Kalbitz ist ein politisches Talent erster Kategorie. Es steht außer Frage, daß er zur Zielscheibe der Clique um Meuthen wurde, weil er mit so eminent politischer Wucht agierte und so unglaublich gut vernetzt war, daß man in ihm eine strukturelle Bedrohung des eigenen Anspruchs auf die Macht in der AfD sah.
Im Gegensatz dazu ruht Höckes Macht und Einfluß auf Charisma, auf etwas Ideellem, auf einer Aura des im richtigen Moment stimmigen Gedankens und einer echten Sehnsucht nach Ruhe und Aufbau und Regeneration in unserem Land. Die beiden: Was war das für ein Tandem!
Warum die Vergangenheitsform? Durch die Niederlage vor Gericht im Eilverfahren ist Kalbitz politisch aus dem Rennen genommen worden. Er kann eine Rückkehr in die Partei nur mit einem Hauptsacheverfahren erkämpfen, und das wird sich über Monate hinziehen. Außerdem (und das ist keine juristische Kategorie!) gilt das, was Lehnert in seinem Text “Temperaturerhöhung – Anmerkungen zu einem problematischen Leiden” jüngst schrieb:
Warum soll ich mich, wenn ich ein Aussätziger bin, an Regeln halten? Diese Art der Verantwortungslosigkeit hat es zu allen Zeiten in den Widerstandsmilieus gegeben, häufiger auf der linken Seite, weil dort die Wurzeln gekappt sind, deren Rückbindung immr noch der sicherste Kompaß ist. Das Maß der Stigmatisierung erhöht das Maß der Verantwortung.
Fett die Maxime: Die Fraktion in Brandenburg hat bis zum Winkelzug, bis zur Überspannung der Geschäftsordnung für und um Kalbitz gekämpft. Die Verantwortung für diejenigen, die gegen eine immer mächtiger werdende, innerparteiliche Front standen, hätte das A und das O des Handelns sein müssen. Man muß es den Mitstreitern so leicht wie möglich machen, einen zu verteidigen.
Nun hat diese Fraktion ihren langjährigen Vorsitzenden zum Rückzug gedrängt, und wenn nach jahrelanger engster Bindung und nach monatelangem treuen Rückhalt soweit kommt, ist das ein schwerwiegendes Zeichen, vor allem aber: ein politisches.
Mehr will ich nicht sagen und nicht erzählen.
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Heute Abend schloß ich das Numerieren und Signieren jener Freundesgabe ab, die ich zum 50. von Lehnert und anderen erhielt und in der das oben Zitierte sich findet. Binnen vierundzwanzig Stunden griffen 500 Leser zu, der Band ist also im Wortsinne “vergriffen”, und das ist ein Vorgang, der den Sinn dieser Gabe herausschält. Im Grunde ist er nämlich der Beleg dafür, daß das, was wir hier in Verlag, Institut und Zeitschrift leisten, für das Establishment zwar zum roten Tuch geworden ist, jedoch für den Kreis derer, die mitlesen und mitdenken, ein Fundament.
Ich war Ende Juli doch auch wieder verblüfft darüber, daß ein einziger Beitrag auf diesem Blog ausreichte, um uns binnen dreier Tage hundertfünfzig Anmeldungen zur Sommerakademie in die Postfächer zu spülen (neunzig Glückliche können teilnehmen). Hofft man auf Wissensvermittlung oder auf Rat?
Lehnerts Festgabe leistet ja genau das: In den Beiträgen von Kirchberg, Kaiser, Lichtmesz, in dem eines “Vertreters der jungen Generation”, vor allem in seinem eigenen und in den beigefügten Bibliographien wird der rote Faden ausgerollt, an dem entlang der bisherige Wegs, die bisherige Spur entlangführten. Verläßlichkeit und Maßstäbe scheinen auf, Verantwortungsbewußtsein angesichts der Stigmatisierung, und das ist es, was von uns erwartet wird.
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Unter diesem Gesichtspunkt denke ich auch über die Großdemonstration nach, zu der für den kommenden Samstag in Berlin aufgerufen wird. Kaum jemand aus meinem weiteren Umfeld wird zuhause bleiben, fast jeder wird sich auf den Weg machen.
Was ist dort der gemeinsame Nenner? Wohl die Gewißheit von immer mehr Leuten, daß das, was uns an offizieller Wirklichkeitsbeschreibung aufgetischt wird, in Abstufungen wenig, lückenhaft oder gar nichts mehr mit der täglich erfahrbaren Wirklichkeit zu tun habe. Es geht um Meinungsfreiheit, Wirklichkeitswahrnehmung, politische Verlogenheit, Geheimagenda, Gesellschaftsplan.
Die Corona-Maßnahmen, die hunderttausende Unternehmen an den Rand des Zusammenbruchs oder darüber hinaus geführt haben: ein ebenso spürbarer Auslöser wie der Zwang zur Angst voreinander, zur Angst davor, daß man angesteckt werden könnte – mit einem Virus.
These: Einer immer größer werdenden Menge wird bewußt (nicht dezidiert ausformuliert, aber kurz vor der Schwelle), daß dieser Virus und die mit ihm verbundenen Vereinzelungen sinnbildlich stehen für die Ansteckung durch Widerständigkeit und für die Hoffnung der noch Regierenden, diesem Lauffeuer durch Vereinzelungsgebote noch etwas entgegensetzen zu können.
Es gilt also – das sollte das Ziel sein – diesen jeden vereinzelnden Virus zu unterlaufen, weil nur “das Volk”, also: der im Grundgesetz genannte Souverän in seiner Verdichtung, in Millionenstärke etwas auf die Straße und an die Wahlurne bringen kann, das die Macht ins Wanken zu bringen in der Lage ist.
Demonstrationen sind Verdichtungen, sind die Aufhebung der Vereinzelung und der Verstoß gegen jenes brave innere und äußere Zuhausebleiben, das einer der Gründe für Mutlosigkeit und Selbstinfragestellungen ist. Sich zu versammeln heißt immer auch: zu sehen und zu spüren, daß man ganz und gar nicht allein ist.
Schon aus diesem Grund ist es richtig, sich am Samstag einer der unzähligen Reisegruppen anzuschließen, die nach Berlin aufbrechen werden. Und wer weiß, ob es nicht notwendig werden könnte, die Nacht im Freien zu verbringen und das zu tun, was immer schon ein Traum war: den Protest zu verstetigen.
Franz Bettinger
@Großdemonstration am Samstag in Berlin: Auch im Saarland sind die Busse schon gebucht zur Teilnahme am Widerstand gegen Berlin. Auch von meinen Freunden wird kaum jemand zuhause bleiben. Fast jeder wird sich auf den Weg machen. Was wird die Clique dagegen unternehmen? Und was haben wir gegen die Gegenmaßnahmen in petto? Geht davon aus, dass ihr nicht bis Berlin durchkommt, dass Unfälle inszeniert und Autobahnen gesperrt werden. Seid vorbereitet, an Ort und Stelle, wo auch immer, das große Fest gegen die Tyrannei zu feiern. Aber feiert ! unverbissen und (telefonisch) verbunden mit den Veranstaltern in Berlin, so dass jene per Lautsprecher bekanntgeben können, wo man euch festhält, wo ihr steckt. Versetzt die Veranstalter in die Lage, die Zahlen all derer zusammenzählen zu können, die die Nase von Merkel und Konsorten voll haben - und die Zahlen laut von der Bühne aus zu erkünden. Bon voyage! Gott mit Euch!