Sollte es sich so verhalten, könnten sich politische Turbulenzen ergeben, weil die Shutdown-Politik sozialer Eindämmung immense Schäden, mindestens aber nie dagewesene Kosten auslöst, die das wirtschaftliche und gesellschaftliche System enorm beschädigen. Laut Clemens Fuest, dem Chef des Ifo-Instituts, könnten die Staatsaktionen mehr als eine halbe Billion Euro und mehr als eine Million Arbeitsplätze kosten.
Die Wirtschaft würde je nach Szenario um 7,2 bis 20,6 Prozent schrumpfen, was Kosten von 255 bis 729 Milliarden Euro entspräche. Solche Einbrüche würden die Zustände auf dem Höhepunkt der Finanzkrise in den Schatten stellen. Bis zu 1,8 Millionen Arbeitsplätze könnten wegfallen und bis zu sechs Millionen Menschen von Kurzarbeit betroffen sein. Dafür wird niemand die Verantwortung übernehmen, sowieso darauf verweisend, das „Krisenmanagement“ wäre genau so nötig gewesen.Mindestens so!
Es wird sich dabei der Verweis auf die zahlreich verstorbenen italienischen Patienten wiederholen, deren Schicksal sich jedoch eben nicht allein mit dem „neuartigen Virus“ erklären läßt. Zuschreibungen sind alles: Der Jugoslawienkrieg wurde mit dem Verweis auf ein Massengrab mit „Zivilisten“ begonnen … -
Während Emotionalität, Moralismus und der Heroismus der Entscheidungsträger, vor allem aber die Angst regierten, mehrten sich Stimmen, die einer kritischen Vernunft Gehör verschaffen wollten, aber eben nicht gehört wurden. Sie wiesen zum einen rein medizinisch darauf hin, daß dem „neuartigen Virus“ Krankheits- und Sterbefälle zugeschrieben würden, die noch vor kurzem unter üblichen Diagnosen wie Atemwegserkrankung, Influenza oder Lungenentzündung geführt worden wären, die sich in Phänomen und Klinikbild nicht von Covid-19 unterschieden.
Suggeriert hätte dies der RT-PCR-Test, dessen Möglichkeiten den neuen Krankheitsbegriff im Sinne einer „realitätskonstitutiven Diagnose“ (P. Watzlawick) erst generiert hätten. Zusammengefaßt liest sich das hier ganz griffig.
Wissenschaftstheoretisch gilt es zu beachten: Nicht der Test sagt dem Forscher, was er mißt, sondern der bestimmt es gegenüber dem Test. Man holt nichts aus der Analyse, was man nicht vorher hineingelegt hat. Die Messung geht nicht dem Dasein voraus, sondern umgekehrt das Dasein der Messung.
Zum anderen bestätigten nachdenkliche Mediziner zwar die Wucht einer neuen Erkrankung, sahen deren Auswirkungen aber als nicht so verheerend an, wie es in Kranken- und Sterberaten häufig allzu isoliert von Zusammenhängen dargestellt wurde. Erst besondere Blickwinkel und das exponierte Herausstellen von Schreckensbildern würden diesen Eindruck erwecken, der zur Steigerung der Angst führte. Überhaupt wäre die erforderliche Trennung von Statistik, Phänomen und Bewertung allzu wenig berücksichtigt worden, die reine Sprache der Zahlen sei irreführend.
Zudem verhinderten die sozialen Einschränkungen den Erwerb einer Immunität. Würde man ältere Menschen und solche mit Folgeerkrankungen aufmerksam schützen, könnten sich Jüngere ganz natürlich immunisieren. Allerdings kollidiert dieser Gedanke mit der „Sagrotan-Kultur“ einer Gesellschaft, die ihre Lebensumwelt sowieso weitgehend sterilisieren möchte.
Dr. Gunter Frank resümierte:
Derzeit erkaufen wir uns mit einer wochen‑, vielleicht monatelangen Politik der sozialen Eindämmung das wahrscheinlich nur geringfügige Abfedern von Corvid-19-Folgen mit dem wachsenden Risiko eines Systemcrashs. – Politiker, angefeuert von Experten, die nicht den Gesamtkontext bedenken, überbieten sich mit wahrscheinlich nur begrenzt sinnvollen Maßnahmen, die jedoch die Handlungsfähigkeit unserer Gesellschaft gefährden. (…) Speziell Medien müssen endlich (…) aufhören, die Wahrnehmung ihrer Zuhörer und Zuschauer zu verzerren, weil sie rein emotional über schreckliche Einzelsituationen berichten, ohne den Gesamtkontext zu beachten. Sie verkleinern auf diese Weise den Spielraum für vernünftige Entscheidungen.
Kaum beachtet wurden wissenschaftstheoretische Standards, wie sie etwa Karl Raimund Popper in seiner Aufsatzsammlung „Objektive Erkenntnis“ (1972) setzte:
Es führt kein Weg mit Notwendigkeit von irgendwelchen Tatsachen zu irgendwelchen Gesetzen. Was wir ‚Gesetze‘ nennen, sind Hypothesen, die eingebaut sind in Systeme von Theorien und die niemals völlig isoliert geprüft werden können. Der Gang der Wissenschaft besteht im Probieren, Irrtum und Weiterprobieren. Keine bestimmte Theorie kann als absolut sicher betrachtet werden. Jede, auch die am besten bewährte Theorie, kann unter Umständen wieder problematisch werden. Keine wissenschaftliche Theorie ist sakrosankt. Man hat diese Tatsache sehr oft vergessen, vor allem im vorigen Jahrhundert unter dem Eindruck der lang dauernden und glänzenden Bewährung gewisser Theorien auf dem Gebiete der Mechanik, die man schließlich für absolut sicher hielt. Die stürmische Entwicklung der Physik seit der Jahrhundertwende hat uns eines Besseren belehrt, der Tatsache nämlich, daß es die Aufgabe des Wissenschaftlers ist, seine Theorie immer neuen Prüfungen zu unterziehen, und daß man daher keiner Theorie Endgültigkeit zusprechen kann. Das Überprüfen geschieht, indem man die Theorie festhält, mit allen möglichen Anfangsbedingungen und anderen Theorien kombiniert und die Ergebnisse mit der Wirklichkeit vergleicht. Die Widerlegung, die Enttäuschung der Erwartung, hat schließlich den Neubau der Theorie zur Folge.
Diese Enttäuschung von Erwartungen, mit denen wir an die Wirklichkeit herantreten, ist ein sehr bedeutsames Moment. Sie gleicht der Erfahrung eines Blinden, der gegen ein Hindernis läuft und dadurch von dessen Existenz erfährt. Durch die Falsifikation unserer Annahmen bekommen wir tatsächlich Kontakt mit der Wirklichkeit. Die Widerlegung unserer Irrtümer ist die positive Erfahrung, die wir aus der Wirklichkeit gewinnen. (…)
Die erreichten Sätze und Theorien gewähren nicht die Sicherheit (…), die man von ihnen aufgrund magischer Vorstellungen von der Wissenschaft und vom Wissenschaftler erwarten würde. Nicht auf die Entdeckung absolut sicherer Theorien geht die Bemühung des Wissenschaftlers hinaus, sondern auf die Entdeckung oder, vielleicht besser, Erfindung von immer besseren Theorien (…), die immer strengeren Prüfungen unterworfen werden können (und uns dadurch zu immer neuen Erfahrungen führen, sie uns beleuchten). Das heißt aber, die Theorien müssen falsifizierbar sein: Durch ihre Falsifikation macht die Wissenschaft Fortschritte.
Offenbar war dazu keine Zeit, weil Eile geboten schien, die überstürzte Aktionen auslöste. Gerade die Erregungswellen liefen ja viral.
Die Frage, ob denn aber alle Industrienationen tatsächlich derselben Verzerrung oder gar einem fatalen Irrtum aufsitzen könnten, ist als Einwand naheliegend. Aber ja, sie können, denn nichts verstärkt Verkürzungen, Zuschreibungen und fragwürdige Konstruktionen so wie die Angst. In seinem Buch „Wie wirklich ist die Wirklichkeit? – Wahn, Täuschung, Verstehen“ (1977) gibt der Konstruktivist Paul Watzlawick ein Beispiel, das man übertragen könnte, denn auch dabei geht es um eine „Epidemie“ und um „Experten“:
Gegen Ende der 50er Jahre brach in der Stadt Seattle eine merkwürdige Epidemie aus: Immer mehr Autobesitzer mußten feststellen, daß ihre Windschutzscheiben von kleinen pocken- oder kraterähnlichen Kratzern übersäht waren. Das Phänomen nahm so rasch überhand, daß Präsident Eisenhower auf Wunsch Rosollinis, des Gouverneurs des Staates Washington, eine Gruppe von Sachverständigen des Bundeseichamtes zur Aufklärung des Rätsels nach Seattle entsandte.
Laut Jackson, der den Verlauf der Untersuchung später zusammenfaßte, fand diese Kommission sehr bald, daß unter den Einwohnern der Stadt zwei Theorien über die Windschutzscheiben im Umlauf waren. Auf Grund der einen, der sogenannten ‚Fallout‘-Theorie, hatten kürzlich abgehaltene russische Atomtests die Atmosphäre verseucht, und der dadurch erzeugte radioaktive Niederschlag hatte sich in Seattles feuchtem Klima in einen glasätzenden Tau verwandelt.
Die ‚Asphalttheoretiker‘ dagegen waren überzeugt, daß die langen Strecken frischasphaltierter Autobahnen, die Gouverneur Rosollinis ehrgeiziges Straßenbauprogramms hervorgebracht hatte, wiederum unter dem Einfluß der sehr feuchten Atmosphäre Seattles, Säuretröpfchen gegen die bisher unversehrten Windschutzscheiben spritzten.
Statt diese beiden Theorien zu untersuchen, konzentrierten sich die Männer des Eichamtes auf einen leichter greifbaren Sachverhalt und fanden, daß in ganz Seattle keinerlei Zunahme an zerkratzen Autoscheiben festzustellen war.
In Wahrheit war es vielmehr zu einem Massenphänomen gekommen: Als sich die Berichte über pockennarbige Windschutzscheiben häuften, untersuchten immer mehr Autofahrer ihre Wagen. Die meisten taten dies, indem sie sich von außen über die Scheiben beugten und sie auf kürzeste Entfernung prüften, statt wie bisher von innen und unter dem normalen Winkel durch die Scheiben durchzusehen. In diesem ungewöhnlichen Blickwinkel hoben sich die Kratzer klar ab, die normalerweise und auf jeden Fall bei einem im Gebrauch stehenden Wagen vorhanden sind.
Was sich also in Seattle ergeben hatte, war keine Epidemie beschädigter, sondern angestarrter Windschutzscheiben. Diese einfache Erklärung aber war so ernüchternd, daß die ganze Episode den typischen Verlauf vieler aufsehender Berichte nahm, welche die Massenmedien zuerst als Sensation auftischen, deren unsensationelle Erklärung aber totgeschwiegen wird, was so zu Verewigung eines Zustandes der Desinformation führt.
Der Fall lehrt uns, daß sich eine völlig alltägliche, unbedeutenden Tatsache (so unbedeutend, daß ihr vorher niemand Aufmerksamkeit schenkte) mit affektgeladenen Themen verquicken kann und daß von diesem Augenblick an eine Entwicklung ihren Lauf nimmt, die keiner weiteren Beweise bedarf, sondern rein aus sich heraus, selbstbestätigend und selbstverstärkend, immer weitere Personenkreise in ihren Bann schlägt.
Man denke besonnen darüber nach, schütze sich und bleibe bedachtsam. Selbstverständlich aber erscheint es so geboten wie richtig, nach wie vor jene zu schützen, die einer neuartigen Erkrankung ebensowenig entgegenzusetzen hätten wie anderen Atemwegserkrankungen oder der Grippe.
Nordlicht
Diese Überlegungen klären leider nicht die Frage, warum in Norditalien die Krankenhäuser, speziell die Intensivstationen, überfüllt sind. Wir werden in ein, zwei Wochen wissen, ob bei uns ähnliches stattfindet.
Dass die Zahlen zu den zukünftigen wirtschaftlichen Schäden ebenso hypothetischen Charakter haben wie der Schluss von der Zahl der positiven Tests auf die Zahl der spezifisch Infizierten, sollte ergänzt werden.