Hollywood muß sterben, damit wir leben können.
Der Beruf des Komiker hat meist wenig Heldenhaftes – in der Regel lebt ein solcher auf die Kosten anderer Leute, und zwar indem er sich über sie lustig macht. Auch hat sein Ruhm – falls er sich unter seinen wild verbalfäkalisierenden Kollegen einen Namen machen kann – eine sehr geringe Halbwertszeit, sofern er nicht zu den wenigen Menschen gehört, die einfach wirklich lustig sind.
Behält man diese Punkte im Hinterkopf, so ist es wenig verwunderlich, daß sich meine heutige Laudatio nicht der Witzigkeit, wohl aber der Vorwitzigkeit des Besprochenen widmet. Denn unter allen Arten des Lächelns ist wohl jenes des eingefrorenen Ungemachs, wie es sich vor wenigen Tagen auf dem Gesicht des Schauspielers Tom Hanks wiederfand, dasjenige, welches beim Verursacher die größte Genugtuung hervorrufen wird; vorausgesetzt er hat es genau darauf angelegt.
Am 5. Januar hielt der britische Komiker Ricky Gervais als Gastgeber die Eröffnungsrede der 77. Golden Globe Awards. Für Gervais war es, wie er gleich zu Beginn feststellte, das fünfte und letzte Mal, daß er diese Rolle einnehmen würde. Was folgte, das wäre unter normalen Umständen wohl relativ unangenehm anzuschauen gewesen – kaum etwas ist lauter als die peinliche Stille in der absichtlich gesetzten Kunstpause nach einem schlechten Witz.
In diesem speziellen Fall allerdings konnte es kaum etwas Köstlicheres geben, handelte es sich bei den Adressaten doch um das “Who is Who” der amerikanischen Unterhaltungsindustrie: “Laßt uns ein wenig Spaß auf Eure Kosten haben”, kündigte der Brite der versammelten Schauspielerschaft an, ein Versprechen, dem er gerecht werden sollte.
Bei seiner anschließenden Rede geht er keineswegs zimperlich vor: Regelrecht ungeschlacht zieht er die immer größer werdenden schmutzigen Flecken der einstigen “Traumfabrik” Hollywood ins Licht der Spot-Scheinwerfer. Bereits jetzt zur Netzlegende geworden ist zum Beispiel ein Abschnitt seiner Rede, in welchem er vom Hauptcharakter einer Serie berichtet: “Es gibt eine Fortsetzung, am Ende hat er sich also offensichtlich nicht umgebracht. Genau wie Jeffrey Epstein. (empörtes Raunen im Saal) Seid ruhig! Ich weiß, daß er Euer Freund ist, aber es ist mir egal!”
Mehr als einmal kehrt er zu den im Raum stehenden Vorwürfen des Kindesmißbrauchs und Pädophilie zurück, denen sich Mitglieder der “High Society” in immer kürzer werdenden Abständen ausgesetzt sehen, ein Thema, das die meisten der prominenten Gäste offensichtlich lieber verdrängt hätten. Schnell wird klar: Gervais führt sein Publikum vor, und zwar nicht etwa auf jene subtile Art und Weise, die ihm im nachhinein noch als köstliche Eulenspiegelei ausgelegt werden könnte.
Fulminant ist das Finale seiner Ansprache: Nachdem er mehr oder weniger ernsthaft beklagt hat, daß das Phänomen Hollywood im Sterben liege, weil inzwischen kaum noch jemand ins Kino gehe und die meisten Zuschauer inzwischen auf Streamingdienste zurückgreifen würden, ändert sich der Stil seiner Rede von einer Sekunde auf die andere.
Mit Verweis auf die Globalisierungsvorreiter Apple, Amazon und Disney richtet er sich direkt an die anwesenden Schauspieler: “Nun, Ihr behauptet zwar Ihr wäret couragiert (“woke”), aber die Firmen für die Ihr arbeitet… Unglaublich! Ich meine: Apple, Amazon, Disney… Wenn der IS eine Streamingplattform eröffnen würde, würdet Ihr Euren Agenten anrufen, oder nicht?”
Während einige verhaltene Lacher durch den Saal gehen fährt Gervais fort: “Also, wenn Ihr heute abend einen Preis gewinnt, nutzt ihn nicht als Plattform für eine politische Ansprache. Ihr seid in keiner Position die Öffentlichkeit über irgendetwas zu belehren. Ihr wißt nichts über die echte Welt, die meisten von Euch haben weniger Zeit in der Schule verbracht als Greta Thunberg. Also: Wenn Ihr gewinnt, kommt auf die Bühne, nehmt Euren kleinen Preis, bedankt Euch bei Eurem Agenten und Eurem Gott und verpißt Euch. Okay?”
RMH
"Netzlegende"
aka 15 minutes of fame …
"britische Komiker" …
Wenn es der britische Humor schafft, die Gürtellinie zu überschreiten und dann die Zone der Goose-Step, Hitlerbärtchen und SS-Ledermantel-Parodie zu verlassen, also in seiner 1- max 5%igen Restregion angekommen ist, dann liefert er echte Sternstunden ab, an die in Europa meiner Meinung nach fast keiner heran kommt. Hoffen wir, dass mit dem Brexit auch diese britische "brilliance" wieder erstarkt - so etwas importiert man dann gerne.
" … kehrt er zu den im Raum stehenden Vorwürfen des Kindesmißbrauchs und Pädophilie zurück, denen sich Mitglieder der “High Society” in immer kürzer werdenden Abständen ausgesetzt sehen,"
Damit sollte man in der Tat auch sehr vorsichtig umgehen und keine Vorwurfs-Inflation aufkommen lassen, in deren Flut die wahren Täter dann ihrem Ungemach unerkannt weiter frönen können. Der Missbrauchsvorwurf ist der Giftmord der heutigen Zeit. Wer kann schon wissen, was ihm so alles en passant auf seine Speichermedien geschmuggelt wird?
Wie auch immer, der letzte Satz
"nehmt Euren kleinen Preis, bedankt Euch bei Eurem Agenten und Eurem Gott und verpißt Euch"
ist wahrhaft remarkable, da angesichts der Selbstgefälligkeit und Heuchelei der Branche deren Selbstbeweihräucherungsveranstaltungen zu meiden wie die Pest sind (konnte es noch nie verstehen, wie hierzulande Leute sich doch tatsächlich die Oscar Verleihung im TV angesehen haben). Das verdient einen eigenen Artikel, auch wenn es nicht heldenhaft ist, als "Komiker" nur seinen job zu machen. Aber in der heutigen Zeit …