Europäischer Bürgerkrieg, zweiter Dreißigjähriger Krieg

von Stefan Scheil
PDF der Druckfassung aus Sezession 86/Oktober 2018

»Deutsch­land befin­det sich prak­tisch seit 1914, also seit 26 Jah­ren, im Kriegs­zu­stand zur Ver­tei­di­gung sei­ner Unab­hän­gig­keit.« Das mel­de­te am 11. Mai 1940 der deut­sche Mili­tär­at­ta­ché Fried­rich von Boet­ti­cher als pro­mi­nen­te Mei­nungs­äu­ße­rung aus Washington.

Als all­ge­mei­ne Washing­to­ner Auf­fas­sung habe ihm das der maß­ge­ben­de Offi­zier für die poli­ti­sche Urteils­bil­dung des dor­ti­gen Kriegs­mi­nis­te­ri­ums mit­ge­teilt. Ja, es sei sogar all­ge­mei­ne Washing­to­ner Auf­fas­sung. Im US-Gene­ral­stab ver­fol­ge man »mit war­mem Ver­ste­hen gemein­sam mit mir die vor­lie­gen­den Nachrichten«.

Gemeint waren hier­mit die Mel­dun­gen über die am Vor­tag begon­ne­ne deut­sche West­of­fen­si­ve. Für die kom­men­de Ent­schei­dungs­fin­dung der Roo­se­velt-Admi­nis­tra­ti­on durf­te also ein klein wenig Opti­mis­mus ange­bracht sein. Jedoch: Für sol­che Zuver­sicht gab es, im Nach­hin­ein betrach­tet, wenig Anlaß.

Wech­sel­sei­ti­ge Abnei­gung und ein deutsch-ame­ri­ka­ni­scher Gegen­satz datier­ten schon aus der Zeit von vor 1914. Bis hin­auf zum deut­schen Kai­ser ver­brei­te­te sich schließ­lich der Ein­druck, der lau­fen­de Krieg sei ohne­hin nur die ers­te Run­de im Kampf gegen den ang­lo-ame­ri­ka­ni­schen »Welt­trust«, wie Groß­ad­mi­ral Tirpitz den Feind nannte.

Den bereits bestehen­den gesamt­deut­schen Ein­fluß­raum gegen die­sen Trust und zugleich gegen den von Ruß­land aus­ge­hen­den Pan­sla­wis­mus zu behaup­ten, lag den deut­schen Mit­tel­eu­ro­pa­plä­nen, die wäh­rend des Krie­ges for­mu­liert wur­den, als letzt­lich pas­si­ves Ziel zu Grun­de, wäh­rend es den lang­fris­ti­gen US Pla­nun­gen eigen­tüm­lich war, eben dies ver­hin­dern zu wol­len, den eige­nen Griff nach Euro­pa aber als Ver­tei­di­gungs­schritt zu verstehen.

Als die gewalt­sa­me Aus­ein­an­der­set­zung 1945 schließ­lich zu Ende war, nann­te der bri­ti­sche Kriegs­pre­mier Win­s­ton Chur­chill die Peri­ode zwi­schen 1914 und 1945 dann tat­säch­lich einen »zwei­ten Drei­ßig­jäh­ri­gen Krieg«. Er tat dies an pro­mi­nen­ter Stel­le, näm­lich in der Ein­lei­tung sei­ner zwölf­bän­di­gen Geschich­te eben die­ses Krie­ges, für die er unter ande­rem 1953 mit dem Lite­ra­tur­no­bel­preis aus­ge­zeich­net wurde.

Das Motiv für die­se Äuße­rung ist kein Geheim­nis. Für Chur­chill stand fest, daß die deut­sche Fra­ge und die poli­ti­schen Optio­nen des deut­schen Vol­kes das zen­tra­le Pro­blem der Welt­po­li­tik sei­en. Die­se Auf­fas­sung war für ihn Zeit sei­nes (an eben die­ser Stel­le auch als drei­ßig­jäh­rig her­vor­ge­ho­be­nen) Poli­tikerle­bens selbstverständlich.

Und für die­se Ansich­ten gab es in der Tat objek­ti­ve Grün­de. Um das Jahr 1900 bestand immer noch die Mög­lich­keit einer Ver­ei­ni­gung aller Deut­schen in einem Staat, wie er in Ansät­zen bereits 1848/49 im Frank­fur­ter Pauls­kir­chen­par­la­ment skiz­ziert wor­den war.

»Groß­deutsch­land« reich­te dabei erheb­lich über den Deut­schen Bund hin­aus, schon damals Anlaß für Beden­ken in Lon­don und St. Peters­burg. Soll­ten sich aber Klein­deutsch­land und Öster­reich-Ungarn unter den inzwi­schen ein­ge­tre­te­nen Umstän­den des indus­tri­el­len und bevöl­ke­rungs­mä­ßi­gen Wachs­tums eng zu einem Block zusam­men­schlie­ßen oder sich gar for­mal ver­ei­ni­gen, dann wür­de man Mit­te des 20. Jahr­hun­derts eine neue Welt­macht mit zwei­hun­dert Mil­lio­nen Ein­woh­nern vor der bri­ti­schen Haus­tür haben.

Deren Gren­zen wür­den ganz selbst­ver­ständ­lich und ohne jeden Erobe­rungs­feld­zug von Flens­burg bis kurz vor Buka­rest und von Aachen bis ins heu­te ukrai­ni­sche Lem­berg rei­chen. Even­tu­ell wür­de das Ter­ri­to­ri­um dann zudem noch abge­run­det werden.

Die­se Aus­sich­ten bil­de­ten ein extre­mes Sze­na­rio, völ­lig unrea­lis­tisch waren sie jedoch nicht. »Ger­ma­ny in 1950« lau­te­te die ent­spre­chen­de Hor­ror­vi­si­on, die um 1909 her­um auch bild­lich auf Flug­blät­tern prä­sen­tiert wur­de. Chur­chill nahm eines davon zu sei­nen per­sön­li­chen Papieren.

Die­ses Sze­na­rio galt es aus bri­ti­scher Sicht zu ver­hin­dern. Grund­sätz­li­che Erwä­gun­gen geo­po­li­ti­scher Art zähl­ten hier­bei, was aber nicht nur im Wes­ten der Fall war. Einer ähn­li­chen Mei­nung gab der rus­si­sche Zar Alex­an­der III. Aus­druck, als er den Abschluß des fran­zö­sisch-rus­si­schen Ver­trags 1892 mit den Wor­ten kom­men­tier­te, es sei »ein Abkom­men zur Erobe­rung Deutsch­lands und sei­ner Auf­tei­lung in Kleinstaaten«.

In St. Peters­burg reu­te es vie­le, gegen die klein­deut­sche Eini­gung von 1871 nicht sofort Ein­spruch erho­ben zu haben. Nun sah man sich statt dem tra­di­tio­nell zu einer Satel­li­ten­rol­le ver­damm­ten Preu­ßen einem deut­schen Staat gegen­über, der auf eine aus rus­si­scher Sicht schwer erträg­li­che Augen­hö­he wert legte.

Daher ruh­ten der rus­si­sche Bund mit Frank­reich und der vor 1914 jah­re­lang gemein­sam vor­be­rei­te­te Angriff auf Deutsch­land auf einer schein­bar soli­den Inter­es­sen­grund­la­ge. Man hielt den Krieg gegen Mit­tel­eu­ro­pa gegen­über einer wei­te­ren Ent­fal­tung des dor­ti­gen deut­schen Daseins für die bes­se­re Option.

Ande­rer­seits gelang es der deut­schen Poli­tik nicht, in wich­ti­gen frem­den Staa­ten Ver­ständ­nis für die eige­ne Situa­ti­on zu ent­wi­ckeln oder sie gar von der Nütz­lich­keit eines deut­schen Mit­tel­eu­ro­pa zu über­zeu­gen. So reich­te sich schließ­lich der Klub der Welt­mäch­te die Hand.

In die­sem Sinn stuf­te Lud­wig Dehio im Jahr 1948 die Din­ge ein, wegen sei­ner jüdi­schen Her­kunft vor 1945 ver­folgt, dann bald zu einem der wich­tigs­ten deut­schen Nach­kriegs­his­to­ri­ker auf­ge­stie­gen. Auf der Ebe­ne staat­li­cher Macht und ihrer grund­sätz­li­chen Ent­wick­lungs­li­ni­en ist das Ergeb­nis inso­fern recht eindeutig.

Die dama­li­gen »Gro­ßen Drei« woll­ten Deutsch­land als poten­ti­el­len Kon­kur­ren­ten aus­schal­ten. Sie brauch­ten letzt­lich drei­ßig Jah­re dafür. Doch ent­hal­ten »drei­ßig­jäh­ri­ge Krie­ge«, die der His­to­ri­ker mit dem Wis­sen des Nach­ge­bo­re­nen als abge­schlos­se­ne Peri­ode skiz­ziert, immer auch etli­che ande­re Aspekte.

Der ers­te drei­ßig­jäh­ri­ge Krieg von 1618 bis 1648 stell­te zwar eben­falls einen Ver­such dar, Deutsch­land auf neue Wei­se auf­zu­tei­len. Über­haupt wur­de jüngst von recht pro­mi­nen­ter Sei­te durch den in Cam­bridge leh­ren­den His­to­ri­ker Brendan Simms der Versuch unter­nom­men, gleich die gan­ze Geschich­te der Neu­zeit als einen unent­weg­ten Kampf um Deutsch­land darzustellen.

Aber die Jah­re 1618 bis 1648 lie­ßen sich eben­so als Reli­gi­ons­krieg ver­ste­hen, also als Streit auf einer Ebe­ne, die im säku­la­ri­sier­ten Euro­pa inzwi­schen von den Ideo­lo­gien ein­ge­nom­men wur­de. So ist denn für die­se Aspek­te des Zeit­raums von 1914 bis 1945 der Begriff des »Welt­bür­ger­kriegs« vor­ge­schla­gen worden.

Dafür gibt es eben­falls nach­voll­zieh­ba­re Grün­de. Die Front­li­ni­en beweg­ten sich in die­ser Zeit nicht nur ent­lang staat­li­cher Lini­en, son­dern grenz­ten die poli­ti­schen Über­zeu­gun­gen ver­schie­de­ner inner­staat­li­cher Lager in den betei­lig­ten Mäch­ten bür­ger­kriegs­ar­tig von­ein­an­der ab.

Vie­le Staa­ten mach­ten revo­lu­tio­nä­re wie gegen­re­vo­lu­tio­nä­re Pro­zes­se durch. Unter die­sen Bedin­gun­gen ver­schwam­men auch die – ehr­li­chen –Ant­wor­ten dar­auf, wel­cher Staat denn nun poli­tisch den Krieg tat­säch­lich gewollt habe.

Der Bri­te A.J.P. Tay­lor, in den 30er Jah­ren Akti­vist der poli­ti­schen Lin­ken, mach­te sich bei­spiels­wei­se in den 1960er Jah­ren einen Namen, als er als ers­ter pro­mi­nen­ter His­to­ri­ker den Nach­weis führ­te, daß die deut­sche Regie­rung den erneu­ten hei­ßen Krieg 1939 nicht ange­strebt hatte.

Ideo­lo­gisch moti­vier­te Erwar­tun­gen und Befürch­tun­gen über das Auf­kom­men neu­er oder den Unter­gang bestehen­der Wel­ten gab es bei allen Kriegs­par­tei­en. Loya­li­tä­ten wur­den in Fra­ge gestellt, was sich in Deutsch­land in wie­der­hol­ten Atten­tats­ver­su­chen auf den Staats­chef äußer­te, aber auch einer beacht­li­chen Zahl an frei­wil­li­gen Kämp­fern für die natio­nal­so­zia­lis­ti­sche Sache.

Der auf Sta­lin­grad vor­rü­cken­den Wehr­macht kamen sowje­ti­sche Zivi­lis­ten in hoher fünf­stel­li­ger Zahl ent­ge­gen, nicht viel weni­ger, als zeit­gleich vor ihr nach Osten flüch­te­ten. In Groß­bri­tan­ni­en wur­den poten­ti­el­le Oppo­si­tio­nel­le jah­re­lang ohne Grund ein­ge­sperrt und mit John Ame­ry zum ersten­mal der Sohn eines amtie­ren­den Minis­ters wegen Hoch­ver­rats ver­ur­teilt und hingerichtet.

Er hat­te sich auf die deut­sche Sei­te geschla­gen und die West­mäch­te von Deutsch­land aus öffent­lich beschul­digt, den Krieg gewollt und ziel­ge­rich­tet aus­ge­dehnt zu haben.

Seit dem Jahr 1917 tra­ten die libe­ral-kapi­ta­lis­ti­schen Sys­te­me des Wes­tens und der Kom­mu­nis­mus der nach der Okto­ber­re­vo­lu­ti­on von 1917 aus­ge­ru­fe­nen Sowjet­uni­on als Kriegs­par­tei­en auf. Die faschistischnationalsozialistischen Staa­ten Euro­pas eta­blier­ten sich spä­ter, als Fol­ge der Aus­ein­an­der­set­zung sowohl mit der eige­nen Unzu­frie­den­heit mit dem »Waf­fen­still­stand« von 1919 als auch mit der kom­mu­nis­ti­schen Bedrohung.

Viel­fach ist der »Welt­bür­ger­krieg« oder »euro­päi­sche Bürgerkrieg«als Aus­ein­an­der­set­zung die­ser, grob zusam­men­ge­faßt, drei ideo­lo­gi­schen Kriegs­par­tei­en bezeich­net wor­den. Über die­se Dis­kus­si­on kann kaum ernst­haft gespro­chen wer­den, ohne Ernst Nol­te zu erwähnen.

Eigent­lich ein pro­mo­vier­ter Phi­lo­soph mit erkennt­nis­theo­re­ti­schen Inter­es­sen, wur­de er 1964 mit einer Arbeit über den Faschis­mus in sei­ner Epo­che als His­to­ri­ker habi­li­tiert und damit sofort zum meist­be­ach­te­ten Autor in die­ser Fra­ge. Die genann­te Epo­che dehn­te er zwar mit Blick auf fran­zö­si­sche Ent­wick­lun­gen auf die Zeit vor 1914 aus, ließ den eigent­li­chen euro­päi­schen Bür­ger­krieg aber erst 1917 begin­nen und 1945 enden, mit der fina­len Nie­der­la­ge des Faschismus.

Daher deck­te der Bür­ger­krieg für Nol­te nicht die gan­zen drei­ßig Jah­re des staat­li­chen Krie­ges ab, und der »Wes­ten« trat dar­in als Kriegs­par­tei auch nicht in zen­tra­ler Posi­ti­on auf. Für Nol­te blie­ben nach Abwä­gung aller Din­ge »Natio­nal­so­zia­lis­mus und Bol­sche­wis­mus« die ent­schei­den­den Kriegsparteien.

Der natio­nal­so­zia­lis­ti­sche Faschis­mus sei dabei, so Nol­te, im wesent­li­chen als Anti­bol­sche­wis­mus auf­zu­fas­sen, der sei­nen Geg­ner fun­da­men­tal bekämp­fe, sei­ne Metho­den dabei mit auf­neh­me, aber den fes­ten Rah­men des natio­na­len Den­kens nie durchbreche.

Das war nicht völ­lig neu, auch Lud­wig Dehio hat­te dem NS-Regime 1948 bei­läu­fig eine mit der Zeit wach­sen­de bol­sche­wis­ti­sche Bei­mi­schung attes­tiert. Nol­tes Beto­nung die­ses Zusam­men­hangs wies dem Bol­sche­wis­mus nun einen Rang als eben­so zeit­li­che wie logi­sche Vor­aus­set­zung des Natio­nal­so­zia­lis­mus zu, mach­te ihn also in gewis­ser Wei­se zu des­sen Ursache.

Nol­te ver­dich­te­te das spä­ter zu dem Begriff des »kau­sa­len Nexus« zwi­schen bei­den. Eher geschichts­phi­lo­so­phisch als empi­risch ori­en­tiert, ent­fal­te­te Nol­te die­se Zusam­men­hän­ge trotz­dem auf eine eigen­tüm­lich detail­lier­te Wei­se. Die natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Metho­den sei­en von dem Ein­druck der sta­li­nis­ti­schen Mas­sen­mor­de in der UdSSR zutiefst beein­flußt gewesen.

Der deut­sche Angriff auf die UdSSR muß­te aus sei­ner Sicht als der größ­te Ver­nich­tungs­krieg aller Zei­ten bezeich­net wer­den, aber er rich­te­te sich eben gegen das bis dahin mör­de­rischs­te Regime aller Zei­ten. Für Nol­te prall­ten hier in ers­ter Linie ideo­lo­gi­sche Gegen­wel­ten auf­ein­an­der, das Kon­kur­renz­spiel der Staa­ten vor­her, nach­her und wäh­rend die­ser Ära erach­te­te er dabei für eher zweitrangig.

Der ideo­lo­gi­sche Zusam­men­hang sei das Ent­schei­den­de gewe­sen, wobei sich an die­ser Stel­le der bei Nol­te etwas blin­de Fleck des »Wes­tens« nega­tiv bemerk­bar machte.

Ein mar­xis­ti­scher Den­ker wie der ita­lie­ni­sche Phi­lo­so­phie­pro­fes­sor Dome­ni­co Losur­do wies in Aus­ein­an­der­set­zung mit Nol­tes Tex­ten darauf hin, daß revo­lu­tio­nä­re Zyklen nebst Krieg und Mas­sen­ver­bre­chen weder eine natio­nal­so­zia­lis­ti­sche noch eine sowje­ti­sche Spe­zia­li­tät sei­en, son­dern sich eben­so im »Wes­ten« fin­den ließen.

Die unter den Kriegs­be­din­gun­gen von der bri­ti­schen Ver­wal­tung her­bei­ge­führ­te »Ben­gal Fami­ne« von 1943 mit ihren etwa drei Mil­lio­nen Todes­op­fern hat­te Vor­läu­fer aus eige­ner Tra­di­ti­on. Nol­te wies aller­dings auch auf Kon­stan­ten des Freund-Feind-Den­kens der gesam­ten Kriegs­ära jen­seits der Ideo­lo­gie hin, etwa den slawischgermanischen Gegensatz.

Josef Sta­lin bemüh­te ihn wie­der­holt, eben­so wie das zaris­ti­sche Ruß­land vor ihm. 1934 sprach er auf dem »Par­tei­tag der Sie­ger«, davon, die Sla­wen wür­den Ber­lin über den Hau­fen ren­nen, wie es einst die Ger­ma­nen mit Rom getan hat­ten. Als zehn Jah­re spä­ter dann die Ein­nah­me von Ber­lin in Sicht kam, ließ er Staats­gäs­te vom Jugo­sla­wen Mil­o­van Dji­las bis zum Fran­zo­sen Charles de Gaul­le wis­sen, die sla­wi­sche Ein­heit sei die Basis einer neu­en Poli­tik, gegen die nie­mand mehr einen Fin­ger rüh­ren könne.

Es gibt sicher kei­nen Weg, den macht­po­li­tisch-natio­nal­staat­lich-eth­ni­schen Zugang zur Geschich­te des zwei­ten drei­ßig­jäh­ri­gen Krie­ges mit der ideo­lo­gie­ge­schicht­li­chen rest­los in Ein­klang zu brin­gen. Ver­bin­dun­gen gibt es aller­dings reich­lich, sie lie­ßen sich hier zahl­los anfüh­ren. Man leb­te viel­fach in bei­den Wel­ten, zugleich dem ideo­lo­gisch auf­ge­la­de­nen Kampf in extrems­ter Form und den jewei­li­gen natio­na­len Tra­di­tio­nen, Zwän­gen und vor­han­de­nen staat­li­chen Mög­lich­kei­ten verpflichtet.

Letz­te­res blieb für alle der ent­schei­den­de »undurch­brech­ba­re Rah­men« ihrer Politik.1945 ende­te die­se Peri­ode. Viel­leicht ist das Bild vom ame­ri­ka­nisch-sowje­ti­schen Hand­schlag bei Tor­gau an der Elbe dann doch das treffendste Sym­bol dafür. Für ande­re inner­eu­ro­päi­sche Kon­flik­te als den bald dar­auf fol­gen­den Kal­ten Krieg zwi­schen USA und UdSSR gab es danach fast kei­nen Spiel­raum mehr.

Als Kampf um die natio­na­le Unab­hän­gig­keit auf Augen­hö­he mit den Welt­mäch­ten hat­te Deutsch­land den Krieg voll­stän­dig ver­lo­ren. Zur Beant­wor­tung der Fra­ge, um was es in die­sem drei­ßig­jäh­ri­gen Krieg gegan­gen sei, ist denn auch der Blick auf die Maß­nah­men erhel­lend, die bei sei­nem Ende getrof­fen wurden.

1648 hat­te der Krieg in all­ge­mei­ner Ermat­tung und einem lang­wie­ri­gen Ver­hand­lungs­pro­zeß geen­det, an dem alle Par­tei­en betei­ligt waren. 1945 gab es kei­ne Ver­hand­lun­gen zwi­schen den Kriegs­geg­nern, der Krieg ende­te auch nicht in Ermat­tung, son­dern in der Ver­nich­tung einer Kriegs­par­tei, die bis zuletzt alle Wider­stands­mög­lich­kei­ten ausschöpfte.

Um alle Optio­nen auf ein deutsch gepräg­tes Mit­tel­eu­ro­pa auch für die Zukunft aus­zu­schlie­ßen, bil­lig­ten die Sie­ger die Aus­trei­bung deut­schen Lebens jen­seits von Oder und Neis­se, Erz­ge­bir­ge und baye­ri­schem Wald. Jün­ge­re For­schun­gen haben gezeigt, daß die Moda­li­tä­ten dabei sehr wohl auch von west­li­cher Sei­te auf eine zah­len­mä­ßi­ge Redu­zie­rung der Aus­ge­sie­del­ten abziel­ten, also eine bewuß­te Mas­sen­tö­tung darstellten.

Um poli­ti­schen Schwie­rig­kei­ten mit den Über­le­ben­den aus dem Weg zu gehen, hat­te das bri­ti­sche Außen­mi­nis­te­ri­um im Som­mer 1944 ohne­hin vor­ge­schla­gen, die Ost­deut­schen samt und son­ders in Rich­tung Sibi­ri­en aus­zu­sie­deln, wo sie abseits der Welt­pres­se mit Zwangs­ar­beit zu beschäf­ti­gen wären. Die Sowjet­uni­on lehn­te ab.

Es folg­ten Din­ge, die unter dem Stich­wort »Umer­zie­hung« auf eine wei­te­re geis­ti­ge Beein­flus­sung der Deut­schen ziel­ten, wozu ins­be­son­de­re die Zuwei­sung ein­sei­ti­ger Ver­ant­wor­tung der Deut­schen für jenen Krieg gehör­te, der ihren Unter­gang gebracht hatte.

Ergän­zend kam die Ver­nich­tung des her­ge­brach­ten und bis dahin für all­ge­mein selbst­ver­ständ­lich erach­te­ten Staats­na­mens, wie es der US-Prä­si­dent im vor­letz­ten Kriegs­jahr ange­kün­digt hat­te. Dies geschah mit beacht­li­chem Erfolg, so daß »Deutsch­land im Jahr 1950« denk­bar weit von den um 1900 skiz­zier­ten Aus­sich­ten ent­fernt stand und die Ver­wen­dung des Begriffs »Reich« auch im Jahr 2018 ein unge­bro­chen beacht­li­ches Skan­da­li­sie­rungs­po­ten­ti­al mit sich bringt.

Der Kampf um die Unab­hän­gig­keit, wie es im Bericht aus Washing­ton von 1940 hieß, ging ver­lo­ren – und eine mög­li­che Zukunft Deutsch­lands mit ihm. Unter den vie­len The­men des Zwei­ten Drei­ßig­jäh­ri­gen Krie­ges läßt sich das wohl alles in allem als das Ent­schei­den­de einstufen.

Der Herbst 1918 lei­te­te vor 100 Jah­ren nur einen Waf­fen­still­stand ein.


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