LICHTMESZ: Herr Camus, was waren Ihre Gefühle und Gedanken, als Sie von dem Attentat in Christchurch erfuhren?
CAMUS: Meine Gefühle waren dieselben wie nach all jenen schrecklichen Massakern, bei denen Muslime die Mörder und nicht die Opfer waren: Entsetzen über das Verbrechen, Mitgefühl mit den Opfern. Daß der Täter sein Manifest “The Great Replacement” (“Der große Austausch”) betitelt hatte, fügte nur ein kleines persönliches Desaster der größeren Katastrophe hinzu: dem Gemetzel selbst.
LICHTMESZ: Wie ist es Ihnen seither ergangen, sind Sie von der französischen Presse attackiert worden? Hat sich irgendjemand für Sie in die Bresche geschlagen?
CAMUS: Oh, wenn es bloß die französische Presse wäre! Es war die Weltpresse, besonders die amerikanische. Das liegt daran, daß Demonstranten in Virginia letztes Jahr den Slogan “Ihr werdet uns nicht austauschen!” (“You will not replace us!”) gerufen haben, den ich vollkommen gutheiße. Unglücklicherweise haben einige von ihnen – womöglich eine kleine Minderheit, die allerdings mit Absicht die volle Medienaufmerksamkeit bekam – gerufen: “Juden werden uns nicht ersetzen!” (“Jews will not replace us!”), ein Satz den ich uneingeschränkt verurteile: Juden organisieren nicht den Großen Austausch, sie sind seine ersten Opfer. In Frankreich sahen sich tausende von ihnen gezwungen, deswegen das Land zu verlassen. Wie können sie dafür veranwortlich sein?
Ich brauche keine Advokaten, um mich in dieser Sache zu verteidigen. Das ist keine juristische Frage, sondern eine moralische und mediale. Wie könnte irgendein Richter auch nur die geringste Verbindung zwischen dem Mörder und mir oder meinem Buch finden? Nichts findet sich darin, das auch nur ansatzweise als Aufruf zur Gewalt interpretiert werden könnte, und das zentrale Konzept meines politischen Denkens ist die in-nocence (unübersetzbares Wortspiel: die “Un-Schuld”, “Nicht-Belästigung”, “Nicht-Schädigung”, “Nicht-Schädlichkeit” etc.- ML), das Nichtzufügen von Leid, nach Hippokrates “primum non nocere”.
Aus exakt diesem Grund, weil ich gegen Gewalt bin und sie vermeiden möchte, trete ich für das Ende der Masseneinwanderung und für den Beginn der Remigration ein: multikulturelle und multiethnische Gesellschaften sind die Wiege der Gewalt schlechthin, sei sie groß oder klein.
Darüberhinaus hat der Mörder wahrscheinlich niemals eine Zeile von mir gelesen. Wie könnte er? Er spricht nicht Französisch, und mein Buch “Der große Austausch” wurde nicht ins Englische übersetzt. Er nennt nirgends meinen Namen, noch zitiert er einen Satz, der mir zugeschrieben wird. Es ist nicht mein Buch, das ihn inspiriert hat, und ebensowenig sein Titel, sondern die Realität des Phänomens, das mein Buch beschreibt und sein Titel benennt.
LICHTMESZ: Wie ordnen Sie dieses Massaker ein?
CAMUS: Sein Verbrechen gleicht den sehr ähnlichen Verbrechen, die in Europa und besonders in Frankreich begangen wurden, im Bataclan oder auf der Promenade der Engländer in Nizza. Diese sind vermutlich seine wahre Inspiration. Seine Tat ist ein Replikat, ein seitenverkehrtes, antipodisches und vollkommen symmetrisches Replikat. Deshalb ist er nicht nur kriminell, sondern auch dumm. Das Letzte, was man tun soll, ist seine Feinde zu imitieren. Besser wäre es, den Unterschied der Zivilisationen aufzuzeigen, ohne unschuldigen Menschen Leid zuzufügen.
Das Komische ist, daß dieselben Leute, Journalisten und Politiker, nicht den geringsten Zusammenhang zwischen den islamistischen Massenmorden und dem Koran sehen wollen. Sie halten es für kriminell, zu erwähnen, daß der Koran an dutzenden Stellen zu Gewalt und Mord an Christen und Juden aufruft, und finden es gleichzeitig völlig normal, eine Verbindung zwischen den Morden in Christchurch und meinem Buch zu behaupten, das an keiner einzigen Stelle zu Gewalt aufruft und sie explizit im Namen der in-nocence verwirft.
LICHTMESZ: Welche Verantwortung trägt Ihrer Meinung nach ein Autor für Menschen, die seine Worte für kriminelle Zwecke mißbrauchen?
CAMUS: In diesem Fall hat der Kriminelle meine Worte nicht mißbraucht, sondern das exakte Gegenteil getan, was sie besagen. Er benutzt zwar den Begriff “der große Austausch”, aber dieser ist längst zum Allgemeingut geworden. Wenn jemand einem anderem Menschen den Kopf abschneidet und die Französische Revolution als Bezugspunkt nennt, dann meint er die tatsächliche Revolution, die Guillotine, den Terror, die Tatsache, die Sache selbst, kein Buch diesen Titels, etwa von Thiers oder Michelet.
LICHTMESZ: Wird sich der Anschlag auf Ihre weitere Arbeit auswirken? Denken Sie, daß der Begriff des “großen Austauschs” nun für immer befleckt ist und nicht mehr benutzt werden sollte?
CAMUS: Die Antwort ist auf beide Fragen ist: nicht im mindesten. Der große Austausch, die Sache selbst, nicht der Begriff, ist ein demographisches Phänomen, das befleckt in die Welt kam. Denn es handelt sich dabei um ein schreckliches Verbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Es ist in der Tat das Verbrechen gegen die Menschlichkeit des 21. Jahrhunderts schlechthin. Wenn es sein muß, kann man ihm leicht andere Namen geben: Massenmigration, Invasion, ethnische Abdankung, Bevölkerungs- und Zivilisationswandel, Genozid durch Substitution (ein Ausdruck von Aimé Césaire). Die alptraumhafte Realität wird sich nicht ändern, wenn man ihr andere Namen gibt.
Thorsten B
"multikulturelle und multiethnische Gesellschaften sind die Wiege der Gewalt schlechthin, sei sie groß oder klein." - das ist eine der grossen Wahrheiten an die wir uns immer erinnern sollten!