Zum Hintergrund: Fraktionschefin Dana Guth (MdL) verlor in Niedersachsen vor zehn Tagen ihr Amt als Landessprecherin an ihren Herausforderer Jens Kestner (MdB).
Guth gilt als »Meuthen-nah«, Kestner wird nachgesagt, daß er, wo es notwendig erschien, sehr gut mit dem aufgelösten »Flügel« konnte. Die Sprengkraft in dieser Abstimmung rührt nicht zuletzt auch (!) in dieser parteiinternen Dichotomie.
Der Ablauf des Parteitages war letztlich banal:
Kestner gewann, Guth verlor, Kestner ging auf Guth zu, versprach Gräben zu überwinden, damit – angesichts des gemeinsamen Gegners – trotz vorhandener Differenzen zusammen die 6,2 Prozent der letzten Landtagswahl aus dem Jahr 2017 beim kommenden Urnengang 2022 in diesem bei Wahlen für eine Rechtspartei schwierigen Flächenland verbessert werden können.
Was nun folgte, sprengt jedoch die Vorstellungskraft selbst jener, die AfD-Querelen seit vielen Jahren beobachten: Guths engster Kreis (neben ihr selbst sind dies Stefan Wirtz und Jens Ahrends) akzeptierte die demokratische Entscheidung der AfD-Delegierten nicht. Besagtes Trio trug daher die als Egokränkung wahrgenommene Schmach in der Landespartei in die Landtagsfraktion hinein. Bereits dies – eine illegitime Vorgehensweise.
Der NDR, bemerkenswert schnell zugegen und informiert, zitiert Guth wie folgt:
Wir drei haben uns heute nach den Vorkommnissen der letzten zehn Tage entschlossen, die Fraktion zu verlassen”, sagte Guth. Das müsse aber nicht das Ende der AfD im Landtag sein. Die drei Politiker wollen offenbar in der Partei bleiben. Guth will zudem versuchen, eine neue AfD-Fraktion zu gründen – eine bürgerlich-konservative, wie sie sagte. Sie habe vier Abgeordneten ein entsprechendes Angebot gemacht.
Das Angebot wurde – entsprechend des politischen Wahnsinns, der sich darin verdichtet – zurückgewiesen. Stephan Bothe (MdL) hat in einer persönlichen Stellungnahme das Wesentliche zusammengefaßt:
Diese drei Personen haben heute eine erfolgreich arbeitende Landtagsfraktion zerstört, sie haben 20 Fraktionsmitarbeiter arbeitslos gemacht und die politische Arbeit auf Landesebene, also das, wofür sie in den Landtag gewählt worden waren, plattgemacht.
Dieses Verhalten verurteile ich auf das schärfste, diese Personen sind für mich nicht AfD, sondern das Gegenteil. Die AfD steht für Rechtsstaatlichkeit, sie steht für Patriotismus und Integrität. Dies alles haben die drei Personen heute vermissen lassen! Wir sechs, Peer Lilienthal, Stefan Henze, Christopher Emden, Harm Rykena, Klaus Wichmann und ich werden weiter kämpfen!
Auch Alexander Gauland, der Ehrenvorsitzende der AfD, meldet sich zu Wort. Die Süddeutsche zitiert ihn via dpa wie folgt:
Die AfD ist durch die sinnlose Sprengung der Fraktion durch Frau Guth nun in einem wichtigen Bundesland parlamentarisch quasi handlungsunfähig”, sagte Gauland der dpa. “Wer nach einer innerparteilichen Niederlage gleich alles hinschmeißt, mit dem kann man nicht zusammen politisch kämpfen und der hat das Wesen einer demokratischen Partei nicht verstanden.
Dennoch alles ein ganz »normaler« Vorgang einer Partei im Dauerstreit? Mitnichten. Selbst, wenn berücksichtigt wird, daß unterschiedliche Parteilager der Alternative unterschiedliche Ansichten vertreten, wie ebenjene Alternative ihre Standpunkte zu formulieren hat, und daß dies in barschen Richtungskämpfen mündet, kann hier eine vollkommen neuartige Eskalation festgestellt werden.
Denn mit dem Vorgang in Hannover wurde eine Grenze jeder denkbaren und verkraftbaren parteiinternen Auseinandersetzung nicht nur überschritten; sie wurde gesprengt.
Daher drei Anmerkungen:
1. Guth und die anderen beiden Anhänger des Minderheitskurses in Niedersachsen haben nicht nur parteischädigend gehandelt und dem Gegner einen kolossalen Erfolg ohne eigenes Zutun ermöglicht, sondern sich auch explizit antidemokratisch verhalten.
Richtungs- und Personalwechsel, die aus einer fairen und legalen Abstimmung hervorgehen, müssen anerkannt werden, wenn man sich unter den herrschenden Verhältnissen parteipolitisch betätigen möchte.
Ehemalige »Flügler« haben dutzendfach Abstimmungen oder gar Parteiausschlußverfahren verloren, ohne deshalb Fraktionen, Fraktionsmittel, Fraktionsangestellte zu riskieren. Keine Fraktion darf aufgrund persönlicher Befindlichkeiten (und nachrangig ideologischer Volten) gesprengt werden. Vor allem aber berechtigt die Niederlage bei einer landesparteiinternen Wahl niemanden, die vom Wähler »beauftragte« Arbeit der Landtagsfraktion mit einem Schlag zu verwerfen.
Guth beweist, daß sie in Kategorien denkt, die einer jeden Alternative unwürdig sind. Ihr unentschuldbares Verhalten ist ein Schlag ins Gesicht nicht nur für alle anderen gewählten AfD-Abgeordneten in Niedersachsen, sondern explizit auch für die über 20 (!) festen Mitarbeiter in Hannover, die nun über Nacht – freilich ohne eigenes Verschulden – aufgrund gekränkter Eitelkeit einer Meuthen-nahen Abgeordneten arbeitslos wurden.
Vor allem aber ist Guths Verhalten ein unverzeihlicher Affront gegenüber den 230.000 Wählern der Alternative zwischen Wilhelmshaven und Goslar und der eigenen Basis in den Kommunen. Wie sollen künftige Kreis- und Ortsverbände ihren Mitbürgern zu verstehen geben, daß man sein Kreuz bei einer Landespartei machen soll, die ein noch absonderlicheres Verhalten an den Tag legt als die kritisierten »Altparteien«?
2. Guth und ihre beiden Adepten müssen die Partei umgehend verlassen und ihre Mandate zurückgeben. Der Bundesvorstand muß handeln.
Jörg Meuthen, Beatrix von Storch und deren Netzwerk haben die Gelegenheit, vor der Basis darzulegen, daß sie mit Dana Guths Handeln weder charakterlich noch inhaltlich übereinstimmen. Das sind sie vielen tausend Mitgliedern in Niedersachsen und anderswo schuldig.
Ansonsten entstünde ein Eindruck, den Meuthen und Storch sicherlich vermeiden wollen: Verlieren sogenannte »Meuthenianer« auch nur eine einzige Abstimmung bei einem Landesparteitag, wird in der unmittelbaren Folge eine gegen alle externen Widerstände konstruktiv arbeitende und leidenschaftlich kämpfende Fraktion gesprengt und damit die gesamte (!) Arbeit der Alternative für Deutschland in Niedersachsen erschwert und nachhaltig beschädigt. Ist das im Sinne der AfD?
Denn einmal mehr, aber in völlig neuer Intensität, profitiert der (eigentlich gemeinsame) Gegner: die Altparteien. Das entsprechende Verhalten von Dana Guth und Co. ist apolitisch und würdelos.
Weltanschauliche Richtungskämpfe sind dabei ein Teil des Streites, aber nicht der ausschlaggebende: Einigen Kräften geht es ja nicht »nur« um eine sog. »bürgerlich-konservative« Neuausrichtung der gesamten Partei mit dem Ziel einer Re-Luckisierung der Alternative, sondern vor allem um das eigene Selbst. Dieser banale wie höchst gefährliche Umstand muß auf die Tagesordnung, im Ortsverband wie auf Bundesebene.
Die Basis sollte etwa Antworten von »ihrem« Bundesvorstand fordern: Wie denken beispielsweise die regelmäßig »abtauchenden« Carsten Hütter, Joachim Paul, Joachim Kuhs, Sylvia Limmer, Jochen Haug oder Alexander Wolf über die Farce von Niedersachsen? Wollen sie eine einheitliche AfD mit verschiedenen Flügeln oder wollen sie die Säuberung weiterführen?
Wenn einem Akteur wie Carsten Hütter, der seit Jahren in Schlüsselfragen gegen die Interessen der eigenen Ostverbände handelt, zu Hannover nur einfällt, daß »einzelne« Landtagsabgeordnete »unprofessionell« handeln würden, muß man ihn (und alle anderen genannten Akteure) nun endlich zu einer klaren Positionierung drängen: Für oder gegen die Einheit der AfD, für oder gegen das »Modell Guth«? Die Karten müssen auf den Tisch.
3. Weil inhaltlich widerstreitende Aspekte zwar auftreten, den charakterlichen Mißständen aber in der Bedeutung einmal mehr untergeordnet sind, sollten nun alle gutmeinenden Kräfte in der Partei zusammenarbeiten, um den spaltenden Kräften wie Guth die Tür zu weisen oder ihnen strikte parteipolitische Disziplin aufzuerlegen.
Ob »ordoliberal«, »solidarisch-patriotisch«, »nationalkonservativ« oder von allem ein bißchen, ob Ost oder West – es geht nun um die Einheit der Partei bei anzustrebender Isolation der Destruktiven, die, im großen Ganzen gesehen, maximal ein Viertel der Parteimitgliedschaft ausmachen, aber über Schlüsselfunktionen verfügen.
Als Meuthen lächelnd kundtat, sein jungfreiheitlicher Vorschlag, die Partei zu spalten, wäre nicht so gemeint, hat er viele aufrichtige Menschen an der Basis wiederum beruhigen können. Nach »Hannover« hat er es erneut in der Hand. Ruft er seine Getreuen nicht zurück, drängte sich unwidersprochen der Eindruck auf: Gewisse Kreise wollen das Ende der bisherigen AfD, koste es, was es wolle – einen Landesvorsitz, eine Fraktion oder mehr. Setzte sich diese Deutung durch, wäre dies ein Offenbarungseid des Co-Bundessprechers.
Aus dem Blickwinkel einer Person, die an der Einheit der AfD interessiert ist, könnte sich dieser Fall dann aber trotz allem womöglich in Teilen positiv deuten lassen: Die zahllosen Unentschlossenen unter den Mitgliedern sehen in aller Klarheit die apolitische Charakterlosigkeit einiger Spaltungsakteure und beginnen zu begreifen, daß es einer reinigenden Selbstvergewisserung der AfD als Alternative vor dem so bedeutsamen Krisen- und Superwahljahr 2021 bedarf.
Vollzöge sich dieser Erkenntnisprozeß samt personeller Konsequenzen, erwiese er sich in der Causa Guth zumindest mittelfristig als eine Form spezieller, AfD-immanenter Dialektik.
Daß neben den Landtagsfraktionen aus Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Thüringen auch der Bundessprecher Tino Chrupalla bekannt gab, daß er und seine Bundestagsfraktion arbeitslos gewordene Mitarbeiter aus Hannover »auffangen« werden, bietet jedenfalls ersten Anlaß zur Hoffnung, daß die Zeichen der Zeit verstanden wurden.
Nach »Hannover« ist vor dem Neubeginn. Die Basis und ihre gewählten Funktionsträger haben die Zukunft der Alternative für Deutschland selbst in der Hand – noch.
t.gygax
J. Kuhs ist ganz groß bei "Christen in der AFD". Ich kann aus langer und leidvoller Erfahrung sagen, dass es unter den Christen ganz fiese Methoden gibt, um Leute zu erledigen. Kuhs war in der Verwaltungshierarchie ganz oben, ohne jede Probleme; ich kenne Leute im Öffentlichen Dienst, denen die Kündigung angedroht wurde, wenn sie sich für die AFD einsetzen. Welcher Familienvater kann da noch etwas riskieren? Hatte Kuhs je Probleme??
Ich war einmal im Europäischen Parlament auf Einladung eines AFD Abgeordneten. Mir hat es für den Rest meines Lebens gereicht, was ich dort geboten bekam: ein Feudalsystem mit einer -ich zitiere Kubitschek- " verfetteten Fresse" , ein Luxus, eine Verschwendung ohnegleichen, dass man geradezu aggressiv wird, wenn man daran denkt, wie normale Menschen "in diesem unserem Land" sich durchs Leben kämpfen müssen. Nur ganz starke Persönlichkeiten können da widerstehen, aber Meuthen ist weder stark noch eine Persönlichkeit.Ein Verwaltungsbeamter , der nach oben kam.
In BW wird die AFD einstellig werden, nachdem alle engagierten Leute erfolgreich rausgedrängt wurden; gut, manche hatten schon Ecken und Kanten, aber lieber noch solche Leute als diese angepassten Typen, die nur versorgt werden wollen. Die Wasser der AFD fließen ab, und da kommt keine Welle mehr zurück.