Ist er ein Linker, ein Rechter, ein Anarchist gar, oder doch eher ein Ästhet, ein Künstler bar jeglichen politischen Interesses? Ich sag’ es gleich vorweg – diese Frage werde ich auch nicht beantworten können.
Mit dem Album ” Le Ceneri di Heliodoro” (dt. “Die Asche des Heliodoros”) hat sich vor einigen Wochen der unermüdliche Meister des chanson noir, der luxemburgische Musiker Jerome Reuter mit seinem Projekt “ROME” abermals zu Wort gemeldet, wie immer melancholisch, undurchsichtig und vielschichtig.
Die T‑Shirts, welche im Netz bereits Monate vor der Veröffentlichung des Albums vorbestellt werden konnten, zierten Botschaften wie “Every Act of Beauty is a Revolt against the modern World” oder “The West Knows Best”, was prompt einige irritierte Reaktionen nach sich zog. Auch das Werk des dem Antifaschismus relativ unverdächtigen italienischen Dichters Gabriele d’Annunzio scheint den zur Zeit der Aufnahme des Albums in Italien lebenden Reuter nicht unwesentlich beeinflußt zu haben. Dabei geht es auf dieser aktuellen Platte mehr noch, als auf allen anderen vorhergegangenen vor allem um Europa.
Reuters Europa ist geheim, daran ließ spätestens das Stück “Secret Sons of Europe” (vom unerreichten Album “Flowers of Exile”) kaum noch einen Zweifel. Es lebt in den Heimatlosen, den Vertriebenen und Verfolgten, dort, wo die Vaterländer kein Zuhause mehr sind und Untergrund und Widerstand wachsen. Dieses Suchen nach einem Europa, welches es nie gab und welches wir trotzdem verloren haben, spiegelt sich seit jeher in den Veröffentlichungen des Ein-Mann-Projektes.
Und doch: So nah wie auf “Le Ceneri di Heliodoro” hat uns Reuter an diesen geheimen Ort bisher nicht herangelassen, diesen Eindruck erweckt auch der Werbetext des offiziellen Vertriebspartners:
“Rom: eine Stadt im Belagerungszustand. Eine Stadt im Feuer. Wer hier wem die Waffen entgegenhält bleibt unklar, aber es ist offensichtlich, daß der gesamte Kontinent in Aufruhr ist. Auf “Le Ceneri Di Heliodoro” (“Die Asche Heliodoros”) scheut ROMEs Mastermind Jerome Reuter nicht die provokative Geste und so werden gleichzeitig mehrere heiße Eisen wie Klingen ins Feld geführt: Europas Verhältnis zur USA, die bröckelnde Einheit des Kontinents, die Frage nach der Form, der Kontinuität und letztlich auch der Identität unserer Staatengebilde. Es ist wahrlich nicht die Rückbesinnung auf Ewiggestriges, sondern die Suche nach dem Ewiggültigen die Reuter antreibt. Der Luxemburger Songwriter bleibt uns dennoch wohl die meisten Antworten schuldig und man fragt sich, ob er uns gar schonen will.
Das 13. Album ROMEs führt zurück zu den musikalischen Ursprüngen des Projekts und es ist ein unbeschöntes, düster vitalistisches Folkgebräu geworden, das wenig Hoffnung aufkommen läßt, gleichzeitig allerdings den für ROME typischen Trotz zelebriert. Es bleibt der standhafte Rückzug auf das Eigene, mit einem Hauch wehrhafter Resignation. Und somit wird das Album zur Huldigung des Außenseitertums, zur Hommage an verwegene Einzelkämpfer, die der modernen Welt, ihren Entgleisungen und Verfehlungen entschieden entgegentreten. Denn was uns da aus der Asche des Sonnensohnes erwächst harrt der Deutung: Heliodoro – Heiland einer neuen Ordnung oder Verkünder des Untergangs? Die Stadt steht in Flammen.
Zur Lust der Augen, doch stockt uns der Atem. Uropia O Morte!”
Denselben Titel trägt auch das vorletzte Stück des Albums: “Uropia O Morte!” – “Die europäische Utopie, oder den Tod”? Wieder so eine Frage, deren Antwort darin liegt, daß sie unausgesprochen bleibt, aber auch eine, die für mich musikalisch zu den bisher schönsten Geheimnissen des noch jungen Jahres gehört.
Laurenz
Immerhin kann der Mann fast so tief singen, wie Till Lindemann, Barry White, Alexander Wesselsky, Alexander Wohnhaas oder meine Wenigkeit. Liedermacher-Stil, jetzt nichts Außergewöhnliches, aber angenehm anzuhören.
Zitat - Europas Verhältnis zur USA, die bröckelnde Einheit des Kontinents -Zitatende. Die bröckelnde Einheit wurde erst durch Eskalation geschaffen, über Bezahlen und Erhalten war man sich noch nie wirklich einig. Und die früheren Groß-Profiteure der EU waren sicher nie mit der EU-Osterweiterung von Goldkettchen-Gerd glücklich. Das Verhältnis zu den USA hat sich nicht wirklich geändert. Es fällt der EU-Junta & Komplizen, in der Ära des Netzes, nur immer schwerer, die Interessen der USA zu verkaufen. Die Allzeit-Lüge, daß die EU und ihre Vorläufer 60 Jahre oder mehr für den Frieden in Europa gesorgt hätten, täuscht nicht darüber hinweg, daß die jeweiligen Regime Europas meist noch sehr glücklich über die Anwesenheit us amerikanischer Söldner sind. Bei der kurzen Drohung Trumps, aus der Nato auszutreten, oder womöglich sogar Truppen abzuziehen, sprang das politische Berlin im Dreieck, was zur Mutmaßung veranlaßt, daß die deutsche Politik nicht wirklich Vertrauen in die rechtsstaatliche Treue der Bundeswehr setzt. Die militärische Dominanz der USA in der NATO sorgte für den bereits lange anhaltenden Waffenstillstand in Europa. Die extravaganten und exorbitanten Geldforderungen Macrons, wie die Nichtdurchsetzbarkeit der Abgabe des des französischen UNO-Sicherheitsrats-Sitzes, zugunsten der EU, wie die Verweigerung Frankreichs, die Force de Frappe unter europäischen Oberbefehl zu stellen, zeigt, wie dünnhäutig sich die aktuelle Pro-EU-Propaganda darstellt. Von daher hat sich historisch, wie Herr Wessels korrekt (Dieses Suchen nach einem Europa, welches es nie gab) bemerkte, seit über 100 Jahren nichts wirklich geändert. Und das Europa Bonapartes oder Hitlers will keiner wirklich, außer Brüssel.