Das Haus der Regierung will Eine Saga der Russischen Revolution erzählen. Das Göttliche, das in der »Saga« anklingt, durchzieht das monumentale Werk; nur sind die »Götter« keine skandinavischen Kriegerheroen oder Naturerscheinungen, sondern Vertreter einer speziell 1936 bis 1938 wahnhaft operierenden Parteiformation.
Doch was ist dieser epochale Wälzer neben einer Saga? Handelt es sich beim Haus der Regierung um ein Glanzstück über die Tücken einer Revolution, die ihre Kinder nicht entließ, sondern verhöhnte, fraß, ausspie? Enthält Slezkines reich bebildertes Werk dokumentarische Berichte über ein mächtiges Bauprojekt im zentralen Moskauer Sumpfgebiet, in dem lebte, wer in der Sowjetunion Rang und Namen hatte? Oder legt Slezkine eine dichte Darstellung über menschliche Abgründe und ihren quasireligiösen Erklärungsrahmen vor? Das Haus der Regierung ist all dies und vieles mehr: Vor allem ist es eine materialreiche, aufwühlende und literarisch wertvolle Erzählung über Hunderte Menschen, die in den über 500 Wohnungen des Elitenbaus lebten, arbeiteten und schließlich – in Zeiten des orchestrierten Terrors durch das Volkskommissariat für innere Angelegenheiten (NKWD) – in relevanter Anzahl litten.
Slezkine setzt historisches und ideologisches Wissen voraus, aber schreibt kein Buch für »Gelehrte«. Er führt die Leser durch die Entstehungsgeschichte der bolschewistischen Gemeinden, schildert deren erste Organisationsversuche als »freie Kameradschaften« für Agitprop, erschließt die Bedeutung des Exils, der Gefangenschaft sowie der Verbannung für die Ideologie- und Charakterbildung parteikommunistischen Personals, erwähnt die Wechselwirkungen »weißer« und »roter« Mordlust und veranschaulicht die Lebensrealität der Kader und ihrer Familien in den 1920er Jahren: nach Lenins Tod, vor Stalins Herrschaft. Man zieht 1931 mit den ersten Familien der Sowjetelite in das Haus an der Moskwa, lernt seinen Grundriß und die Abläufe zu verstehen und sieht eine bis dato beispiellose Gated Community zum Leben erwachen.
Der rote Faden bei Slezkine ist die millenaristische Dimension seines Untersuchungsgegenstandes: Er zeichnet das Wesen der Bolschewiki als sektengleich; sie warteten auf das Eintreten des Paradieses auf Erden, des Kommunismus, während sie mit allen Konsequenzen darauf hinwirkten, es selbst herbeizuführen. In das alleinseligmachende Zentrum der tiefroten Kirche kamen verdiente Kader. Doch regelmäßige Parteisäuberungen sorgten für Fluktuation in den Reihen der Bewohner: Wer aus der Partei flog, verlor das Wohnrecht.
Die Säuberungen erreichten zwischen Juli 1936 (nach der Resolution »Über antisowjetische Elemente«) bis November 1938 (als die Massenoperationen ohne Erklärung stoppten und die Todesschwadronen selbst liquidiert wurden) eine unvorstellbare Dimension: Der Terror war entfesselt, er traf primär die »eigene« Riege. Jeder Alt-Bolschewik wurde unter Verdacht gestellt, opponiert und wider Stalin gesündigt zu haben; der Nächste wurde der Fernste, den es wie Geschmeiß zu vernichten galt. Nikolai Bucharins Exempel wird plastisch dargelegt: Am Ende stand die Akzeptanz der eigenen »Schuld« und der Todesstrafe. Slezkines Skizzen der massenhaft erfolgten (und freilich wirkungslosen) vollständigen Unterwerfung angesichts der Allmacht des NKWD lesen sich wie eine psychopathologische Horrorgeschichte.
Die Ausrottung der »Verräter« ist dabei eine Kontinuität von Erlösungssekten. Der unbändige Haß richtet sich vor allem gegen »Apostaten«, also tatsächliche oder angenommene Abweichler. Innere Feinde sind schlimmer als äußere Widersacher: Sie haben die Wahrheit gesehen und sich von ihr entfernt; sie verdienen nur den Tod.
Das Haus der Regierung ist nicht zuletzt aufgrund möglicher zeitloser Ableitungen eminent lesenswert. Daran können auch zwei Kritikpunkte nichts ändern: Erstens hätte Slezkine auf seine Finalthese verzichten können, der Bolschewismus wäre – gemessen am kontingenten eigenen Erfolg – nicht totalitär genug gewesen. Er erklärt diese Haltung, aber sie bleibt aufmerksamkeitsheischend. Zweitens wird Slezkines stilistische Brillanz nicht immer von analytischer Klarheit begleitet. Sein roter Faden – die Sektenlesart – wird auch dort durchgesetzt, wo andere (außenpolitische, historisch bedingte, politiktheoretische usf.) Faktoren stärker zu gewichten wären. Gleichwohl: ein großer Wurf, der lange nachwirkt.
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Yuri Slezkine: Das Haus der Regierung. Eine Saga der Russischen Revolution, München: Carl Hanser Verlag 2018. 1344 S., 49 € – hier bestellen.
Niekisch
"Wesen der Bolschewiki als sektengleich; sie warteten auf das Eintreten des Paradieses auf Erden, des Kommunismus, während sie mit allen Konsequenzen darauf hinwirkten, es selbst herbeizuführen."
In Rogalla v. Biebersteins Werk "Jüdischer Bolschewismus" ist das deutlicher umschrieben: aus russisch-jüdischen Sekten durch eigenen Antrieb und eigenes Handeln sowie jüdisch-brüderlicher Finanzierung durch die "Ostküste" der USA zu weltweiter Verwirklichung jüdischer Heilserwartung.