Hoffentlich habe ich Lichtmesz nicht das Thema geklaut…
Beim Blick über den Atlantik habe ich manchmal das Gefühl, daß die alltägliche Absurdität, die uns allenthalben umgibt, dort noch ein Fünkchen schriller zutage tritt als in unseren Gefilden. Das gilt auch für den Vorfall, um den es heute geht, und der dem einen oder anderen schon unter die schwer geprüften Augen gekommen sein mag.
Für diejenigen, die besseres zu tun hatten, als sich auf Twitter oder Facebook herumzutreiben (wer kann’s ihnen verdenken?) ein kurzer Abriss: Vergangene Woche fanden in Washington D.C. mehrere Demonstrationen statt, darunter der auch in Europa bekannte “March for life” und ein “Indigenous People March” amerikanischer Indigener.
Auch demonstrierte eine Gruppe sogenannter “Black Hebrew Israelites”, einer besonders schillernden Ausprägung des afroamerikanischen Identitätsdilemmas, welche sich nicht nur mit einigen Teilnehmern des “Indigenous People March” anlegten, sondern sich mit ebenso ausgeprägtem missionarischen Eifer bemühten, eine Gruppe weißer katholischer Schüler, die den “March for life” besucht hatten und jetzt auf ihre Busse warteten, über ihre angeblich inzestuöse Abstammung zu belehren.
Inmitten dieser chaotischen Gemengelage entstand ein Video, in welchem eine Art Blickduell zwischen einem älteren Indigenen und einem der Schüler zu sehen ist. Die Ikonizität des Filmchens, hier der ergraute Indianer mit der Trommel, dort der grinsende, weiße Jungspund, hinter ihm seine übermütig wirkenden Kumpels – allesamt rotbemützt mit dem “MAGA-Hat” der Trump-Kampagne – das war ein Dessert auf dem Silbertablett für die amerikanische Medienlandschaft, eines, das sie sich nicht würde durch Lappen gehen lassen würde.
Sofort stürzte man sich auf die Partizipanten: Der indigene Trommler Nathan Philips war schnell ausgemacht, tatsächlich hatte er schon begonnen erste Interviews zu geben, bevor sich die Situation mit der Abreise der Schüler aus Kentucky auflöste. Nach kurzer Zeit und mit willfähriger Hilfe einiger “engagierter” Rechercheure war auch der dreist grinsende Jugendliche, Nicholas Sandmann, aufgefunden und es begann, was man auch hierzulande als Hexenjagd kennt.
Die ausgeprägten Selbstunterwerfungsmechanismen des alten, weißen Amerikas funktionieren nach wie vor tadellos und so dauerte es nicht lange, bis die ersten Distanzierungen und Disziplinierungsmaßnahmen einrasteten: Die Covington Catholic Highschool entschuldigte sich öffentlich beim belächelten Ureinwohner und behielt sich vor, die Schüler nach erfolgter Untersuchung von der Schule zu verweisen.
Diese Schmierenkampagnen hatten in der Vergangenheit hundertfach funktioniert, für den differenzierten Blick auf die Situation sind die Glasfaserleitungenn zu schnell. Es waren übrigens keinesfalls nur Demokraten, Antifas, oder Angehörige ethnischer Minderheiten, die in den sozialen Netzwerken zur Öffentlichmachung privater Informationen der beteiligten Schüler, oder gleich zur Selbstjustiz aufriefen: Einige der lautesten Stimmen kamen aus den gemäßigten Reihen der Republikaner, die offensichtlich um so lieber zutreten, wenn es mal nicht gegen sie geht.
Durch unzählige Aufnahmen ist inzwischen längst belegt, dass die Schüler sich weder von den Verbalattacken der “Black Hebrew Israelites” provozieren ließen, noch von denen der “native americans”, deren einer sie am liebsten gleich zurück nach Europa geschickt hätte.
Den Anfeindungen der anderen Demonstranten stellten die Schüler tatsächlich eine Art von Kameradschaft entgegen, wie man sie aus Fußballkurven kennt und wie sie an amerikanischen Schulen nicht unüblich ist: Choreographierte Lobgesänge auf die eigene Highschool, Sprechchöre, die gute Laune verbreiteten und im krassen Gegensatz standen zum geifernden Wortführer der “Black Hebrew Israelites” und dem passiv-aggressiven Getrommel der anderen Demonstranten.
Als allmählich klar wurde, was da vor dem Lincoln-Memorial tatsächlich passiert war, sprang das Narrativ mit Windeseile um: Aus den rassistischen Highschool-Jungs mit Trump-Käppis, die eine Handvoll “Indigenous People” einkreisten und beleidigten wurde der unerzogene Schöler (Professor “Schnauz” aus der “Feuerzangenbowle” dixit), der frech genug war, dem indianisch-amerikanischen Armee Veteranen Philips nicht aus dem Weg zu gehen.
Aber es half alles nichts, schlimmer noch: In einem anderen Videoabschnitt ist zu sehen, wie der bereits als “neues Gesicht weißer Allmachtsfantasien” gehandelte Nicholas Sandmann beruhigend auf seine feixenden Schulkameraden einwirkt, als einer der “natives” beginnt aufdringlich zu werden.
Während die Krokodilstränen des eifrigen Trommlers Nathan Philips, unter denen er noch auf der Demonstration zu Protokoll gegeben hatte, mit “Build that wall!”-Rufen geschmäht worden zu sein (wofür es keinerlei Belege gibt, obwohl der gesamte Vorfall videografisch protokolliert ist), inzwischen sicher getrocknet sind, bleibt für die Covington-Schüler und vor Allem für den grinsenden Sandmann neben Morddrohungen und Antifa-Demos vor der eigenen Schule vor Allem die Gewissheit, dass sie sich im Zweifel nicht auf die Autoritäten verlassen können, die sich eigentlich vor sie hätten stellen müssen: Ihre Schule, die amerikanischen Konservativen und die katholische Kirche.
Was ihnen im Ernstfall bleibt, das sind ihre Schulfreunde mit ihren Gesängen und dem Lächeln des weißen Mannes auf den Lippen.
Solution
Die Schule hat sich doch hoffentlich nicht den Namen in Erinnerung an H. A. Covington, den Verfasser der übelsten rassistischen Gewaltbücher der Weltgeschichte gegeben? Die Ami-Schule sollte sich schleunigst umbenennen!