Untergänge

von Heino Bosselmann -- Zu den eindrucksvollsten Erlebnissen in einer Biographie mag es gehören, erlebt zu haben, wie ein Staat untergeht;

wie er unter­geht, obwohl er eben noch als fes­ter Bau alles Gesell­schaft­li­chen galt. Deutsch­land bot dafür im 20. Jahr­hun­dert allein vier­mal das Ter­rain, inner­halb ver­schie­de­ner Akte der Geschich­te und mit wech­seln­der Beset­zung: Jeweils abrupt ende­ten im Zuge revo­lu­tio­nä­rer Aktio­nen oder in Ergeb­nis von Zusam­men­brü­chen das Kai­ser­reich, die Wei­ma­rer Repu­blik und das Drit­te Reich, letzt­lich 1989/90 die DDR.

Wäh­rend die Novem­ber­re­vo­lu­ti­on von 1918 als ech­te deut­sche Revo­lu­ti­on gel­ten kann, schuf sie doch  – im Gegen­satz zum geschei­ter­ten 1848er Früh­ver­such – eine neue und tat­säch­lich demo­kra­ti­sche Staats­form, war wie­der­um die „Macht­er­grei­fung“ der Natio­nal­so­zia­lis­ten im Wort­sinn durch­aus revo­lu­tio­när, aller­dings in reak­tio­nä­rer Weise.

Zwölf Jah­re spä­ter stell­te der Unter­gang des Drit­ten Rei­ches den kata­stro­phal opfer­reichs­ten, grau­sams­ten Umbruch dar, ein Ende im Schre­cken, ein – zum Glück vor­läu­fi­ges – Ende sogar des gemein­sa­men, zudem ter­ri­to­ri­al ampu­tier­ten Vater­lan­des. Bis zur Gegen­wart der aller­größ­te Ver­lust des alten Rei­ches in der Mit­te Euro­pas, des­sen geis­ti­ge und kul­tu­rel­le Sub­stanz  im Kern unwie­der­bring­lich ver­nich­tet wur­de, nach­dem sie bereits durch den Ver­sailler Ver­trag von 1919 hart getrof­fen war.

Die durch die sta­li­nis­ti­sche Sie­ger­macht Sowjet­uni­on betrie­be­ne Instal­la­ti­on der DDR und deren vier­zig Jah­re spä­ter enden­de Kurz­ge­schich­te wie­der­um dürf­te den prin­zi­pi­ells­ten Wan­del mar­kie­ren, weil im Gebiet der sowje­ti­schen Beset­zungs­zo­ne Ent­eig­nun­gen und Umver­tei­lun­gen aller­größ­ten Aus­ma­ßes erfolg­ten; ein radi­ka­ler Unrechts­akt, der ein sozia­lis­ti­sches Expe­ri­men­tier­feld schuf, das 1990 ff. wie­der­um eine kapi­ta­lis­ti­sche bzw. „markt­wirt­schaft­li­che“ Tur­bo­re­stau­ra­ti­on durch­mach­te, die den revo­lu­tio­nä­ren Beginn der „ande­ren deut­schen Repu­blik“ zu revi­die­ren suchte.

Zwar konn­ten nach vier­zig Jah­ren eins­ti­ge Eigen­tü­mer nur zum eher gerin­gen Teil in ihre alten Rech­te ein­ge­setzt wer­den, aber der Aus­ver­kauf des Staats- bzw. „Volks­ei­gen­tums“ via „Treu­hand-Anstalt“ an sol­ven­te Ver­wer­ter und Ent­sor­ger – vor­zugs­wei­se aus der Alt-Bun­des­re­pu­blik – dürf­te eben­so ein­ma­lig gewe­sen sein wie die vor­ma­li­gen Ent­eig­nun­gen durch die SMAD und den SED-Staat zu Beginn der DDR-Geschichte.

Nun wer­den „Wen­de“ und Wie­der­ver­ei­ni­gung von den gegen­wär­ti­gen poli­ti­schen Deu­tungs­be­hör­den der neu­er­li­chen „Sie­ger der Geschich­te“ zwar wohl als revo­lu­tio­när – im Sin­ne des roman­ti­schen Wor­tes von der „fried­li­chen Revo­lu­ti­on“ – dar­ge­stellt, und die soge­nann­te Bür­ger­be­we­gung wie die Mon­tags­de­mons­tran­ten gel­ten sakro­sankt als Schul­bei­spiel cou­ra­gier­ter und urteils­kräf­ti­ger Citoy­ens; dar­über hin­aus aber steht die DDR als „Unrechts­staat“ und böses Kurio­sum da, als etwas, das bes­ser nicht gewe­sen wäre, so wie sie der dama­li­gen Bun­des­re­pu­blik ver­ächt­lich als „Regime von Pan­kow“, als „Sowjet­zo­ne“ und sol­cher­art als eine Art Satra­pie Mos­kaus galt. Im Wesent­li­chen ganz zu Recht. Was aller­dings wie­der­um wenig über die mensch­li­chen Schick­sa­le aus­sagt, von denen der Wes­ten des Lan­des bis heu­te kei­ne kla­re Vor­stel­lung haben kann.

Aller­dings wird in den Gra­vi­ta­ti­ons­fel­dern des Kal­ten Krie­ges gleich­falls die Bun­des­re­pu­blik als Grün­dung der Sie­ger­mäch­te, ins­be­son­de­re der USA, auf­zu­fas­sen sein, legi­ti­miert immer­hin in ihrer ver­gleichs­wei­se demo­kra­ti­schen Gestalt und mit der Zustim­mung immer sat­te­rer Kon­su­men­ten, am aller­meis­ten gerecht­fer­tigt eben durch den wirt­schaft­li­chen Erfolg, inso­fern der nach moder­ner Wahr­neh­mung über­haupt als ein­zi­ger Indi­ka­tor für die Posi­tiv­be­wer­tung gesell­schaft­li­cher Sys­te­me erscheint.

Aber ganz abge­se­hen von his­to­ri­schen Deu­tun­gen erscheint ein unter­ge­hen­der Staat, der wohl oder übel im ursprüng­li­chen Sin­ne immer­hin unter­ge­hen­de Hei­mat ist, als Phä­no­men an sich selbst. Die DDR wur­de von ihren Bür­gern – wie­der­um wohl oder übel – als beson­ders fest gefügt wahr­ge­nom­men, beherrscht nicht nur von einer tota­li­tä­ren und vor­mund­schaft­li­chen Exe­ku­ti­ve, die sich ihrer­seits bis zur Ära Gor­bat­schow des Feu­er­schut­zes durch zwei Mil­lio­nen Sowjet­sol­da­ten im Land sicher war, son­dern sich selbst­re­fe­ren­ti­ell erklä­rend aus der mythi­schen Erzäh­lung der sta­li­nis­tisch-post­sta­li­nis­ti­schen Vari­an­te des Kom­mu­nis­mus, Teil der bes­se­ren Welt zu sein, angeb­lich Garant des Frie­dens, vom Kapi­ta­lis­mus und des­sen „Aus­wüch­sen“ Faschis­mus bzw. Natio­nal­so­zia­lis­mus befreit, im Sin­ne der His­to­ri­schen Mate­ria­lis­mus als „Arbei­ter- und Bau­ern­staat“ einer „lich­ten Zukunft“ entgegengehend.

Selbst wenn sie publi­ziert wor­den wären, wür­den die Argu­men­ta­tio­nen Karl Rai­mund Pop­pers zu einer „offe­nen Gesell­schaft“ da nicht durch­ge­drun­gen sein, son­dern hät­ten als spät­bür­ger­li­che Mie­se­pe­te­rei gegol­ten, die eine auto­ri­tä­re Par­tei­en­herr­schaft kri­ti­sier­ten, die es nach Selbst­ver­ständ­nis kom­mu­nis­ti­scher Ideo­lo­gen in Anbe­tracht der glo­ba­len Zustän­de und Auf­ga­ben nur in Gestalt des „demo­kra­ti­schen Zen­tra­lis­mus“, also als büro­kra­ti­sche Dik­ta­tur einer „Par­tei neu­nen Typs“ geben konnte.

Inter­es­sant und fatal, daß der Hor­ror des sowje­ti­schen Alb­traums ins­be­son­de­re der drei­ßi­ger Jah­re in der DDR selbst unter­schwel­lig kaum und jeden­falls nie spür­bar tra­diert wur­de. Die ihn im Mos­kau­er Hotel „Lux“ erlebt und auf­at­mend über­lebt hat­ten, Ulb­richt und Kon­sor­ten, schwie­gen frei­lich und mein­ten auch spä­ter­hin, daß die Spä­ne nun mal flo­gen, weil kräf­tig geho­belt wer­den muß­te. So argu­men­tier­ten die DDR-Sozia­lis­ten gegen­über den nach ihrer Les­art so ver­al­te­ten wie ver­lo­ge­nen und die Aus­beu­tung nur kaschie­ren­den bür­ger­lich-huma­nis­ti­schen Vor­stel­lun­gen. Man ver­stand sich in Ergeb­nis der „Leh­ren der Geschich­te“ als bewußt anti­bür­ger­lich und somit als anti­li­be­ral. Die Par­tei hat­te in ihrer Eigen­wahr­neh­mung immer Recht, da sie das ein­zig Rich­ti­ge woll­te. Indem der „real­exis­tie­ren­de Sozia­lis­mus“ irgend­wann den Kom­mu­nis­mus auf­zu­bau­en plan­te, träum­te er sei­nen eige­nen Traum von „Ende der Geschich­te“ im Sin­ne eines welt­li­chen Paradieses.

Wer mit sol­chen Ansprü­chen star­tet, dann aber ver­gleichs­wei­se plötz­lich inner­halb von Wochen, ja nur Tagen implo­die­rend zusam­men­bricht und zunächst sang- und klang­los unter­geht, erlebt solch desas­trö­se Schei­tern als Bla­ma­ge, als Krän­kung, als Zusam­men­bruch, als Desas­ter min­des­tens der eige­nen „werk­tä­ti­gen“ Bio­gra­phie, zumal doch über Jahr­zehn­te vom Wett­be­werb der Sys­te­me die Rede war, bei dem es nach „wis­sen­schaft­li­cher Welt­an­schau­ung“ nur einen Sie­ger geben konn­te – selbst­ver­ständ­lich den Sozia­lis­mus! Der dann vor aller Augen unter­ging und sich von den Pla­ka­ten nach­ru­fen las­sen muß­te: „Wohl­stand statt Sozialismus!“

Neben­bei: Inter­es­sant anzu­schau­en wäre ein min­des­tens kul­tu­rel­ler Wan­del im Wes­ten, wo der Typus des alten Kapi­ta­lis­ten, etwa des rhei­ni­schen Indus­tri­el­len, mit­samt sei­nen Tugen­den eben­so qua­si evo­lu­tio­när aus­starb wie das für Deutsch­land so wesen­s­prä­gen­de Bil­dungs­bür­ger­tum. Bei­des Ver­lus­te, die nicht allein auf das Kon­to ihrer Kin­der, der Acht­und­sech­zi­ger, gin­gen, son­dern Ergeb­nis­se einer ful­mi­nan­ten Moder­ni­sie­rung und begin­nen­den Glo­ba­li­sie­rung inner­halb des Bür­ger­tums selbst waren.

Obwohl seit den Sieb­zi­gern und ins­be­son­de­re ab dem wich­ti­gen Schlüs­sel­jahr 1983 man­chen Fähr­nis­sen, gera­de wirt­schaft­li­chen und finan­zi­el­len, aus­ge­setzt, erschien die DDR in den Acht­zi­gern aus der Innen­an­sicht zunächst nicht als dys­funk­tio­na­ler Staat, zudem sie sich ein­ge­mau­ert hat­te und ihre Que­re­len den wirt­schaft­li­chen Dimen­sio­nen des Kal­ten Krie­ges und ins­be­son­de­re der durch den Wes­ten auf­ge­zwun­ge­nen Rüs­tungs- und Blo­cka­de­po­li­tik anlas­te­te. Ihre der Nach­wen­de­pro­pa­gan­da als „maro­de“ gel­ten­de Wirt­schaft war – bei allen dra­ma­ti­schen Inno­va­ti­ons­ver­lus­ten und bei allem Grau und Gestank – immer­hin die eines zwar klei­nen, aber respek­ta­blen Indus­trie­staa­tes, der – in der Rück­schau betrach­tet – in Anbe­tracht der ungüns­ti­gen sys­te­mi­schen, his­to­ri­schen und kon­kret außen­wirt­schaft­li­chen Pro­ble­me prak­tisch noch mehr zustan­de brach­te, als ihm theo­re­tisch zuzu­trau­en gewe­sen wäre, zumal sich die ver­meint­li­chen Ver­bün­de­ten, vor allem die UdSSR, weit mehr als Last denn als Hil­fe erwiesen.

Offen­bar lagen die aku­ten Ver­sa­gens­grün­de eben­so wenig in der Frus­tra­ti­on durch die Man­gel­wirt­schaft wie im zuneh­mend ver­klär­ten Auf­stand der Bür­ger, son­dern vor allem dar­in, daß die sowje­ti­sche Schutz- und Besat­zungs­macht unter dem weit über­schätz­ten Illu­sio­nis­ten Gor­bat­schow dem gesam­ten Ost­block den ideo­lo­gi­schen Stark­strom abge­stellt hat­te, völ­lig ver­quer der Annah­me, so kön­ne man im Zuge von „Glas­nost“ und  „Pere­stroi­ka“ zu „leni­nis­ti­schen Prin­zi­pi­en“ zurück­keh­ren, also zu einer Orga­ni­sa­ti­ons­form des Poli­ti­schen und Wirt­schaft­li­chen, die es so wie sug­ge­riert, weder 1917 ff. noch über­haupt irgend­wann und irgend­wo gege­ben hat­te oder die min­des­tens nie oder höchs­tens mise­ra­bel funk­tio­nier­te. Man ver­gißt heu­te: Gor­bat­schow woll­te kei­ne bür­ger­lich-demo­kra­ti­sche Ord­nung begrün­den, son­dern den Sowjet­kom­mu­nis­mus als Zom­bie wie­der­be­le­ben. Wenn über­haupt, dann gab es in rus­sisch-sowje­ti­scher Pro­ve­ni­enz nur eine Vari­an­te des Sozia­lis­mus – den sta­li­nis­ti­schen bzw. post­sta­li­nis­tisch-sta­gna­ti­ven eben, wor­in ja gera­de die Tra­gö­die die­ser Vari­an­te des kom­mu­nis­ti­schen Uto­pis­mus bestand. Jeder Uto­pis­mus wird dort, wo er umzu­set­zen ver­sucht wird, unwei­ger­lich zu einer Tra­gö­die! Das hat die deut­sche Lin­ke übri­gens völ­lig ver­ges­sen und labo­riert neu­er­lich an Verklärungen.

Indem der ver­wach­se­ne Bol­sche­wis­mus erschöpft und weit­ge­hend durch sei­ne per­ver­sen Ver­bre­chen dis­kre­di­tiert ende­te, ende­te auch die UdSSR und gleich­zei­tig ihr selt­sa­mes Stief­kind, die DDR, deren Bür­ger erschro­cken regis­trier­ten, wel­chen Lebens­lü­gen man offen­bar auf­ge­ses­sen war und wel­che alte Lei­chen plötz­lich durch das gera­de noch als sau­ber emp­fun­de­ne Haus rochen.

So inter­es­sant wie trau­ma­ti­sie­rend ist für Zeit­ge­nos­sen an einem sol­chen Unter­gang vor allem die extre­me All­tags­er­fah­rung, daß über Nacht nicht mehr gel­ten soll, was noch ges­tern wie in die Ver­fas­sung und Geset­ze gemei­ßelt schien. Immer aufs neue unter­liegt der Mensch doch der Illu­si­on, daß Beschlüs­se und „Grund­ver­ein­ba­run­gen“ – einer­lei, ob nun ver­meint­lich demo­kra­tisch oder eben auto­ri­tär und vor­mund­schaft­lich ver­faßt – nicht mehr als nur mensch­li­che Über­ein­künf­te sind – und als sol­che auf­künd­bar, selbst von einem Tag auf den ande­ren, ganz so wie die Geschich­te seit Anbe­ginn der Erin­ne­rung alles, aber auch wirk­lich alles immer wie­der auf­ge­kün­digt fin­det, wovon man einst glaub­te, es wür­de jetzt end­lich prin­zi­pi­ell so blei­ben, wie es ist. Nein, nichts bleibt, gar nichts. Eine Bin­sen­weis­heit, ob nun mit Blick auf das eige­ne klei­ne Leben oder auf die gro­ße Welt.

Der Unter­gang einer Gesell­schafts­ord­nung, eines Sys­tems, einer Kul­tur, eines Staa­tes kann nur als Schul­bei­spiel für das Schei­tern der jeweils nächs­ten gel­ten. Aber selbst davon wer­den wir ver­blüfft sein, „und so sehen wir betrof­fen den Vor­hang zu – und alle Fra­ge offen.“

Alles, was als gro­ße Chan­ce emp­fun­den beginnt, ende­te noch stets in Hoff­nungs­lo­sig­keit und wird ersetzt durch neue trü­ge­ri­sche Hoff­nung, die sich – wie die letz­te Wen­de – als tücki­sche Eupho­rie mel­det und den Leu­ten Rüh­rungs­trä­nen in die Augen treibt, bis dar­aus wie­der die Trä­nen der Ver­zweif­lung wer­den. Mit dem eins­ti­gen rus­si­schen Minis­ter­prä­si­den­ten Vik­tor Tscher­no­myr­din for­mu­liert: „Wir woll­ten das Bes­te, aber es kam wie immer.“

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Kommentare (42)

Der_Juergen

22. Juli 2019 19:36

Die Beiträge von Heino Bosselmann haben Hand und Fuss und sind stets lesenswert. So auch dieser. Er enthält vielleicht nicht sonderlich viel Neues, fasst aber bereits Bekanntes anschaulich und prägnant zusammen. Das kann längst nicht jeder.

Zu Gorbatschow: Ob dieser wirklich das Sowjetsystem als "Zombie" wiederbeleben wollte, ist sehr zweifelhaft. Beweisen lässt es sich ja nicht, aber mir haben Russen mit guten Insiderkenntnissen versichert, er sei 1984, ein Jahr vor seiner Ernennung zum Generalsekretär, anlässlich seines Besuchs in England von den dortigen Hochgradfreimaurern in seine Aufgabe, die Zerstörung der Sowjetunion, eingeweiht worden (was natürlich bedingen würde, dass er selbst Freimaurer und zur Durchführung eines solchen Zerstörungswerkes bereit war).

Persönlich halte ich diese Version für glaubhaft, denn die "Reformen" Gorbatschows haben ja in der Tat zur Auflösung der UdSSR und somit zur "grössten geopolitischen Katastrophe des 20. Jahrhunderts" (Putin) geführt, ganz abgesehen davon, dass sie Dutzende von Millionen Menschen in furchtbare Armut gestürzt und der Herrschaft einer ruchlosen Mafia den Weg geebnet haben, der erst ab 2000 von Putin die Flügel gestutzt wurden (leider besass er nicht die Härte, sie mit Stumpf und Stiel auszurotten).

Dass Gorbatschow als Gegenleistung für die Wiedervereinigung Deutschlands nicht die permanente Neutralität des Landes nach österreichischem Vorbild, d. h. den Austritt aus der Nato und den Abzug der US-Truppen, gefordert hat, lässt sich kaum mit "Naivität" erklären, ebenso wenig wie die Tatsache, dass er sich von den Ungarn, Tschechen, Polen, Balten etc. nicht vertraglich deren künftige Blockfreiheit garantieren liess. Seine Behauptung, den "Versprechen" der Nato (d. h. der USA), diese werde nicht nach Osten expandieren, geglaubt zu haben, würde ihn zum Volltrottel machen, falls sie der Wahrheit entspräche. Aber ein solcher war Gorbatschow bestimmt nicht. Er muss von Anfang an gewusst haben, was er tat.

Es wäre interessant, darüber zu spekulieren, wie die Geschichte verlaufen wäre, hätte Moskau den Deutschen die Wiedervereinigung angeboten, aber als Conditio sine qua non die Neutralisierung und Blockfreiheit eines vereinten Deutschlands gefordert. Hätte Bonn die Bedingung akzeptiert? Kaum; Washington hätte es ihm verboten und es notfalls mit militärischer Macht daran gehindert. Dann wäre auch dem hintersten Gimpel klar geworden, wo der eigentliche Feind des deutschen Volkes hockt. Nicht in Moskau.

Simplicius Teutsch

22. Juli 2019 20:08

Interessant, der historische Rückblick. Aber welche Hoffnung können wir Rechten daraus ziehen? - Wach bleiben und jeden Morgen 30 Liegestützen!

„Die Partei hatte in ihrer Eigenwahrnehmung immer Recht, da sie das einzig Richtige wollte.“ -
Eine allgemein gültige Weisheit, auch auf die heutige linke Zivilgesellschaft und auf alle moralisch und ideologisch aufgepumpten Machthaber anwendbar.

Niekisch

22. Juli 2019 20:51

"Während die Novemberrevolution von 1918 als echte deutsche Revolution gelten kann, schuf sie doch – im Gegensatz zum gescheiterten 1848er Frühversuch – eine neue und tatsächlich demokratische Staatsform,.."

Sehr geehrter Herr Bosselmann, diese Aussage bedarf des Diskurses, sie kann s o nicht stehenbleiben. Ganz konkret ist zu klären, was mit der verfassunggebenden Gewalt als causa der späteren demokratischen Staatsform 1918/19 geschah. Es muß das Verhalten Max Prinz von Badens, Friedrich Eberts, Kurt Hahns und der OHL, insbesondere General Groeners geklärt werden, um zu einem sachgerechten Urteil zu kommen. Die deutsche Reichsverfassung nach den Reformen von Oktober 1918 war bereits partiell demokratisch und wurde durch die staatsstreichartige Übergabe der Reichskanzlerschaft durch "Bademax" an Ebert sowie das Austrixen des Kaisers bzgl. seiner verfassunggebenden Gewalt und einer Thronfolgeregelung vernichtet und nicht unter Beachtung der geltenden rechtlichen Regularien in eine neue demokratische Verfassungsordnung durch den Inhaber der verfassunggebenden Gewalt, das deutsche Volk, überführt. Das zeigt schon das Durchführen der Wahl zur Nationalversammlung ohne gültige Wahlordnung sowie ohne ordnungsgemäße Anwendung der Regentschaftsordnung. Carl Schmitt hat sich in seiner Verfassungslehre von 1927 dazu geäußert. Die neuere Geschichtswissenschaft vernachlässigt das Thema.

H. M. Richter

22. Juli 2019 22:05

"Interessant und fatal, daß der Horror des sowjetischen Albtraums insbesondere der dreißiger Jahre in der DDR selbst unterschwellig kaum und jedenfalls nie spürbar tradiert wurde."
____________________________________________

Abgesehen von fehlenden Kommata, die zur Sinnentstellung des Gemeinten führen, ist Bosselmanns obige Aussage auch inhaltlich grob falsch.

Grambauer, soviel ist sicher, könnte dies eindrücklich belegen.

Mir selbst fällt dazu ein Gespräch mit Anna Seghers ein, - genauer gesagt ihr damals noch immer angstvoll entsetzter Blick, als sie ungläubig sagte: "Was ihr euch heutzutage traut."

Laurenz

23. Juli 2019 03:43

Hallo Herr Heino Bosselmann, wir hatten das die Woche schon mal. Der Nationalsozialismus ist das jüngste, also das neueste politische System in der Menschheitsgeschichte. Die Entwicklung des BSPs/GDPs und die daran orientierte Währung, wobei Herr Schacht kein Nationalsozialist war, ist heute noch die Grundlage fast eines jeden Staates. Die erneute Erfindung von Joint-Ventures, das erste weltweite Tierschutzgesetz etcetc.

Und wenn wir China betrachten, ein autoritäres politisches System mit relativ freier Wirtschaft unter imminenter staatlicher Kontrolle, läßt das vermuten, daß auch dieses Wirtschaftssystem das erfolgreichste aller Zeiten ist.

Aufgrund dieser asiatischen Schlagkraft, müssen wir uns was neues einfallen lassen. Dazu ist ein vorangehender Untergang doch recht hilfreich.

Heino Bosselmann

23. Juli 2019 05:36

Ganz ausnahmsweise zwei nachgetragene Ergänzungen:

Zum einen schreibt sich, ausgehend von Detlef Pollack und Ilko-Sascha Kowalczuk, in der F.A.Z. gerade ein immens interessanter Disput darüber fort, wer nun hauptsächlich die DDR eingerissen hat, die Normalos mit ihren stonewashed Jeansjacken oder die Intellektuellen der Bürgerrechtsbewegung.

Zum anderen verlinke ich ein hervorragendes Feature von Dörte Fiedler aus dem Deutschlandfunk, dessen sechs Folgen ich in ganzer Länge dringlich empfehle, wenn man sich hintergründig mit den technischen Aspekten des Innovationsverlustes der DDR und mit der Tragödie engagierten Ingenieure befassen möchte.

https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/regime-und-widerstand-die-verachtete-bevoelkerung-der-ddr-16286155.html

https://www.deutschlandfunkkultur.de/neuland-1-6-zurueck-in-der-zukunft.3720.de.html?dram:article_id=428949

Heino Bosselmann

23. Juli 2019 07:22

Wie gesagt, ich halte mich hier eher raus. Dennoch als Notiz:

@Niekisch: Was Sie sehr richtig anmerken, zeigt ja gerade, daß die Dynamik der Ereignisse vereinbartes Recht oft ignoriert. Die Oktoberreformen 1918 hatten das parlamentarische Regierungssystem - seit langem Wunsch und Forderung der Sozialdemokratie und der Linksliberalen - eingeführt, das sich ja faktisch gar schon 1917 durchgesetzte hatte, als demokratische Parteien in die Reichsleitung eingetreten waren und auch den Reichskanzler und Staatsekretären bestimmten, aber das reichte "der Straße" eben überhaupt nicht; sie ging beinahe desinteressiert darüber hinweg, so wie die Geschichte letztlich über unterschriebene Papiere immer hinweggeht.

@H. M. Richter: Ich schreibe stets aus eigener Erfahrung. Als in die DDR Hineingeborener war ich - im nachhinein - sehr darüber erstaunt, wie tief die Verbrechensgeschichte der Akutphase des Stalinismus verdrängt schien und wie sie sich durchweg verschweigen ließ. Es gab nun mal in der DDR darüber an sich keine Publikationen, weil alles, was an diesen Horror gemahnte, als "hysterischer Antisowjetismus" galt. Wir wunderten uns über Anklänge, die aus der Literatur erspürbar waren, wir beargwöhnten den frühen Tod Bulgakows und hatten Ahnungen bei manchem Achmatowa-Gedicht, aber erst mit Gorbatschow begann für uns Heranwachsende durchzudringen, was seit den Dreißigern in der Sowjetunion geschehen war. Die DDR scheiterte letztlich gerade an ihren Geschichtslügen, mindestens ideell.

Hartwig aus LG8

23. Juli 2019 07:28

Ich bestätige, dass die DDR von ihren Bürgern als "fest gefügt" wahrgenommen wurde; aber dennoch nicht von Jedem.
Mitte der 80er nahm ich an einer Seminarreihe der Firma robotron teil. Ich erinnere mich, dass die Vortragenden mehrfach die Floskel "bei Strafe unseres Untergangs" benutzten. Und alle Seminarteilnehmer, alles EDV-Leute (heute IT genannt), wussten, dass die Bedingung, dem Untergang zu entgehen, unerfüllbar war. Denn "bei Strafe unseres Unterganges musste binnen der nächsten Jahre das Niveau Japans im Bereich Elektronik/Automatisierung erreicht werden" so die robotron-Leute - sonst stünden wir vor dem Ende ...

Und heute: "Man wird sagen 'Es war nicht alles schlecht in der BRD.' " (??, im Zweifel immer Klonovsky).

Es ist zu befürchten, dass sich der Untergang der demokratisch verfassten, rechtstaatlichen BRD gleitend vollziehen wird, so dass das Anfreunden mit einer kulturmarxistischen Diktatur erleichtert wird. Dieser Prozess ist in vollem Gange. Erst der ökonomische Kollaps, eine unausweichliche Folge einer derart ideologisch verseuchten Gesellschaft, wird von vielen als eigentlicher Untergang wahrgenommen werden.

Bosselmann hat recht. Es kann sich binnen weniger Tage vieles ändern.
Beispiel: Ein bundesweiter Blackout (kein Strom im Netz) über zwei oder drei Tage, und die Energiewende und das allermeiste Klimageschwafel hätte ein abruptes Ende.

zeitschnur

23. Juli 2019 08:55

In den Kommentaren fragt einer, was für Schlüsse wir nun aus diesem Artikel ziehen können.
Für mich ist es v.a. ein Aspekt, der hier eine beunruhigende Frage aufwirft:

1. Man hüte sich vor jedem Utopismus - er endet, in Realpolitik umgesetzt, in der Tragödie

2. Dann kommt aber gleich die nächste Frage: Welcher politische Neuanfang ist denn eigentlich NICHT von wenigstens ein bisschen Utopismus getragen?

Letztere Frage ist folglich - iS dieses Artikels - das, worum dann die Debattanten in diesem Kreise hier nachdenken müssten.
Mir scheint das Utopische wie ein Reflex, der nicht im Zaum zu halten scheint. Auch die Rechtsintellektuellen suchen nach Neuansätzen unter Einbeziehung von Utopischem.
Es geht ja nicht nur drum, "irgendwie" ein Gemeinwesen zu gestalten, sondern gerecht und gut soll es sein, stabil und friedlich, und vor allem wahrhaftig. Endlich ohne all diese verdammte, aggressive und widerliche Lügerei, die jeden halbwegs vernünftigen Menschen derzeit so anödet, auch dann, wenn er vielleicht linksintellektuell oder libertär ist (für Berlin sind das natürlich inzwischen alles "Rechte").

Wenn Herr Bosselmann aber Recht hat mit dem, was er v.a. gegen Ende seines Textes beschreibt: wie kommt man aus dem Dilemma heraus?

quarz

23. Juli 2019 09:14

"ein untergehender Staat, der wohl oder übel im ursprünglichen Sinne immerhin untergehende Heimat ist"

Um Heimat zu sein, sind Staaten nach meinem Empfinden zu kurzlebige Phänomene. Heimat wird auf Volksebene durch nationale Kultur begründet, die sich über viele Jahrhunderte hinweg im Strom der Geschichte stetig geformt hat und Deutsche aus verschiedenen Epochen geistig miteinander verbindet.

Wenn Thomas Manns Castorp sich von Schuberts "besonders und exemplarisch deutschem" 'Lindenbaum' im Innersten berührt fühlt, dann zeugt das mehr von heimatlicher Verbundenheit als die Verstrickung in die historisch-politische Situation, vor der er sich auf den 'Zauberberg' zurückgezogen hat und die ihn am Ende unsanft von dort zurückholt.

Staaten - sowohl in ihrer Struktur, als auch in ihrer geographischen Ausdehnung - sind alle paar Jahrzehnte wechselnde politische Kleider der Nation. Mal sind sie zu eng, mal zu weit. Mal kratzen sie, mal friert man in ihnen. Mal bestehen sie aus einem Overall, mal aus vielen Kleintextilien. Wenn sie nicht mehr erträglich sind, legt man sie ab und zieht neue an.

Insofern ist die politische Katastrophe, deren Zeitzeugen wir gerade sind, nicht mit den im Beitrag genannten historischen Ereignissen vergleichbar. Denn diese waren nur Kleiderwechsel, während aktuell die ethnische Substanz angegriffen wird. Dass sich das Volk nach der Katastrophe des 2. Weltkrieges innerhalb kürzester Zeit wie Phönix aus der Asche zu neuer Kraft aufschwingen konnte, verdankt sich der Tatsache, dass es nicht aufgehört hat, zu existieren. Der Schaden, den es jetzt gerade nimmt (und den abzuwenden sich dazu vereidigte Politiker hartnäckig weigern), betrifft aber nicht die äußeren Lebensbedingungen, sondern seine schiere Existenz.

MARCEL

23. Juli 2019 09:29

Sehr lesenswerter Beitrag. Danke! Vor den Erfahrungen der Bürger der ehem. DDR habe ich immer großen Respekt und höre Ihnen mit Interesse zu.
Nur glaube ich, dass das Hinscheiden der BRD (spürbar bereits in den 90igern) keineswegs friedlich ablaufen wird - da kündigt sich bereits ein Todeskampf an, einzig"sediert" durch eine Tugend-Diktatur, die den Einheimischen letztlich das Sterben erleichtern soll...
Die fortgesetzte unkontrollierte Massenmigration verhält sich wie metastasierender Krebs. Irgendwann versagt der Organismus. Wir werden erst besetzt und in Zeiten der wirtschaftlichen Krise angegriffen. Und da ist kein "großer Bruder", der uns helfen könnte (geschweige denn wollte)

H. M. Richter

23. Juli 2019 09:45

@ Bosselmann
"Ich schreibe stets aus eigener Erfahrung. Als in die DDR Hineingeborener war ich - im nachhinein - sehr darüber erstaunt, wie tief die Verbrechensgeschichte der Akutphase des Stalinismus verdrängt schien und wie sie sich durchweg verschweigen ließ."
______________________________

Damit keine Mißverständnisse aufkommen: Daß der millionenfache Massenmord unter Stalin in der DDR-Diktatur tabuisiert war, daß beispielsweise im Seminargebäude der Leipziger Karl-Marx-Universität, an der Sie studierten, während Wladimir Putin wenige Kilometer weiter nördlich in der Gohliser Gosenschänke bereits Stammgast war, noch in den späten 80er Jahren vehement bestritten wurde, daß es überhaupt einen Hitler-Stalin-Pakt gegeben habe - "Einen solchen Vertrag gab es nicht! Das ist eine Klassenposition!" -, daß dies alles schließlich im Sputnik-Verbot Honeckers von 1988 kulminierte, als Julian Semjonows Essay "Stalin und der Krieg" erschienen war, ist vollkommen unbestritten.

Dennoch waren die stalinistischen Verbrechen auf eigenartige Weise allgegenwärtig und wurden durchaus "tradiert". Solschenizyns Nobelpreis im Jahre 1970 spielt dabei keine unwesentliche Rolle. Seine Bücher wanderten durchs Land, teilweise handschriftlich kopiert. Das Wissen jener SED-Genossen, die aus dem sowjetischen Exil in die DDR zurückgekehrt waren, ließ sich ebenfalls sowenig in Mielkes Panzerschrank einschließen wie die Freiheit Herbert Wehners, sich jederzeit zu Wort melden zu können.

Das Leichentuch des Stalinismus - "Der Blick zurück" - lag von Anfang bis Ende über dem Staat DDR.

Daß die Leichenberge des Kommunismus auch heute 'verdrängt' werden, vervollständigt das Bild und weist in die Zukunft. Ob dies zum Bestandteil eines weiteren deutschen Untergangs wird, bleibt abzuwarten.

Monika

23. Juli 2019 11:32

Ich habe spätestens ab September 1989 den Untergang der DDR ziemlich hautnah miterlebt. Ich beendete im September 89 eine Dokumentation über „Die Ausreisebewegung aus der DDR“ für die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte. Aus Sicht der konkreten Menschenrechtsarbeit ließ sich folgendes feststellen:
Obwohl die Zahl der Ausreiseantragsteller eines der bestgehütesten Geheimnisse des SED-Regimes war, gingen amtliche westliche Stellen von mindestens 500 000 Ausreiseanträgen aus, die 1,5 Millionen Menschen betrafen.
D.h. , dass fast 10 Prozent der Bewohner der DDR entschlossen waren, diesen Staat für immer zu verlassen.
Seit Jahresbeginn bis zum 10. August 1989 siedelten 47350 Deutsche aus der DDR legal in die Bundesrepublik Deutschland über. Bis Mitte September flüchteten rund 23000 Deutsche über Ungarn in die Bundesrepublik. Wir gingen davon aus, dass 1989 insgesamt über 100000 Menschen in die Bundesrepublik kommen werden. Die Brisanz dieser Ausreisebewegung ( und die Gründe dafür) wurden in der westdeutschen Öffentlichkeit nicht zur Kenntnis genommen. Ich sah durchaus, dass dort etwas heftig in Bewegung kam. Als die Ereignisse sich dann überschlugen bis zum denkwürdigen 9. November, ging ich eher davon aus, dass es zu einem Untergang à la Tianamen-Platz kommen würde. Der friedliche Ausgang hat mich völlig überrascht.
Übertragen auf heute: man kann durchaus anhand von Zahlen ( Masseneinwanderung); der Stimmung im Volk und trotz Beschwichtigung und Fehlinformation von oben Entwicklungsbewegungen erkennen. Und auch Entwicklungsbeschleunigungen. Wie der Untergang konkret aussieht, hängt dann von anderen Akteuren ab.
Allerdings haben wir Deutsche keine Alternative im eigenen Land mehr. Trotz Alternative...

Leo

23. Juli 2019 11:36

Gerade die Debatte über den Anteil/die Beteiligung der Bürgerrechtler am "Ende Gelände" in Sachen DDR zeigt, daß da nichts statisch läuft in der "Erinnerungskultur". Vor zehn Jahren wurden die Bürgerrechtler noch bejubelt. Aber seitdem läuft da seit längerem ein stiller Rollback. (Wen wundert's: "Die Täter sind unter uns". Aber Hubertus Knabe nicht mehr Amt. Tja...)

Jetzt(!) wächst zusammen in Deutschland, was zusammengehört: Gesiegt hat vor 30 Jahren in der späteren Ex-DDR eben nicht die Bürgerbewegung. Die Bürger meinten, gesiegt zu haben (und es waren doch vor allem lachende Dritte...).

Und heute? Gehören die drei alten weißen "There Is No Alternative" (T.I.N.A.)-Frauen (Merkel, VDL, AKK) genauso zum zusammengeleimtem Ost-West-Establishment dieser Republik - wie auch z.B. Herr Gysi, der am 9. Oktober 2019 in einer Leipziger Kirche sprechen wird ("Zeitzeuge der Wende!"), wie die Kirchenoberen, die das goutieren, wie die veröffentlchte Meinung, die das super findet, wie Herr Pollack, der spürt, wo der Hase demnächst erinnerungspolitisch langlaufen wird...

Hat da jemand "Wir sind das Volk!" gerufen?

Nein, kann nicht sein.
"Volk" ist ja nur ein Konstrukt.

(Wie analog "Volksverhetzung".
Jibt et allet ja janich'!)

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@Niekisch: 1919 lesen! Weißmann!

Gustav Grambauer

23. Juli 2019 12:22

H. M. Richter

Finde, Herr Bosselmann hat recht. Die "Linie" war, das Fröhlich-sein-und-Singen-Kolorit dieser Zeit weiterzupflegen, aber bei aufkommenden Fragen niemals historisch konkret zu werden, selbst kaum in positiven Bezügen. Eine vorsichtige Ausnahme war nur der Kulturbetrieb.

Das galt sogar für Insiderkreise. Z. B. die Waldheimer Prozesse waren auch innerhalb der Justiz ein Tabu, welches von den akademischen Juristen mitgetragen wurde. Beide, man kann sagen, Blöcke haben, für die "Sache" aber auch aus Kollegialität bzw. Höflichkeit, ihre Aversion füreinander zurückgestellt. Für die Volksrichter hatte es eine Frist gegeben, ich glaube bis etwa Mitte der 60er Jahre, um akademisch satisfaktionsfähig zu werden. Diese Fristsetzung war von den Oberwasser bekommenden NÖS-Kräften nicht nur zur Hebung der Professionalität sondern auch als kultureller und politischer Filter gedacht. Viele, denen ein Universitätsdiplom nicht gelingen würde oder gelang, hat die Bluthilde im der Justizverwaltung untergebracht, was für Ulbricht und Stoph der beste Anlaß war, um sie 1967 endlich vom Hof zu jagen. Wünsche hat dann diese Nester ausgeräuchert oder zumindest neutralisiert, aber so geräuschlos, daß sogar viele Juristen den Hintergrund gar nicht sehen konnten. Wünsche wurde 1972 von den Neostalinisten gschaßt, was zu einem Patt zwischen den beiden Blöcken führte und womit das Tabu bis zum Ende bestehen blieb.

Frau Seghers habe auch ich mal kennenlernen "dürfen", auf dem ehemaligen Latifundium Hjalmar Schachts in Gühlen, wo Modrow später Honecker parken wollte, was aber angesichts des Volkszorns mißlang. Sie hatte ihre Hausdame mit, die sie behandelte wie ein Stück Vieh. Sie hat sie - u. a. - mehrmals vor allen Gästen in einem unglaublichen Herrschton angeschrien. Der Haß auf alles Deutsche, den sie sonst sehr gut kaschieren konnte, muß bei ihr maßlos gewesen sein, was mit diesem Buch im Nachhinein subjektiv, kaum objektiv, nachvollziehbar wird:

http://www.verlagberlinbrandenburg.de/buecher/kulturgeschichte/heimkehr-in-ein-kaltes-land.html

Aber zu Herrn Bosselmann zurück:

Ich denke, die Führung hatte 1989 zwar Angst vor allerhand "feindlich-negativen" Provokationen, aber insgesamt keine Angst vor einem neuen 17. Juni mehr. Erinnere mich an einen General der VP in einer Talk-Show bei Elf-99, der fassungslos gesagt hat: "das sind doch unsere Kinder, die haben doch unsere Kindergärten, Schulen, Massenorganisationen, die NVA durchlaufen - ich verstehe das alles nicht". Im Gundermann-Film sagt der Parteisekretär zu G.: "ganz Europa beneidet uns um unsere Führung", so haben die wirklich "getickt".

Komme somit noch auf einen ganz anderen Aspekt zu sprechen. "Ulbricht ist leider tot und Schluß mit der Staatskunst in Deutschland" - Hacks

Das "leider" herausnehmend: viele haben sich die epochale Dimension des Niedergangs des Staates als Kultform, weit über Deutschland hinaus, noch gar nicht klar gemacht, auch diejenigen nicht, bei denen 1989 Entwicklungspsychologie so groß in Mode war, Der_Jürgen, wenn Putin von der "größten geopolitischen Katastrophe" spricht, dann ist wohl auch dieser Aspekt gemeint, wobei die DDR gemessen an Größe und Bedeutung der beiden Länder den Staatskult noch viel mehr übersteigert hat als die Sowjetunion.

Die Aktuelle Kamera, die Prime-Time-Nachrichtensendung im Ostfernsehen, war die zeremonielle Verkündung des Hofprotokolls wie einst vormittags am Bette Ludwigs XIV, über welche man mit v. Schönburgs "Alles was Sie schon immer über Könige wissen wollten aber nie zu fragen wagten", RoRo (2008) oder bei Norbert Elias gut unterrichtet wird. Erst kamen - im Prinzip, die Abfolge wurde oft durch Außergewöhnlichkeiten duchbrochen - die Berichte über Honeckers Tagesprotokoll, dann über das dessen engster Hofschranzen, dann über die Leistungen der heimischen Arbeiter und Bauern beim Aufbau des Sozialismus, dann kamen Meldungen in folgender Reihenfolge: 1. aus der Sowjetunion, 2. über andere Verbündeten nach Rang absteigend, 3. über die nationalen Befreiungsbewegungen (PLO u. dgl.), 4. über die Einflßagenturen (DKP usw.) im Westen, 5. über die Niederungen des Kapitalismus. Wenn über die Rünkelrübenernte in einem bestimmten Kreis berichtet wurde, dann wußte der Hofstaat, daß dies nicht das Geringste mit der betreffenden LPG zu tun hatte sondern daß der betreffende Kreissekretär gewürdigt werden sollte und, wenn er mit vor Ort war oder sogar interviewt wurde, kurz vor einem Karrieresprung am Hofe stand. Bis in die 80er Jahre hinein wurde jeder protokollarische Titel in voller Länge genannt. Dem Paukenschlag des maître de cérémonie bei Ludwig entsprach die Nennung des Ortes in hartem Tonfall: "BERLIN. ..." "MOSKAU. ...", "TOKIO. ...". "BONN. ...".

Als die Stasi in AfNS umbenannt wurde, hat die gesamte deutsche Meute, Ost wie West, allen voran der SPEIGEL, die übliche Nabelschau über das "N" betrieben. Was da alles hineininterpretiert wurde! Auf das Naheliegende ist kaum jemand gekommen: das "N" war einfach ein Signal an die UdSSR: weil ihr uns verraten habt, haben wir die Macht über die HVA übernommen, und wenn ihr unsere Dossiers abschöpfen wollt, müßt ihr von jetzt an zahlen. Hätte die Meute damals den Staatskult verstanden, dann hätte sie auch gesehen, mit welch äußerster Konsequenz, weit über die Kafkaeske hinaus, die DDR als Staat agiert und dies über ihr Protokoll zum Ausdruck gebracht hat, sie hätte sich einfach nach dem Sinn des "N" im Protokoll fragen können und hätte es sofort verstanden.

Die Züge von Prag nach Hof wurden hauptsächlich aus Gründen des absolutistisch aufgefaßten Staatsprestiges durch Dresden geleitet, außerdem in der Mentalität des ebenso feudalabsolutistischen Kämmerers: der SSD hat diese Züge im wahrsten Sinne des Wortes durchkämmt und alle Personalien der Insassen notiert, denn der Staat wollte wissen, welche Landeskinder / Hörige / Leibeigene genau abtrünnig waren, z. B. um die Sippenhaft der Daheimgebliebenen einleiten zu können. War es also Dummheit von Honecker, auf dem Umweg über Dresden zu insistieren wie die Meute heute noch meint? Nein. Es war keine Dummheit. Er konnte gar nicht anders, er war in der Logik des Staatskults gefangen, zu der eben gehört, daß sich der Staat niemals eine Blöße geben darf und sich als Maschine fortwährend selbst schmieren muß. Das war - damals - auch der eigentliche Grund dafür, daß die Wahlergebnisse gefälscht werden mußten, es durfte niemals ein Zurück hinter die Vorjahreszahlen geben, dies hätte, so glaubten sie, den Egregor beschädigt.

Die hatten geglaubt, durch Staatserziehung (dazu gibt es bei Youtube die Reportage "Die ausgezeichnete Republik") hätte das Volk den Staatskult als solchen ausreichend zu verstehen (d. h. zu abstrahieren) gelernt und würde ihn mit tragen, worin sie auch mit millionenfachen Huldigungen, Ergebenheitsadressen, Gelöbnissen und Manifestationen (ein Topos aus der Magie, die eindrucksvollste sehen wir hier bei 17:49)

https://www.youtube.com/watch?v=gb8sQcZZB1I

sowie unglaublichen Potemkinschen Dörfern bestärkt wurden. Das Volk hatte den Staatskult in seinem (abstrakten / abstrahierten) Wesen aber niemals auch nur in zarten Ansätzen verstanden, somit auch nicht dessen instutionelle, geschweige denn dessen protokollarische, geschweige denn dessen diplomatische Ausdrucksformen. Es hat sich in keiner Weise dafür interessiert und es hat großteils sogar den Egregor verabscheut. Dementsprechend hat es die scharf voneinander getrennten Ebenen vermischt, noch heute glauben ja viele, die vor dem Kult der Diplomatie wie das buchstäbliche Schwein vor dem Uhrwerk stehen, übrigens auch in maßloser Selbstbezogenheit, Krenzens Gratulation an die Chinesen nach Tianmen hätte irgendetwas mit den Niederungen der Innenpolitik der DDR zu tun gehabt. So komplex konnte der gar nicht denken.

Dieser Exzeß des Staatskults war nicht germanisch, nicht deutsch. Er war, falls man nicht auf die Antike zurückgreifen will, wie gesagt französisch intendiert, wobei im 20. Jahrhundert nicht mal Frankreich selbst sich darin so verstiegen hat wie die DDR. Das ist einer der Clous der DDR!

Wie wäre es mit der Erklärung, daß Merkels Erzittern ausgerechnet immer beim Staatszeremoniell von ihrem Abscheu gegenüber dem Protokoll - als solchem - aus der DDR her kommt, eine Art Zonenknacks, in den Fahnenappellen ihrer Kindheit begründet?

Und wie werden die Iljin-Fans auf meine Ausführungen reagieren? Der wollte ja den Staatskult wiederbeleben, der heute ja nur noch auf äußerst wenige Anlässe beschränkt ist und an denen auch nur noch ein winziger Personenkreis beteiligt ist, lediglich nicht auf Basis der Macht des Prolatariats.

Führt überhaupt ein Weg zurück zum Staatskult? Jeder kann sich ja mal auf Youtube die Ehrenparade der NVA zum 40. Jahrestag der DDR anschauen und für sich die Voraussetzungen zusammentragen, die für eine solche Parade auf allen möglichen Ebenen gegeben sein müßten. Allein damit würde klar werden, daß es eine solche Parade in Deutschland niemals mehr geben wird, egal unter welchen politischen Vorzeichen. M. E. gut so.

- G. G.

Maxx

23. Juli 2019 14:29

Ich bin 1968 in der DDR geboren und habe den Zerfall in den späten 80er Jahren ebenfalls vom Inneren des Systems heraus erlebt.
Ich sehe die Ursache des DDR-Untergangs nun nicht gerade in einem Mangel an ideologischer Druckbetankung in der Gorbatschow-Ära, sondern darin, dass durch Gorbatschows Inkompetenz und Unfähigkeit sich die längst bestehenden, geradezu himmelschreienden systemischen ökonomischen Widersprüche verschärften und auch offen zu Tage traten; wobei sich die Unzufriedenheit dank "Glasnost" immer offener kanalisieren konnte - in der Sowjetunion war die Lage der Wirtschaft und der Versorgung bekanntlich noch um ein Vielfaches schlechter als in der DDR. Gorbatschow wollte das sozialistische System tatsächlich reformieren und zerstörte es ungewollt.
Die DDR-Oberen waren jedoch nur Zaungäste dieses Dramas. Nur eine Rückkehr zu einer Art Kriegskommunismus hätte die Lage da noch zeitweise drehen können. Das wollte und konnte vernünftigerweise niemand verantworten.
Der Untergang der DDR lag m. E vor allem in seiner strukturell wirtschaftlichen Schwäche und ergo der Unfähigkeit zur ausreichenden Versorgung (bzw. Befriedigung materieller Bedürfnisse) des Volkes begründet. Die Leute auf der Straße mit ihren Kerzen und in den stonewashed Jeans und ein paar Dissidenten/Intellektuelle, die vielleicht nicht auf der Gehaltsliste des MfS standen, waren nur Statisten - manche träumen immer noch, sofern sie noch leben, den Traum von der "friedlichen Revolution" ...
Die meisten DDR-Bürger wären hingegen einem staatlich gelenkten, weiterhin national orientierten Sozialismus mit Devisen und Reisefreiheit überhaupt nicht abgeneigt gewesen - kreditfinanziert oder nicht, das war den Leuten doch völlig egal. Die rebellierten doch nicht wegen der linken Ideologie oder fehlenden Aufarbeitung des Stalinismus, denn fast alle verstanden sich ohnehin (wenn auch manche nur gefühlsmäßig) als links - auch jene, die die SED-Herrschaft und die Stasi natürlich ablehnten, verstanden sich dennoch nicht als Antikommunisten, sondern als eine Art Reformsozialisten ...
Mit sozialistischer Indoktrination und etwaigen Repressionen (soweit spürbar) hatten sich die meisten arrangiert, so meine eigene Erfahrung u. Erinnerung. "Wohlstand statt Sozialismus" war nur die zweite Wahl, da "Wohlstand und Sozialismus" nicht verfügbar war. Daher verwundert mich auch die aktuelle Entwicklung nicht. Mehr noch als die DDRler müssen doch BRDler ohne eigene reale sozialistische (Über-)Lebenserfahrung für utopistische Parolen empfänglich sein. Und so ist auch der Untergang der innerlich geschwächten BRD vielleicht auch schon vorgezeichnet, wie oben jemand schrieb: Ein Blackout vielleicht; oder jedes Jahr eine Million robuste Migranten, die das System auszehren und schon bald Quantität in Qualität umkippen lassen?

Ergon

23. Juli 2019 16:23

@Jürgen Die SU hatte in den Jahren 1989/90 angesichts der tiefen ökonomischen Krise, in der sie sich befand, und der vorrevolutionären Zustände in der DDR eingeschränkte Handlungsoptionen. Die deutschen Gegenleistungen für die Zustimmung der SU zur deutschen Einheit, etwa die Perspektive einer langfristigen Zusammenarbeit, die die Bundesrepublik der SU eröffnete, sind in erster Linie wirtschaftlicher Natur. Die Wiedervereinigung selbst ließ sich aufgrund der dynamischen Entwicklung in der DDR kaum verhindern, weder von der SU noch von den USA, die zeitweise die Entwicklung zu verlangsamen suchten. In seinen Memoiren berichtet der sowjetische Außenminister Eduard Schewardnadze, wie er nach der aufsehenerregenden Einigung zwischen Kohl und Gorbatschow bei den Verhandlungen in Archys im Kaukasus von seinen von der Entwicklung überraschten Mitarbeitern einer Befragung unterzogen wurde und dabei erklärte: "Wir sind außerstande, Deutschlands Vereinigung zu stoppen, es sei denn mit Gewalt. Doch das käme einer Katastrophe gleich."

Zu Ihrem letzten Absatz: Auch wenn es zutrifft, dass die Mitgliedschaft Deutschlands in der NATO und allgemeiner der Verbleib in den westlichen Strukturen zu den Bedingungen der amerikanischen Unterstützung der Wiedervereinigung gehörten, der Schluss des Gesprächs zwischen Gorbatschow und Bush auf dem Gipfeltreffen in Washington zum militärpolitischen Status Deutschlands lautet:
"GORBATSCHOW: Nun gut, dann wollen wir es auch genauso formulieren: Die Vereinigten Staaten und die Sowjetunion treten dafür ein, daß das vereinte Deutschland nach der endgültigen Regelung, die die Ergebnisse des Zweiten Weltkriegs berücksichtigt, selbständig über die Mitgliedschaft in einem Bündnis entscheiden soll.
BUSH: Ich würde eine etwas andere redaktionelle Fassung vorschlagen: Die USA plädieren eindeutig für die Mitgliedschaft des vereinten Deutschland in der NATO, wenn Deutschland jedoch eine andere Wahl trifft, werden die USA nicht dagegen einschreiten, sondern sie respektieren."

Niekisch

23. Juli 2019 18:06

"Die DDR scheiterte letztlich gerade an ihren Geschichtslügen, mindestens ideell."

@ Heino Bosselmann 23.7. 7:22: Sehr geehrter Herr Bosselmann. Das wird sicher auch bei der BRD der Fall sein, denn auch sie kann ohne ihre Geschichtslügen, werden sie ausgetrocknet, nicht weiterhin existieren. Deswegen haben haben diejenigen - auch hier auf SiN- die mutiges Entlarven und Bekämpfen solcher Lügen verlangen, vollkommen recht. Leben mit Lügen verhindert eine realistische Sicht auf die Gegenwart und verunmöglicht eine Zukunft, in der die Bürger frei atmen können.
Geschichtsdarstellungen "für den Kindergarten" nehmen wir nicht mehr hin! Das gilt auch für die völlig daneben liegende Annahme, 1918/19 habe sich eine wirkliche Revolution der Massen ereignet. Richtig ist, daß der Sturz aller Monarchien - abwertend Autokratien genannt- seit Adam Weishaupt über den ersten Zionistenkongreß 1897 in Basel, den Sozialistenkongreß 1912 in Kopenhagen und die daran anschließenden offenen und unterirdischen Unterminierungsaktionen bis zum 6. 11.1918 systematisch und weltanschaulich begründet hochverräterisch bewerkstelligt wurde. Der Berliner Polizeipräsident Eichhorn, ja selbst Liebknecht bejammerten die mangelhafte Organisation und Einsatzbereitschaft der Arbeitermassen. Umso aktiver die Clique Bebel, Prinz Max von Baden, Kurt Hahn und der Reichstagsabgeordnete Haußmann, um nur einige Beteiligte zu nennen. Die Qualifizierung als "Novemberverbrecher" ist historiologisch und juristisch nicht ganz von der Hand zu weisen.

Ich schlage vor, das Thema der angeblichen und tatsächlichen Revolutionen in Deutschland hier auf SiN einmal eingehend zu thematisieren, damit aus Unwissen Wissen und aus Unklarheit Klarheit erwächst.

Die besondere Wichtigkeit solcher Diskurse ist darin begründet, daß manche gefährlich spalterische Zwistigkeiten in unserem Lager gerade auf mangelnder Geschichtskenntnis beruhen.

Thymotiker

23. Juli 2019 22:30

"geistige und kulturelle Substanz im Kern unwiederbringlich vernichtet"

Wie kann geistige Substanz 'unwiederbringlich' vernichtet werden? Die innergesellschaftlichen und äußeren Begebenheiten haben sich verändert, aber aus einem Funken, einem Keim könnte sich die Substanz regenerieren. Systeme, alle Systeme, auch geistige und kulturelle, haben, solange noch einige Knotenpunkte existieren, die regenerative Fähigkeit ihre alte oder eine recht ähnliche Gestalt wieder anzunehmen. Für das Ostpreussentum und die alte Monarchie wird das schwierig, für authentisches Deutschtum ist das nicht ausgeschlossen.

@Hartwig aus LG8
"Es ist zu befürchten, dass sich der Untergang der demokratisch verfassten, rechtstaatlichen BRD gleitend vollziehen wird, so dass das Anfreunden mit einer kulturmarxistischen Diktatur erleichtert wird."

Siehe dazu z.B. die Übergangstheorie der Trotzkisten. Erzeugen von revolutionärer Übergangssituation qua Übergangsforderungen, deren Umsetzung notwendig und absichtlich zu neuen Widersprüchen/Problemen führen, die noch radikalere Lösungen, letztlich den Gesellschaftsumbruch erfordern. Da denke ich heute z.B. an 1. "humanitär" begründete Massenmigrationsforderung bzw. Open Borders und 2. klimagerechtfertigter radikaler Umbau von Wirtschaft, Infrastruktur, Ernährung, Lebensalltag der Deutschen.

Aber: Es gibt immer Unzufriedene, die müssen wir gewinnen. Eine Zuspitzung der Lage kann auch ungünstig für den Feind verlaufen, zumal einige radikal linksgrüne Forderungen aberwitziger und ökonomisch (und z.T. bereits mathematisch) unmöglicher sind als Maos Großer Sprung nach vorn.

Thomas

24. Juli 2019 10:29

So wie Marcel geschrieben hat, glaube ich nicht, das der Untergang der BRD friedlich ablaufen wird. Im Fall der DDR gab es als Antagonismus die BRD als Staat, der als Fluchtpunkt und Hoffnungsträger für die Menschen der DDR galt und sogar der Nomenklatura ein Weiterleben ohne gravierende Folgen versprach. Diesen Staat, der die BRD und ihre Nomenklatura auffängt und vor einem Absturz bewahrt gibt es nicht. Diese Nomenklatura ist auf Gedeih und Verderb ihrem Staat ausgeliefert, ihre Pensionspläne sind nach einem Systemwechsel Makulatur und in keinem Land der Welt, bis auf ein paar Bananenrepubliken sind die antideutschen Linken willkommen, wenn sie nicht viel Geld mitbringen. Davor haben sie insgeheim tiefe Angst und ihre einzige (trügerische) Hoffnung beruht darauf, als Kollaborateure eines islamischen Regimes weiter herrschen zu können. Der Untergang der BRD wird nach meiner Einschätzung noch sehr lange auf sich warten lassen, weil das Millionenheer der Mitläufer, die viel zu verlieren haben, noch viel zu stark ist. Trotzdem könnte es auch plötzlich sehr schnell gehen, könnten einzelne Ereignisse einen Dominoeffekt auslösen.

Monika

24. Juli 2019 12:34

Auszüge aus Briefen von Ausreiseantragstellern in der Zeit von Sept. 87 - Sept. 89
Gründe für die Ausreise, die typisch waren:
Maria S. geb,. 1946 Erfurt
„Ich kann und will das Hin und Her, das ständige Angewiesensein auf Beziehungen, einfach diesen Sozialismus mit seinen konkreten Auswirkungen auf die Menschen hier, nicht mehr ertragen...Ich kann es nicht ertragen, dass mein Sohn, wenn er eine gute Berufsausbildung bekommen will, vorher schon zum Heuchler werden muss, kann nicht mehr ertragen, dass Kinder schon im Kindergarten mit Kriegsspielzeug spielen müssen...Ich ertrage nicht mehr das „Hohe Lied vom Sozialismus“, in dem die Menschlichkeit herrscht, im Gegensatz zum „Kapitalismus“. Es ist alles so schlecht im Kapitalismus, aber für DM ist im Sozialismus alles zu haben...Ich will nicht mehr im Fernsehen sehen, wie es in Griechenland aussieht, wenn Herr Aurich als FDJ-Chef an der Akropolis steht...Ich ertrage es nicht mehr, eine DDR-Zeitung zu lesen, einen DDR-Sender zu hören, über total zerlöcherte Straßen zu fahren, auf denen die so lange erwarteten Autos, für die es nicht mal genug Ersatzteile gibt, noch schneller zerfallen...ich ertrage es nicht, auf einen Zahnarzt-Termin monatelang warten zu müssen...
Ich ertrage es nicht mehr, aber ich habe keine Verwandten ersten Grades, die pflegebedürftig sind, im „Kapitalismus“. Soll ich deshalb überhaupt keine Chance haben, jemals hier wegzukommen ?“
Frank K. Halle
„Die Gesellschaft der DDR ist mir zutiefst fremd, die Fremdheit isoliert mich und macht mein Leben brüchig und unglücklich. Ich erlebe diese Fragwürdigkeiten als persönliche Qual. Aus einem gewissen Pflichtgefühl heraus, teilweise aus Angst und Inkonsequenz, habe ich lange versucht, mich in das Gesellschaftsgefüge der DDR zu integrieren. Dies ist mir nicht gelungen“.
Thomas W.
„Im Kindergarten und in der Schule wird eine einseitige Erziehung verordnet. Individuelle Aktivitäten, die nicht gleichmacherisch massenorganisiert werden, erstickt man im Keime...erstrebt wird ein charakterloser Durchschnittsmensch...“
Oder
Dr. Arnold B.
„In dieser Zeit, da in Europa die Grenzen niedergerissen werden, verschanzt sich die DDR hinter Metallgitterzaun und Betonmauer. Die DDR verordnet für ihre Bürger Abgrenzung und zementiert eifersüchtig die unnatürliche Trennung eines Volkes....“
Hier kann sich jeder seine Gedanken machen.
Es gibt m.E. erschreckende Parallelen zur heutigen Stimmung im Volke, allerdings keine Lebensalternative im eigenen Land. Die Stimmen nach Auswanderung zielen ins Unbestimmte ( wohin sollen wir gehen ? ) Es gibt kein anders Deutschland...

Laurenz

24. Juli 2019 13:54

@Maxx .... wir gehören zu derselben Generation, bin ein paar Jahre älter und im Westen geboren, gehörte aber zu der westlichen Mini-Minderheit, die sich schon früh für die DDR interessierte, der Zustand der Teilung war quasi unerträglich.

Aus der Sicht eines Putin war Gorbatschow ein Vollidiot, da half auch alles intellektuelle Gebläse nichts. Und Gorbatschow hatte ein historisch erfolgreiches Modell vor Augen. Deng Xiaoping war 8 Jahre vor ihm dran, reformierte aber nicht die Politik, sondern gnadenlos das Wirtschaftssystem nach historischem Vorbild in Zentral-Europa. Daß Gorbatschow es umgekehrt machte, ist seiner Idiotie geschuldet und hatte das nach-sowjetische Rußland und seine Bürger für viele Jahre ruiniert. Nicht nur das, Gorbatschow entfesselte mit dem ökonomischen Zusammenbruch der Sowjetunion die Kriegsmacht der USA, wodurch viele Staaten in Schutt und Asche gelegt wurden.
Warum wir jetzt seit 1998 mit dieser extrem wahnsinnigen Politik aller bisherigen Bundesregierungen konfrontiert sind, hat eine geo-strategische Bewandtnis. Die USA sind nur noch in der Lage in Europas Peripherie militärische Konflikte anzuzetteln. Die Europäer haben nach langen 2 Weltkriegen endlich gelernt, daß Krieg gegen Deutschland ganz Europa ruiniert. Zwar wußten das einige vorher, aber Politiker gehören nicht zu den intelligentesten Menschen, das betrifft vor allem unsere Freunde von der Insel, die bis heute Schwierigkeiten mit dem Denken haben. Natürlich sind das Türkeiabkommen und die bisherigen Integrationskosten von 2.000 Milliarden Euro so teuer wie ein 3. Krieg, aber wir haben das erstaunlich gut überlebt. Deshalb wichen die USA mittlerweile auf den Nahen Osten und Nord-Afrika aus, um Europa zu destabilisieren. Die politische Hast und Panik ist deswegen so groß, weil seit Putins Machtergreifung keine Behinderungen mehr bezüglich einer strategischen Annäherung Deutschlands und Rußlands bestehen, was die Amerikaner mit allen!! Mitteln zu verhindern suchen. Das war zuletzt bei Zar Alexander II und III so gegeben. Aber seinerzeit war Deutschland noch zu föderal organisiert.

heinrichbrueck

24. Juli 2019 16:00

Was nützt es denn, über DDR und BRD nachzudenken? Ein tributpflichtiger Vasallenstaat ist doch kein richtiger Staat. Gilt für BRD und DDR. Nach 1945 wurde Deutschland aufgelöst, aufgeteilt, und rechtlich antideutsch - zukunftslos ausgestattet - auf eine selbstvernichtende Reise geschickt. Es geht also darum, einen Staat zu bewirken, also schaffen, der deutsch ist und deutschen Interessen ein Überlebenskonzept garantieren kann. Die Vasallenstaaten bieten überhaupt kein Material, um aus ihnen eine auf Selbstständigkeit beruhende Lehre erzielen zu können. Das links-liberale Verhalten dieser Staatskonstrukte, für die eine eigene Politik nicht möglich war, sollte endlich einsehen lernen, daß im Zusammengehen beider historisch besetzter Gebilde, sich die Frage nach der Richtigkeit überhaupt nicht stellen kann, sind doch im Ergebnisbereich der Gegenwart die Falschheiten ersichtlich. Sich einen richtigen deutschen Staat nicht mehr vorstellen zu können, weil dann die richtigen Schlußfolgerungen die gegebenen ersetzten, - unter Umständen, und lange nicht sichergestellt -, das deutsche Volk ein Überlebenskonzept haben könnte, haben die Gefangenen der Matrix wohl noch einen weiten Weg vor sich. Es ist fast wie eine Diskussion in Platons Höhle. Es ist die Perspektive des Scheiterns und der Verschonung seiner Feinde. Das linksliberale Millieu, ob konservativ oder islamkritisch, sich einbildend die Aufklärung genossen zu haben, fachsimpeln über Platons Höhlenschatten. Die Ketten ihrer Niederlage, die das Verhalten steuern, ihnen das eigene Land unter den Füßen wegziehen, sehen sie als Wahrheit.

KlausD.

24. Juli 2019 16:57

Monika 23. Juli 2019 11:32
"... flüchteten rund 23000 Deutsche über Ungarn ... dass dort etwas heftig in Bewegung kam ..."
Hier an der Stelle bloß nochmal kurz der Hinweis auf die maßgeblich steuernden Kräfte im Hintergrund, die Frank Stoner in seinem Beitrag "Das paneuropäische picknick 1989" offenlegt.
ab 3:00 bis 8:00 und
ab 1:10:00 bis 1:11:00
https://www.youtube.com/watch?v=Ut-Yjn-PlZA

Max

24. Juli 2019 17:47

"wer nun hauptsächlich die DDR eingerissen hat, die Normalos mit ihren stonewashed Jeansjacken oder die Intellektuellen der Bürgerrechtsbewegung."

Die Normalos.

Ich war mal 1989, gerade aus der Sowjetunion kommend mit allem möglichen offen antikommunistischen Samisdat im Gepäck, in der Umweltbibliothek und bot den Jungs Übersetzungen an.

Die sagten dankend ab - sie würden eher nach neuen Sozialismusmodellen suchen.

Wenn es nach den "Intellektuellen der Bürgerrechtsbewegung" gegangen wäre, gäbe es die DDR mit einem reformierten "Sozialismus mit menschlichem Gesicht" heute immer noch.

Max

24. Juli 2019 18:11

@Maxx " auch jene, die die SED-Herrschaft und die Stasi natürlich ablehnten, verstanden sich dennoch nicht als Antikommunisten, sondern als eine Art Reformsozialisten ..."

Nicht beim einfachen Volk. Die hatten eine klare Position, alles aus dem Westen ist besser. Reformsozialisten waren höchstens ein paar Intellektuelle.

@Gustav Grambauer "wobei die DDR gemessen an Größe und Bedeutung der beiden Länder den Staatskult noch viel mehr übersteigert hat als die Sowjetunion"

Stimmt. Hab 5 Jahre in der Sowjetunion studiert, und dort lebte man weitaus freier als in der DDR. Auch bei den Intellektuellen dort waren die Kommunisten verachtet, nämlich einfach nur als Karrieristen. Die gesamte Kultur war faktisch völlig staatsfern. Ganz abgesehen von der faktisch offen staatsfeindlichen Untergrund-Rockmusik.

Auf die Einhaltung staatlicher Gesetze pfiff man, und das faktisch offen. Den faktischen Umgang mit dem KGB beschreibt folgender Witz sehr genau: Wie verschiedene Völker das Risiko lieben. Zehn Amis machen ein Autorennen, bei einem Auto sind die Bremsen durchgeschnitten, keiner weiß bei welchem. So lieben Amis das Risiko. Die Franzosen vergnügen sich mit Prostituierten. Eine hat Tripper, keiner weiß wer. So lieben die Franzosen das Risiko. Und die Russen treffen sich zum Erzählen politischer Witze. Einer ist beim KGB, keiner weiß wer. So lieben die Russen das Risiko.

Niekisch

24. Juli 2019 18:47

Korrektur zu 23.7. 18:06: Es muß heißen: "Umso aktiver die Clique Ebert,...."

Gracchus

24. Juli 2019 20:31

@zeitschnur
Was Sie über Utopismus schreiben, ist interessant; derlei Gedanken kamen in diesen Tagen auch; aber anders: mir fehlt auf rechter Seite eher das Utopische. Zumindest ein Schuss davon wäre womöglich nicht abträglich. Sogleich folgt die Relativierung: Utopien sollten nicht politisches Handeln leiten, das führt stets zu Exzessen von Gewalt. Das Reich Gottes kann man auch als christliche Utopie auffassen, aber reflektierten Christen dürfte schmerzhaft klar sein, dass das Reich Gottes nicht mit Macht und Gewalt nicht zu erreichen.

Ratwolf

24. Juli 2019 21:12

„Wir wollten das Beste, aber es kam wie immer“

Das ist für mich einer der großen Unterschiede zwischen Linken und Rechten.

Es ist der Umgang mit dem "Wollen"(Wille)

Deshalb hat Schopenhauer den Hegel so hart angegangen. Er ahnte was kommt.

Atz

25. Juli 2019 10:06

Statt so in die Vergangenheit zu blicken könnte man ja auch nach den Chancen fragen. Da besteht gerade die Chance, dass sich das Vereinigte Königreich politisch zerlegt. Trumps Amerika macht die Machtpolitik des State Departments in Europa zunichte und droht sogar mit einem Ende der NATO. Die Türkei wirft sich gerade im Schneckentempo aus der NATO.

Für Deutschland eigentlich alles positiv. Die derzeitige Mannschaft fördert mit ihrer politischen Eskapaden eine Zeitenwende nach rechts. Die Landtagswahlen werden die Wende bringen, wenn haushoch gewonnen wird. Eigentlich müsste jetzt jeder Mandatsträger als Wahlkampfaktivist nach Brandenburg, Thüringen, Sachsen gehen.

Alle Seenotaktivisten sollten die Netflix Serie Dark sehen um so ganz mit dem Bootstrap-Paradox vertraut zu werden. Die Verlogenheit um die Bruchstelle ihrer Anreizwirkung wird irgendwann allen Anhängern auffallen.

Für die Rückgewinnung der Ostgebiete sehe ich gerade kein realistisches Szenario und keinen Plan. Für den Untergang Deutschlands auch nicht.

Occupy, Greta, Extinction Rebellion haben gezeigt wie man es machen kann.

Laurenz

25. Juli 2019 20:19

@Atz ... wie kommen Sie auf Ihr britisches Szenario? Freiheit kostet natürlich etwas ..... na und?

Ratwolf

25. Juli 2019 22:21

Mit den Untergängen sind wir Deutschen nicht alleine. Viele Länder des europäischen Kontinents haben in den letzen Jahrzehnten und gar den letzen 100 Jahren massive Umwälzungen und im Gesamtverlauf einen massiven Niedergang erlebt.

Außer die Schweiz und England.

Die Schweiz hat sich raus gehalten.

England hat seine Bedeutung spätestens seit dem Ende des zweiten Weltkrieges an seinen Verbündeten, den kontinuierlich aufsteigenden USA verloren. Aber das politische System ist bis vor einigen Jahren stabil geblieben.

Im Gestammtverlauf muss man neidlos anerkennen, dass die ganz großen Nationen (USA, Russland, China) aufgestiegen sind. Sie sammeln wie Schwarze Löcher kleinere Nationen um ihr Gravitationsfeld herum, und halten sie fest.

Andreas Walter

26. Juli 2019 08:49

Interessante Nachrichten im "Westfernsehen":

https://www.nzz.ch/wirtschaft/asien-spuert-den-greta-effekt-kein-bisschen-ld.1498356

Atz

26. Juli 2019 09:06

@Leo Sehr schön. Kaum bekannt die Tatsache, dass Angela Merkel im Westen geboren ist und als Tochter eines roten Pfaffen in die Zone ging. Ihre erste Station zur Wende Demokratischer Aufbruch, der Chef war ein Stasimann, sie seine Pressesprecherin. Schauen sie sich jemanden wie Rupert Polenz an, der mittlerweile offen linksextrem frei dreht,

Hubertus Knabe ist kein guter Diplomat. Ich fand die Pegida-Beschimpfungen von Frau Roth zum Einheitsfest in der Frauenkirche sehr erhellend. Eine Person, die damals dezidiert gegen die Einheit war, auf dem Weg zu einem Staatsakt für die Einheit, bei dem das Volk vollkommen ausgeschlossen war. Eine Person, die sich nicht als Teil der Elite begreifen möchte sondern ihre anti-Staat Hausbesetzer Folklore noch mit sich rumträgt, und nun mit Beschmpfungen konfrontiert ist.

@Laurenz
Die Leute wissen nicht genau, was ein ungeordneter Brexit Art 50 in der Konsequenz bedeutet und wenn dann sogar Boris Johnson mit der Verweigerung der Zahlung einer Obligation droht, ist ihnen nicht bewusst, das dies das Äquivalent zu einem Staatsbankrott ist. Im britischen Oberhaus wird es klar ausgesprochen. Auf der anderen Seite öffnet ein Brexit Crash die Tür zu schottischer Unabhängigkeit und Vereinigung des irischen Volkes. Im Prinzip könnte ein Brexit unproblematisch sein und nur Schmerzen bereiten. Läuft man ohne Abkommen aus Art 50, crasht die Wirtschaft vom Binnenmakt zunächst in das WTO Regelsystem. Die EU verantwortet bislang die gesamte Handespollitik nach außen. Nationale Handelsverträge für die Zeit danach gibt es noch nicht. Nur mit den Faröer Inseln. Neue Handelsverträge dauern ca. 7-8 Jahre. Die Drittstaaten haben einen großen Hebel und werden u.a. Visaerleichterungen fordern. UK könnte sich durch Beitritt zu EFTA retten und damit eine rote Linie verletzen. Mit dem Hardlinerkabinett unmöglich. Gatt Art 24 eröffnet leider nicht, was sich die Hardliner vorstellen, und ermöglicht allen möglichen WTO-Drittländern Interventionen, die berücksichtigt werden müssen. In jedem Fall crasht UK unter nodeal erst mal in WTO Regel bevor ein Abkommen geschlossen und ratifiziert werden kann. Es bricht sich das Genick bevor ein Notfallplan verhandelt und abgesegnet wird. Zwei Monate können da eine lange Zeit sein.

KlausD.

26. Juli 2019 10:07

@Atz 26. Juli 2019 09:06
"Die Leute wissen nicht genau, was ein ungeordneter Brexit Art 50 in der Konsequenz bedeutet ..."
Die Leute vielleicht nicht, aber die britische Elite schon. Der No-Deal-Brexit scheint nunmehr einen tieferen Sinn zu haben, entspricht er doch einer umfassenden Nutzensanalyse, wie im nachfolgenden Artikel erläutert wird.
http://analitik.de/

Laurenz

26. Juli 2019 10:19

@Atz ... wir handeln mit den meisten Staaten dieser Welt im WTO-Modus, und? Ich sehe immer noch nicht, wo Ihr Problem ist? Wir lebten 1.000 mit hundert Rheinzöllen.....
Was Sie hier beschreiben, sind kleine Interferenzen, aber keine wirklichen Probleme. Die IG Farben unterhielt sich 1943 mit den Amis über Patentrechte. Der Handel schafft sich immer Wege. No-deal ist überhaupt kein Problem.

Atz

26. Juli 2019 14:53

.@Laurenz Den Unterschied macht, ob ein hochgradig von Exporten und Importen abhängiges Land mit hoher Handelsintegration einfach so in die WTO Minimumbasis fällt. Daraus resultiert ein Schock. Wenn wir nun dazu rechnen wie sensitiv und mobil die Finanzindustrie ist, wird es noch deutlicher. Hinzu kommt die innenpolitische Spaltung.

Klar schafft sich die Wirtschaft Wege. Diese Weg kann eine territoriale Zerlegung des Vereinigten Königreichs sein. Das bisherige Chaos resultiert bereits in außenpolitischer Gestaltungsunfähigkeit.

Laurenz

26. Juli 2019 16:21

@Atz .... wir sind seit 150 Jahren ein Exportland. Die meiste Zeit lief das ohne EU. Zölle spielen überhaupt keine Rolle. Viel schlimmer ist das sinnlose Fakturieren in US$. Die Propaganda, die was anderes behauptet, ist rein ideologisch bestimmt.

Lotta Vorbeck

26. Juli 2019 16:26

@KlausD. - 24. Juli 2019 - 04:57 PM
"...
Hier an der Stelle bloß nochmal kurz der Hinweis auf die maßgeblich steuernden Kräfte im Hintergrund, die Frank Stoner in seinem Beitrag "Das paneuropäische Picknick 1989" offenlegt.

ab 3:00 bis 8:00

und

ab 1:10:00 bis 1:11:00

https://www.youtube.com/watch?v=Ut-Yjn-PlZA "

******************************************************

DANKE, lieber @KlausD!

Mal ganz abgesehen davon, daß es sich beim im Nachhinein generierten BRD-Propagandabegriff von der "Friedlichen Revolution" um einen unauflösbaren semantischen Widerspruch handelt, roch diese vom ersten Tage an verdächtig stark viel mehr nach "Restauration" denn nach "Revolution".

Richtiggehend frappierend sind die Parallelen des historischen, mit gewisser Zeitverzögerung grundstürzende Umwälzungen nach sich ziehenden Geschehens von 1989/90 zu den 2014/15 in derart drastischer Weise erstmals sichtbar gewordenen, bis in den Sommer 2019 hinein forcierten, unvermindert virulenten Vorgängen.

Frank Stoner liefert in seinem Vortrag für interessierte Zeitgenossen zahlreiche Ansatzpunkte, um weiterführende, eigene Nachforschungen anzustellen.

Weltversteher

27. Juli 2019 12:47

Hier wird viel geredet, wie "unser" Staat, ein "deutscher Staat" u. ä., nun beschaffen sein müßten.
Mich würde interessieren, wofür - wir, Deutsche - gegenwärtig, mittlerweile, künftig einen Staat bräuchten. Was versprechen sich seine Fürsprecher davon?
Wer (woher nehmen?!) soll ihn bilden?

Ergon

27. Juli 2019 15:24

@Klaus D., Lotta Als "Alternative" die Darstellung in Kiesler/Elbe, Ein runder Tisch mit scharfen Ecken, aus Sicht des auswärtigen Amtes - Frank Elbe war zu der Zeit Büroleiter von Genscher - über die ersten Fluchtbewegungen aus der DDR über Ungarn im Jahr 1989: "Für fluchtwillige DDR-Bürger bot sich während der Ferienzeit im Frühsommer 1989 vornehmlich der Weg über Ungarn an. Dort hielten sich 30.000 ostdeutsche Touristen auf, die auf ihre Ausreise über Österreich in die Bundesrepublik warteten. Im August kam es zu einem strikt geheimgehaltenen Treffen zwischen Kanzler Kohl und dem ungarischen Ministerpräsidenten Nemeth. Gemeinsam mit den Außenministern Genscher und Horn wurde auf Schloß Gymnich bei Bonn verabredet, was die Regierung in Budapest am 10. August publik machte: Ungarn gestattete den ostdeutschen Flüchtlingen die Ausreise in die Bundesrepublik. Bonn zeigte sich im Gegenzug mit einem Milliardenkredit für die Reformer an der Donau erkenntlich."

Hartwig aus LG8

28. Juli 2019 19:11

Endlich kann ich @Laurenz mal zustimmen.
Zollfreiheit ist die Ausnahme von der Regel. Zölle sind kein Teufelszeug.
Dennoch ist wohl richtig, dass mit dem Aufgeben des Freihandels eine Art von materiellen Wohlstandsverlust eintreten würde/könnte; ich schreibe "Art", weil man Wohlstand gewiss nicht nur materiell und quantitativ definieren darf.
Die Welt ist zwar nicht soo komplex, wie sie gern beschrieben wird, aber immerhin komplex genug, dass die Maßnahmen zum Erhalt des deutschen Volkes unter den gegebenen Umständen mit einem quantitativen Konsum-Verlust einhergehen könnten.
Als Rechter ist das ein mildes Lächeln wert. Mehrheitsfähig ist das allerdings nicht.

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