Simon Kießling: Selbstaufgabe einer Zivilisation? Gender Mainstreaming, No Border, One World – Eine geschichtsphilosophische Betrachtung, Bad Schussenried: Gerhard Hess 2019. 173 S., 14.80 €
Eine zentrale Frontlinie in den Auseinandersetzungen der Gegenwart verläuft zwischen Globalisten einerseits und den Apologeten des Partikularen andererseits. Erstere schreiben sich in besonderer Weise den geschlechtslosen Menschen des Gender Mainstreaming sowie das fernere Ziel einer One-World-Organisation aufs Panier. Deren Gegner wiederum setzen sich für den grundsätzlichen Erhalt der eigenen Zivilisation, vornehmlich der eigenen Völker und Nationen, ein, verteidigen die vielzitierten »alten weiße Männer« und lehnen autoaggressive Selbstzerstörung, etwa durch Billigung von Massenmigration, ab. Diese Konflikte lassen durchaus historische Vorläufer erkennen.
Kießling macht gerade im frühen Christentum Tendenzen aus, die an Gender Mainstreaming, Reproduktionsverweigerung und Oikophobie erinnern. Der Neue Mensch im frühen Christentum war geschlechtslos-androgyn und strebte nach grenzüberschreitender Mission. Besonders Eifrige wollten sogar mittels Fortpflanzungsstreik die Verbreitung der Sünde verhindern. Gegen solche durchaus destruktiven Zielsetzungen regten sich sowohl bei den Römern als auch bei den germanischen Volkstämmen Widerstände, die kulturell Ererbtes nicht aufgeben wollten.
So prangerten etwa Vertreter altrömischer Religiosität monotheistische Intoleranz an. Der Autor schlägt einen Bogen zur heutigen »Verteidigung des Eigenen« bei Protagonisten der sogenannten Neuen Rechten, etwa zum Publizisten Martin Lichtmesz, oder zu Politikern wie Björn Höcke. Natürlich sind diese Tendenzen der Selbstaufgabe und ‑erschöpfung einer Kultur nicht ganz neu, ordnet sie doch schon Spengler ins endzeitlich-zivilisatorische Stadium seiner Geschichtsphilosophie ein.
Dazu zählt auch die Errichtung eines »planetarischen Humanismus«, für Globalisten definitives Ziel ihrer Bemühungen. Ob diese Absicht aktiv von universalistischen Linken und (Neo-)Liberalen betrieben oder durch die unübersehbare (Wohlstands-)Müdigkeit passiv zugelassen wird, ist im Endeffekt gleichgültig. Der Autor spricht abschließend vom »Doppelcharakter des Christentums«, das einst die überlieferten Kulte zerstört hat, mittlerweile aber spätestens seit der Aufklärung aber als angeblich überholte Religion selbst im Kreuzfeuer der Kritik steht. Kießling weiß, daß unsere gewachsene Identität im Abendland nicht ohne kirchliche Prägekräfte denkbar ist. Deren zentrale Symbole, allen voran das Kreuz, wollen heutige Kulturkämpfer liberaler und linker Provenienz beseitigen.
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