Der 1982 in München geborene, in den USA lebende Politologe Yascha Mounk ist in Deutschland vor allem durch sein Talent zum Klartext bekannt geworden. Berühmt-berüchtigt wurde seine Feststellung, daß »wir« ein »historisch einzigartiges Experiment wagen, und zwar eine monoethnische und monokulturelle Demokratie in eine multiethnische zu verwandeln«.
Im ARD-Presseclub legte er unlängst nach: »Um eine multiethnische Gesellschaft zum Funktionieren zu bringen, müssen wir dann auch ganz klar zeigen, daß der Staat fähig ist, die Menschen, die dagegen aus Haß verstoßen, richtig zu bestrafen.« Sein Buch Der Zerfall der Demokratie eignet sich trefflich zur Klärung der Fronten. Durchaus im Gefolge Carl Schmitts betont Mounk den Unterschied zwischen Demokratie und Liberalismus und konstatiert, daß sich diese beiden Elemente des herrschenden politischen Systems momentan in einem eskalierenden Konflikt befinden.
Er bestätigt, daß der eigentlich demokratische Gedanke eher seinen Ausdruck im Populismus als im Liberalismus findet, und daß »das Funktionieren der Demokratie« ein ausreichendes Maß an Homogenität voraussetzt, »möglicherweise viel stärker, als gemeinhin eingestanden wird«. Das »historisch einzigartige Experiment« zielt also darauf hin, eine Form der heterogenen »Demokratie« zu schaffen, die in der Geschichte bislang nicht existiert hat. Da Mounks »Wir« nichts anderes als das jener Eliten ist, die dieses Projekt von oben durchsetzen wollen, sollte sein Buch (Originaltitel: The People vs. Democracy) ehrlicherweise »Der Zerfall des Liberalismus« heißen. So viel Redlichkeit kann er sich aber nicht leisten, da »Demokratie« und nicht »Liberalismus« heute der legitimierende Begriff ist.
Er nennt »drei wichtige Faktoren«, die die »demokratische Stabilität« erschüttert haben: Erstens, das Ende der »rapiden wirtschaftlichen Zuwächse«, die noch bis in die achtziger Jahre anhielten. Zweitens, das Bröckeln des Meinungsmonopols des politischen Establishments durch Internet und soziale Medien: »Bis vor Kurzem war es einer kleinen politischen und finanziellen Elite vorbehalten, mit der Masse zu kommunizieren«, ein Machtverlust, den er offenbar bedauert. Und schließlich der demographische Wandel, den er euphemisierend umschreibt, wobei er sich der Sprache der antiweißen Linken bedient: »Bis vor Kurzem war eine ethnische Gruppe klar tonangebend. In den Vereinigten Staaten herrschte seit jeher eine klare Hierarchie, die den Weißen zahlreiche Privilegien sicherte.«
Diese ethnische Dominanz der Gründervölker der genannten Staaten schwindet vor allem aufgrund ihres demographischen Rückgangs, mit anderen Worten aufgrund des Bevölkerungsaustausches durch die Politik der Multikulturalisierung. Das gilt erst recht für Europa: »In Westeuropa ging diese Dominanz in mancher Hinsicht sogar noch weiter. In Ländern wie Deutschland oder Schweden war das Selbstverständnis der Nation mit der Vorstellung einer gemeinsamen Abstammung verbunden.« Die Installierung »multiethnischer Demokratien« in solchen Gesellschaften bedeutet folgerichtig die kulturelle und politische Enteignung der angestammten Mehrheit wie auch ihre stetige demographische Reduktion. Das hat nun nicht mehr viel mit Volksherrschaft und Volkssouveränität zu tun.
Mounk räumt ein, daß die Wähler durchaus mit Recht »seit langem das Gefühl« haben, daß »ihr Denken auf das Tun des Staates kaum mehr Einfluß hat.« Sie »verlieren die Geduld mit unabhängigen Institutionen und sind immer weniger bereit, die Rechte von ethnischen und religiösen Minderheiten zu akzeptieren«, während andererseits »Eliten immer mehr Kontrolle über das politische System« gewinnen und es »Zug um Zug von der öffentlichen Meinung« abschotten: »Weniger denn je sind die Mächtigen dazu bereit, dem Willen des Volkes nachzugeben.« Solche Eingeständnisse können wenig über Mounks Parteinahme für diese Eliten hinwegtäuschen. Was er »Populismus« nennt, ist nichts anderes als eine Reaktion auf die von ihm propagierte Politik, die darin besteht, »ethnische und religiöse Minderheiten« massenhaft in »monoethnische und monokulturelle« Nationen zu importieren, um ihnen dann allerlei Rechte zu verschaffen und ihr demographisches Wachstum zu fördern. Der »Populist« dient den liberalen Eliten als Sündenbock für das Scheitern und die destabilisierenden Folgen ihres eigenen »Experiments«. Der wachsende »Mangel an Respekt für unabhängige Institutionen«, den Mounk feststellt, resultiert aus der Wahrnehmung, daß diese Institutionen alles andere als unabhängig sind und zunehmend in den Dienst des Elitenprojekts gestellt werden. Mounk selbst ist außerstande, einen schlüssigen Volksbegriff zu formulieren, da er dogmatisch an den »Versprechen einer multiethnischen Demokratie« festhält, die »nicht verhandelbar« seien. Und diese »Versprechen« sollen offenbar in sämtlichen europäischen oder europäischstämmigen Ländern durchgesetzt werden, auch im widerspenstigen Osteuropa.
Immerhin läßt Mounks Buch erahnen, daß die Apologeten und Nutznießer dieser Ideologie allmählich Zweifel an der Rechtmäßigkeit ihres Tuns bekommen und um den Verlust ihrer Machtposition fürchten, die sie als »liberale Demokratie« bezeichnen. Entlarvend betriebsblinde Feindliteratur vom Feinsten, die deutlich macht, wofür und wogegen wir kämpfen.
Der Zerfall der Demokratie von Yascha Mounk kann man hier bestellen.