerdings, fürwahr, finde ich in Ihrem Text nicht eine weitere Info, die meine teuflische Heidenseele erleuchten könnte. Das Nikolaus-Museum in Bari und die religiöse Orthodoxie (anders als die politisch-historische) interessiert mich einen feuchten Kehricht. Nikolaus, als damaliger (katholischer) Angehöriger einer christlichen Minderheit unter den Christen, hat, aus reinem machtpolitischen Interesse, Konstantin in der Durchsetzung des hierarchischen Katholizismus unterstützt und mit dafür gesorgt, daß vom arianischen Christentum, und anderen christlichen Sekten quasi nichts übrig geblieben ist. Mit entscheidend war die Auswahl der 4 heute gültigen Evangelien, die 1.750 Jahre Unglück über die Menschheit brachten, ein Regelwerk, das bis vor kurzem die Begründung für die Ausrottung Andersdenkender herhalten mußte, ob nun Heiden, Katharer oder sonstwer. Mit Nikolaus' geistiger Unterstützung wurde unserem Föderalismus schwerer Schaden zugefügt. Es fing schon mit Clodwig I an, der, per ordre de mufti, seine ca. 3.000 fränkischen Adelsfamilien den Katholizismus aufzwang und es hörte auch nicht bei Harald Blauzahn oder Olav Tryggvason auf. Erst nach dem 30jährigen Krieg wurden um 1730 durch die deutschen Fürsten der Aufklärung erstmals Hexenverbrennungen untersagt. Ende des 19. Jahrhunderts glaubte die Kirche tatsächlich, die Archäologie könnte die Bibel beweisen. Viele Seminaristen der Theologie wurden zu Archäologen ausgebildet. Nachdem aber im Neuen Testament nichts bewiesen werden konnte, als eine vorzügliche Ortskenntnis der Autoren, also sich alles als Fake-News herausstellte (es gibt so ca. 7-8 historische Jesus-Gestalten, wie viele wahre Nikolause mag es da erst geben...), verbot man den katholischen Seminaristen sogar, die Tageszeitung zu lesen. Ich wünsche Ihnen zu Weihnachten eine Heidenangst, einen Heidenspaß hatte ich schon beim Lesen Ihres Kommentars.

Maiordomus

19. Dezember 2018 08:00

@quarz. Ja, Halloween muss "ausgeseucht" werden, das kann man aus der Sicht der religiösen Volkskunde nur bestätigen. Zumal man von dessen irischen Wurzeln kaum was wahrnimmt.

RMH

19. Dezember 2018 08:05

Weis gar nicht, was dieses zum Teil auch vorwurfsvoll vorgetragene Rekurrieren auf angeblich vom Christentum ach so schlimm in Beschlag genommenes "Heidnisches" soll.

Als ob gerade hier, auf diesen Seiten, die heidnische Vorgeschichte und die die heidnischen Wurzeln in unserem Jahreskalender nicht wirklich auch dem Letzten bekannt wären. Man sollte zur Kenntnis nehmen, dass das Korn, aus welchem das Brot, das man heute isst, mit großer Wahrscheinlichkeit auf einem Acker gewachsen ist, wo irgendwann mal ein Mammut hingeschissen hat oder noch früher evtl. ein Dinosaurier. Kommen deshalb die Mammuts oder Dinosaurier wieder oder konnten diese bereits Brot backen? Ist das Brot des wegen jetzt besser oder schlechter?

Wie auch immer, das Interessante sind doch die Transformationen bzw. im konkreten Fall doch eher Auslöschungen, die ganz aktuell stattfinden und die Auflösung hin zu simpler Schokolade in nicht umweltgerechter Verpackung, gerade das zeigt der Artikel von M.L. doch deutlich.

"Egal woran Sie glauben, wir wünschen Ihnen eine besinnliche Zeit …"

https://www.bild.de/politik/inland/politik-inland/kein-wort-von-weihnachten-die-peinliche-karte-aus-dem-kanzleramt-59109462.bild.html

Weihnachten wird zur besinnlichen Zeit … nur zur Besinnung scheint bei all der Besinnlichkeit kaum einer zu kommen - und offenbar schon gar nicht die Damen und Herren in Berlin.

Gustav Grambauer

19. Dezember 2018 10:03

M. L.

Oh, hatte bei Lesen den bereits bestehenden Verweis auf die Percht übersehen gehabt, sehr unhöflich von mir. Hab`s gerade beim nochmaligen Durchgehen bemerkt, bitte vielmals um Entschuldigung.

Maiordomus

Ganze Güterzüge und sind schon wegen Verwechslungen von Buchstaben am falschen Ort angekommen - so wie Ihre Botschaft hier in Birmensd(!)orf nicht AG sondern ZH.

Frohi Wienacht Eu alne!

- G. G.

Maiordomus

19. Dezember 2018 12:38

@ Lorenz. Der "feuchte Kehricht" ist der "Entschluss zum Nichtwissenwollen", wie ihn Eric Voegelin als ein Hauptmerkmal der modernen neognostischen Ideologien analysierte; das kennt man aus dem dogmatischen Marxismus wie auch vom Neumarxismus, der dann das Problem auf seine Weise löst, mit Ausschluss aus dem Geistesleben, auch heute noch. So kommen Sie natürlich über das Niveau der "Christentumskritik" von Alfred Rosenberg, der über den manichäischen Arianismus ähnlich urteilte wie Sie, und Karl Heinz Deschner, der mich immerhin als einen seiner härtesten Kritiker anerkannte, nicht hinaus. Nur hätte Deschner nie auf Ihrem primitiven Niveau argumentiert und die Sache tatsächlich angeschaut. Klar sind Sie über die Niklaus-Forschung nicht ausgewiesen. Selber habe ich über die kulturhistorische und volkskundliche Bedeutung der Passheiligen mehrmals publiziert. Und den Quatsch, den Sie über die Theologen/Archäologen absondern - auch in die Hexenprozesse sind Sie garantiert nicht durch Archivarbeit involviert - können Sie mir als Freund und Weggefährten und Leser sämtlicher Bücher von Carsten Peter Thiede nicht andrehen.

quarz

19. Dezember 2018 13:10

@Laurenz

"Erst nach dem 30jährigen Krieg wurden um 1730 durch die deutschen Fürsten der Aufklärung erstmals Hexenverbrennungen untersagt."

Um das Heidentum oder die weltliche Sphäre gegen das (katholische) Christentum vorteilhaft in Stellung zu bringen ist das ein denkbar untauglicher Hinweis.

Gerade die Hexenverfolgung bzw. -verbrennung ist ein Erbe aus vorchristlich-heidnischer Zeit, das aus dem Volk gegen den Widerstand der "Amtskirche" in die Kirche hineingetragen wurde. Ursprünglich hatte die Kirche den Glauben an Hexerei sogar als heidnischen Humbug unter Strafe gestellt. Erst als die Dynamik an der "kirchlichen Basis" immer mehr an Fahrt aufnahm, sprang die Kirche zögerlich auf den Zug auf. Aber auch dann kam der Hauptwiderstand gegen allzu intensive Verfolgung aus der Kirche und musste durch kirchliche Kontrollbeamte wie Kardinal Albizzi gegen den Übereifer hauptsächlich weltlicher Richter durchgesetzt werden. Schließlich wurde auch das Ende der Hexenverfolgung maßgeblich von Klerikern wie Friedrich Spee eingeleitet.

Weder als Auslöser noch als Hauptbetreiber hat die Kirche also eine führende Rolle gespielt. Es gilt unter einschlägig forschenden Historikern sogar als Faustregel: "Je weiter ein Schauplatz von Rom entfernt und je mehr er der Kontrolle des kirchlichen Zentrums entzogen war, umso ungehemmter konnte sich die Hexenverfolgung entfalten."

Und was die Verdienste der "Aufklärung" angeht, empfehle ich den Vergleich der Zahlen: in Rom wurden - wenn ich die Zahl richtig in Erinnerung habe - über die Jahrhunderte hinweg zwei(!) Personen Todesopfer einer Verurteilung wegen Hexerei. Vieviele Menschen vergeichsweise in Paris durch die Guillotine der "Aufklärer" sterben mussten, überlasse ich Ihrer Einschätzung.

Maiordomus

19. Dezember 2018 13:48

@Grambauer. Noch gut ist bei zwei Dörfern mit de facto, nicht per Rechtschreibung, gleichem Namen, dass sowohl im katholischen Birmenstorf (AG) wie im reformierten Birmensdorf (ZH) noch ein St. Nikolaus-Brauchtum gepflegt wird, das eher unfreiwillig, durch das Dazutreten des Islam und der rabiaten antichristlichen Säkularisierer, jetzt verstärkt als christliches, jedoch mit noch älteren Elementen durchsetztes Volksbrauchtum realisiert wird.

@ Lorenz. Noch zu Hexenprozessen. Es lohnt sich tatsächlich, jeden einzelnen aktenmässig aufzuarbeiten; über diejenigen, bei denen man es nicht gemacht hat, sich lieber nicht äussern; so wie man sich in der heutigen geistigen Situation der Zeit über die Lagersysteme im Kommunismus und im Nationalsozialismus eigentlich nur verantwortlich äussern kann, wenn man selber unabhängige Untersuchungen des jeweils angesprochenen Einzelfalls gemacht hat, weil das geistige Gelände entweder durch Propaganda, unkompetente Verteidigung oder weltanschauliche Polemik vermint bleibt. So weit ich selber aktenmässig über Hexenprozesse gearbeitet habe, fiel mir auf, in welchem erstaunlichen Ausmass dieselben zur Modernisierung und Professionalisierung der Justiz beigetragen haben, was ich im Sinne des Justiz-Kenners Friedrich Dürrenmatt nicht bedingungslos als Kompliment gegenüber der Justiz, so weit bei derselben als "dogmatischer Wissenschaft" Gesinnungsurteile wichtig sind, gemeint haben möchte. Dass es keine Hexenprozesse mehr gibt, ist nur bedingt ein wirklicher Fortschritt in der Justiz, sondern eine Folge der Säkularisierung der "Gegenstände" der Hexenprozesse. Man erspare mir jetzt aber Beispiele, weil die Gegenstände der Hexenprozesse seit je einen Zusammenhang hatten mit den jeweils zeitgebundenen Einschränkungen der Meinungs- und Gedankenfreiheit.

Utz

19. Dezember 2018 13:52

"Heidnisch-katholisch" ist schön! Bei uns im Voralpenland gibt es noch viele Klausenvereine. Sie laufen beim sogenannten Klausentreiben mit Kuhglocken lärmend und schreiend mit Ruten durch die Straßen, ganz so wie es Girtler beschrieb. Leider wurden sie in den letzten Jahren regelrecht "entmannt" indem sie verpflichtet wurden Nummern zu tragen. Jeden den ich frage, was denn die Klausen zuvor schreckliches angestellt hatten, konnte bisher nur auf ein paar Rutenhiebe verweisen, die vielleicht einen blauen Fleck hinterließen. Das ist anscheinend mittlerweile nicht mehr ertragbar. Bevor sie Nummern bekamen,haben sie auch schon mal ein Opfer hinknieen und ein Vaterunser beten lassen. Heidnisch-katholisch eben!

Diejenigen, die den Klausenbrauch ablehnen und die am liebsten den Klausen auch noch ihre Masken wegnehmen würden "damit der Anblick nicht die Kinder erschreckt", sind auch für Multikulti und gegen Patriotismus. Natürlich sind die jungen Männer in den Klausenvereinen nicht diejenigen, denen Intellektualität wichtig ist. Für den Aufnahmeritus muß man sich eher als trinkfest erweisen. Das führt dazu daß die modernen, weltoffenen, toleranten Sozialpädagogen und Künstler aus den Helferkreisen sie tief verachten. Leider fehlt selbigen die Seele um zu erfühlen wie wichtig sie dennoch sind.

heinrichbrueck

19. Dezember 2018 14:12

Das Chrischtkindle empfiehlt den Streithähnen einen gediegenen Abenteuerfilm: Redbad https://de.wikipedia.org/wiki/Pfad_des_Kriegers

Waldgaenger aus Schwaben

19. Dezember 2018 15:02

Dass es sich für die Firma Manner rechnet, statt Nikolaus und Knecht Ruprecht , zwei Jahresendfiguren auf den Markt bringen, bezweifle ich. Wenn die Bedeutung der beiden Figuren im allgemeinen Bewusstsein verschwindet, wird wohl auch der mit ihnen zu erzielende Umsatz verschwinden. Die Firma lebt also von Voraussetzungen, die zu zerstören sie selber beiträgt. Sei es drum, der Umsatz der Firma Manner ist nicht unser Bier.

@Maierdomus
Zur von Ihnen angesprochenen Rolle des Heiligen Nikolaus in der orthodoxen Kirche verweise noch ich auf kilometerlange Schlange von Gläubigen, die 2016 in Moskau stundenlang anstanden, um vor den Reliquien Nikolaus' zu beten.
Die katholische Kirche hatte einen Reliquienschrein mit den Gebeinen Nikolaus für gut drei Monate der russisch-orthodoxen Kirche "ausgeliehen". Einer Umfrage zufolge wollten 72 Prozent der Russen die Nikolaus-Reliquien aufsuchen.
https://mdz-moskau.eu/russland-kommt-zum-nikolaus/

Als ich das sah, erinnerte ich mich an einen Moskau-Besuch Anfang der 1990iger Jahre. Die Reiseführerin nannte die damals noch lange Schlange vor dem Lenin Mausoleum ein lebendiges Denkmal für Lenin - sic transit gloria mundi.

Erstaunlich nach 70 Jahren atheistischer Propaganda. So einfach ist das wohl nicht mit der Umerziehung eines Volkes. Wenigstens in Russland nicht. Wie nicht zuletzt auch hier im Forum zu lesen ist, war und ist die atheistische Propaganda in Deutschland leider erfolgreicher. Es scheint wohl Teil das deutschen Nationalcharakters zu sein, Musterschüler sein zu wollen, wenn man schon nicht Oberlehrer sein kann. Zur Zeit scheint aber wieder die Oberlehrer-Rolle, Fach Ethik, den Deutschen wieder mehr zu liegen.

Sei es drum, das ist alles nur Wellengekräusel an der Oberfläche. Das Wichtige geschieht in der Tiefe.

Taucht man hinab findet man dort neben vielem anderen Guten, Wahren und Schönen Gedichte aus dem Spätwerk Hölderlins. In magischer Sprache gehen ausdrucksstarke Bilder in einander über.

@LotNemez

Mnemosyne

http://gutenberg.spiegel.de/buch/gedichte-sammlung-aus-dem-projekt-gutenberg-de-9712/139

Auch dort erscheint auch Bild von der Alpenwiese mit tauendem Schnee und einem Marterl.

... gut sind nämlich,
Hat gegenredend die Seele
Ein Himmlisches verwundet, die Tageszeichen.
Denn Schnee, wie Maienblumen
Das Edelmütige, wo
Es seie, bedeutend, glänzet auf
Der grünen Wiese
Der Alpen, hälftig, da, vom Kreuze redend, das
Gesetzt ist unterwegs einmal
Gestorbenen, auf hoher Straß...

Die Wiese hälftig noch von Schnee bedeckt, ist ein Bild für die Auferstehung. Der Schnee freilich ist nicht einfach nur ein Symbol für den Tod sondern deutet auf die kommenden Maienblumen.

Um zu Thema zurück zu kommen - auf den jetzigen Winter wird auch wieder ein Frühling kommen.

Besinnliche Weihnachten allen.

KlausD.

19. Dezember 2018 17:39

@Waldgaenger aus Schwaben
" ... atheistische Propaganda in Deutschland ..."
Atheismus benötigt keine Propaganda. Dafür reicht die Beschäftigung mit den Grundlagen und Zusammenhängen der katholischen Kirche.
Ich lese gerade die Dokumentation "Geld und Glaube". Besonders interessant hierfür sind im Teil 1 Fragen und Antworten die Punkte 7. "Was bedeutet katholisch" bis 12. "Welche Funktion erfüllt religiöser Glaube".
http://n8waechter.info/geld-und-glauben-fragen-und-antworten/#12

Laurenz

19. Dezember 2018 19:28

@Maiosromus & quarz .... die kirchlichen Verfehlungen bezüglich der Hexenverfolgung stammen eindeutig aus dem Alten Testament, 2. Buch Mose, Exodus, in dem die bekannten Strafen inklusive der 10 Gebote, aufgeführt sind. Im Kapitel 22:17 finden Sie "Die Zauberinnen sollst du nicht leben lassen".
Ich behaupte nicht, daß das Heidentum dem Humanismus frönte, aber es legte auch keinen Wert auf Ausschließlichkeit, der heutige Terminus nennt sich wohl eher Alternativlosigkeit.
@Maiordomus .... mich ekelt das Christentum an. Es geht hier nicht nur um die Arianer. Lesen Sie Eco. Man muß dessen Schreibstil nicht mögen, aber Er hatte gut recherchiert. Wenn ich mich recht erinnere, hatte ich mir beim Lesen von "Der Name der Rose" über 100 Sekten notiert. Das Christentum war und ist antiker Bolschewismus. Marx schrieb stumpf bei Augustinus ab. Im Marx'schen Update 2.0 wurde Gott zum Generalsekretär und das Paradies wurde ins diesseits verlegt, das war's dann auch schon.
Und wieder, Maiordomus, labern Sie nur und geben keine Informationen weiter, die einen allgemeinen Erkenntnisgewinn bringen würden. Ich schreibe hier schlicht meine Meinung und begründe diese auch. Ich habe überhaupt kein Problem mit dem sogenannten "rechts-intellektuellen" Status von Herrn Kubitschek. Aber weder muß ich Herrn Kubitschek, noch Ihnen gerecht werden.

quarz

19. Dezember 2018 22:00

@Laurenz

"die kirchlichen Verfehlungen bezüglich der Hexenverfolgung stammen eindeutig aus dem Alten Testament, 2. Buch Mose"

Nein. Passagen im alten Testament haben diesbezüglich keine kausale Relevanz. Wie erwähnt war die Kirche ja bereits so sehr auf anderem Kurs, dass sie den Glauben an Hexerei unter Strafe stellte. Die treibende Kraft hinter der Hexenjagd-Dynamik waren keine alttestamentlichen Bezüge, sondern der sich aus heidnischen Wurzeln speisende Volksglaube, den das ungebildete Volk gegen den Widerstand der Amtskirche auf die Tagesordnung setzte. Die Kirche konnte sich dem dann nicht ganz entziehen, versuchte aber durch verschiedene Maßnahmen wie z.B. eine damals hochmoderne Prozessordnung und durch Evaluation der Vorgänge in den Provinzen die Auswüchse zu reduzieren.

Glauben sie mir: das Klischee von der Kirche als treibender Kraft hinter den Hexenverfolgungen hält den historischen Fakten nicht stand. Lektüretipp: Rainer Decker, "Die Päpste und die Hexen".

Waldgaenger aus Schwaben

19. Dezember 2018 22:36

@KlausD. @Laurenz
Ihnen zu Weihnachten einen zeitlosen guten Text von Bonhoeffer.

http://www.cleansed.de/dummheit.php

Möge er sie befreien.

nom de guerre

19. Dezember 2018 22:58

@ quarz
"Die treibende Kraft hinter der Hexenjagd-Dynamik waren keine alttestamentlichen Bezüge, sondern der sich aus heidnischen Wurzeln speisende Volksglaube, den das ungebildete Volk gegen den Widerstand der Amtskirche auf die Tagesordnung setzte."
Der Hexenglaube mag heidnischen Ursprungs gewesen sein, darin die alleinige Ursache für den Hexenwahn der frühen Neuzeit zu sehen, erscheint mir aber doch etwas vereinfachend. Die Germanen kannten die Weise Frau, die Seherin, im Norden die Völva, die Macht und Ansehen genoss (interessant ist in diesem Kontext eine Szene aus der Saga Eriks des Roten, in der eine Völva auf den Hof Eriks gerufen wird, um vorauszusagen, wie lange die wetterbedingten schlechten Zeiten noch andauern werden; da die heidnische Zeit allerdings im Prinzip schon vorbei ist, reist die Völva alleine ohne die sie begleitenden 9 Jungfrauen, die dafür zuständig gewesen wären, sie in Trance zu singen) und wie die meisten heidnischen Figuren ambivalente Züge aufwies. Erst im Christentum wurde aus dieser Zauberin die ausschließlich negative Hexe, die es vor allem nach Ende des Mittelalters zu verfolgen galt. Die Deutung, die Hexenprozesse seien im Grunde gegen den Willen der Kirche durchgeführt worden, ist im Übrigen nicht in der Lage zu erklären, weshalb es auch in geistlichen Fürstentümern zu besonders intensiven Hexenverfolgungen kam, wie z.B. im Hochstift Fulda zu Beginn des 17. Jahrhunderts mit über 200 oder im Hochstift Würzburg über weite Teile des 17. Jahrhunderts hinweg mit um die 1000 "Hexen".

Laurenz

20. Dezember 2018 04:30

@quarz .... daß die Kirche grundsätzlich alles "heidnische" ausrotten wollte, und die Platzierung von Spionen (Eremiten) an heidnischen Kultorten vollzog, widerspricht sich nicht mit der Begründung aus der Luther-Übersetzung, die viel deutlicher ist, als die geschönte Mendelssohn-Übersetzung. Bei den Monatsnamen gelang die strategische Umdeutung wohl, während bei den Namen unserer Wochentage dies nicht klappte. Auch das Osterlamm kackt immer noch gegen den Osterhasen ab. Ihre Anpassung der Kirche an die jeweiligen heidnischen Kulturen widerspricht dem in keiner Weise. Der Jesus der Inuit-Eskimos ist ein Inuit. Ist dies denn nicht eine verwerfliche Praxis? Kirchliche Missionen sind in ihrer Zerstörung weltweiter Kulturräume kriminell und müssen einer neuen Säkularisierung zum Opfer fallen. Viel entscheidender ist die alttestamentarische Haltung, das bolschewistische Denken in der Kirche, das sich auch im Neuen Testament fortführt. Sie tun so, als ob unsere Vorfahren und die anderer Kulturen freiwillig Christen geworden seien. Dem ist mitnichten so. Von daher, welcher Idiot besucht einen Tempel und verehrt dort einen Gott, der für den Terror und Mord an den eigenen Vorfahren verantwortlich ist? Genau, der Christ und der Mohammedaner.
Glauben sie mir: das Klischee von der Kirche als treibender Kraft hinter den Hexenverfolgungen hält den historischen Fakten stand. Lektürentipp: Martin Luther, "Die Bibel".

RMH

20. Dezember 2018 07:28

Die Hexenverfolgung (bei der dann ein nicht unerheblicher Teil Hexer waren), ist doch komplett unerheblich für diese Diskussion. Im Übrigen ist es doch leicht lächerlich, wenn wir Deutsche, die wir uns gerade nicht auf 12 Jahre unserer Geschichte reduzieren lassen wollen, nun gerade diese historisch sehr differenziert zu sehenden Ereignisse, als Generalbeweis gegen eine ganze Religion anführen wollen.

Beim Glauben ist es eben so, man hat ihn oder man hat ihn nicht. Für beides braucht man sich heutzutage nicht zu rechtfertigen. Von daher gibt es auch keine Veranlassung, in der Geschichte von "Gottes Bodenpersonal" mal Gutes und mal Schlechtes, je nach Lager eben, hervor zu kramen. Der christliche Glaube wird durch seine Kirchen nicht widerlegt, ebenso wie der Islam immer noch als das dasteht, was er ist, auch wenn es Terroristen gibt.

Wer ohne Glaube besser leben will, muss sich nur vergewissern, ob er nicht dann eben einen anderen Glauben hat, bevor er die Vernunftwelle argumentativ gegenüber Gläubigen reiten will und im Übrigen sollten wir alle diese ausnahmsweise einmal faire "Errungenschaft" des Liberalismus, dass keine Ketzer mehr auf dem Scheiterhaufen (waren ja schließlich nicht nur Hexen, die da umgebracht wurden) landen aber auch keine Pfarrer und Priester in Gefängnissen und Lager sterben, verteidigen und erhalten. In diesem Sinne: Für Deutschland! Frohe Sonnenwende und frohes Weihnachtsfest.

quarz

20. Dezember 2018 09:13

@nom de guerre

"Die Deutung, die Hexenprozesse seien im Grunde gegen den Willen der Kirche durchgeführt worden, ist im Übrigen nicht in der Lage zu erklären, weshalb es auch in geistlichen Fürstentümern zu besonders intensiven Hexenverfolgungen kam"

Es ist nie die Aufgabe der Regel, die Ausnahme zu erklären. Und statistisch gab es nachweislich umso mehr Hexenverfolgung, je weniger Einfluss die kirchliche Lehre und die dazu gehörige Praxis hatte.

Die Polizei bekämpft im Regelfall Gesetzesverstöße. Dass es auch Polizisten gibt, die gegen Gesetze verstoßen, ist kein Argument gegen die statistische Gültigkeit dieser Tatsache.

Es ist eine unter Fachhistorikern weithin anerkannte Tatsache, dass die Institution Kirche im großen und Ganzen die bremsende Kraft bei der Hexenverfolgung war. Sowohl zu Beginn als auch in der Intensivphase und auch am Ende. Dieser Umstand steht nur in einem gewissen Kontrast zu populären Klischeevorstellungen, die sich wahrscheinlich zu einem großen Teil den hartnäckigen Nachwirkungen der antikleriklerikalen und hexophilen Propaganda Heinrich Himmlers verdanken.

nom de guerre

20. Dezember 2018 20:39

@ quarz
"Es ist eine unter Fachhistorikern weithin anerkannte Tatsache, dass die Institution Kirche im großen und Ganzen die bremsende Kraft bei der Hexenverfolgung war." Nun ja, der Verfasser des Hexenhammers war Dominikaner, das spricht nicht gerade für ein bremsendes Vorgehen. Was ich aber eigentlich mit meinem Hinweis auf die heidnische Seherin meinte, war, dass durch die Christianisierung ein geistiges Klima geschaffen wurde, in dem eine im Volksglauben schon vorhandene - und von der Kirche als Idee nie ausgelöschte - Figur dämonisiert wurde, ähnlich wie die alten Götter, die bei der angeblichen Teufelsbuhlschaft der Hexen wenigstens teilweise Pate gestanden haben dürften.

Im Übrigen kann man m.E. Autoren wie bspw. Ralph Metzner, Christian Rätsch, Claudia Müller-Ebeling und Sergius Golowin, die sich mit dem Hexenglauben und der Hexenverfolgung auseinandergesetzt haben - sogar Heinsohn hat sich mit dem Thema befasst -, wirklich nicht in eine Reihe mit Himmlers esoterischen/christenfeindlichen Anwandlungen stellen.

Ich verabschiede mich für dieses Jahr und wünsche Ihnen und allen anderen Sezessionisten gesegnete Feiertage!

Frika Wies

24. Dezember 2018 04:44

Danke für diesen wirklich stimmungsvollen Artikel, wenn er auch nicht ohne Wehmut ob des Verschwindens alter Bräuche auskommt.
Ich erinnere mich schon noch an eine leichte Angst vorm Krampus, als uns Kinder der Vater vergnügt ausgemalt hat, wie der Krampus die bösen Kinderleins in seinen rußigen Sack steckt und mitnimmt. Aber als schwarze Pädagogik empfinde ich es im Nachhinein nicht. Zum Glück war meine ältere Schwester schon ab- und aufgeklärter als ich und wußte mir stets zuzuflüstern, daß das alles eh so nicht stimme...

Was mir aber dieser Tage schon etwas schwer im Magen liegt, ist die Weihnachtsgeschichte selbst, und die daraus hervorgehende Verantwortung für uns Christen, die wir schon noch gern einen Rest echten Christentums leben wollen.
Da taucht dann vor Weihnachten die Frage auf "Und hättest DU Maria und Josef ein Einlaß geboten?" - Auf die man natürlich geneigt ist, voller Überzeugung "JA!" zu antworten... bevor man merkt, daß diese (Fang-)Frage auf die Flüchtlingskrise abzielt. Und als Test herhalten soll, wieviel Christ denn wirklich in einem steckt wenn es ernst wird.

Was hätte denn nun Jesus mit all den Bootsflüchtlingen und Bessere-Leben-Sucher gemacht? Als Christ ist man ja immer dazu angehalten, bis zur Selbstaufgabe anderen zu helfen. Die andere Wange hinzuhalten. Sterntalermädchen zu spielen und auf den himmlischen Lohn zu warten. Und weiß doch gleichzeitig, daß es das Christentum längst nicht mehr gäbe, wenn es alle Christen immer so gemacht hätten.

Wieviel wehrhaftes Christentum hätte Jesus seinen Jüngern also zugestanden? Die Bibel selbst ist da voller Widersprüche ("Vergebet euren Sündigern"/ "Auge um Auge, Zahn um Zahn"), und letztlich scheint bei Jesus ja überall durch, daß er an den baldigen Weltuntergang geglaubt hat. Doch, das macht schon ein wenig ratlos, da dann in seinem Herzen nach christlichen Überzeugungen zu graben.

Für mich bleibt am Ende nicht viel zum Dran-Festhalten als der Glaube an ein "Es gibt etwas, das größer ist als wir." Der Glaube an den archimedischen Punkt, der es einem ermöglicht, sich selbst am eigenen Schopf aus der Grube zu ziehen, und der einen auch mit dem schlimmsten Leid versöhnt. Der aber hoffentlich auch nicht nur ein Glaube an Erlösung ist, sondern auch eine Quelle für Kraft und Freude.

An Martin Lichtmesz eine gesegnete Weihnacht.