Ökonomischer Nationalismus

PDF der Druckfassung aus Sezession 82/Februar 2018

Mit der Wahl Donald Trumps zum Prä­si­den­ten der USA voll­zog sich ein öko­no­mi­scher Para­dig­men­wech­sel. Über 70 Jah­re lang wur­den außen­wirt­schafts­po­li­ti­sche Maß­nah­men im euro­pä­isch-ame­ri­ka­ni­schen Teil der Welt mit Ver­weis auf die Funk­ti­on des Mark­tes und des­sen – tat­säch­lich oder vor­geb­lich – posi­ti­ve Aus­wir­kun­gen für die Mensch­heit gerechtfertigt. 

Durch Trumps öko­no­mi­sche Agen­da unter dem Slo­gan »Ame­ri­ca First!« und die zeit­wei­lig schar­fen anti­deut­schen und anti­eu­ro­päi­schen Äuße­run­gen eini­ger Ver­tre­ter sei­ner Regie­rungs­mann­schaft erlebt seit­her das Phä­no­men des öko­no­mi­schen Natio­na­lis­mus eine unge­ahn­te Renaissance.

Die­ser – tra­di­tio­nell der Rech­ten zuge­schla­ge­nen – Rich­tung der Außen­wirt­schafts­po­li­tik liegt die Vor­stel­lung zugrun­de, daß Ange­hö­ri­ge einer Nati­on über alle sozio­öko­no­mi­schen Dif­fe­ren­zen hin­weg neben dem poli­ti­schen auch ein wirt­schaft­li­ches Schick­sal tei­len (soll­ten). Ent­schei­den­des Merk­mal ist die Legi­ti­mie­rung der wirt­schafts­po­li­ti­schen Maß­nah­men durch den natio­na­len Impe­ra­tiv, die gemein­sa­me Iden­ti­tät, Abstam­mung oder geschicht­li­che Erfahrung.

Dadurch, daß die ter­ri­to­ri­al begrenz­te poli­ti­sche Ein­heit das Bezugs­sys­tem der Idee der Nati­on ist und die­se, wie Ber­nard Will­ms es aus­drück­te, das »Bewußt­sein der Viel­falt« bringt, ste­hen sämt­li­che Vari­an­ten des öko­no­mi­schen Natio­na­lis­mus in schar­fer Oppo­si­ti­on zu allen außen­wirt­schafts­po­li­ti­schen Vor­stel­lun­gen, denen Kos­mo­po­li­tis­mus zugrun­de liegt und die auf eine ent­gren­zen­de Glo­ba­li­sie­rung und uni­po­la­re Welt hinauslaufen.

Man mag die Bezeich­nung »öko­no­mi­scher Natio­na­lis­mus« unglück­lich fin­den. Aus heu­ti­ger Sicht soll­te es aber unstrit­tig sein, daß eine Poli­tik mit Bezug­nah­me auf das Eige­ne das Wirt­schafts­le­ben nicht außer acht las­sen kann. Es besteht zwar ohne Zwei­fel auf­grund der his­to­ri­schen Erfah­run­gen Kon­sens dar­über, daß eine öko­no­mi­sche Dau­er­ord­nung nur auf der dezen­tra­len Koor­di­na­ti­on der Wirt­schafts­sub­jek­te grün­den kann.

Zur Über­füh­rung des sich auf deut­schem Gebiet voll­zie­hen­den Wirt­schafts­le­bens in eine Volkswirt­schaft oder Natio­nalöko­no­mie bedarf es heut­zu­ta­ge der Set­zung von Gren­zen und einer Seg­men­tie­rung der Wirt­schafts­räu­me. Es gilt, poli­ti­schen Hand­lungs­spiel­raum zurückzugewinnen.

Das häu­fig von Libe­ra­lis­ten vor­ge­brach­te Gegen­ar­gu­ment, öko­no­mi­sche Sach­zwän­ge hät­ten aus ihrer inne­ren Logik her­aus zur glo­ba­li­sier­ten Wirt­schaft geführt, wodurch die Glo­ba­li­sie­rung unum­kehr­bar  gewor­den sei, stellt bekannt­lich nur die hal­be Wahr­heit dar, da es die Bedeu­tung des Poli­ti­schen für das Wirt­schafts­le­ben ver­kennt. In der Geschich­te hat es nie­mals eine poli­tik­freie Wirt­schaft gegeben.

Viel­mehr war es der Staat, der die Insti­tu­ti­on des Mark­tes, so wie wir sie heu­te ken­nen, aus real­po­li­ti­schen Grün­den geschaf­fen hat; mit dem Frei­han­del ver­hielt es sich nicht anders. Es waren die exis­tie­ren­den poli­ti­schen Ein­hei­ten, die auf­grund einer oder meh­re­rer Ent­schei­dun­gen im Rah­men des Pro­zes­ses einer »deli­be­ra­ti­ven Han­dels­po­li­tik« (Herr­mann-Pillath) Zutritt zu ihren Wirt­schafts­räu­men gewährten.

Die Fol­ge die­ser poli­ti­schen Ent­schei­dun­gen war es aller­dings, daß Kräf­te in Gang gesetzt wur­den, die zu dem führ­ten, was in der heu­ti­gen Wirt­schafts­wis­sen­schaft als Lock-in-Effekt bezeich­net wird – eine Ent­wick­lung, der man nicht ohne  wei­te­res  ent­rin­nen  kann  und  die  daher so vie­len Zeit­ge­nos­sen tat­säch­lich als nicht ver­än­der­bar erscheint. Hete­ro­do­xe Öko­no­men ver­glei­chen den Pro­zeß der Glo­ba­li­sie­rung mit der Aus­bil­dung eines Netz­werks aus Han­dels- und Inves­ti­ti­ons­ver­trä­gen, die die Struk­tur der inter­na­tio­na­len Arbeits­tei­lung (grenz­über­schrei­ten­de Pro­duk­ti­ons­pro­zes­se, Ver­drän­gung inlän­di­scher Anbie­ter) bestimmen.

Soll­te ein Land aus dem Netz­werk aus­stei­gen, wür­de die glo­ba­li­sier­te Pro­duk­ti­ons­struk­tur die­sem Land hohe Kos­ten ver­ur­sa­chen.  Auf­grund der weit­ge­hend frei­en, d.h. der staat­li­cher Regu­lie­rung ent­zo­ge­nen Güter- und Kapi­tal­mo­bi­li­tät herrscht inner­halb die­ses glo­ba­len Netz­werks wie­der­um Druck zur öko­no­mi­schen Effi­zi­enz­stei­ge­rung, dem sich ein ein­zel­nes Land nicht ent­zie­hen kann, möch­te es nicht einen Stand­ort­nach­teil erlei­den und an Wett­be­werbs­fä­hig­keit ein­bü­ßen. Ande­re Poli­tik­in­hal­te blei­ben dabei auf der Stre­cke. So gese­hen trifft die Aus­sa­ge, es sei­en Sach­zwän­ge, die den Raum des Poli­ti­schen begren­zen, zu.

Poli­ti­sche Kräf­te, die auf ein Aus­schei­den aus dem glo­ba­len Netz hin­zie­len, soll­ten sich der Pro­ble­me, die eine Über­gangs­zeit mit sich brin­gen wird, bewußt sein. Wie hoch die Kos­ten letzt­lich sind, wird wesent­lich von der Durch­läs­sig­keit und der Form der künf­tig ein­ge­zo­ge­nen Hin­der­nis­se, dem Zeit­raum, in dem sie errich­tet wer­den, und der Grö­ße und Stär­ke des Wirt­schafts­rau­mes, der sich inner­halb die­ser »Gren­ze« befin­det, abhängen.

Die Schwie­rig­keit, ein »unlo­cking« zu voll­zie­hen, um wie­der rela­ti­ve öko­no­mi­sche Selbst­be­stim­mung zu erlan­gen, wird dadurch erschwert, daß die gesell­schaft­li­chen Grup­pen, die ihr  Geschäfts­mo­dell auf die Glo­ba­li­sie­rung aus­ge­rich­tet haben und durch sie pro­fi­tie­ren, ihre poli­ti­sche Macht ein­set­zen, um die­ses Netz­werk zu stär­ken. Eine Rück­be­sin­nung auf die eige­ne Sou­ve­rä­ni­tät in Wirt­schafts­fra­gen impli­ziert daher das Unter­fan­gen, die Vor­aus­set­zun­gen zu schaf­fen, durch die eine Trans­for­ma­ti­on pri­vat­wirt­schaft­li­cher Stär­ke in poli­ti­sche Macht so weit wie mög­lich ver­hin­dert wer­den kann.

Öko­no­mi­scher Natio­na­lis­mus wird zwar zumeist mit pro­tek­tio­nis­ti­schen Maß­nah­men asso­zi­iert, mit der Idee der Nati­on las­sen sich aber alle mög­li­chen außen­wirt­schafts­po­li­ti­schen Grund­po­si­tio­nen ver­bin­den. Der Gedan­ke der Aut­ar­kie fin­det sich dabei auf der einen, der Frei­han­del auf der gegen­über­lie­gen­den Sei­te des Spek­trums mög­li­cher Kon­zep­tio­nen. Ein aut­ar­ker Wirt­schafts­raum soll in Zei­ten, in denen die Wirt­schaft eine wirk­sa­me Waf­fe zur Durch­set­zung poli­ti­scher Zie­le dar­stellt, für Blo­cka­de­si­cher­heit im Ernst­fall sor­gen. Der Staat führt hier­für durch den bewuß­ten Ein­satz von Ein- und gege­be­nen­falls Aus­fuhr­ver­bo­ten oder pro­hi­bi­tiv hohen Schutz­zöl­len (inklu­si­ve Trans­ak­ti­ons­steu­ern) wirt­schaft­li­che Selbst­ver­sor­gung her­bei mit dem Zweck, die Güter­ver­sor­gung zu sichern.

Frei­han­del läßt sich dage­gen aus natio­na­ler Sicht damit begrün­den, daß die unge­hin­der­te Dis­po­si­ti­on und der mög­lichst freie öko­no­mi­sche Aus­tausch der pri­va­ten Wirt­schafts­sub­jek­te die opti­ma­le Bedin­gung für erhöh­ten Leis­tungs­druck und damit gestei­ger­te Inno­va­ti­ons­kraft und sin­ken­de Prei­se sowie für die Rea­li­sie­rung der posi­ti­ven Wir­kung von Expor­ten auf das Natio­nal­ein­kom­men ist. Weder voll­kom­me­ne Aut­ar­kie noch voll­kom­me­ner Frei­han­del waren in der Regel Gegen­stand natio­na­ler Pro­gram­me in Deutsch­land. Zumeist umfaß­ten sie nicht alle wirt­schaft­li­chen Güter, son­dern beschränk­ten sich auf eini­ge bestimm­te Sek­to­ren oder es wur­de ein unvoll­stän­di­ger Grad bei eini­gen oder allen Gütern angestrebt.

Der von Johann Gott­lieb Fich­te ent­wor­fe­ne »geschlos­se­ne Han­dels­staat«, mit dem er den Deut­schen durch Domes­ti­ka­ti­on Selbst- und Natio­nal­be­wußt­sein anzu­er­zie­hen gedach­te, um dar­auf auf­bau­end den Ver­nunftstaat zu errich­ten, stell­te in sei­ner Radi­ka­li­tät eine  Aus­nah­me dar. Mit dem nach dem Ers­ten Welt­krieg ein­set­zen­den Nie­der­gang des Gold­stan­dards und der gleich­zei­tig ein­tre­ten­den For­de­rung nach Wäh­rungs­sou­ve­rä­ni­tät war der Ruf nach Aut­ar­kie zwar unüber­hör­bar, aber selbst den meist­ge­le­se­nen Prot­ago­nis­ten eines aut­ar­ken Wirt­schafts­rau­mes, Wer­ner Som­bart und Fer­di­nand Fried­rich Zim­mer­mann, schweb­te damals weni­ger die voll­kom­me­ne Abschot­tung als viel­mehr umfas­sen­de »Aut­ar­chie«,  Selbst­herr­schaft,  d.h.  Len­kung  der  grenz­über­schrei­ten­den Trans­ak­tio­nen vor.

Sie woll­ten das Prin­zip der im Rah­men der Welt­wirt­schafts­kri­se ein­ge­führ­ten Devi­sen­be­wirt­schaf­tung auf ande­re Berei­che erwei­tern und von einer ursprüng­li­chen Not­maß­nah­me zum außen­wirt­schafts­po­li­ti­schen Fun­da­ment ihres Deut­schen Sozia­lis­mus machen. Mit dem »Neu­en Plan« von 1934, der die bereits bestehen­den Instru­men­te der Zah­lungs- und Ver­rech­nungs­ab­kom­men sys­te­ma­ti­sier­te, und dem  Vier­jah­res­plan von 1936, der noch wei­ter­ge­hen­de Steue­rungs­maß­nah­men imple­men­tier­te, kam man der Aut­ar­kie bereits nahe.

Noch kon­se­quen­ter wur­de aller­dings mit Art. 9 Abs. 5 der Ver­fas­sung der DDR ein aut­ar­kie­ähn­li­cher Zustand in Deutsch­land von kom­mu­nis­ti­scher Sei­te geschaf­fen, indem die »Außen­wirt­schaft ein­schließ­lich des Außen­han­dels und der Valu­ta­wirt­schaft« zum staat­li­chen Mono­pol erklärt wurde.

Der Frei­han­del als ein Mit­tel natio­na­ler Welt­an­schau­ung erleb­te den Höhe­punkt sei­ner Popu­la­ri­tät im 19. Jahr­hun­dert, als Libe­ra­lis­mus und Natio­na­lis­mus noch zwei Sei­ten der­sel­ben  Medail­le waren. Die For­de­rung nach Frei­han­del ziel­te jedoch für einen lan­gen Zeit­raum  in  ers­ter Linie nach innen, auf die Schlei­fung der inner­deut­schen öko­no­mi­schen Gren­zen. Das Pos­tu­lat der Libe­ra­li­sie­rung  hat­te in die­sem Zusam­men­hang nicht zwangs­läu­fig etwas mit dem Abbau der Außen­zöl­le zu tun.

Dies änder­te sich erst, nach­dem der Rück­stand gegen­über Eng­land auf­ge­holt und die deut­sche Indus­trie in eini­gen Berei­chen Welt­markt­füh­rer gewor­den war. Nun begann das Frei­han­dels­pos­tu­lat eine nach außen, auf Export und Erschlie­ßung von Absatz­märk­ten gerich­te­te  expan­si­ve Form anzu­neh­men. Ent­spre­chend wur­de gefor­dert, die »Ruhe­po­li­tik« auf­zu­ge­ben und end­lich »deut­sche Welt­po­li­tik« und Welt­wirt­schafts­po­li­tik zu betrei­ben, um im inter­na­tio­na­len Wett­kampf der Natio­nen bestehen zu können.

Ziel war es nun­mehr, »Welt­in­dus­trie- und ‑han­dels­staat« (Groß­ad­mi­ral  von  Tirpitz),  geschützt  durch  eine  star­ke  deut­sche  Flot­te, zu wer­den. Ins­ge­samt herrsch­te damals frei­er Waren­han­del jedoch nur in der  kur­zen  Peri­ode  zwi­schen  1862  und  1879,  freie  Kapi­tal­mo­bi­li­tät  immer­hin zwi­schen 1871 und 1914.

Den Prot­ago­nis­ten eines natio­nal legi­ti­mier­ten Frei­han­dels ging es dabei aber nie­mals um ein abs­trak­tes Prin­zip, son­dern dar­um, Frei­han­del in die »wirk­li­che Welt« bestehen­der Natio­nal­staa­ten ein­zu­füh­ren. Einen dau­er­haf­ten und voll­kom­men frei­en Außen­han­del sahen sie als wenig rea­lis­tisch an, wodurch ihre Posi­ti­on von der Idee eines gemä­ßig­ten Pro­tek­tio­nis­mus nicht weit ent­fernt war.

Das Kon­zept des Pro­tek­tio­nis­mus steht zwi­schen Aut­ar­kie und Frei­han­del. Zu die­sem außen­wirt­schafts­po­li­ti­schen Sys­tem tarifä­rer (Zöl­le) und nicht-tarifä­rer Han­dels­hemm­nis­se (Kon­for­mi­täts­an­for­de­run­gen) wird gegrif­fen, um den eige­nen Wirt­schafts­raum vor Impor­ten aus­län­di­scher Güter zu schüt­zen, ohne jedoch eine voll­kom­me­ne Abkap­se­lung anzu­stre­ben. Anders als bei der Aut­ar­kie wer­den mit sol­chen Maß­nah­men handels‑, sozial‑, kul­tur- oder infra­struk­tur­po­li­ti­sche Zie­le verfolgt.

Zumeist wird hier eine fle­xi­ble Hand­ha­bung prä­fe­riert. Fried­rich List bei­spiels­wei­se woll­te sei­ne Erzie­hungs­zöl­le nur solan­ge auf­recht­erhal­ten wis­sen, bis Deutsch­land den Indus­tria­li­sie­rungs­stand Eng­lands erreicht hat­te, und Bis­marck befür­wor­te­te Zoll­erhe­bun­gen erst nach dem soge­nann­ten Grün­der­krach mit dem Ziel, das fra­gi­le Gebil­de Deut­sches Reich zusam­men­zu­hal­ten und es finan­zi­ell unab­hän­gig von den ein­zel­nen Lan­des­fürs­ten zu machen.

Die Wirt­schaft in den Dienst des Gemein­wohls der Nati­on zu stel­len, sagt mit­hin wenig über den Inhalt der uns an die­ser Stel­le aus­schließ­lich inter­es­sie­ren­den Außen­wirt­schafts­po­li­tik aus. Der all­ge­mei­ne Ver­weis auf das natio­na­le Inter­es­se ist eben­falls  nicht  hilf­reich,  da  es  bis auf weni­ge Aus­nah­me­si­tua­tio­nen unbe­stimmt sein dürf­te. Wel­che Aus­rich­tung kon­kret ange­strebt wird, hängt von ver­schie­de­nen Para­me­tern ab.

Erst im Zusam­men­spiel der im Inland ver­füg­ba­ren Fak­to­ren wie Arbeit, Kapi­tal und Wis­sen mit der in der Gesell­schaft bestehen­den Ver­tei­lung von Wert­prä­fe­ren­zen und Macht wird sich her­aus­schä­len, ob als Reak­ti­on auf die im Aus­land wahr­ge­nom­me­nen Her­aus­for­de­run­gen und Mög­lich­kei­ten einer eher frei­händ­le­ri­schen, pro­tek­tio­nis­ti­schen oder gar aut­ar­kis­ti­schen Linie gefolgt wird.

Dies zeigt erneut das Bei­spiel USA. Es ist selbst­ver­ständ­lich naiv, anzu­neh­men, die USA hät­te in den Jahr­zehn­ten vor Trump nicht ihr eige­nes Inter­es­se ver­folgt, son­dern sich in den Dienst des All­ge­mein­wohls der Mensch­heit gestellt. Die USA han­del­ten auch unter Oba­ma stets nur, wenn es ihrem eige­nen geo­po­li­ti­schen oder öko­no­mi­schen Vor­teil diente.

Das, was sich mit der Wahl Trumps zum  Prä­si­den­ten änder­te, war nicht die Ver­fol­gung des natio­na­len Inter­es­ses an sich, son­dern die expli­zi­te Dekla­ra­ti­on und der wirt­schafts­po­li­ti­sche Inhalt der­sel­ben – ein Inhalt, der sich, wie Micha­el Wies­berg in einem Bei­trag für Sezes­si­on im Netz gezeigt hat, durch­aus auch aus ame­ri­ka­ni­scher Sicht hinterfragenläßt.

Nichts­des­to­we­ni­ger las­sen sich eini­ge Grund­sät­ze fest­le­gen,  durch die die deut­sche Wirt­schafts­po­li­tik wie­der stär­ker in die eige­ne Hand genom­men wer­den kann. Aus­gangs­punkt ist die Macht­fra­ge. Um die Mög­lich­keit des Ein­sat­zes von mili­tä­ri­scher oder wirt­schaft­li­cher Macht durch ande­re Mäch­te gegen Deutsch­land zu begren­zen, bedarf es eige­ner mili­tä­ri­scher und öko­no­mi­scher Stärke.

Vor­aus­set­zung hier­für  ist eine leis­tungs­fä­hi­ge Wirt­schaft. Außen­wirt­schafts­po­li­tisch läuft dies auf eine mode­ra­te Vari­an­te von Offen­heit hin­aus, die einen wesent­li­chen Bei- trag dazu leis­tet, einen Staat oder eine Nati­on mit den Mit­teln aus­zu­stat­ten, um im Außen­ver­hält­nis Macht aus­üben zu kön­nen. Daß dadurch die Frik­tio­nen des Über­gan­ges gering gehal­ten wer­den, ist ein nütz­li­ches Neben­pro­dukt. Dies ist aller­dings nur als Grund­aus­rich­tung zu ver­ste­hen und darf nicht mit einer dog­ma­ti­schen Posi­ti­on ver­wech­selt wer­den. Bestim­mend bleibt das Ziel der wirt­schafts­po­li­ti­schen Selbst­be­stim­mung. Dabei ist fol­gen­des zu beachten:

Um die Sou­ve­rä­ni­tät der Han­dels­po­li­tik zu gewähr­leis­ten, sind bila­te­ral aus­ge­han­del­te Han­dels­ab­kom­men als recht­li­che Grund­la­ge mul­ti­la­te­ra­len Ver­ein­ba­run­gen vor­zu­zie­hen. Rezi­pro­zi­tät geht dabei der Meist­be­güns­ti­gung vor. Inves­ti­ti­ons­schutz­klau­seln, die pri­va­te Schieds­ge­rich­te vor­se­hen, vor denen pri­vat­wirt­schaft­li­che Akteu­re die Ver­trags­staa­ten ver­kla­gen kön­nen, sind abzulehnen.

Die Tat­sa­che, daß der Ban­ken­sek­tor eine der am strengs­ten regu­lier­ten Bran­chen ist, soll­te nicht davon abhal­ten, über die Ein­füh­rung von Kapi­tal­kon­trol­len nach­zu­den­ken. Sol­che kön­nen bei der öko­no­mi­schen wie poli­ti­schen Sta­bi­li­sie­rung nütz­lich und für den Staat ein wich­ti­ges Mit­tel zur Selbst­be­haup­tung aus macht­po­li­ti­schen Gesichts­punk­ten sein. Trotz der rück­läu­fi­gen Bedeu­tung natür­li­cher Res­sour­cen für das Macht­po­ten­ti­al eines Staa­tes ver­blei­ben eini­ge  öko­no­mi­sche  Berei­che, bei denen ein inhä­ren­tes Risi­ko besteht, sich in Abhän­gig­keit frem­der Mäch­te zu bege­ben. Die­se Berei­che gilt es der stän­di­gen Kon­trol­le des Staa­tes zu unter­wer­fen. Der Beschluß der letz­ten Bun­des­re­gie­rung, in Zu- kunft Fir­men­über­nah­men zu ver­bie­ten, wenn soge­nann­te »kri­ti­sche Infra­struk­tu­ren« in Gefahr sind, kann nur der ers­te Schritt in die rich­ti­ge Rich­tung sein.

Zu guter letzt: In einer Zeit, in der Groß­mäch­te wie  USA, Ruß­land oder Chi­na die wesent­li­chen Akteu­re auf der poli­ti­schen Büh­ne sind,  führt das Auf­wer­fen der Macht­fra­ge fast zwangs­läu­fig zu  der  Erkennt­nis, daß die Bezug­nah­me auf das Eige­ne um eine euro­päi­sche Per­spek­ti­ve erwei­tert wer­den muß. 

Die schlech­ten Erfah­run­gen mit der EU soll­ten nicht davor abschre­cken. Die inzwi­schen ver­ges­se­ne Welt­reichs­leh­re, die unter­schied­li­chen Mit­tel­eu­ro­pa-Ideen oder die ver­schie­de­nen Vari­an­ten des Groß­raum­ge­dan­kens kön­nen als kon­zep­tio­nel­le Vor­läu­fer die­nen, die selbst­ver­ständ­lich einer zeit­ge­mä­ßen Adap­ti­on bedürfen.

Aus wirt­schaft­li­cher Per­spek­ti­ve ist das Den­ken in euro­päi­schen Dimen­sio­nen die ein­zi­ge Mög­lich­keit, die Balan­ce zwi­schen der aus Sicht der Nati­on poli­tisch not­wen­di­gen Ver­or­tung des Wirt­schafts­le­bens und einer leis­tungs­fä­hi­gen, aber den­noch zu einem rela­tiv gerin­gen Grad auf Ex-und Impor­te ange­wie­se­nen Wirt­schaft zu schaf­fen. Bei der Rea­li­sie­rung eines deut­schen öko­no­mi­schen Natio­na­lis­mus führt heut­zu­ta­ge kein Weg an des­sen Ein­bet­tung in die grö­ße­re Ein­heit Euro­pa vorbei.

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