Rechtfertigung überflüssig

PDF der Druckfassung aus Sezession 82/Februar 2018

Erik Lehnert

Erik Lehnert ist promovierter Philosoph.

Wenn von »Wirt­schaft« die Rede ist, geht es  meist um die Glo­bal Play­er, ins­be­son­de­re die Fir­men, die mit ihren Pro­duk­ten den Zeit­geist prä­gen: Apple, Goog­le, Ama­zon. Oder  es  geht  um Kryp­to-Wäh­run­gen, mit denen man spe­ku­lie­ren, aber kein Brot kau­fen kann. Bei­des steht sinn­bild­lich für einen Pro­zeß, der vor 250 Jah­ren mit der Indus­tria­li­sie­rung begann und der vor 25 Jah­ren mit dem Inter­net einen neu­en Höhe­punkt erreicht hat: die Auf­lö­sung des Zusam­men­hangs von Arbeit und Handwerk.

Was den Men­schen von Beginn an geprägt hat­te, daß er mit sei­ner eige­nen Hän­de Arbeit etwas pro­du­zier­te, ist für die meis­ten Zeit­ge­nos­sen eine Vor­stel­lung, zu der ihnen kein kon­kre­tes Bild ein­fällt. Die Mehr­heit der Men­schen sitzt am Schreib­tisch und schaut auf Bild­schir­me, unse­ren Bedarf an Lebens­mit­teln decken wir im Super­markt und der Rest kommt aus dem Inter­net, Din­ge, die am ande­ren Ende der Welt zusam­men­ge­schraubt wur­den. Die maxi­ma­le hand­werk­li­che Her­aus­for­de­rung besteht im Auf­bau von Ikea-Möbeln.

Die Welt des Hand­werks, in der in frü­he­ren Zei­ten jedes Brot, jede Wurst, jeder Stuhl, jedes Haus ent­stand, gibt es aber immer noch. Man muß nur etwas län­ger suchen. Auf die­se Suche haben sich eini­ge Enthu­si­as­ten im  Oder­bruch,  im Osten Bran­den­burgs, gemacht. Sie haben mit den Hand­wer­kern über deren Leben und Erfah­run­gen geredet.

Ent­stan­den sind auf die­se Wei­se 31 Pro­to­kol­le, die einen Ein­blick in das jewei­li­ge Hand­werk und die per­sön­li­che Lebens­ge­schich­te gewäh­ren und unter dem schlich­ten Titel Handwerk (Oder­aue: Auf­land Ver­lag 2016, 15 Euro, über auflandverlag.de) erschie­nen sind. Illus­triert ist das Buch mit einer Bild­stre­cke des selbst im Oder­bruch leben­den Pho­to­gra­phen Ingar Krauss, aus der wir eini­ge Bei­spie­le präsentieren.

Die Spann­brei­te der Hand­wer­ke reicht dabei vom täg­li­chen Bedarf (Bäcker und Flei­scher) über die Gewer­ke, die unse­ren Kom­fort auf­recht­erhal­ten (Instal­la­teu­re und KfZ-Mecha­ni­ker)  bis  hin zu den sel­te­nen Beru­fen, die nur noch von Lieb­ha­bern in Anspruch genom­men wer­den (Korb­flech­ter und Huf­schmie­de). Dazwi­schen tum­meln sich zahl­rei­che Hand­werks­meis­ter, die rund um den Haus­bau tätig sind.

Wenn man die Gesprä­che aus dem Buch auf ein Fazit brin­gen will, so lau­tet es: Hand­werk ist anstren­gend und macht nicht reich, aber Unzu­frie­den­heit, wie sie den Ange­stell­ten kenn­zeich­net, wird man dort nicht fin­den. Die Leu­te sind zufrie­den, weil der Sinn ihres Tuns kei­ner­lei Recht­fer­ti­gung bedarf.

Den Bild­band Hand­werk kann man hier bestel­len.

Erik Lehnert

Erik Lehnert ist promovierter Philosoph.

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