Sonntagsheld (142) – Sie hält.

Abermals Griechenland

Aber­mals Griechenland

Nach­dem ich heu­te durchs Feuil­le­ton stö­ber­te, fiel mir auf: Um ein Haar wäre mein Grie­chen­land-Bericht auch so ein pein­li­cher Rei­se-Odys­see-Arti­kel gewor­den, wie man ihn momen­tan in allen Zei­tun­gen von taz. bis Welt vor­fin­den kann.

Das Nar­ra­tiv ist in die­sen Tex­ten stets das sel­be: Welt­of­fe­ner Jour­na­list X befin­det sich – wahl­wei­se allein, oder mit Begleit­per­son Y – in irgend­ei­nem abge­le­ge­nen Geheim­tip-Win­kel der Zwei­ten oder Drit­ten Welt und ver­dient sich einen müden Not­gro­schen dazu, indem er lite­ra­risch mehr oder weni­ger wert­voll von sei­ner stra­pa­zen­rei­chen Rück­rei­se klagt. Die Sto­ries enden stets dort, wo sie hin­ge­hö­ren: In der Quarantäne.

Wie gesagt: Der Abste­cher in die­ses neue Gen­re bour­geoi­ser Kri­sen­li­te­ra­tur bleibt mir und Ihnen, wer­te Leser, zum Glück erspart – die Infra­rotther­mo­me­ter, die man bei der Ein­rei­se nach Ungarn auf unser Köp­fe rich­te­te, waren der ein­zi­ge lei­se Hin­weis auf das was kom­men wür­de; man kan sagen: Die Coro­na-Kri­se war für uns tat­säch­lich eine Neben­sa­che, neben dem gro­ßen Kon­flikt an der Grenze. 

Kaum drei Wochen spä­ter hat sich der Fokus ver­scho­ben. Nahe­zu unbe­ach­tet von der Welt­öf­fent­lich­keit don­nern am 25. März zwei Kampf­jets über die Trä­nen­gas­wol­ken ent­lang des Evros, um den grie­chi­schen Natio­nal­fei­er­tag zu bege­hen. In einem Jahr wird sich der Beginn der Revo­lu­ti­on zum zwei­hun­derts­ten Mal jäh­ren, die­ses Jahr fei­ern vie­le grie­chi­sche Sol­da­ten den Fest­tag in ihren Stel­lun­gen.  Dort wur­den sie übri­gens von der ört­li­chen Bevöl­ke­rung mit einem Aus­maß an Jubel emp­fan­gen, für das man sich in der Bun­des­re­pu­blik wohl schä­men wür­de. An ihrer Sei­te sind zu die­sem Zeit­punkt – neben Polen – auch deut­sche Bun­des­po­li­zis­ten im Ein­satz, wie man auf die­sen Auf­nah­men erken­nen kann. 

Als in der Fol­ge­nacht auf der tür­ki­schen Sei­te des Grenz­zauns unzäh­li­ge Feu­er auf­lo­dern, rech­nen die Grenz­schüt­zer wohl zuerst mit einem erneu­ten Angriff – immer wie­der hat­te es regel­rech­te Manö­ver der Migran­ten gege­ben, die im Feu­er­schutz tür­ki­scher Trä­nen­gas­gra­na­ten ver­sucht hat­ten, die Euro­päi­sche Uni­on zu errei­chen. Es wird rou­ti­ne­mä­ßig Alarm aus­ge­löst, weil man wie in den ver­gan­ge­nen Tagen Grup­pen mit Bol­zen­schnei­dern erwartet. 

Am Mor­gen des 26.03. jedoch bie­tet sich den Grie­chen ein unge­wohn­tes Bild: Das gro­ße Migran­ten­camp ist men­schen­leer, übrig­ge­blie­ben sind nur schwe­len­de Müll­hau­fen. Wenig spä­ter ist es offi­zi­ell: In der Nacht hat die Tür­kei ihre Gren­ze nach Grie­chen­land wie­der geschlos­sen. Tür­ki­sche Sicher­heits­kräf­te haben dar­auf­hin das Lager geräumt und die ca. 4500 Insas­sen auf ver­schie­de­ne Abschie­be­la­ger im Land ver­teilt. Anschlie­ßend steck­ten sie die Unter­stän­de der Migran­ten in Brand. 

Die Grün­de dafür sind nicht ganz klar. Es wird wohl kaum Erdo­gans Absicht gewe­sen sein, den Grie­chen ein ver­spä­te­tes Geburts­tags­ge­schenk zu machen. Die tür­ki­sche Regie­rung ver­weist auf zwei bestä­tig­te Coro­na-Fäl­le in der pro­vi­so­ri­schen Lager­stät­te; man habe das Camp aus „huma­ni­tä­ren Grün­den“ geräumt und die Migran­ten für 14 Tage in Qua­ran­tä­ne geschickt. Aller­dings dürf­te sich die tür­ki­sche Regie­rung nach über einem Monat erfolg­lo­ser “Dau­er­be­la­ge­rung” inkl. Pro­pa­gan­da-Offen­si­ve auch wenig Illu­sio­nen über die wei­te­ren Erfolgs­aus­sich­ten am Grenz­über­gang in Kas­ta­nies gemacht haben.

Unterm Strich bleibt fol­gen­des fest­zu­stel­len: Die Grie­chen haben unse­re gemein­sa­me Gren­ze und damit ihr Ver­spre­chen gehal­ten. Sie haben dem macht­po­li­ti­schen Kal­kül der Tür­ken Ein­halt gebo­ten, aber sie haben sich auch und vor allem dem Gel­tungs­an­spruch (meist) deut­scher Medi­en und NGOs ver­wehrt, die Euro­pa aber­mals durch emo­tio­na­le Erpres­sung zum Han­deln zwin­gen wollten.

Die Angst vor den bösen Bil­dern hat in Kas­ta­nies und auf Les­bos ihre Macht ver­lo­ren. Das klingt zynisch, aber im Grun­de meint es doch: Die grie­chi­sche Regie­rung hat die moral­po­li­ti­sche Hybris der Jour­na­lis­ten und der Medi­en durch har­te Real­po­li­tik in die Schran­ken gewie­sen. Und egal, wie­viel poli­ti­sche Rele­vanz man die­ser Ent­wick­lung in Coro­na-Zei­ten bei­mes­sen wird: Es ist ein Sieg, das darf man aner­ken­nen.  Wohl wis­send aller­dings, daß noch immer vie­le Wege über die Ägä­is und nach Deutsch­land führen.

 

Nichts schreibt sich
von allein!

Das Blog der Zeitschrift Sezession ist die wichtigste rechtsintellektuelle Stimme im Netz. Es lebt vom Fleiß, von der Lesewut und von der Sprachkraft seiner Autoren. Wenn Sie diesen Federn Zeit und Ruhe verschaffen möchten, können Sie das mit einem Betrag Ihrer Wahl tun.

Sezession
DE58 8005 3762 1894 1405 98
NOLADE21HAL

Kommentare (8)

Laurenz

30. März 2020 03:26

Der Generalstab dieser Invasionen sitzt in Berlin!

Franz Bettinger

30. März 2020 10:12

Ein Hoch auf die Griechen! Endlich effektiver Widerstand! So ähnlich müsste die Bevölkerung auch auf den Türkei-nahen griechischen Inseln vorgehen: selbstbewusst die Sache selbst in die Hand nehmen, NGOs aus den Hotels schmeißen, weder die Journaille, noch die migrantischen Invasoren an Land lassen! Dann ist der Spuk bald vorbei.

Gelddrucker

30. März 2020 11:00

@Franz Bettinger
Glauben Sie? Die Luftbrücke steht nach wie vor, Mittelmeer über Spanien ist offen. Der legale Austausch geht auch weiter. Es gibt noch einige Routen zu schließen.

Laurenz

30. März 2020 15:51

@Gelddrucker ... sicherlich, aber die normalen Ticket-Käufer fallen aktuell flach. Schon mal irgendwo in Asien gelandet? Da kommt keiner ohne Visum oder Visums-freien Paß hin. Das besorgen die Fluggesellschaften selbst. Denn sie müssen ohne Einreiseerlaubnis eines Passagiers jeden wieder mitnehmen, so einfach geht das. Für wie blöd wir hier gehalten werden oder wie blöd wir sind, läßt sich daran so einfach bemessen.

heinrichbrueck

30. März 2020 17:03

@ Laurenz
"Der Generalstab dieser Invasionen sitzt in Berlin!"

Und wo sitzt die (militärische) Führung?

Laurenz

30. März 2020 19:10

@heinrichbrueck .... was spielt das für eine Rolle? Kein Generalstab, keine Invasion.

Andreas Walter

31. März 2020 09:50

Das ganze Geld, die Milliarden, die man bereits dem Despoten in Ankara überwiesen hat, hätte man gleich den Griechen überweisen sollen. Und zwar nicht der Regierung, sondern direkt den Einheiten und Privatleuten vor Ort, die sich jetzt nämlich schon selbst um den Grenzschutz kümmern. Als direkte Förderung eines "neuen" Berufsstandes auch auf griechischen Inseln und im griechischen Grenzgebiet:

Europäische Grenzschützer

Erfolgskontrolle, korrekte Mittelverwendung? Auch das lässt sich überprüfen, in den Griff bekommen.

Selbst wenn Corona also bereits wieder am abebben ist, es bleibt weiterhin viel zu tun, wie man auch hier übrigens sieht. Der Kampf um's Geld und die Macht hört eben nie auf, auch nicht in Krisen. In Krisen verschärft er sich sogar, wird der Ton sogar noch rauer:

https://www.publicomag.com/2020/03/corona-und-co2-jetzt-kommen-die-engfuehrer/

Götz Kubitschek

3. April 2020 08:36

bereich geschlossen.

Für diesen Beitrag ist die Diskussion geschlossen.