“Aufbruch deutscher Patrioten – Mitteldeutschland (AdP)” – unter diesem ziemlich sperrigen Label will der ehemalige Landes- und Fraktionsvorsitzende von Sachsen-Anhalt offenbar möglichst viele Unzufriedene vom rechten Rand der AfD sammeln.
Poggenburg, der im Laufe des letzten Jahres immer mehr an Boden in der AfD verloren hatte, begründet den Schritt gegenüber der Welt mit inhaltlichen Differenzen mit der AfD-Bundesspitze. Diese hätten „letztlich ein unüberbrückbares Ausmaß angenommen, so dass ich mich dazu entschieden habe, meinen politischen Kampf für dieses Land außerhalb der AfD weiterführen zu müssen“.
Zudem hätte die AfD ihre Wahlversprechen gebrochen, weshalb ihm nur der Austritt geblieben sei: „Sie wird oft nicht mehr als wirklich patriotische Alternative wahrgenommen und hat diesbezüglich stark an Glaubwürdigkeit verloren.“
Zum Gründungsvorsitzenden der “AdP” wurde – wenig überraschend – der 43-Jährige Poggenburg gewählt. Weitere namentlich bekannte Vorstandsmitglieder sind Benjamin Przybylla und Egbert Ermer, zwei durchaus umtriebige ehemalige sächsische AfD-Funktionäre der zweiten Reihe. Überhaupt wurden bisher nur in Sachsen weitere Austritte aus der AfD bekannt.
So überrascht es auch nicht, daß die erste offizielle Veranstaltung der neuen Poggenburg-Formation am 16. Januar im sächsischen Dohma stattfinden soll. Eigene Landesgruppen und Wahlantritte der “mitteldeutschen Bewegung” sind für Sachsen, Brandenburg, Thüringen und Sachsen-Anhalt geplant.
Die Reaktionen der AfD fielen gelassen aus, betont gelassen: Die Partei sei durch diese neue Abspaltung nicht geschwächt, Poggenburg ohnehin seit langem eine isolierte Randfigur gewesen. Man glaube auch nicht, daß sich viele Poggenburgs Weg in die politische Bedeutungslosigkeit anschließen würden, so Parteichef Alexander Gauland: “Es ist gut, dass er weg ist. Er nervte eher, solange er da war.”
Jörg Meuthen begrüße Poggenburgs Abgang ebenfalls ausdrücklich, verkniff sich aber rhetorische Schärfen. Ehemals Petry-nahe Protagonisten der Partei stellten dagegen unverhohlen ihre Freude zur Schau, verbunden mit der Hoffnung auf weitere Austritte ungeliebter “Parteifreunde”. So twitterte z.B. der rheinland-pfälzische Landesvorsitzende Uwe Jung wenig diplomatisch: „Endlich – ich hoffe, er nimmt den ganzen Narrensaum und die selbst ernannten Patrioten mit!“
Differenziert, aber klar in der Sache fiel dagegen die Reaktion des AfD-Flügels um Björn Höcke aus. So betonte der thüringische Co-Vorsitzende Stefan Möller gegenüber der Thüringer Allgemeinen, daß er Poggenburgs Schritt für falsch halte. „Es ist immer ein Fehler, wenn sich ein Lager abspaltet.“ Darüber hinaus werde Poggenburg von Parteimitgliedern in Sachsen-Anhalt und Sachsen unterstützt, „die wir ungern als Mitstreiter verlieren“.
Wer sich in der AfD von der aktuellen Entwicklung übrigens einen Vorteil in der Auseinandersetzung mit dem Verfassungsschutz oder in der Diskussion mit linken Medienvertretern erhofft, könnte sich schnell getäuscht sehen. So gab der unausweichliche Heribert Prantl in der Süddeutschen Zeitung gleich mal die Marschrichtung vor:
Klar, Poggenburg sei ein Neonazi, und die von ihm neu gegründete Formation rechtsextrem. Das ändere aber nichts daran, daß die AfD ebenfalls rechtsextrem sei und erst noch viele weitere Spitzenfunktionäre ihren Hut nehmen müssten, um dieses Stigma los zu werden. Denn die “Selbstreinigungskräfte” der Partei würden eben nicht funktionieren:
Wenn es nur so wäre! Wenn es so wäre, dann wäre das Parteiausschlussverfahren gegen den Neonazi Björn Höcke nicht im Sande verlaufen. Wenn das so wäre, dann müssten auch Spitzenleute der Partei wie Gauland und Storch abtreten.
Wer es also gut meint mit der AfD, sollte die bisherige Mini-Abspaltung nicht einfach mit einem Schulterzucken abtun oder gar noch auf möglichst viele weitere Austritte “böser Rechter” hoffen. Auch eine Hinwendung patriotischer Bürgerinitiativen wie Pegida zur neuen Formation sollte dringend verhindert werden. Schnell könnte dann nämlich eine wirklich kritische Masse erreicht werden, die der AfD ernsthaft Schaden zufügt bei Wahlen, gerade in den neuen Bundesländern.
Diese Einschätzung wird auch von ersten Kommentatoren in den etablierten Medien geteilt. Zudem würde es der Ausgewogenheit und dem Meinungskorridor in der Partei gewiß nicht gut tun, wenn der nationalkonservative Flügel Federn ließe oder sogar noch stärker unter Druck geriete in der (wohl vergeblichen) Hoffnung, sich damit dem Verfassungsschutz vom Halse halten zu können.
Ein gebuertiger Hesse
Gerade in diesem wichtigen Wahljahr der AfD die rechten Wähler abspenstig machen zu wollen, kommt einem Verrat gleich: und zwar an der Sache selbst, die die AfD wie keine zweite nationalgestimmte Partei seit 45 hat bewegen und kräftigen können. Dabei ist es sogar egal, welche Motive und Gründe Poggenburg hat - er schadet dem, wofür er eigentlich angetreten war und handelt mit seinem Spaltungsversuch letztendlich wie ein feindlicher Agent. Möge sein Spiegel zu Bruch gehen, wenn er hineinschaut ...