Kulturscheide

PDF der Druckfassung aus Sezession 83/April 2018

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

Der zeit­ge­nös­si­sche Leser ist in den meis­ten Fäl­len eine Lese­rin. Das schlägt im Buch­han­del deut­lich, im Zeit­schrif­ten­ver­kauf über­deut­lich durch. Man den­ke an all die Blät­ter und Blätt­chen, die Bri­git­te, Emma usw. hei­ßen! Sie haben kei­ne Mar­co oder Ben­ny beti­tel­ten Pen­dants. Was uns das sagt? Sind die Män­ner das eigent­lich »ande­re Geschlecht«?
Gibt es da kein Grup­pen­den­ken, wol­len die Her­ren nicht up to date und ein­ge­mein­det sein? Scheint so! Das uralte Main­stream – Schlacht­schiff Bri­git­te jeden­falls hat der­zeit eine Auf­la­ge von knapp 400000 Stück (zur Jahr­tau­send­wen­de war es knapp eine Mil­li­on), die kämp­fe­ri­sche Emma läßt nicht mehr offi­zi­ell zäh­len, seit sie 2007 unter die 45000-Mar­ke gerutscht ist.

Es erschei­nen in Deutsch­land – Gemein­de­brie­fe mal außen vor gelas­sen – regel­mä­ßig Hun­der­te christ­li­che Zei­tun­gen und Zeit­schrif­ten. Darf man da von »Ent­christ­li­chung« reden? In der Sum­me sind es zig Mil­lio­nen »christ­li­che« Druckerzeug­nis­se, die jähr­lich an den Leser gehen.
Dar­un­ter sind pos­sier­li­che Spar­ten­blät­ter wie Christ und Sozia­list (Auf­la­ge: 500),Teens erle­ben Chris­tus (1800) und Instan­zen wie das Deut­sche Pfar­rer­blatt (immer­hin 20000).

Die christ­li­che Frau­en­zeit­schrift Frau und Mut­ter prunkt mit einer Auf­la­ge von 534000 Stück. Sie erscheint seit 1909. Zunächst hieß das Blatt Die Mut­ter ab den drei­ßi­ger Jah­ren Frau und Mut­ter. In den acht­zi­ger Jah­ren ver­klei­ner­te man den müt­ter­li­chen Aspekt: Frau und Mut­ter hieß es nun: »Damit soll­te ein Akzent gesetzt wer­den in der Dis­kus­si­on um die gleich­be­rech­tig­te Teil­ha­be von Frau­en in Kir­che und Gesell­schaft.« Es konn­te nicht aus­blei­ben, daß in der Fol­ge auch die Frau zur frau ver­klei­nert wur­de. Das öko­no­misch gestreßt wir­ken­de frau u. mut­ter, sie­he neben­an, Aus­ga­be 1998, Frau mit UV-Schutz-Hut und Ersatz­kat­ze auf Plas­tik­stuhl vor Plas­tik­la­mel­len, pfleg­te man nur kurz.

Nun, wor­um han­delt es sich bei die­sem weit­ver­brei­te­ten Druckerzeug­nis, das den­noch unter­halb der Wahr­neh­mung des öffent­li­chen Radars segelt?
frau und mut­ter ist die Mit­glie­der­zeit­schrift des kfd, aus­ge­schrie­ben: Katho­li­sche  Frau­en­ge­mein­schaft  Deutsch­lands. Jedes ein­zel­ne Wort ist purer Ana­chro­nis­mus: Katho­lisch! Frau­en­ge­mein­schaft! Deutsch­land! Das klingt nach einem Kampf­bünd­nis, nach Ansage.

Viel­leicht war es das, anno­da­zu­mal. Wie hieß es in der Aus­ga­be Janu­ar 1913? »Und vor allem, christ­li­che Mut­ter, ver­giß doch nie, daß dir dei­ne Kin­der und dein eige­nes Leben anver­traut sind für die Ewig­keit. Für die gro­ße Ewig­keit gilt es zu schaf­fen, zu arbei­ten, zu stre­ben, zu beten: für die gro­ße Ewig­keit dei­ne Kin­der zu erzie­hen, dort erst ist das Ziel unse­res gan­zen Seins.«

Betrach­ten wir das Titel­bild der Zeit­schrift (Maga­zin sag­te man damals noch nicht – aus nahe­lie­gen­den Grün­den) vom März 1931. Das Edi­to­ri­al (sag­te man damals auch nicht: »Magd des  Herrn«  als  Über­schrift  muß­te  genü­gen) wird  geprägt  von  einer  spät­mit­tel­al­ter­li­chen Ver­kün­di­gungs­sze­ne aus der hohen Kunst. Wir lesen: »Kürz­lich sag­te mir eine Ster­ben­de: Sagen Sie den Frau­en, so oft Sie nur kön­nen, es gibt kein grö­ße­res Frau­en­wort als die­ses: ›Ich bin die Magd des Herrn‹, es gibt nichts Herr­li­che­res und Beglü­cken­de­res als – Magd des Herrn zu sein, d.h., sich selbst ver­ges­sen und die­nen dür- fen dort, wohin Gott sie stellt.«

Das sei wich­tig in einer Zeit, »wo Frau­en so viel Gere­de und Getue machen, wo alles auf äuße­re Wir­kung berech­net ist und es steckt nur so wenig dahin­ter! […] Die Frau­en, die in den ›Illus­trier­ten‹ vor­ge­stellt wer­den, sind nicht die wert­volls­ten. Im Gegen­teil, die wert­volls­ten sind die­je­ni­gen, von denen man am wenigs­ten spricht.« 1939 – da zähl­te man knapp eine Mil­li­on Lese­rin­nen! – wur­de die Zei­tung von den Natio­nal­so­zia­lis­ten ver­bo­ten, erst 1948 erschien sie wie­der, offen­kun­dig ungebrochen.

Der Titel der Febru­ar­aus­ga­be 1949 bil­det einen Holz­schnitt ab: Eine dörf­li­che Land­schaft, ein Pfad führt in eine strah­len­de Zukunft, und das Leuch­ten geht vom Weg­kreuz – Maria mit dem Kin­de – aus. Noch bis in die frü­hen sech­zi­ger Jah­re wur­den die­se Bild­spra­che und der Fokus auf das geis­ti­ge Leben bei­be­hal­ten. Zur Mit­te  jenes  Jahr­zehnts,  das  grund­stür­zen­de Zwei­te  Vati­ka­ni­sche  Kon­zil  war  viru­lent,  erfolg­te dann ein Bruch in Stil und Inhalt, eine ech­te kul­tu­rel­le Weg­schei­de: Die eigen­tüm­li­che katho­li­sche Nach­kriegs­äs­the­tik, die nun Altä­re, Medail­lons, Kru­zi­fi­xe und Pla­ka­te prä­gen soll­te, nahm hier ihren Anfang: Die Hei­li­gen und ihre Umge­bung wer­den in gro­tes­kem Expres­sio­nis­mus ver­zerrt, aus­ge­dünnt; eine hage­re, puri­ta­ni­sche Bild­spra­che entsteht.
Chris­tus und sei­nen Jün­gern ist jeder iko­ni­sche Cha­rak­ter ver­lo­ren­ge­gan­gen, sie sind nun zu ver­wech­seln mit den fern­seh­be­kann­ten Armen aus der Sahel­zo­ne. Und ohne­hin fin­det sich fort­an eher der Mensch, wie er leibt und lebt, oder ein welt­li­ches Sym­bol­bild (Frau­en lie­ben Pflan­zen!) auf dem Titel.

Aus­ga­be 1/1984 zeigt vier Frau­en bei der Selbst­ver­wirk­li­chung: In drei Fäl­len wirkt die­ses neu pro­kla­mier­te Frau­en­le­ben sehr anstren­gend (muß­ten Frau­en tat­säch­lich ein­mal sol­che Kra­wat­ten tra­gen?), allein die Blon­de mit dem Bob­schnitt in der Bou­tique hat gut lachen. Etwas spä­ter, so brüs­ten sich die Zei­tungs­ma­cher, kamen  erst­mals  auch  ost­deut­sche  Frau­en  in Berüh­rung mit »einer frei­en Pres­se«. Das hieß zu die­sem Wen­de­zeit­punkt: Nun ging es nicht mehr  wie  Jahr­zehn­te  zuvor  dar­um,  per  chris­tum »in eine hal­be Mil­li­on Müt­ter­her­zen Trost und Licht und Mut und Ver­trau­en« zu brin­gen; es ging nun: um femi­nis­ti­sche Theo­lo­gie, frau­en­ge­rech­te  Spra­che  und  »Viel­falt  der  Lebens­for­men«. Der Unter­ti­tel lau­tet nicht mehr »Monats­schrift für die katho­li­sche Frau in Fami­lie und Beruf«, son­dern in nichts­sa­gen­der Schick­heit und schnö­dem Dop­pel­sinn »Men­schen Leben Vielfalt«.

Für gewöhn­lich domi­nie­ren heu­te sol­che The­men: »Neue Lie­be im Alter«, Frau­en in Män­ner­be­ru­fen (wo sie, logo, »dop­pelt so gut wie Män­ner sein müs­sen«), Tanz­pro­jek­te zwecks Inte­gra­ti­on von Roma, eine tol­le Künst­le­rin, die See­len zeich­net und Eva keck mit Ziga­ret­te darstellt.
Die neu­es­te Aus­ga­be hat das Pho­to einer kei­men­den Pflan­ze als Titel. Das ist frei­lich mehr­deu­tig im Ver­gleich zur über­kom­me­nen »Magd des Herrn«. Man darf »es keimt« (was auch eklig sein kann) asso­zi­ie­ren, oder »Früh­ling – wie jedes Jahr« oder »so herr­lich  grün«,  was  zur  poli­ti­schen  Aus­rich­tung des Blat­tes pas­sen dürf­te. Die Titel­the­men lau­ten »#metoo« und »Wenn der Part­ner dement wird«.

Ers­te­res dürf­te zur ange­streb­ten, letz­te­res zur tat­säch­li­chen Leser­schaft pas­sen. Die kfd ver­steht sich heu­te als Ver­band, »in dem Frau­en Viel­falt erle­ben, u.a. durch Kon­tak­te und Begeg­nun­gen mit Frau­en ande­rer Kon­fes­sio­nen und Kul­tu­ren«. Man enga­giert sich aus­weis­lich »für gewalt­freie und nach­hal­ti­ge Lebens- und Arbeits­be­din­gun­gen in der Einen Welt«, zu Fra­gen des Kli­ma­schut­zes, des fai­ren Han­dels, der Flücht­lings­the­ma­tik und, Ach­tung, man »för­dert das Mit­ein­an­der der Web­site.« Was nicht Nichts ist! Ach frau. Him­mel, hilf!

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

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