Rund 4.000 Milliarden Euro – diese immense Summe würde Deutschland das Erreichen einer Reduktion der CO2-Emissionen um 40 Prozent bis zum Jahr 2030, das bis 2050 konstant gehalten wird, im Vergleich zur Emission im Jahr 1990 laut einer Studie im Auftrag der Bundesregierung kosten, die von der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldinia, die Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (acatech) und der Union der deutschen Akademien der Wissenschaften vorgelegt wurde.
Legt man die Meßlatte auf 85 Prozent Reduktion bis 2050, was nahe an den im Energiekonzept 2010 der Bundesregierung formulierten 80 Prozent für diesen Zeitpunkt liegt, so stiegen die Kosten um 50 Prozent respektive 2 Billionen Euro. Die Wissenschaftler rechnen hierbei mit den kumulierten systemischen Gesamtkosten:
Darunter fallen alle Kostenanteile, die für den Erhalt beziehungsweise Umbau und Betrieb des Energiesystems im Zeitraum von heute bis 2050 notwendig sind: Investitionen in Neuanlagen und Ersatz von Altanlagen, Finanzierungskosten für Investitionen, Kosten für fossile und biogene Energieträger und sonstige Betriebs- und Wartungskosten für alle Anlagen. Einbezogen sind auch Kosten für wichtige Effizienzmaßnahmen wie insbesondere die energetische Sanierung von Gebäuden.
Dabei muß beachtet werden, daß in dieser Zahl noch keine externen Kosten miteingerechnet sind – das sind Kosten, die nicht direkt im Preis, den der Endkunde für Energie bezahlt, enthalten sind, die aber für die Gesellschaft dennoch anfallen (z.B. Industrialisierung des Landschaftsbildes durch Windräder).
Die Projektion der Kosten macht nachdrücklich deutlich: Deutschland vollzieht einen wirtschaftlichen, finanziellen und sozialen Kraftakt, um sein System der Energieerzeugung vollständig umzukrempeln – von der Zentralität zur Dezentralität.
Doch wofür und weswegen eigentlich? Die Antwort ist simpel und gleichzeitig hochkomplex: Durch die Energiewende wird versucht, die negativen (Umwelt-)Effekte des marktwirtschaftlichen Liberalismus abzudämpfen, indem man alle Anstrengung darauf konzentriert, Energiekreisläufe bestmöglich zu schließen.
Ein Aspekt dieser Schließung ist die Substitution der aktuellen fossilen Energieträger durch erneuerbare. Die Abhängigkeit von endlichen, fossilen Ressourcen soll auf ein Minimum reduziert werden, ohne daß auf die Annehmlichkeiten der liberalen Überflußgesellschaft verzichtet werden müßte – so zumindest der Plan der Bundesregierung. Der Grund für das Verfolgen dieser Strategie ist auf mehrere Negativfaktoren zurückzuführen, die mit der Nutzung der Schmierstoffe der Moderne verbunden sind.
- Die fossilen Ressourcen, auf denen aktuell unser kapitalistisches Wirtschaftssystem und daran angeschlossen unser gesamtes bürgerliches Gesellschaftssystem fußt, sind nur in begrenzten Mengen verfügbar. Diese Knappheit unterliegt zudem regionalen Divergenzen – während manche Staaten zu früheren Zeitpunkten über keine eigenen fossilen Rohstoffquellen mehr verfügen werden können oder dies schon immer nur in begrenzte Umfang konnten (siehe Japan), wird es anderen Staaten möglich sein, länger aus dem Vollen zu schöpfen.
- Der Abbau und die Nutzung von fossilen Ressourcen zieht negative Umweltauswirkungen nach sich. Landschaftszerstörung (siehe Braunkohleabbau), radioaktive Strahlung sowie Grundwasser- und Luftverschmutzung sind Beispiele für die Folgen der exorbitanten Energieaufwendung der letzten beiden Jahrhunderte.
- Das Verbrennen fossiler Ressourcen erzeugt CO2-Emissionen, die mit dem menschengemachten Klimawandel in Verbindung gebracht werden (die Kontroverse, inwieweit die steigende Durchschnittstemperatur der letzten Jahrzehnte auf den Menschen oder „natürliche“ Einflüsse zurückzuführen ist, soll hier nicht zur Debatte stehen). In der öffentlichen Diskussion dominiert speziell der Klimaaspekt; jedoch ist eine Reduktion der Energiewende auf den Parameter der Emissionseinsparung zu kurz gegriffen (siehe Punkte 1 und 2).
Um zu verstehen, in welchem tiefgreifenden Systemwandel sich das deutsche Energieregime befindet und welche Friktionen und Kontradiktionen das hervorruft, bedarf es eines konzisen historischen Blicks auf die Energiegewinnung in Europa vor und nach der Industrialisierung.
Denn ehe es zum großen technischen und energetischen Sprung der Industrialisierung im 19. Jahrhundert kam, bezogen die europäischen Kulturen ihre benötigten Energien aus dem agrarischen Solarenergiesystem. Thomas Hoof beschreibt dieses System in seinem Artikel „Nachhaltigkeit als frommer Wunsch mit Vorbehalt“ für die 56. Sezession (»Heimatboden«) wie folgt:
Solarenergie wurde mittelbar genutzt über ein agrikulturelles Arrangement der photosynthetischen Leistungen der Biomasse, über die solar bewirkte Wettermechanik mit ihren Winden, Niederschlägen, Wellen und Strömungen, in die sich intelligente Artefakte (Mühlen‑, Segel- und Fördertechniken) sowie listige Nutzungen der Schwerkraft in einfachen Maschinen (Schiefe Ebene, Flaschenzüge, Wellrad, Keil und Kurbel) einklinkten.
Demzufolge stellte die Flora die einzigen Energiespeicher; die Ressource Holz respektive „Wald“ bremste jedwede Wachstumsbemühung aus, die über die natürliche Regenerationsfähigkeit des Rohstoffs hinausging. „Nachhaltigkeit“ war in diesem direkten Rückkopplungszusammenhang ein unüberwindbares Prinzip, insofern als daß seine Mißachtung die folgende Generation unweigerlich in ihrem Wirken einschränkte. Die Grenzen der Machbarkeit wurden unmittelbar durch die verfügbaren „Ökosystemdienstleistungen“ bestimmt.
Mit der Nutzbarmachung der Kohle, gelang das Sprengen dieser organischen Ketten. In ihr waren Energiemengen gespeichert, die alle vorher genutzten Rohstoffe bei weitem übertrafen. Über Jahrmillionen konzentrierter Energie lagen in dem schwarzen Sedimentgestein, und die aus ihrer Nutzung entstehenden Infrastrukturen sollten diese Konzentration widerspiegeln. Die Fläche verlor an Bedeutung, die Energiegewinnung wurde zentralisiert.
Einzelne Großkraftwerke stillten den Elektrizitätshunger in ihrer näheren Umgebung. Grundlast, Mittellast, Spitzenlast – ein genau abgestimmtes Erzeugungsregime aus verschiedenen fossilen Energieträgern liefert die Ware entsprechend der Nachfrage. Wirtschaft und Gesellschaft ließen sich bereitwillig an die Leitung legen.
Mit dem exorbitant angehobenen Energieniveau überschlug sich der technische Fortschritt. Dieser machte es immer wieder möglich, die negativen Auswirkungen des neuen Energieregimes abzumildern und seine Fragilität soweit zu stabilisieren, daß es nicht auseinanderbrach. Anders als die restlichen Lebewesen auf der Erde, ist der Mensch als Kulturwesen immer wieder dazu in der Lage, die durch seine Manipulation der Umwelt entstanden negativen Rückkopplungseffekte, durch weitere, ausgefeiltere technische Manipulation abzudämpfen oder hinauszuzögern.
Seit der Industrialisierung sind die europäischen Gesellschaften in einer ständigen Anhäufung von Komplexität gefangen, um die eingangs hergestellte Instabilität zu bereinigen. Es werden quasi neue Probleme aus vermeintlichen Problemlösungen geschaffen.
Die aktuellste Form dieser Flucht nach vorne manifestiert sich in der Energiewende. Überall sprießen kleine Kraftwerke (Windräder, Photovoltaikanlagen) ins Stromnetz; das Elektrizitätsversorgungsystem wird hochkomplex. Zentrale Strukturen stehen in Dissonanz zu dezentralen Erzeugungseinheiten, die außerdem nicht steuerbar je nach Wetterlage Energie einspeisen.
Die Dezentralität der Energiewende bedeutet in letzter Konsequenz den Schritt zurück in die Fläche bzw. die erneute Energiegewinnung aus dem solarenergetischen Regime mit den technischen Hilfsmitteln des fossilen Energiezeitalters. Aber trotz des unbestreitbaren technologischen Fortschritts im Sektor solarer Energiegewinnung heißt das zwangsweise Begrenzung des Energieverbrauchs, da aus der Fläche das aktuelle Energieniveau nicht bereitgestellt werden kann, und höchstwahrscheinlich qua der volatilen Erzeugung auch die Absage an das für den marktwirtschaftlichen Liberalismus überlebenswichtige Gut der Versorgungssicherheit – Elektrizität besitzt nur dann einen Marktwert, wenn sie ständig verfügbar ist.
Die Energiewende wirft in ihrer derzeitigen Zielsetzung also ein Paradoxon auf: Dieses besteht darin, daß das bundesrepublikanische Establishment wirtschaftliches Wachstum bei zeitgleich radikalem Verzicht anstrebt. Führt man sich das „Energiekonzept 2010“ der damaligen schwarz-gelben Bundesregierung zu Gemüte, das in seinen Grundpfeilern bis heute Bestand hat, so findet man die „Schlüsselfrage Effizienz“ unter dem Buchstaben B an zweiter, prominenter Stelle.
Das momentane Ziel ist es, den Primärenergieverbrauch bis zum Jahr 2020 gegenüber 2008 um 20 Prozent zu senken und bis 2050 zu halbieren. Wirtschaftliches Wachstum zieht aber zwangsläufig Ressourcenverbrauch und fast immer Umweltfolgen nach sich. Sichtbar wird das anhand des Aspekts „CO2-Emission“.
Engt man die Sicht nämlich wieder auf den Klimaaspekt der Energiewende ein, ist zu konstatieren, daß der komplette monetäre, materielle und energetische Aufwand zur Substitution fossiler Energien, der seit 2011 forciert betrieben wird, „nur“ dazu ausgereicht hat, die CO2-Emissionen relativ konstant zu halten. Von den eingangs erwähnten 80 Prozent CO2-Einsparungen im Vergleich zu den Emissionen von 1990 ist man meilenweit entfernt.
Auf den ersten Blick mag das angesichts der in der Landschaft sichtbaren Zeugnisse aus Stahl verwirren, setzt man das ganze aber in Relation zu dem über die letzten 9 Jahre erfolgten Wirtschaftswachstum, wird klar, daß das Mammutprojekt „Energiewende“ lediglich die durch das Wachstum zusätzlich erzeugten Emissionen vermeiden konnte. Ferner darf in diesem Kontext nicht außer acht gelassen werden, daß die Energiewende bis heute vielmehr eine Stromwende geblieben ist. Die Sektoren „Verkehr“ und „Wärme“ existieren weitgehend unberührt von der Expansion der Erneuerbaren.
Das bundesrepublikanische Großprojekt „Energiewende“ mit dem Beweggrund, sich ein wiederholtes Mal per technischer Machbarkeit aus der Verantwortung für die angehäuften und aufgeschobenen ökologischen Rechnungen und der zeitlichen Begrenzung der Ressourcengrundlage des liberalen Systems zu stehlen, mutiert ironischerweise zur Selbstinfragestellung und Beweisführung gegen die dauerhafte Stabilität der eigenen Existenz.
Für den marktwirtschaftlichen Liberalismus steht alles auf dem Spiel, denn neben der wirtschaftlichen Transformation stieß die Nutzung fossiler Energien einen „sozialen Metabolismus“ an, der das Fundament für die „offene“ Gesellschaft und die grenzenlose „Freiheit“ des Individuums legte. Ein endgültiger Schritt zurück in die Fläche bedeutete auch für das gesellschaftliche Leben ein Zurück an die Kette. Letztlich stehen die #FridaysforFuture-Demonstranten vor dem unauflösbaren Widerspruch, daß die konsequente Umsetzung ihrer Forderung zeitgleich das Ende ihrer Gesellschaftsvorstellungen und angestrebten Lebenswelten nach sich zöge.
Feststeht, die Energiewende kann nur funktionieren, wenn ein Maßhalten auf allen Ebenen Einzug hält – sowohl wirtschaftlich als auch gesellschaftlich. Als unbedenklicher Freifahrtschein für Wachstum und individualistischen Exzeß ist sie zum Scheitern verurteilt. Dementsprechend ist sie keineswegs das Symbol für ein erfolgreiches Fortbestehen des liberalen Systems als das sie landläufig gehandelt wird, sie markiert vielmehr die Renaissance der organischen Ökonomie des vor-industriellen Zeitalters und damit das Ende der Moderne.
In der Energiewende manifestieren sich die Grenzen der Machbarkeit.
zeitschnur
Wenn man bedenkt, dass das Klimathema ja nicht auf ein Land begrenzt gedacht wird und werden kann, bläst sich Deutschland derzeit auf wie eine balzende Kröte mit seinen zweikommairgendwas Prozent Anteil an weltweitem CO2-Ausstoß. Es hat groteske Züge, um nicht zu sagen, es wirkt wie ein Wahn, ist eines der vielen historischen Wahnszenarien, wenn das deutsche Grünhemd nun meint, durch SEINE Reduktion der zweikommaihrwisstschon würde die Welt gerettet. Deutschland im messianischen Rausch. Denn jeder weiß, dass die volkreichsten Länder der Welt wie Indien gerade munter ihre CO2-Ausstöße erhöhen. Wie auch anders - da gibt es keine Fläche mehr, um dieses Land "nachhaltig" zum Wohlstand zu führen. Ohne Kohle kein Überleben, es sei denn, es gibt wirklich „freie Energie“, oder man baut eben mehr Atomkraftwerke wie die Chinesen und viele andere. Für jede deutsche Selbstkasteiung genehmigen sich dafür andere Länder zeitgleich gleich den doppelten Schluck aus dem Humpen... Und recht haben sie: wieso sollte man sich von dieser großmäuligen Bande aus Mitteleuropa, die sich von ein paar gekauften Gören aus Elitenfamilien anführen lässt, auch gängeln lassen, UNO hin oder her?
Mich befällt angesichts der Zustände in diesem Land allmählich echtes Grausen. Das ist gruselig und findet in der Verfassung unserer Kanzlerin auch einen zunehmend gruseligen Ausdruck. Nun will sie auch noch einen Burggraben um den Reichtag bauen. Die Damen und Herren in der Elite fühlen sich inzwischen in dem von ihnen geschaffenen Wahnland nicht mehr sicher vor der Vernunft.
Mir fallen jedenfalls angesichts dieser Kostenvoranschläge und ihrer Potenzen nur die Gedichte eines gewissen schizophrenen Dichters ein, dessen Werke in der Sammlung Prinzhorn in Heidelberg archiviert sind: er baut ein ganzes Universum aus Zahlengebilden, nicht unähnlich übrigens der neuzeitlichen Kosmologie. Vielleicht gibt es demnächst ja auch Raumfahrten ins Universum des Klimaneutralitätsaufwandes. Denn der Euro ist keine flache und harte Münze, wie man einst glaubte, sondern hat die vollkommene Form einer Kugel, und da draußen im Wahnall kreisen sie umeinander, die Eurokügelchen, beliebig vermehrbar wie der Dollar, alles, alles kann man damit kaufen, auch den vollständigen Umbau hin zur Klimaneutralität.
Aber Spaß beiseite: es wird vollends gruselig, denn es stört in diesem Szenario ja vor allem der Mensch, dieser notorische CO2-Produzent. Er muss weg, er muss reduziert werden, und wir wissen hier alle, dass genau diese Gedanken ja offen und ungeschminkt ausgesprochen werden und gewisse Frauen, Wahnträgerinnen par excellence, Kinderlosigkeit zur nachhaltigsten Tat ausrufen, um das Klima zu retten. Uns ist hoffentlich klar, wo dieser Wahn enden wird. Denn bei Kinderlosigkeit wirds kaum bleiben.
Warum will der Autor die Grundfrage nicht stellen, ob der ganze Irrsinn überhaupt nicht schon auf Irrsinn gegründet ist?