»Prüffall« – Einsatz ungesetzlicher Mittel?

Ein Gastbeitrag von RA Jochen Lober, Köln, zur juristischen Bewertung der Prüffall-Debatte.

Zwei Tage nach dem Bun­des­par­tei­tag der AfD in Rie­sa gab das Bun­des­amt für Ver­fas­sungs­schutz (BfV) mit Pres­se­mit­tei­lung vom 15. Janu­ar 2019 bekannt, dass die Par­tei „nach Abschluss einer inten­si­ven Prü­fung, in der das BfV offen zugäng­li­che Infor­ma­tio­nen – ein­schließ­lich einer Stoff­samm­lung der Lan­des­be­hör­den für Ver­fas­sungs­schutz – sorg­fäl­tig aus­ge­wer­tet (habe)“, nun­mehr als Prüf­fall bear­bei­tet werde.

Deren Jugend­or­ga­ni­sa­ti­on ‚Jun­ge Alter­na­ti­ve‘ (JA) und die Teil­or­ga­ni­sa­ti­on ‚Der Flü­gel‘ wur­den sogar in den Sta­tus eines Ver­dachts­falls erhoben.

Nach den gesetz­li­chen Vor­ga­ben befasst sich der Ver­fas­sungs­schutz mit soge­nann­ten Bestre­bun­gen, die sich gegen die durch das Grund­ge­setz ver­fass­te frei­heit­li­che demo­kra­ti­sche Grund­ord­nung rich­ten. Die­se wer­den seit der Jun­ge Frei­heit-Ent­schei­dung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts (= BVerfGE 113, 63 ff.) übli­cher Wei­se nach den Kate­go­rien der:

  • als erwie­sen ver­fas­sungs­feind­lich ange­se­he­nen Bestre­bung oder des
  • Ver­dachts­falls

behan­delt und in den jewei­li­gen Publi­ka­tio­nen der Ver­fas­sungs­schutz­äm­ter als sol­che auch kennt­lich gemacht.

Seit der „Nicht“-Verbotsentscheidung der NPD vom 17.01.2017 (= BVerfGE 144, 20 ff.) gibt es noch den Son­der­fall der gericht­lich als erwie­sen ver­fas­sungs­wid­rig erkann­ten, auf­grund man­geln­der poli­ti­scher Akti­ons­fä­hig­keit indes der Sache nach als irrele­vant qua­li­fi­zier­ten Par­tei. Deren recht­li­che Ein­ord­nung ist nach wie unge­klärt, für die Klä­rung der Bedeu­tung des „Prüf­falls“ indes irrelevant.

Eine eige­ne Rubrik zur Aus­wei­sung von Per­so­nen und Par­tei­en, die sich aktu­ell im Sta­tus einer „Prüf­fall­be­ar­bei­tung“ befin­den oder in der Ver­gan­gen­heit einer sol­chen unter­la­gen, gibt es weder im Ver­fas­sungs­schutz­be­richt des Bun­des noch in einem der Berich­te der 16 Bun­des­län­der. In die­ser Hin­sicht nahm Thü­rin­gen 2018 eine gewis­se Vor­rei­ter­rol­le ein.

„Die AfD ist aktu­ell kein Beob­ach­tungs­ob­jekt im Sin­ne des Geset­zes des Thü­rin­ger Ver­fas­sungs­schutz­ge­setz“, erklär­te damals der Lei­ter des dor­ti­gen Lan­des­am­tes, Ste­phan Kra­mer, bei der Vor­stel­lung des Lan­des­ver­fas­sungs­schutz­be­richts 2017. Um dann, gestützt auf dif­fu­ses Quel­len­ma­te­ri­al und Falsch­zi­ta­te aus einem Buch von Björn Höcke (Nie zwei­mal durch den­sel­ben Fluss) bekannt zu geben, dass die AfD von sei­ner Behör­de aller­dings als „Prüf­fall“ erklärt werde.

Recht­li­che Einordnung

Bei der Kate­go­rie der öffent­lich­keits­wirk­sam kom­mu­ni­zier­ten „Prüf­fall­be­ar­bei­tung“ scheint es sich auf den ers­ten Blick um so etwas Ähn­li­ches bzw. eine Art von klei­nem Bru­der der an sich zuläs­si­gen „Verdachts“-Berichterstattung zu handeln.

So wird aus­drück­lich mit­ge­teilt, dass die AfD aktu­ell „kein Beob­ach­tungs­ob­jekt“ sei, zum ande­ren wird die förm­li­che Bekannt­ma­chung des „Prüf­falls“ aus­drück­lich mit dem Vor­han­den­sein von „erste(n) tatsächliche(n) Anhaltspunkte(n) für eine gegen die frei­heit­li­che demo­kra­ti­sche Grund­ord­nung ausgerichtete(n) Poli­tik der AfD“ gerechtfertigt.

In recht­li­cher Hin­sicht spricht dies für das Vor­han­den­sein einer neu­en Art von Ver­dacht einer Ver­dachts­la­ge. Dar­auf deu­tet ins­be­son­de­re die Ver­wen­dung des mehr als eigen­ar­ti­gen Begriffs eines „Ver­dachts­split­ters“ hin, der sich in der Pres­se­mit­tei­lung des BfV tat­säch­lich fin­den lässt.

Zur Ver­dachts­la­ge im eigent­li­chen Sin­ne hat sich die­ser zwar (noch) nicht ver­dich­tet, es sol­len aber „ers­te tat­säch­li­che Anhalts­punk­te“ in die­se Rich­tung vor­lie­gen, was dann die behörd­li­che Bear­bei­tung des Ver­dachts auf Vor­lie­gen eines mög­li­chen Ver­dachts­fal­les recht­fer­ti­gen soll.

Nach der vom Bun­des­amt her­aus­ge­ge­be­nen Pres­se­mit­tei­lung wird eine aus­drück­li­che gesetz­li­che Ermäch­ti­gungs­grund­la­ge für die Zuwei­sung des in der Öffent­lich­keit stig­ma­ti­sie­ren­den Merk­mals „Prüf­fall“ nicht genannt. Der neue Prä­si­dent des BfV, Tho­mas Hal­den­wang, bezieht sich zur Begrün­dung der „Bewer­tung“, nicht (sic!) also für die öffent­lich­keits­wirk­sa­me Erklä­rung der AfD zum ‚Prüf­fall‘, nur ganz all­ge­mein auf einen sei­ner Behör­de inso­weit zuste­hen­den „gesetz­li­chen Auftrag“.

Wo die­ser kon­kret fest­zu­ma­chen ist, wird indes nicht gesagt. Zur wei­te­ren Erläu­te­rung fin­det sich ledig­lich die allein die mehr als pau­scha­le For­mu­lie­rung, dass sich das Bun­des­amt „als Früh­warn­sys­tem der Demo­kra­tie“ ver­pflich­tet sehe.

Der Sache nach stellt dies eine im Prin­zip gren­zen­lo­se, poten­ti­ell auf jedes „Früh­sta­di­um“ von Poli­tik anwend­ba­re Selbst­er­mäch­ti­gung dar. Denn für die Bekannt­ma­chung des „Prüf­falls“ beruft sich Hal­den­wang nicht auf eine gesetz­li­che Ein­griffs­er­mäch­ti­gung, son­dern allein auf das Vor­han­den­sein „ers­ter tat­säch­li­cher Anhalts­punk­te“, die sich in der Zukunft mög­li­cher Wei­se noch zu einer Ver­dachts­la­ge ver­dich­ten kön­nen sollen.

Die Äuße­rung des BfV-Prä­si­den­ten Hal­den­wang ist ambi­va­lent, in recht­li­cher Hin­sicht jeden­falls höchst angreif­bar. Eine kon­kre­te gesetz­li­che Ermäch­ti­gungs­grund­la­ge für die nach außen hin kom­mu­ni­zier­te „Prüf­fall­be­ar­bei­tung“, bei der es sich offen­sicht­lich um eine neue Vor­stu­fe der Beob­ach­tung einer Par­tei  durch den Ver­fas­sungs­schutz han­deln soll, wird nicht benannt.

Im Ver­gleich zum Ver­dachts­fall soll es sich hin­sicht­lich der „Kon­se­quen­zen“ (= Aus­wer­tung der offen wahr­nehm­ba­ren Akti­vi­tä­ten der Gesamt­par­tei) zwar erklär­ter­ma­ßen um eine mil­de­re Maß­nah­me („minus“) han­deln. In con­cre­to bezieht sich die­se jedoch auf die Auf­klä­rung einer der Par­tei als Gan­zes unter­stell­ten Ten­denz, nach der extre­mis­ti­sche Posi­tio­nen für die­se in Zukunft mög­li­cher Wei­se prä­gend wer­den könnten:

Dass es bei einer sol­chen Prü­fung von poli­ti­schen Aus­sa­gen und Per­so­nen vor­ran­gig um eine  poli­ti­sche Bewer­tung geht, bei der hin­sicht­lich des Ergeb­nis­ses natur­ge­mäß gro­ße Inter­pre­ta­ti­ons­spiel­räu­me vor­han­den sind, ver­steht sich von selbst.

Da letzt­lich völ­lig offen bleibt, nach wel­cher gesetz­li­chen Grund­la­ge sich der Ablauf die­ses Prüf­ver­fah­rens rich­ten soll, drängt sich der Ein­druck auf, dass es sich bei der Zuwei­sung des Sta­tus „Prüf­fall“ im Ver­gleich zum Ver­dachts­fall nicht ledig­lich um ein mil­de­res Mit­tel („minus“), son­dern um etwas ganz ande­res („ali­ud“) dazu handelt.

Die öffent­lich­keits­wirk­sa­me Bekannt­ga­be der „Prüf­fall­be­ar­bei­tung“ läuft im Ergeb­nis auf eine wei­te­re Aus­deh­nung der Tätig­keit des VS auf das (poli­ti­sche) Vor­feld des gesetz­lich zuge­wie­se­nen Zustän­dig­keits­be­rei­ches hin­aus. Wenn der­zeit noch nicht ein­mal ein Ver­dacht gegen den Bun­des­ver­band der AfD als Gan­zes vor­liegt, wozu bedarf es dann der förm­li­chen Bekannt­ma­chung des Prüffalls?

Wie lan­ge soll das Ver­fah­ren eigent­lich dau­ern, wel­che Tat­sa­chen wer­den die­sem zugrun­de gelegt und wird die AfD als Betrof­fe­ner in dem Ver­fah­ren selbst über­haupt ange­hört? Da laut Pres­se­mit­tei­lung nur „Distan­zie­rungs­ver­su­che von erkenn­bar extre­mis­ti­schen Per­so­nen bzw. Per­so­nen­zu­sam­men­schlüs­sen gewer­tet“ wer­den sol­len, scheint eine Anhö­rung der AfD und damit die Ein­räu­mung recht­li­chen Gehörs bei der „Prüf­fall­be­ar­bei­tung“ allem Anschein nach nicht vor­ge­se­hen zu sein!

Dies wäre letzt­lich auch kon­se­quent, da es bei dem Ver­fah­ren erklär­ter­ma­ßen ledig­lich um eine „hin­rei­chend gewich­ti­ge Ver­dich­tung der Anhalts­punk­te für eine extre­mis­ti­sche Bestre­bung“ und somit um die mit Ein­lei­tung des Ver­fah­rens ten­den­zi­ell inten­dier­te Her­auf­stu­fung der AfD zum Ver­dachts­fall geht.

Im Bun­des­ver­fas­sungs­schutz­ge­setz ist ein sol­ches „Verdichtungs“-Verfahren aber gesetz­lich nicht vor­ge­se­hen. Am Ende der im dif­fu­sen blei­ben­den „Prüf­fall­be­ar­bei­tung“ kann  der AfD gegen­über nament­lich kein Tes­tat in dem Sin­ne abge­ge­ben wer­den, dass die Par­tei als „ver­fas­sungs­recht­lich geprüft“ unbe­denk­lich ein­zu­stu­fen wäre.

Die ver­fas­sungs­recht­lich span­nen­de Fra­ge ist, ob der Prüf­fall und hier vor allem die öffent­lich­keits­wirk­sa­me Bekannt­ga­be der „Prüf­fall­be­ar­bei­tung“ von den gesetz­li­chen Ermäch­ti­gungs­grund­la­gen des Ver­fas­sungs­schutz­ge­set­zes des Bun­des gedeckt sind. Da das Ver­fah­ren neu ist, kann dies mit guten Argu­men­ten bestrit­ten werden.

Denn de fac­to nimmt der VS der­ge­stalt die Kom­pe­tenz für sich in Anspruch, als eine Art von Demo­kra­tie-TÜVzu agie­ren, also die Zuläs­sig­keit von Mei­nungs­äu­ße­run­gen und poli­ti­schen Debat­ten zu beur­tei­len. Zu den nega­ti­ven Kon­se­quen­zen die­ser als rechts­wid­rig zu erken­nen­den, staat­li­chen Beauf­sich­ti­gung der poli­ti­schen Aus­ein­an­der­set­zung, äußer­te sich der Staats­recht­ler Murs­wiek bereits vor Jah­ren wie folgt:

Dann  wären  end­lo­se Ver­dachts­kas­ka­den  kon­stru­ier­bar,  und  der  Ver­fas­sungs­schutz  könn­te  nach poli­ti­schem Belie­ben  die­je­ni­gen  Grup­pen  als  extre­mis­tisch  stig­ma­ti­sie­ren,  die  den eta­blier­ten  Kräf­ten  läs­tig  werden.

Juris­ti­sche Möglichkeiten

Juris­tisch kann die AfD sowohl gegen die Ein­ord­nung als „Prüf­fall“ als auch gegen die stig­ma­ti­sie­ren­de Form der öffent­lich­keits­wirk­sa­men Bekannt­ma­chung der „Prüf­fall­be­ar­bei­tung“ vor­ge­hen. Zwar ist grund­sätz­lich nichts dage­gen ein­zu­wen­den, dass der VS mög­li­che Sach­ver­hal­te auf das Vor­lie­gen von Bestre­bun­gen gegen den Bestand der frei­heit­li­chen demo­kra­ti­schen Grund­ord­nung bewer­tet, recht­lich also prüft.

In Bezug auf den kon­kre­ten Fall ist von den Gerich­ten aller­dings die Fra­ge zu beant­wor­ten, ob dies in Bezug auf die par­la­men­ta­risch fest ver­an­ker­te AfD in der Wei­se zuläs­sig sein kann, dass ein neu­es Ver­fah­ren von „Prüf­fall­be­ar­bei­tung“ über­haupt ein­ge­lei­tet wer­den darf usw.

Eigen­stän­dig tra­gend wäre dane­ben die beson­de­re Art und Wei­se der öffent­lich­keits­wirk­sam bekannt gege­be­nen Ein­lei­tung die­ser Prü­fung zu betrach­ten, die sich man­gels Vor­lie­gens der gesetz­li­chen Vor­aus­set­zun­gen als rechts­wid­rig darstellt.

Der Ein­druck, dass sich die öffent­lich­keits­wirk­sa­me Bekannt­ga­be der Ein­lei­tung der „Prüf­fall­be­ar­bei­tung“ als rechts­wid­rig dar­stellt, ergibt sich aus dem in etwa par­al­lel gela­ger­ten Fall des baye­ri­schen Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­ten der AfD Petr Byston.

Die­ser lei­te­te erfolg­reich recht­li­che Schrit­te gegen das baye­ri­sche Lan­des­amt für VS ein, nach­dem die­ses mit­ge­teilt hat­te, ihn zu „beob­ach­ten“. Dass dies rechts­wid­rig war, bestä­tig­te das Ver­wal­tungs­ge­richt Mün­chen bereits im gericht­li­chen Eilverfahren.

Mit Beschluss vom 27.07.2017 – M 22 E 17.1861 – ent­schied die­ses, dass der baye­ri­sche VS „die Beob­ach­tung des Antrag­stel­lers bis auf Wei­te­res nicht erneut bekannt“ machen dür­fe. Ähn­lich ent­schied auch das Land­ge­richt Hal­le, dass dem innen­po­li­ti­schen Spre­cher der SPD-Bun­des­tags­frak­ti­on, Burk­hard Lisch­ka, mit Urteil vom 19.12.2016 – 6 O 407/16 – unter­sag­te, über den Her­aus­ge­ber der Sezes­si­on öffent­lich die Falsch­be­haup­tung zu ver­brei­ten, die­ser wer­de „vom Ver­fas­sungs­schutz beobachtet“.

Recht­li­che Argu­men­te erge­ben sich auch aus den in etwa par­al­lel gela­ger­ten Fäl­len, in denen sich Betrof­fe­ne gegen aus ihrer Sicht unzu­läs­si­ge Pres­se­aus­künf­te von Ermitt­lungs­be­hör­den (Poli­zei und Staats­an­walt­schaf­ten) gewandt haben.

Hier wie dort geht es um die im Kern ver­gleich­ba­re Pro­ble­ma­tik, dass ein Betrof­fe­ner sich nach­träg­lich gegen eine nega­ti­ve, behörd­li­che Äuße­rung zur Wehr set­zen muss. Nähe­res hier­zu bei Conrad/Brost, der geschwät­zi­ge Staats­an­walt – Recht­li­che Mög­lich­kei­ten gegen Pres­se­aus­künf­te der Ermitt­lungs­be­hör­den, in: Stra­Fo 2018, 45 ff.; eben­falls Gou­nal­akis, in: NJW 2016, 737 und OVG Müns­ter, Beschluss vom 17.10.2017 – 4 B 786/17 – in: StV 2018, 210.

Argu­men­te erge­ben sich über­ra­schen­der Wei­se eben­falls aus dem ‚Gesetz gegen den unlau­te­ren Wett­be­werb‘. Die­ses bestimmt in § 5, dass es unter dem Gesichts­punkt von Irre­füh­rung wett­be­werbs­wid­rig ist, wenn ein Markt­teil­neh­mer mit rei­nen Selbst­ver­ständ­lich­kei­ten wirbt, nament­lich etwa damit, dass er sich an Recht und Gesetz halte.

Dem­entspre­chend wird man dem Prä­si­den­ten des BfV Hal­den­wang (CDU) zwar nicht vor­hal­ten kön­nen, dass er sich etwa aus der Zei­tungs­lek­tü­re erge­ben­de, mög­li­che Sach­ver­hal­te in Bezug auf die AfD behör­den­in­ternauf das Vor­lie­gen von (Vor-)Verdachtslage prü­fen lässt.

Vor­wer­fen wird man ihm aber kön­nen, dass er die­se rei­ne Selbst­ver­ständ­lich­keit (ent­spre­chend dem Rechts­ge­dan­ken bei § 5 UWG) im Rah­men einer Pres­se­mit­tei­lung öffent­lich­keits­wirk­sam bekannt gibt. Die ana­lo­ge Anwen­dung des Rechts­ge­dan­ken drängt sich hier vor allem des­halb auf, weil es bei Ein­grif­fen des VS gegen­über poli­ti­schen Par­tei­en um die Gefähr­dung der Chan­cen­gleich­heit, d. h. um die Wett­be­werbs­gleich­heit einer Par­tei geht.

Dies wird beson­ders deut­lich, wenn sich der VS mit der Agen­da kon­kur­rie­ren­der Par­tei oder poli­ti­schen Strö­mun­gen iden­ti­fi­ziert (vgl. zur Neu­tra­li­täts­pflicht und zum Sach­lich­keits­ge­bot von Behör­den­lei­tern all­ge­mein: BVerfG, Beschluss vom 07.11.2015 – 2 BvQ 39/15 – („Rote Kar­te für die AfD“); BVerwG, Urteil vom 13.09.2017 – 10 C 6.16 – („Licht aus“); VG, Köln, Beschluss vom 13.03.2017 – 4 L 750/17 – (Reker).

Fazit

Die FAZ berich­te­te am 22.12.2018 dar­über, dass der neue Prä­si­dent des BfV Hal­den­wang schon Mit­te Novem­ber kurz nach Amts­an­tritt zuge­stan­den hät­te, in der Fra­ge der Bedeu­tung rechts­extre­mer Bedro­hun­gen mit sei­nem Vor­gän­ger Maa­ßen „manch­mal unter­schied­li­cher Auf­fas­sung“ gewe­sen zu sein.

Dies ist denn wohl auch einer der wirk­li­chen Grün­de dafür gewe­sen, dass Hal­den­wang beför­dert und sein Vor­gän­ger in den einst­wei­li­gen Ruhe­stand zwangs­ver­setzt wur­de. In die­ser Hin­sicht äußer­te sich jeden­falls der stv. SPD-Vor­sit­zen­de Ralf Ste­g­ner am 25.01.2019 über Twitter:

Die Rechts­po­pu­lis­ten von der AfD kom­men end­lich in den Fokus. Dazu muss­te der unse­li­ge Herr Maa­ßen gehen, damit das pas­sie­ren kann, was end­lich über­fäl­lig war.

Im Jahr der Euro­pa­wahl und der Land­tags­wah­len in den neu­en Bun­des­län­dern fragt sich, in wel­che Rich­tung sich das poli­ti­sche Gefü­ge der Bun­des­re­pu­blik ent­wi­ckeln wird. Eine wei­te­re Ent­wick­lung nach ‚rechts‘ im Sin­ne einer Nor­ma­li­sie­rung der poli­ti­schen Par­tei­en­land­schaft scheint jeden­falls nicht für alle Teil­neh­mer des poli­ti­schen Dis­kur­ses gewünscht zu sein.

Demen­spre­chend soll die Abtei­lung im BfV, die den Rechts­extre­mis­mus beob­ach­tet, in die­sem Jahr auch um 50 Pro­zent ver­grö­ßert wer­den. Wenn man berück­sich­tigt, dass dort der­zeit rund 200 Bediens­te­te tätig sein sol­len, kann man in etwa erah­nen, was auf die AfD noch zukom­men wird.

In der Kon­se­quenz betrifft das sich zumin­dest teil­wei­se als unge­setz­lich dar­stel­len­de Agie­ren des neu­en Prä­si­den­ten des BfV aller­dings die Grund­la­gen des rechts­staat­li­chen Ver­fas­sungs­voll­zugs und damit die Grund­la­ge unse­res Gemein­we­sens schlechthin.

__________________

Zur Per­son: Der Ver­fas­ser ist Rechts­an­walt, Fach­an­walt für Straf­recht und hat bereits mehr­fach erfolg­reich Ver­fas­sungs­be­schwer­den vertreten.

Wei­ter­füh­ren­de Literatur:
+ Thor v. Waldstein/Institut für Staats­po­li­tik: Wer schützt die Ver­fas­sung vor Karls­ru­he?hier bestel­len
+ Josef Schüßlburner/Institut für Staats­po­li­tik: »Ver­fas­sungs­schutz«: Der Extre­mis­mus der poli­ti­schen Mit­tehier bestel­len

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Kommentare (10)

Laurenz

22. Januar 2019 12:24

Schön zu lesen, der Artikel eines Juristen für normale Menschen. Ich mußte beim Lesen dauernd grinsen, weil der Stil dem meiner Juristen-Kumpels, wie der Faust auf's Auge gleicht.
Natürlich überschätzen sich Juristen als Akademiker in einem nicht-wissenschaftlichen Fach maßlos. Es gibt nichts Überflüssigeres als unser römisches Kirchenrecht. Wie bei den Medizinern erleben wir bei 5.000 Juristen 5.000 Meinungen, und nur diejenige, die durch die Exekutive gestützt wird, setzt sich durch. Auch unsere 10 - oder 20.000 Reichsbürger fallen der Rechtsfalle zum Opfer. Recht ist unerheblich. Es zählt einzig die Herrschaft über die bewaffnete Exekutive, völlig egal, ob man in einem Königreich oder einer Republik lebt.
Natürlich ist der bürokratische Aufwand einem kleinen Verleger in die Flanke zu gehen, zu groß, im kleinen Rahmen sind also juristische Erfolge möglich. Aber so schnell wie bei der Parteienfinanzierung ein Lex AfD rauszuhauen, ist dem Bundestag wohl selten in solch einer Geschwindigkeit gelungen. Auch nicht-tarifäre Regelungen, wie die Regelung des Alterpräsidenten im Deutschen Bundestag fallen der Opportunität rasch zum Opfer. Insofern ist die politische Analyse von Herrn RA Lober wesentlich mehr eminent als die juristische.
Der politische totalitäre Druck, den die schwindenden etablierten Parteien auf die AfD ausüben, ist in der öffentlichen Präsentation zu offensichtlich. Es scheint sich eine Art der Verzweiflung breit zu machen, wenn man zu solchen Stasi-/Gestapo-Methoden greift und den richtigen "Dzierżyński" medienwirksam installiert. Zumindest war man so geschickt, den Druck auf die demokratisch geführten Staaten Europas, wie Polen, Italien, Ungarn, Kroatien etc. frühzeitig zurückzufahren, und diese nur noch in der Populismus-Debatte zur Europawahl anzugreifen. Der Brexit dient publizistisch der Strategieänderung. Die permanenten Beschwerden, daß die eigenen Kumpels in oben genannten Staaten, wie auch in den USA, der Türkei und vielen anderen Staaten abgesägt werden, sind ebenfalls im GroKo-Proporz öffentlicher Institutionen Deutschlands der öffentlichen Absurdität der eigenen politischen Haltung preisgegeben. Wir werden die Mündigkeit zur Erkenntnis der Bürger Europas Ende Mai diesen Jahres erfahren.

DariusDax

22. Januar 2019 13:18

Einen guten Text mit vielen weiteren Quellen, u.a. einem Gutachten der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages zum Thema, gab es bereits am Tag Verkündung des fiktiven „Prüffalls“ beim Bürgernetzwerk „Ein Prozent“.

Link: https://www.einprozent.de/blog/meinungsfreiheit/gelenkte-demokratie-afd-unter-vs-beobachtung/2420

Im November 2018 erschien an gleicher Stelle ein Beitrag, der mit wissenschaftlichen Quellen die Rechtmäßigkeit der derzeitigen Verfassungsschutzgesetze in Frage stellt und darauf hinweist, wie der VS die politische Debatte in Deutschland verengt und erstickt.

Link: https://www.einprozent.de/blog/aktiv/bverfg-urteil-vs-arbeitet-verfassungswidrig/2396

MartinHimstedt

22. Januar 2019 13:31

Wenn sich beim Verfassungs-„Schutz“ bisher 200 Bedienstete um Rechts kümmern und es zukünftig 400 sein werden, dann hat endlich jeder gewaltbereite Rechtsextreme in Deutschland seinen persönlichen Betreuer. Ein Zustand von dem Pflegefälle, Alte, Kranke, Flüchtlinge, Arbeitssuchende et. al. nur träumen können. Ich persönlich halte das für eine ganz großartige Entwicklung!

heinrichbrueck

22. Januar 2019 14:11

Verdacht und Prüffälle. Bleibt die AfD ein Prüffall, macht sie sich nicht der Schuld verdächtig, deutsche Politik gegen die Volksabschaffer betreiben zu können. Wird sie zu einem Verdachtsfall, entscheidet der Wähler über das weitere Vorgehen.
In welche Richtung geführt werden kann, zeigen in diesem Zusammenhang auch die institutionalisierten Strukturen. Die Operation ist angewiesen auf die FDGO, kann also überhaupt nicht gegen sie verstoßen. Die AfD kann schwerlich außerhalb der vorgegebenen Strukturen gewählt werden. Wie die FDGO als unabänderliche Kernstruktur unters Volk gebracht, gleichzeitig Volksaustauch ohne Rücksicht betrieben werden kann, entscheiden wohl nicht die Spielfiguren.
In welche Richtung soll der Wähler geführt werden? Zusammen- und Wechselspiel immer interessant.
Das BfV gewährt Oppositionshilfe, oder es zerstört diese. Die Partei hat ihre Reaktionsmöglichkeiten. Die Medien steuern. Der Wähler wählt.
Wenn der Verdacht bestünde, die AfD wollte das dt. Volk retten, gäbe es die Möglichkeiten in die gewünschte Richtung zu lenken. Zum einen, aus Zustimmung, das Volk nicht abschaffen zu wollen, zum anderen, aus Ablehnung, also das Volk weiterhin abschaffen zu wollen. Vertraue keiner einzigen Spielfigur, bevor sie einen Beweis erbringen konnte. Und welchen Kampfhund die Medien von der Leine lassen, vor Wahlen immer eine lustige Motivation. Die Absichten können dann in den Wahlergebnissen abgelesen werden. Das Vorspiel hat im Mediengeschäft ohnehin keine größere Bedeutung. Für den Urnentag zählt die wöchentliche Massenhysterie vor dem eigentlichen Wahltag; der an Bedeutungslosigkeit nicht zu überbieten, ein Hohn der wahren Macht, jedem Anbeter der FDGO die Wahrheit ins Gesicht spuckt.

Niekisch

22. Januar 2019 17:35

Dem Verfassungsschutz, diesem drohenden Zeigefinger unseres verfassungslosen Systems, bitte keinerlei Be(ob)achtung schenken. Seine gesetzliche Grundlage ist mangels Bestimmtheit unwirksam, seine Sammeltätigkeit bloße Zuträgerei zum Bundesverfassungsgericht, das die AfD auch dann nicht verbieten kann, wenn sie 1000 Bernd Höckes in ihren Reihen hat.

Laurenz

23. Januar 2019 00:31

@Niekisch .... da haben Sie Recht. Allerdings ist die Harmlosigkeit des BfV und der LfVs äußerst gefährlich.
Erstens gehen die Ämter nicht gegen gefährliche Verfassungsfeinde, wie die Kanzlerin vor, 2tens leiden die Ämter an Arbeitslosigkeit, was dazu führt, Verbrechen und Terror zu inszenieren, die NPD am Leben erhalten zu haben, etcetc., denn es könnte ja jemand auf die Idee kommen, daß diese Ämter als vollkommen nutzlos erachtet, aufgelöst werden könnten. Ich erinnere Sie an den MdB, SPD-Parteibuchmann Herrn Edathy. Der Mann war Vorsitzender des NSU-Untersuchungsausschußes, beklagte öffentlich im deutschen Fernsehen die mangelnde Mitarbeit, ja die Verweigerung der intelligenzlosen Dienste und der zuständigen Polizeiämter. Ähnlich Ernst Röhm und seiner schwulen SA-Führung waren die Neigungen des Herrn Edathy allen Kollegen bekannt, aber vollkommen egal, nur bei der öffentlichen Kompetenzüberschreitung wurde Edathy quasi röhmisiert. Auch unsere Münchner Juristenbande wagte es nicht, gegen besagte Ämter vorzugehen, und tiefer in die Materie einzusteigen, präsentierte uns quasi einen stalinistischen Schauprozeß, fällte ohne echte Beweise ein politisches Urteil. Interessant wird es erst, wenn ein AfD-Mann in den Neuen Ländern Präsident eines LfVs wird.

HomoFaber

23. Januar 2019 13:37

BfV setzt auf Antifa:

https://www.sueddeutsche.de/politik/verfassungsschuetzer-nutzen-antifa-recherchen-fuer-afd-gutachten-1.4296184

Simplicius Teutsch

24. Januar 2019 07:35

Eine passende, deutliche Unter-Überschrift heute auf der ersten Seite der Tageszeitung Münchner Merkur:

„Verfassungsschützer ziehen an einem Strang“.

Gemeint ist der Strang, mit dem man die AfD zu Tode strangulieren will. Und weiter heißt es: „Die Leiter der Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern haben sich auf ein gemeinsames Vorgehen im Umgang mit der AfD verständigt.“

GoetzGeorg

24. Januar 2019 12:26

Auf dem Blog "Tumult" von Helmut Roewer, ehemaliger Präsident des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz, ein lesenswerter Beitrag:

https://www.tumult-magazine.net/blog/helmut-roewer-schlagt-die-afd-wo-ihr-sie-trefft

Simplicius Teutsch

24. Januar 2019 12:34

Der neu ist Amt gesetzte Ober-Strangmeister Haldenwang wird sich hüten, die Inquisitionsherren und das bessermenschliche Publikum des Schauprozesses zu enttäuschen.

(Die „Zeit“ am 17.11.2018: „Thomas Haldenwang ist neuer Verfassungsschutzchef. Er steht für einen Neuanfang und einen genaueren Blick nach rechts.“)

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