Schönes
Als Kind liebte ich Märchen – ich bekam sie allerdings nicht vorgelesen (mein Vater erzählte uns Kindern lieber selbst ausgedachte Geschichten), sondern las sie immer wieder selber: zwei dicke Bände, einmal Grimm, einmal Andersen.
An Hauff und Bechstein kam ich nicht so richtig ran, aber nun: Auf diesen schönen Sammelband stieß ich, als ich für die Liste der empfohlenen Bücher aus Kositzas und Sommerfelds Vorlesen recherchierte und war sofort angetan.
Vier schön gestaltete, gebundene Bände im stabilen Schuber (Reclams Märchenschatz, gebunden, insgesamt 1696 Seiten,34 €). Enthalten sind sämtliche Märchen von Wilhelm Hauff, eine Auswahl der Märchen der Gebrüder Grimm, sämtliche Märchen und Geschichten von Hans Christian Andersen und eben das von Kositza und Sommerfeld empfohlene Deutsche Märchenbuch von Ludwig Bechstein, das ansonsten vergriffen und nun in dieser Ausgabe wieder erhältlich ist.
Wessen Bibliothek noch keine Märchen aufweist oder wer zu Weihnachten Kinder zu beschenken hat, ist mit dieser Auswahl gut beraten!
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Gutes
Mit dem Roman Die Welt ist im Kopf über Schopenhauer und seine Philosophie und Zeit feierte Christoph Poschenrieder seinen Einstand in der deutschen Literaturwelt und ist seitdem recht fleißig und mal mehr, mal weniger lesenswert.
Nun also Der unsichtbare Roman (gebunden, 24 €, 272 Seiten): Gustav Meyrink, stets recht knapp bei Kasse, wird 1918 vom Auswärtigen Amt in Berlin gebeten, sehr rasch einen Roman zu produzieren, in dem die Kriegsschuld am Ersten Weltkrieg eindeutig und logisch den Freimaurern zugeschoben wird. Für den dem okkulten ohnehin zugetanen Meyrink ein Kinderspiel – denkt er. Doch dann ereilt ihn die schlimmste Schreibblockade seines Lebens…
Es klingt herrrlich skurril, und bestimmt ausgedacht? Von wegen! Und so nimmt ein dieser Roman mit ins Leben des Schriftstellers, Yogis und Satirikers Meyrink mit nach Prag, Berlin und in die in den Kriegszeiten seltsam idyllische Villa am Starnberger See.
Poschenrieder gelingt es, Realität und Fiktion aufs amüsanteste zu vermischen, und wenn sein Meyrink seine eigene Bredouille launig kommentiert (»Nun ja – die Realität ist entweder grässlich oder langweilig oder beides, jedenfalls nichts für einen intelligenten Menschen.«) macht es umso mehr Vergnügen, dieses Buch zu lesen!
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Wahres
Kein Buch, sondern ein Kalender ist diesmal mein Wahres: Nicht jedes Jahr, aber doch immer mal wieder schenke ich mir selber den Abreißkalender Mit deutschen Gedichten durch das Jahr (12,99 €, 365 Blatt). Für jeden Tag im Jahr gibt es ein Gedicht – manche der Blätter landen sogleich im Altpapier, aber etliche hängen auch heute noch an meiner Pinnwand und wurden auswendig gelernt.
Es sind nämlich nicht nur die Klassiker vertreten, sondern auch unbekannte, vergessene deutsche Dichter dabei, wie zum Beispiel dieses Gedicht vom Kalenderblatt 7. Februar 2017:
Von den Sternen will ich lernen,
Die am Winterhimmel stehn,
Die im Nahen und im Fernen
Friedlich umeinander gehn;
Wie sie kommen, wie sie kreisen,
Nie getrennt und nie vereint,
Wie ihr Weg in festen Gleisen
Ewig vorgezeichnet scheint.
Verfasst von Franz von Dingelstedt, nie vorher gehört, den Namen, aber doch fand sich seitdem dieses Gedicht auf so manche Karte zum Fest oder Neujahr wieder.
Maiordomus
zu Franz von Dingelstedt: Das Gedicht erschien zu einer Zeit, da auf Anregung von Schelling, der damals noch lebte, die auf 8 Bände geplante, insgesamt neunbändige meist lateinische Gesamtausgabe der Werke von Johannes Kepler allmählich zu erscheinen begann. Der pantheistische Glaube an die Weltharmonie wuchs sich damals allmählich zu einer Ersatzreligion aus. "Kommet her zur Physik und erkennet das Ewige" (Schelling), lautete die Losung. Immerhin nicht gerade eine Werbung für Schuleschwänzen durch "Klimastreik".