Sonntagsheld (151) – Flieger, grüß’ mir den Moloch

“Apologise...to absolutely fucking nobody!”

“Apologise…to abso­lut­e­ly fuck­ing nobody!” 

Wis­sen Sie, wer­te Leser, manch­mal bin ich es ein wenig Leid, jede Woche so lan­ge in der gro­ßen Müll­kip­pe des Inter­nets zu wüh­len, bis ich jeman­den mit genü­gend Rück­grat fin­de, um ihn hier in mei­ner sonn­täg­li­chen Kolum­ne coram publi­co mit einer guten Din-A4-Sei­te zu bedenken.

Vor ein paar Tagen gab es da zum Bei­spiel einen Poli­zis­ten irgend­wo in den Ver­ei­nig­ten Staa­ten, der, als sei­ne Kol­le­gen vor den krei­schen­den Demons­tran­ten in die Knie gin­gen, ein­fach ste­hen blieb. Der Arti­kel war in mei­nem Kopf schon fast fer­tig – wie ein Fels in der Bran­dung usw. usf. – aber plötz­lich ver­spür­te ich einen inne­ren Unwil­len und ich brach das Schrei­ben ab.

Sicher, es gehört eine gro­ße Por­ti­on Mumm dazu, sich dem Mob nicht zu beu­gen – in der­sel­ben Woche wur­den in ande­ren Städ­ten Poli­zis­ten erschos­sen. Der Beam­te blieb ste­hen, obwohl ihn selbst sei­ne Kol­le­gen mehr­fach auf­for­der­ten, um des lie­ben Frie­dens Wil­len das Knie zu beu­gen. Ande­rer­seits: Das ist doch auch etwas, was man von einem Poli­zis­ten erwar­ten muß. Als Teil der Exe­ku­ti­ve ver­kör­pert er das Rück­grat des Staa­tes; er ist (um mit Jack Dono­van zu spre­chen) der­je­ni­ge, der mit sei­nem Han­deln den Wech­sel­kurs für jenen “Gold­stan­dard Gewalt” bestimmt, der nötig ist, um das Cha­os in Form zu bringen.

Ich habe mich also dage­gen ent­schlos­sen, die­sem unbe­kann­ten Poli­zei­be­am­ten hier mein beschei­de­nes Publi­zis­ten-Denk­mal zu set­zen. In einer ande­ren Zeit wäre das sicher eine gute Geschich­te gewe­sen – vor der hei­li­gen Unru­he, die sich nun durch die Metro­po­len des Wes­tens zieht, muß die­ser eine Stand­haf­te ver­blas­sen hin­ter der Selbst­er­nied­ri­gung sei­ner Kollegen.

Es sind ande­re Typen, die mir Hoff­nung machen. Män­ner, für die Gerad­li­nig­keit eben kei­ne Berufs­ent­schei­dung war, son­dern die für sich beschlie­ßen, daß es nun genug ist. Män­ner also, die etwas zu ver­lie­ren haben und die trotz­dem – ohne äuße­re Not – Wider-Stand leis­ten. Am 22. Juni, kurz vor Beginn der Par­tie, hör­ten die Spie­ler der Fuß­ball­clubs FC Burn­ley und FC Man­ches­ter City das Brum­men eines ein­mo­to­ri­gen Flug­zeugs, das direkt über das Spiel­feld flog.

Am Heck der Maschi­ne war ein lan­ges Wer­be­ban­ner befes­tigt, auf dem in gro­ßen roten Buch­sta­ben zu lesen war: “WHITE LIVES MATTER BURNLEY”. Eine denk­bar simp­le Paro­le, die jedoch welt­wei­te Auf­merk­sam­keit erreg­te und den Ver­ant­wort­li­chen Jake Hepp­le in Rekord­zeit sei­nen Job kos­te­te. Auch sei­ne Frau wur­de gefeu­ert, nach­dem sie sich gewei­gert hat­te, im Nach­gang der Akti­on an einem anti­ras­sis­ti­schen Sen­si­bi­li­sie­rungs­kurs teilzunehmen.

Was mich an der Akti­on berühr­te, das war nicht nur die Tat­sa­che daß sie auf der gan­zen Welt ent­lar­ven­de Reak­tio­nen her­vor­rief: Über den gan­zen Glo­bus ver­teilt schrie­ben Zei­tun­gen von der “ras­sis­ti­schen Paro­le ‘White Lives Mat­ter’ ”, das ZDF über­setz­te das Ban­ner sogar bewußt falsch mit “Nur wei­ße Leben zäh­len” – eine so offen­sicht­li­che Lüge, daß sie die Redak­ti­on im Nach­hin­ein kor­ri­gie­ren mußte.

Nein, mich begeis­ter­te vor allem das instink­ti­ve Selbst­be­wußt­sein, mit wel­chem Hepp­le und sei­ne Freun­de, die die Akti­on orga­ni­siert hat­ten, den Ernied­ri­gung­s­ti­ra­den der bri­ti­schen Pre­mier League und auch der nach­fol­gen­den Repres­si­on begeg­ne­ten. Hepp­le hat­te das Video auf sei­nem eige­nen Face­book-Kon­to ver­öf­fent­licht, kur­ze Zeit spä­ter schrieb er folgendes:

“ ‘I’d like to take this time to apo­lo­gi­se… to abso­lut­e­ly fuck­ing nobo­dy!’ It’s now appar­ent­ly racist to say white lives mat­ter (the day after 3 white peo­p­le got mur­de­red in a park in Rea­ding, but all we’­ve seen on the tele is black lives mat­ter after Geor­ge Floyd got mur­de­red) what a mad world we live in”

Wir sehen: Nicht die abwä­gen­den Kam­pa­gnen der Par­tei­en, oder die selbst­zu­frie­de­nen Ana­ly­sen der Theo­re­ti­ker sind es, an denen die Wel­len der Zer­stö­rung gebro­chen wer­den kön­nen. Übri­gens auch nicht die gewitz­ten “All Lives Matter”-Sprüche, mit denen man den poli­ti­schen Geg­ner zu über­lis­ten gedenkt und sich gleich­zei­tig jenen Men­schen­rechts­uni­ver­sa­lis­mus zu Eigen macht, wel­cher der Fra­gi­li­tät des Wes­tens zugrun­de­liegt. Es sind die­se intui­ti­ven Immun­re­ak­tio­nen, an denen sich die Resi­li­enz der euro­päi­schen Gesell­schaf­ten mes­sen las­sen muß.

Hepp­le und sei­ne Jungs haben es begrif­fen: Wir müs­sen uns bei nie­man­dem ent­schul­di­gen. Und den­je­ni­gen, die neben uns in die Knie fal­len, müs­sen wir so begeg­nen, wie Män­ner der Schwä­che in den eige­nen Rei­hen seit Urzei­ten begeg­net sind: Mit Hohn, Spott und Verachtung.

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Kommentare (7)

Franz Bettinger

28. Juni 2020 14:06

Herr Wessels, wenn Sie keinen Sonntagshelden finden, dann lassen's Sie ihn halt mal weg. Aber die beiden von heute, die haben es wirklich verdient, herausgestellt zu werden. Hut ab! 

Laurenz

28. Juni 2020 14:41

Herr Wessels, Ihr Unmut ist nachvollziehbar.

Aber was wollen Sie von den Sklaven des Fußballs oder sonstiger Sportarten auch erwarten? Gladiatoren waren selten Freie.

Und bei der Polizei, dem Büttel der Herrschenden, sieht es nicht besser aus. Alte Bürgerrechtlerinnen abführen oder Alten Männern während der Demo Gewalt antun, das ist kein Problem. Aber sich in Stuttgart von Primaten durch die Straßen jagen lassen, da hält man lieber mit der "Party" still. Wie viel Angst um seine Beamten-Pension kann oder darf man haben? Ein Polizei-Präsident mit Rückgrat hätte beim Widerstand gegen die Staatsgewalt diesen Ausmaßes in Hamburg oder Stuttgart den Schießbefehl gegeben. Das will zwar im Grunde niemand, aber ihn nicht zu geben, bedeutet eine zunehmende Ohnmacht. Polizisten knien vollkommen zu Recht, denn diese Berufsbezeichnung hat keine Gültigkeit mehr. Wer kniet, ist eine Person, der kein Respekt gebührt. Man kann vielleicht vor Gott knien, aber doch nicht vor Menschen oder Tieren.

Ein gebuertiger Hesse

28. Juni 2020 14:42

Großartiger Eintrag, was den Helden selbst wie was das kreative Ungenügen Wessels angeht, dem eine Gestalt im Sinne Ray Bradburys zunächst einmal "brennen" muß, da erst dann - und vielleicht nur dann - der kostbare nötige Funke überspringen kann. Hoffen wir, daß er es tut. Auch der stolze Brite hat um diese wichtige "acuteness" in seinem Handeln gewußt. 

RMH

28. Juni 2020 14:44

In diesem Zusammenhang ist es ausdrücklich auch zu begrüßen, wenn endlich auch all die, die genug Geld haben, um sich eine eigene Meinung "leisten zu können", auch einmal den Mund aufmachen. Ja, sie sind im Gegenzug zu all den weißen Lohnsklaven mit sozialer Fallhöhe im schmerzhaften Umfang im ganz besonderen Maße aufgerufen, sich ihre Meinung etwas wert sein zu lassen.

In diesem Sinne, Grüße an Bernie Ecclestone.

I do believe ...

 

Niedersachse

28. Juni 2020 20:00

Duftende Blumen in Feldern voll Scheisse...mir fällt bei den oben genannten Beispielen die Textzeile einer bekannten Band ein. Ein Held ist wahrlich, wer in dieser aufgeheizten, emotionalisierten und verdummten westlichen Welt ein kühles "NEIN da mache ich nicht mit" entgegensetzt und - und im wahrsten Sinne des Wortes- Flagge zeigt. Hut ab!

LotNemez

29. Juni 2020 03:30

'I’d like to take this time to apologise… to absolutely fucking nobody!' 
 

Ein wichtiges Zitat. Vielen Dank. Wir sollten uns daraufhin prüfen, ob wir diese vorbildliche Haltung genug beherzigen. Man rutscht allzu leicht ins Herumdrucksen.

Phil

30. Juni 2020 17:36

Den Namen Jake Hepple habe ich mir gemerkt, an solchen Leuten kann man sich orientieren.

 

Und hier die Sonntagsheldin :)

https://mobile.twitter.com/dineshdsouza/status/1277386272512901120

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