Sachsen-Anhalt war einmal ein Hort der Hochkultur. Das ist lange her. Heute scheint es hier auf den ersten Blick vor allem zwei Sachen zu geben: Die öde Weite der LPG-Landschaften und das nächtliche Blinken der Windräder. Eine niederländische Doku hat die winterliche Schönheit dieser Tristesse einmal gut eingefangen, ich finde den Film leider gerade nicht wieder, aber wer sich daran erinnert, wird wissen, was ich meine.
Besonders, wenn man durch die Dörfer fährt, mit ihren grobschlächtigen Gutshöfen und den in unverschämten Pastellfarben gestrichenen Rauputz-Häusern, fällt es schwer, sich vorzustellen, daß hier von der Vorzeit über das Mittelalter bis in die Moderne ein reichhaltiges kulturelles Leben blüte. Manche Landstriche hier sind regelrechte Nichtorte, aber das gilt wohl auf die eine oder andere Weise für viele Flecken in Deutschland, denen die industrialisierte Land- und Energiewirtschaft ästhetisch zusetzt: viel, viel versiegelte Fläche.
Ich darf jedoch sagen, daß Sachsen-Anhalt aller Trostlosigkeit zum Trotz wesentlich schöner ist, als sein Ruf. Was klingt wie aus einem zweitklassigen Reiseführer, entbehrt hier tatsächlich nicht einer gewissen Wahrheit: Dem aufmerksamen Wanderer tun sich immer wieder unverhoffte Panoramen auf und das weite Land ist nicht nur reich an archäologischen Fund- und vorzeitlichen Kultstätten, sondern auch an architektonischen Kleinoden.
Der AfD-Landtagsabgeordnete Jan Wenzel Schmidt hat es sich zur Aufgabe gemacht, Botschafter dieser geheimen Bauten zu sein. Auf seinem YouTube-Kanal bereist er gemeinsam mit einem Kameramann das Bundesland und stellt in Kooperation mit seinen örtlichen Parteikollegen die vergessenen Schlösser, Türme und Burgen Sachsen-Anhalts vor.
Zugegeben: Hinter den wirklich guten Filmaufnahmen in Profi-Qualität treten die sachlichen Vorträge der Abgeordneten fast ein bißchen in den Hintergrund – trotzdem sind sie wichtiger Bestandteil von Schmidts Konzept. Es geht ihm nicht nur darum, die schönen Ecken des Bundeslands hervorzukramen, oder Werbung für die Provinz zu machen.
Der Titel des Formats “Steinzeugen” gibt bereits genaueren Aufchluß über seinen Ansatz: Schmidt möchte den Zuschauern jene große Schatztruhe der mitteldeutschen Geschichte zu öffnen, in der sich von der Himmelsscheibe von Nebra über die Pfalzen der Ottonen, bis hin zur Reformation und dem Dreißigjährigen Krieg unzählige Schlüsselmomente der Geschichte unseres Volkes wiederfinden.
Bisher sind in der Reihe fünf Folgen erschienen – Das Schloß Dornburg, der Bismarckturm auf dem Großen Wartberg, Schloß Vitzenburg, die Gustav-Adolf-Gedenkstätte in Weißenfels und das Schloß Merseburg. Es bleibt zu hoffen, daß weitere folgen werden. Ich schreibe das übrigens aus purem Eigennutz – denn ich wohne ja hier.
Wer möchte, der kann sich hier die bisherigen Folgen ansehen und die Arbeit von Jan Wenzel Schmidt verfolgen. Unter den anderen Videos des Kanals dürften sich die eher literarisch begeisterten Leser vor allem über das Format “Literatur-Kartell” freuen.
Lotta Vorbeck
Zu Ostzeiten präsentierten sich dem eisenbahnaffinen Wanderer auf den Gütergleisen des Bahnhofes Freyburg (Unstrut) Kesselwagen der französischen Staatsbahn SNCF, Ladegut: Wein.
Indem man ihn mit französischem Billigwein verschnitt, wurde der stocksaure Saale-Unstrut-Wein überhaupt erst leidlich genießbar gemacht.
Am zum Haltepunkt der Burgenlandbahn degradierten, einstigen Bahnhof der Stadt des Turnvater Jahn gibt's schon lange keine Gütergleise und auch keine Ladestraße mehr.
Im Verkaufspavillon der auf eine 1.000jährige Weinbautradition zurückblickenden Winzergenossenschaft Freyburg (Unstrut) sind nunmehr, gekeltert aus den im nördlichsten Weinbaugebiet Europas herangewachsenen Trauben, sieben Tage die Woche, Saale-Unstrut-Qualitätsweine erhältlich.