Über unterschiedliche Erscheinungen – Parteien, charismatische bzw. autoritäre Politiker, Medienskandale etc. – gerät er weiter in den massenmedialen Fokus insbesondere Westeuropas. Gegenwärtig ist Populismus eines der meistverwendeten Schlagworte, dessen Gebrauch man sich ebensowenig entziehen kann wie dem Meinungsstreit über etwaige Inhalte. Daher wird auch »rechts« kontrovers diskutiert, wie man es mit Populismus und populistischen Erscheinungen hält. Lehnt man dieses Etikett für sich ab, ist es ein gegnerischer Kampfbegriff, eine Beleidigung gar – oder angemessen als selbstbewußte Eigenbeschreibung angesichts der vorhandenen realen Situation?
Im Institut für Staatspolitik, das diese Zeitschrift herausgibt, hat man in einer Studie mit dem Titel Die Stunde des Populismus (Schnellroda 2017) eine positive Übernahme des Begriffs und der daraus abgeleiteten Verhaltenslehren zusammengefaßt. Alexander Gauland hat daran anknüpfend gezeigt (vgl. den entsprechenden Beitrag »Populismus und Demokratie« in Sezession 88), wie es aussehen kann, wenn man als Parteidenker Populismus als politische Ausrichtung ins Positive wendet und ihn offensiv für sich und seine Partei beansprucht.
Nun liefert Philip Manow den Befunden beider genannter Texte (IfS-Studie und Gauland-Aufsatz) weitere Argumente, obschon einige ideologiebedingte Unzulänglichkeiten des Bremer Politikwissenschaftlers zu konstatieren sind: als (alt)linker Intellektueller übergewichtet er bisweilen ökonomische Beweggründe zu Lasten kultureller Größen.
Entscheidend für die Würdigung des vorliegenden Titels ist jedoch Manows Feststellung im Anschluß an den Harvard-Forscher Dani Rodrik, wonach man den zeitgenössischen Populismus als Protestbewegung gegen die Globalisierung interpretieren sollte, als Protest »gegenüber zwei ihrer hauptsächlichen Erscheinungsformen: dem internationalen Handel und der Migration, also der grenzüberschreitenden Bewegung von Geld und Gütern einerseits und von Personen andererseits«. Entsprechend der unterschiedlichen Gewichtung der beiden Hauptarten der erlebbaren Globalisierungsformen äußern sich, wie Manow dokumentiert, linke und rechte Spielarten des Populismus. In Europa ist diesbezüglich eine gewisse Nord-Süd-Unterscheidung zu notieren, denn noch reüssieren im Süden linkspopulistische Bewegungen (gegen die Globalisierungsfolge Austerität u. a.), während sich im Norden und der Mitte eher rechtspopulistische Alternativen behaupten (gegen die Globalisierungsfolge Massenmigration u. a.).
Manow analysiert versiert entsprechende Zusammenhänge; er impft seine Leser erfolgreich gegen das systematische Ausblenden ökonomischer Prozesse. Doch die speziell in Deutschland vorhandene antipopulistische Koalition aus »Wohlmeinenden« und »Wohlhabenden« (Bernd Stegemann), d. h. aus hypermoralisch auftretenden Linksliberalen und der weltbürgerlichen, wirtschaftlich wie politisch herrschenden Klasse, ist eine Koalition, mit der sich hierzulande rechte Akteure primär konfrontiert sehen, was Manow verschweigt. Einmal mehr analysiert ein linker deutscher Autor also gescheit, ohne naheliegende Rückschlüsse zu ziehen.
Manows Ausführungen über Kommunitarismus und Kosmopolitismus sind dessen ungeachtet für eine konkrete Lageanalyse ebenso lehrreich wie seine sozialwissenschaftliche Untersuchung der AfD-Wählerschaft. Überdies ist es die konzise Darstellung der sozioökonomischen Beweggründe für populistische Phänomene, die Manows schmalen Band zu einem intellektuellen Ratgeber für jene Teile der politischen Rechten machen, die – wie das IfS und Gauland – einen aus der Zeit heraus notwendig gewordenen Populismus befürworten, weil sie langfristig ein Bündnis »aller Kulturen, die sich nicht damit abfinden, unter der Dampfwalze der Globalisierung zu verschwinden« (Alain de Benoist), anvisieren.
Philip Manow: Die Politische Ökonomie des Populismus (= edition suhrkamp), Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2018. 178 S., 16 € – hier bestellen