Sie sind der Mc Donald’s unter den Interviewformaten: Spontane Straßeninterviews namhafter und weniger namhafter Persönlichkeiten, die mitten im Alltag – gern auch vor der privaten Wohnungstür, auf der Arbeit, oder beim Einkaufen – überfallartig mit irgendwelchen Informationen „konfrontiert“ werden und anschließend dazu „Stellung nehmen“ sollen.
Beliebt ist dieses Format in der Regel bei den zuständigen Rechercheuren, da ein kurzes Abgrasen der Kommentarspalten meist reicht um irgendeinen schwarzen Peter auszugraben, der dann quasi im Vorbeigehen dem Interviewpartner zugeschoben wird, während sich gleichzeitig das große Auge der Kamera auf ihn richtet und ihm ein Mikrofon unter die überraschte Nase gehalten wird.
Wie gesagt, der Aufwand ist gering, der Ertrag kann sich eigentlich fast immer sehen lassen: Wird unangenehm berührt geschwiegen, so ist das ja auch irgendwo eine Antwort, auch angenervtes Losplautzen ist geeignet, beim Zuschauer die wohligen Empörungsschauer hervorzurufen, die der Garant für den Erfolg dieser Form der peinlichen Befragung ist. Selbst wenn der Gejagte sich im Angesicht seines Jägers stellt und unverhofft zu einer sachlichen Antwort ausholt, wissen geübte Journalisten: Das Wild ist in der Falle und es ist nur eine Frage der Zeit, bis es im Stakkato der dreisten Nachfragen ins Zaudern und ins Straucheln gerät.
Ignorantes Schweigen, selbstgefälliges Gelächter, wütende Abweisung oder hektisches Gestammel – alles das hatte sich das Team des ARD-Formats „Kontraste“ wohl erwartet, als es sich der Kundgebung des Demonstrationsbündnisses PEGIDA mit der Frage nach dem erschossenen Walter Lübcke näherte. Und alles das, oder viel mehr eine Mischung dessen und noch ein bißchen mehr, bekam man von den wenigen, die sich auch dieses Mal nicht zurückhalten konnten. Lutz Bachmann sprach in diesem Zusammenhang später von „Spezialisten“, ich weiß, daß im Osten auch der Begriff „Patienten“ für solche Leute geläufig ist, die sich unbedingt erklären müssen, wenn eine Kamera auf sie gerichtet ist und dabei vergessen, wer am Ende für den Schnitt des Beitrags verantwortlich ist.
Es ist meist keine böse Absicht dabei, aber auf einer PEGIDA-Kundgebung spricht man nun einmal so wie einem der Mund gewachsen ist und das was dabei am Ende herauskommt ist selten eine „kamerafähige Meinung“ und manchmal auch einfach nur dumm.
Schließlich wandte sich der offensichtlich kurz vor dem Heulen stehende Tremolo der weiblichen Interviewstimme an Lutz Bachmann persönlich, keinesfalls den Hinweis auf sein Strafregister auslassend, wohlweißlich aber verschweigend was das mit dem Mordfall Lübcke zu tun haben soll.
Und das klappte, muß man sagen, nicht ganz so gut wie das vorherige Abgrasen der Demo-Teilnehmer. Es gibt so eine gewisse rotzfrech-verschmitzte Bodenständigkeit, die ich als akademisch verdorbener Niedersachse im Osten immer mal wieder bewundern durfte. Es ist eine fast schon gaunerhafte Lässigkeit, die von Ostberlin über Halle bis nach Dresden gerade dann auftritt, wenn mit einer ernsthaften Antwort schlechterdings nichts mehr zu gewinnen ist.
Diese Abgeklärtheit in Verbindung mit einer schwer zu öffnenden Pappschachtel war es, mit der Bachmann dem öffentlich-rechtlichen Überfallkommando begegnete, das an ihn auf dem Weg vom Bahnhof zur Demonstration herantrat. Wie das genau abgelaufen ist, das läßt sich am besten hier verfolgen, den unheilsschwangeren Beitrag des ARD-Magazins gibt es hier zu sehen.
Für den Sonntagshelden jedenfalls reicht’s. Man braucht Lutz Bachmann und die laute Sprache seiner Reden nicht lieben. Aber er zeigt: Man muß sich auf das Spiel der Medien nicht einlassen. Man darf auch sein eigenes spielen, wenn man es kann.
Die aufgefrischte Aufmerksamkeit, die Bachmann durch den Beitrag erhielt, möchte dieser übrigens positiv nutzen: Er hat das denkwürdige Zusammentreffen in einem einfachen T‑Shirt-Design verarbeitet, mit dem Erlös sollen patriotische Nachwuchsjournalisten unterstützt werden.
RMH
Flip-Flops, kurze Hosen und Herren-Bauchtäschchen …
Und das bei einem erwachsenen Mann. Das sagt mehr aus, als alles andere.