Das war’s- Diesmal mit: fiesen Aprilscherzen …

... und Smalltalk unter Genderaspekten.

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

1. April – Der ers­te April ist bei uns Fami­li­en­sport. Ich gewin­ne meis­tens. Das tol­le ist, daß ich schon inner­fa­mi­li­är die Leu­te Jahr für Jahr mit dem­sel­ben Scherz rein­le­gen kann, indem ich ver­kün­de: „Jetzt bist Du die/der ers­te, die’s erfährt… Wir bekom­men noch mal Nach­wuchs. Zwillinge.“

Auch heu­te hab ich deut­lich mehr Leu­te rein­ge­legt als Kubit­schek, ich hat­te einen Höl­len­spaß. Ich selbst kas­sier­te nur einen Tref­fer, und zwar im Aus­wärts, tele­fo­nisch früh um halb sie­ben, mit lei­se beküm­mer­ter Stim­me, der Gat­te: „Ich hab nur die­sen einen kur­zen Anruf. Haus­durch­su­chung bei uns. Es ist… so ent­wür­di­gend.“ Ich bin, empör­te Schnapp­at­mung, voll drauf reingefallen!

Ich gab Revan­che. Am Vor­tag hat­te mich der Auf­trag des Chefs ereilt, mein Vor­wort zum dem­nächst bei Antai­os erschei­nen­den Buch von Britt­a­ny Pet­ti­bo­ne an zwei Stel­len umzu­ar­bei­ten. Tat ich artig.

In mei­ne Mail mit Anhang tex­te­te ich an Kubit­schek: „Ich hab irgend­wie grad eine komi­sche Pha­se. Des­halb hab ich das gan­ze Vor­wort gestri­chen. Ich hab statt­des­sen ein lan­ges Gedicht ver­faßt über Sonne/Mond (meta­pho­risch für Mann/Frau). Das ist viel­leicht bei­na­he kit­schig, aber im Moment fühlt es sich rich­tig an – es löst etwas aus.“

Kubit­schek reagier­te nicht auf die­se Mail. Eben, spät­abends, rief ich ihn an. Ob er mein Gedicht­vor­wort nicht erhal­ten habe? Er: „Ja, schon… aber noch nicht geöff­net… weil… soll ich ehr­lich sein? Ich hab ein biß­chen Schiß, das es dane­ben gegan­gen ist. Ich mein… wir hat­ten doch nie ein Gedicht als Vor­wort…“ April, April!

– – –

2. April – Im länd­li­chen Sach­sen-Anhalt ist die Sit­te des Small­talks unbe­kannt. Es ist ein rela­tiv stum­mes Land. In Arzt­war­te­zim­mern blei­ben sogar die Illus­trier­ten meist unbe­rührt. Man sitzt und denkt nach.

Der­art ent­wöhnt lau­sche ich im „Aus­land“ umso hellhöriger.

Klei­ne Sta­tis­tik der letz­ten Mona­te: Wo (ob in öffent­li­chen Ver­kehrs­mit­teln, in der Sau­na oder wo auch immer) Män­ner in Small­talk gera­ten, geht es: gele­gent­lich um Fuß­ball, manch­mal ums Wet­ter, aber fast immer um Poli­tik. Wenn Frau­en small­tal­ken (beim Irgend­wo­war­ten auf die Kin­der meis­tens) geht es nie um Fuß­ball, immer ums Wet­ter und äußerst sel­ten um Poli­tik. Gibt es eigent­lich kei­ne Ideen für eine dies­be­züg­lich ver­bind­li­che Quo­te? Man müß­te doch end­lich Schluß machen mit dem immensen patri­ar­cha­li­schen Druck, der Frau­en dar­an hin­dert, im All­tag zu politisieren!

– – –

3. April – Meta-Small­talk. Er (nicht Kubit­schek): „Es fällt schon auf, wenn man so neben­bei in Gesprä­che gerät, mit Leu­ten, die einen gar nicht ken­nen: Die Stim­mungs­la­ge ist mitt­ler­wei­le fast immer irgend­wie rechts.“

Ich „Ist bei mir komi­scher­wei­se immer noch völ­lig anders. Wenn ich mal irgend­wo in poli­ti­schen Small­talk ein­be­zo­gen wer­de, dann ganz oft unter dem Mot­to: Schreck­lich und beängs­ti­gend, die­se Rech­ten heute…“

Er: „Aha. Naja… so als Frau… siehst Du auch irgend­wie links aus! Das zieht ande­re Leu­te an.“

Moment! Ich tra­ge bei­spiels­wei­se fast nie Hosen. Hab kei­ne Rin­ge im Gesicht und… ich hab doch auch eine gera­de Hal­tung, und all sowas!

Er: „Ja. Aber bei Dir wirkt all das halt total emanzipiert.“

– – –

4. April – Small­talk-Mit­schnitt, III, in der Bahn. Zwei mit­tel­al­te Frau­en. Es ging dar­um, daß eine der bei­den sich am Vor­abend ein Stück­chen Scho­ko­la­de gön­nen woll­te und, schwupps, hat­te sie sich die gan­ze Tafel einverleibt.

„Kenns­te doch, hat man ein­mal Blut geleckt, gibt es kein Hal­ten mehr-!“

Die ande­re: „Na höhöhö, aber pscht, das darfs­te heut nicht mehr laut sagen!“

„Hä? Wie­so?“

„Nna… weißt schon…“

„Hä? Nee, wegen Diät­wahn oder was?“

„Mann! [flüs­ternd:] Blut geleckt!“

„Hä? Wasn jetzt los??“

„Na: wegen Hitler!“

Die Nasch­tan­te hält sich erschro­cken den Mund zu. Äugt zu mir. Ich aber schüt­te­le stumm und ernst den Kopf.

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

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Kommentare (8)

Lotta Vorbeck

6. April 2019 15:28

„Hä? Wasn jetzt los??“

„Na: wegen Hitler!“

"Конечно ... Гитлер капут!"

Ein gebuertiger Hesse

6. April 2019 15:58

Wunderbar, wenn in der Familie noch Aprilscherze gemacht werden und gerad solche, die einen zünftigen Ernstfall zur Vorlage nehmen. Das tut man nur, wenn man dem anderen vertraut und sich selbst traut, ihn kurz ordentlich zu schockieren. Kann es sein, daß Aprilscherze dieser Art, die natürlich die einzig wahre ist, ihrerseits am Aussterben sind, sich also in die ellenlange Reihe vergessener Alltagstraditionen einreihen? Oder sind sie grundsätzlich eher Ländersache? In Berlin zum Beispiel sind Aprilscherze ebenso wenig Brauch wie Fasching.

Laurenz

6. April 2019 18:03

Sehr amüsant ist die April-Nummer mit den Zwillingen. Bei den 7 Zwergen hinter den 7 Bergen ist die Schneewitchen-/Prinz-Nummer, wenn auch etwas in die Jahre gekommen, doch recht glaubwürdig, entbehrt nicht einer gewissen Wahrscheinlichkeit. Allerdings sind Zwillinge extrem teurer als nacheinander Geborene. Blut oder Schokolade, jedem das seinige.

clivestaples

6. April 2019 22:07

Er: „Aha. Naja… so als Frau… siehst Du auch irgendwie links aus! Das zieht andere Leute an
Er: „Ja. Aber bei Dir wirkt all das halt total emanzipiert.“

Also ist das mit dem sich gegenseitig siezen doch nur eine Art ganzjähriger Aprilscherz, für und in Gegenwart mancher Journalisten? Es liest sich im Text jedenfalls als wäre man per du.

Es steht da gleich am Anfang des Dialogs, daß es sich NICHT um Kubitschek handle.

starhemberg

7. April 2019 13:06

Ich habe schon vor Jahren "Blut geleckt", was Frau Kositzas herrliche Alltagsbeschreibungen betrifft. Selbst der Schrecken vor dem Führer kann mich nicht davon abhalten.

Laurenz

8. April 2019 00:35

@Lotta Vorbeck .... das sehen die Chinesen wohl ganz anders. Autoritäres politisches System und relativ freie Wirtschaft unter staatlicher Kontrolle. Woher kennen wir das? Gorbi, der Trottel, obwohl 8 Jahre nach Deng Xiaoping an der Macht, versuchte es genau umgekehrt. Dafür zahlen die Russen bis heute, auch wenn Putin einiges milderte.

Lotta Vorbeck

8. April 2019 08:21

@Laurenz
Der Zerstörer der UdSSR und noch mehr dessen Ehegespons, die seinerzeit von der BRD-Presse als "sowjetische First Lady" etikettierte Raissa Maximowna Gorbatschowa sind in RUS überaus unpopuläre Figuren.

"Gitler kaput" war ein unter älteren Russen geflügeltes Wort, lange bevor es nach der Jahrtausenwende als Titel einer dämlichen Komödie zweitverwurstet worden ist.

Laurenz

8. April 2019 11:53

@Werte Lotta Vorbeck .... natürlich, ist auch bekannt. Und wer war schon vor unserem volkseigenen Teufel kaputt? Genau, die Bürger der Sowjetunion, da helfen auch keine Glämmer-Gorbis. Was soll denn der arme Putin machen? Welche kulturelle Leistungen können 71 Jahre Sowjetunion und 10 Jahre Manchester-Rußland denn außer Gagarin und den Großen Vaterländischen Krieg vorweisen? Beide stehen auch noch auf tönernen Füßen und halten keiner tieferen Analyse stand. Die geistige Unfreiheit Dank Stichwortprägung war noch nie so groß wie heute. Feliks Dzierżyński wäre stolz auf uns.

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