Gerrit Dworok / Thomas Exner (Hrsg.): Komplexität und Wahrheit

Eine Rezension von Felix Dirsch

Ger­rit Dwor­ok / Tho­mas Exner (Hrsg.): Kom­ple­xi­tät und Wahr­heit. Wis­sen­schaft im Span­nungs­feld von Beschrei­bung, Deu­tung und Ver­zer­rung, Baden-Baden: Nomos Ver­lags­ge­sell­schaft 2019. 468 S., 89 €

Bei man­chen Büchern schüt­telt man bereits den Kopf, wenn man ihren Auf­bau stu­diert. So auch in die­sem Fall. Der Titel des Sam­mel­ban­des erfüllt die Funk­ti­on eines Con­tai­ners, in den Auf­sät­ze aller Art hin­ein­ge­wor­fen wer­den – unab­hän­gig davon, ob deren Inhal­te dazu pas­sen oder nicht. Das The­ma »Kom­ple­xi­tät und Wahr­heit« wird in fünf Fel­der geglie­dert: Span­nungs­fel­der, Sprech­ak­te, Zwi­schen­räu­me, Ent­zer­run­gen und Con­clu­sio. Der rote Faden soll die Betrach­tung wis­sen­schaft­li­cher Arbeit als Span­nungs­feld von Beschrei­bung, Deu­tung und Ver­zer­rung sein. Nichts­des­to­trotz ver­blüf­fen Hete­ro­ge­ni­tät und Inkon­sis­ten­zen: Der ers­te Bei­trag »Wis­sen­schaft – ein Spiel um die Wahr­heit« von Ger­rit Dwor­ok kon­sul­tiert weder wis­sen­schafts- noch wahr­heits­theo­re­ti­sche Lite­ra­tur. Der vor­letz­te, von Kat­ja Eddel ver­faß­te Essay han­delt von den Wand­lun­gen der mitt­ler­wei­le ein­ge­stell­ten Zeit­schrift Mut, deren Geschich­te auch in ande­ren Auf­sät­zen vor­kommt. Auch »Che Gue­va­ra« wird nicht ausgelassen.

Immer­hin bemüht sich der Rich­ter Tho­mas Exner am Schluß, »Kom­ple­xi­tät« etwas stär­ker in Augen­schein zu neh­men, obwohl der sys­te­ma­ti­sche Zugang auch hier fehlt. Eher Schmun­zeln löst der ers­te Satz aus: »Es dürf­te einer all­ge­mei­nen Grund­er­fah­rung ent­spre­chen, dass die Welt seit dem 19. Jahr­hun­dert rapi­de kom­ple­xer wird«. In der Tat wird nichts ein­fa­cher! Nir­gend­wo zeigt sich der Cha­rak­ter des Ban­des als Sam­mel­su­ri­um von sub­stanz­lo­sen Gemein­plät­zen so deut­lich wie an die­ser Stel­le. Dage­gen sucht man Titel aus der reich­hal­ti­gen Kom­ple­xi­täts­li­te­ra­tur der letz­ten Jah­re (unter ande­rem Main­zer, Ritt­mann und Nas­sehi) ver­geb­lich. Auf die fun­dier­ten Ana­ly­sen des lei­ten­den Mit­ar­bei­ters des Insti­tuts für Staats­po­li­tik, Erik Leh­nert, der »Gleich­heit« als »Quel­le von Unge­rech­tig­keit« her­aus­ar­bei­tet, fol­gen unsys­te­ma­ti­sche Gedan­ken von Ecke­hard Dwor­ok über aktu­el­le Debat­ten zur soge­nann­ten Neu­en Rech­ten. Die­se Anmer­kun­gen gehen selbst­re­dend nicht auf die Argu­men­ta­ti­on Leh­nerts ein; viel­mehr soll wohl der Bei­trag eines »Bösen« – der also immer­hin im »O‑Ton«, ver­tre­ten ist – durch die kri­ti­sche Unter­su­chung eines »Guten« prin­zi­pi­ell neu­tra­li­siert wer­den. Zumin­dest wird auf die­se Wei­se die Bedeu­tung des Sam­mel­wer­kes klar: Die­ses fun­giert pri­mär als Indi­ka­tor für gesin­nungs­spe­zi­fi­sche Gegen­warts­be­find­lich­kei­ten. Daß dabei das The­ma ver­fehlt wird, dürf­te nie­man­den stören. 

Kom­ple­xi­tät und Wahr­heit, her­aus­ge­ge­ben von Ger­rit Dwor­ok und Tho­mas Exner, kann man hier bestel­len.

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