Ein allseits bekanntes, ein zudem banales Sprichwort; wir nicken es ab.
Und empfinden es mit gesundem Menschenverstand als zutreffend. Ja, stimmt schon; jeder weiß um ein Alltagsbeispiel. Überhaupt sollte man den sogenannten gesunden Menschenverstand nicht unterschätzen, denn er trägt weit. Wem es lieber ist, der kleide den Begriff philosophisch ein und anglisiere ihn, und schon ist man bei Thomas Paine: „Common Sense“.
Das Eis ist gegenwärtig voller tanzender Esel. Es geht ihnen gut, und noch bricht das Eis nicht. Dichter heran: Der „Kapitalismus“, oft simpel als etwas identifiziert, was außerhalb der ansonsten guten und wohlmeinenden Gemeinschaft böse dräut und destruktiv sowie ressourcenverschleißend wirkt, während wir doch vielmehr alle Teil des Systems sind, dieser Kapitalismus also hat als Erfolgsmodell langfristig einen historisch nie dagewesenen Lebenskomfort geschaffen, eine Tatsache, die selbst seine Gegner widerwillig anerkennen. Wobei sie meinen, es ginge anders noch viel, viel besser und vor allem gerechter.
Insbesondere würde es besser gehen, wenn man das über Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte Geschaffene einfach als Verfügungsmasse hernimmt und um der Gerechtigkeit willen neu verteilt, weil der Gedanke der Gerechtigkeit ja wohl unter allen ethischen Vorstellungen der vornehmste und erhabenste wäre, gegen den moralisch doch rein gar nichts einzuwenden sei. Im Gegenteil: Wer nicht Gerechtigkeit herstellen wollte, der wäre per se unmoralisch. Das Wort von der Gerechtigkeit bestimmt gerade die gesamte Politikrhetorik, und zwar als hehrer Glaubens‑, nicht als Vernunftsbegriff.
Die führenden Politiker der Linken und der Grünen sind allesamt Moralisten. Der Kapitalismus gilt ihnen als ungerecht, weil er wegen seiner problematischen Arbeits- und Verteilungsprozesse immer noch „Verlierer“ hervorbringt, auch und gerade global. Offenbar schwebt den Grünlinken eine Gesellschaft, ach eine ganze Welt der „Gewinner“ vor, die am einfachsten gerecht herzustellen wäre, wenn man das praktiziert, was die Linke immer will: Umverteilung.
Zurück: Das Wesen des Kapitalismus liegt im privaten Eigentum, insbesondere an Produktionsmitteln. Damit wird Profit erzeugt, vor allem durch das Herstellen von Gütern, die wiederum den Bedürfnissen der Konsumenten entsprechen. Der Preis reguliert Angebot und Nachfrage; auf welche Zahl er immer neu festgeschrieben wird, das entscheidet der Markt.
Es stimmt, Kapital verschafft Macht und ermöglicht immense Gewinne, allerdings im Risiko der Verluste, für die Verantwortung übernommen werden muß. Über das Schaffen des Mehrwertes ist „Ausbeutung“ möglich, die aber sichert dem einen die Existenz‑, dem andern die Investitionsmittel. Wir leben in einem 17-fach verbesserten Lebensstandard gegenüber 1930, rechnete der italienische Wirtschaftswissenschaftler Fabrizio Zilibotti aus. – Genau dieser hohe Lebensstandard aber mag es sein, der die linksgrünen Auguren davon träumen läßt, daß das Zeitalter einer Glückseligkeit anbrechen könne, in dem einfach so für alle gleichermaßen gesorgt wäre.
Das genau ist gefährlich! Und es befördert nicht die Moral, nein es unterminiert sie. Man sehe sich dazu die quasisozialistischen Bereiche unserer Gesellschaft an, die es ja gibt, namentlich den sogenannten „Öffentlichen Dienst“: Dort ist Verschwendung Prinzip, weil „vergesellschaftet“ als erstes die Verantwortung abgeschafft ist.
Eine große Zahl der Politiker entstammt dem öffentlichen Dienst und als etablierte Parlamentarier oder gar als Teil der Exekutive leben sie in diesem Bereich und zehren vom gesamtgesellschaftlichen Einkommen bzw. gesamtgesellschaftlichen Abgaben. Für sie ist die Welt in Ordnung. Berufspolitiker der Linken und der Grünen leben – sicher, wie andere auch – seit Jahrzehnten vom gesellschaftlichen Vermögen der Allgemeinheit und vom Betriebssystem des Kapitalismus, erdreisten sich jedoch, grundstürzende Veränderungen dieses Systems zu fordern. Damit jedoch stünde das in Frage, was die linksgrüne Hegemonie immerfort fordert, die Moral nämlich.
Man prüfe die Biographien etwa von Reinhard Bütikofer, Claudia Roth, Annalena Baerbock, Ralf Stegner, Bernd Riexinger, Kevin Kühnert und von vielen anderen Protagonisten der Linken darauf, wie lange sie von eigener produktiver Arbeit lebten oder – umgekehrt – wie lange sie weitgehend „öffentlich“ alimentiert wurden.
Ohne hier Max Weber zu erörtern: Sparsamkeit, Sorgfalt, Fleiß, Disziplin und Beharrlichkeit werden geopfert, wenn über revolutionäre Akte umverteilt wird. Bildung und Haltung waren einst, längst vergessen, ebenso Tugenden des klassischen Kapitalismus, insofern über sie ein besseres Arbeitseinkommen zu erzielen war.
Was gegenwärtig mit „Bildung“ gemeint ist, erscheint semantisch völlig unklar, und von Haltung ist ohnehin nur noch rechts die Rede. Was der Unternehmer unternahm und der Facharbeiter alter Schule gegen hoffentlich anständiges Gehalt schuf, beide jeweils aus gesunden eigenen, mithin egoistischen Motiven, das steigerte über das Wirken der „unsichtbaren Hand“den Wohlstand aller. Dies so bewerkstelligen zu können, dazu braucht es, ja darin gründet Moral.
Reiner Hank schrieb 2007 in der F.A.Z:
Doch es könnte sein, dass wir der auf Triebverzicht beruhenden Askese und der am Berufsethos ausgerichtete Arbeitsdisziplin mehr Wohlstand verdanken als gedacht. ‚Der Schlag deines Hammers, den dein Gläubiger um 5 Uhr morgens oder um 8 Uhr abends vernimmt, stellt ihn auf sechs Monate zufrieden‘, sagt der amerikanische Erfinder und Staatsmann Benjamin Franklin, einer von Max Webers Kronzeugen. (…) ‚Wer der Auffassung ist, Erfolg sei das Ergebnis von Leistung, wird anders leben als jemand, der meint, Erfolg sei eine Frage des glücklichen Zufalls‘, sagt Wirtschaftsforscher Zilibotti. Solch unterschiedliche Grundüberzeugungen fördern oder schädigen das Wachstum und die Produktivität. Der meritokratische Glaube an einen Zusammenhang von Leistung und Erfolg spornt an zum wettbewerblichen Spiel. Der fatalistische Glaube an den Zufall fordert dagegen ein hohes Maß an Umverteilung, um das Glück der Beliebigkeit zu korrigieren. (…) Wo in den Familien und Schulen nicht mehr Neugier, Abenteuerlust und Entdeckerfreude geweckt werden, erstickt der Tatendrang einer ganzen Generation. Und wo Gehorsam und Arbeitsdisziplin als Sekundärtugenden verspottet werden, vertrocknet jeglicher Ehrgeiz. Das hat fatale Auswirkungen auf wirtschaftliches Wachstum und Produktivität.
Fatal wären zudem die geschichtlichen Folgen, gerade jetzt, da die Linke so dreist wie seit Jahrzehnten nicht mehr dirigistisch zufassen um umverteilen will. Das nämlich muß zu Gewalt führen, wie es immer zu Gewalt führt, wenn politische Mächte nach dem Eigentum greifen. Das liegt in der Natur der Sache. Zum anderen, weil auf der Seite der politischen Rechten in Zeiten drohender Umverteilung und damit in der Gefährdung des bisher Funktionierenden und die Gesellschaft Sichernden jene vitalen Korrektive entstanden, die dem Griff ins Betriebssystem gerade noch florierender Gesellschaften Einhalt geboten.
Es stimmt, daß es sich dabei um charismatische, symboltragende und gewaltbereite Bewegungen handelte. Man sehe sich die verschiedenen nationalen Varianten der Abwehr linksrevolutionärer Tendenzen nach 1918 in den europäischen Ländern von Ost nach West an, von den russischen Weißgardisten bis bin zu den spanischen Falangisten und dem „Estado Novo“ António de Oliveira Salazars.
Auf das Konto dieser Bewegungen gingen tragische Opfer, aber die Rechte muß als Reflex auf eine Linke verstanden werde, die bereit war, die Pforten zur Hölle zu öffnen. Zu dramatisch formuliert? Nein, denn die Linke tat genau das – in Sowjetrußland, in verschiedenen „Räterepubliken“, in China, später in Kambodscha. Sie zerschlug in Akten eines pervertierten Jakobinismus fundamentale naturrechtliche Grundlagen.
Noch in allen kommunistischen Versuchen begann mit kurzer, aber heftiger Euphorie sogleich der Alptraum, eigentlich für die Unterdrückten wie sogar für die Unterdrückenden. Sie alle wurden von der Paranoia gejagt. – Alle Revolutionen beginnen mit Rhetorik, mit Agitation. Man prüfe das am politischen Sprachgebrauch der Gegenwart. Man wird erschrocken sein. Offenbar wird es turbulent, weil Entscheidendes gefährlich umgewertet wird.
Selbst für Deutschland wäre die gerade in diesem Jubiläumsjahr befeierte Verfassung und Demokratie der Weimarer Republik nicht zu etablieren gewesen, hätten nicht Heer und Freikorps hinter dem politischen Augenmaß des tragischen Friedrich Eberts gestanden, dem die Macht zwar zugefallen, der aber selbst machtlos war.
Ohne eine intellektuell klare und politisch handlungsfähige Rechte sind Gleichgewicht, Maß und Vernunft in Gefahr, zumal die Linke nach wie vor einer gefährlich positiven Anthropologie und einem utopischen „wissenschaftlichen Kommunismus“ folgt, in der Illusion, einen finalen Endzustand der Geschichte herstellen zu können. Den gibt es nicht. Es braucht stets neue und sichernde Strukturen, die den Menschen vor sich selbst schützen.
Gegenwärtig liegt spürbar Spannung in der Luft. Die hat ihre Ursachen in der beachtlichen Kraft der Linken, die de facto mitregiert und insbesondere die Sprachregelungen bestimmt. Sie ist ohne Zweifel am Drücker. Um so mehr Kraft sie in den Parlamenten gewinnt, um so wirksamer wird sie Gesetzgebungen ändern, aber genau das ruft Widerstände auf.
Franz Bettinger
Was ist Gerechtigkeit? Sie ist extrem relativ. In der Not verspeist der Bruder den Bruder und der Teufel frisst Fliegen, um zu überleben. Nur im Überfluss kann der Mensch auch abgeben und tut es auch intuitiv, ganz ohne Müssen. Abgeben (Links Sein) hat unter diesen Umständen - und nur dann - einen evolutionären Vorteil: man stärkt die Gruppe, Truppe, Meute und ist mit einer starken eigenen Schaar mächtiger (erfolgreicher) als zuvor, z.B. bei der Jagd oder der Verteidigung.
Gerechtigkeit? Gibt es nicht! Sie ist nur eine Wunschvorstellung in den Köpfen der Schwachen. Obwohl Aristoteles sie zu den vier Kardinal-Tugenden zählt neben Klugheit, Frömmigkeit und Mut. Cicero ersetzt die Frömmigkeit durch die Mäßigung. Immanuel Kant gar lässt nur eine Primärtugend gelten, den guten Willen. Fehle dieser, können alle anderen Tugenden "auch äußerst böse und schädlich werden". Was für ein Unsinn! Ein guter Wille hat schon sehr viel Böses angerichtet. Gerade auch heute wieder: die falsch verstandene Menschlichkeit und die (im Sinne des Gleichheits-Strebens) falsch verstandene Gerechtigkeit.
Nein, weder die Natur noch die Naturwissenschaft kennt so etwas wie Gerechtigkeit. - Die Hindus und Buddhisten retten sich ihr Konzept der Gerechtigkeit, indem sie glauben (machen), ein armer Teufel, Verkrüppelter, ein Paria, Hässlicher, Dummkopf etc. müsse in seinem Vorleben schwer gesündigt und also seine Behinderungen verdient haben. Es sei von den Göttern gewollt und also gerecht, wenn er momentan im jetzigen Diesseits dafür büßen müsse. Nur so könne er sich reinwaschen und im nächsten Leben in eine höhere Kaste geboren werden.
Gott - der Zufall, oder wer auch immer - hat uns mit unterschiedlichen Begabungen in die Welt gesetzt. Diesen ganz individuellen Begabungen müssen wir gerecht werden, nur ihnen! Ein Schlauer muss auf seinem Gebiet also mehr leisten als ein Sportler, der wieder in seinem Bereich der Körperlichkeit Taten vollbringen muss; ein an Geld Reicher sollte spendabel sein... und so weiter. Suum cuique = Jedem das Seine!