Wissenschaftsfreiheit? Lehrfreiheit?

von Till Kinzel
PDF der Druckfassung aus Sezession 93/Dezember 2019

Frei­heit der Wis­sen­schaft in For­schung und Leh­re sind zwar grund­ge­setz­lich garan­tiert, aber sol­che Garan­tien allein rich­ten wenig aus, wenn ihre kul­tu­rel­len Vor­aus­set­zun­gen ero­die­ren. Dies aber geschieht zuneh­mend – ables­bar etwa an den Angrif­fen gegen Pro­fes­so­ren wie den Sta­li­nis­mus­for­scher Jörg Bab­e­row­ski oder den Inte­gra­ti­ons­for­scher Ruud Koop­mans in Ber­lin oder den Öko­no­men und Ex-AfD-Vor­sit­zen­den Bernd Lucke in Ham­burg – von unbe­kann­te­ren Per­so­nen ganz zu schwei­gen, die aber erst recht kei­ne hin­rei­chen­de publi­zis­ti­sche und poli­ti­sche Unter­stüt­zung erfahren.

Es läßt auf­hor­chen, wenn selbst ein mit Vor­lie­be sal­bungs­vol­le Reden »gegen rechts« schwin­gen­des Staats­ober­haupt sich bemü­ßigt fühlt, Vor­le­sungs­stö­run­gen durch Links­ra­di­ka­le – die aber nicht als sol­che benannt wer­den – zu kritisieren.

Ein win­zi­ger Zip­fel des Schlei­ers, mit dem in die­sem Lan­de die kon­kre­te Lage medi­al ver­deckt wird, darf einen Moment gelüpft wer­den – doch nicht zu lan­ge, sonst wäre am Ende doch mehr zu sehen, als für die stö­rungs­freie Genuß­be­frie­di­gung gut ist.

Das fast schon erwar­tungs­ge­mäß lah­me »Es geht nicht, dass sich Stu­den­ten­grup­pen oder Akti­vis­ten (sic) als Mei­nungs­zen­so­ren auf­spie­len« der Bil­dungs­mi­nis­te­rin klingt wenig anders als das unver­ges­se­ne »Straf­de­lik­te sind bei uns nicht erlaubt« der Bun­des­kanz­le­rin: win­del­wei­ches Gere­de von Leu­ten, die vor jeder not­wen­di­gen Kon­se­quenz zurück­schre­cken und die Betrof­fe­nen im Zwei­fels­fall immer im Regen ste­hen las­sen werden.

Sol­che Äuße­run­gen sind viel beun­ru­hi­gen­der als die fana­ti­schen Stö­rer, die ohne­hin kei­nen Zwei­fel dar­an las­sen, daß sie kei­nen Wert auf »Gesprächs­an­ge­bo­te« legen – wie sie auch Lucke noch gegen­über eben jenen mach­te, die nicht mit sich reden las­sen wol­len, son­dern auf nichts ande­res zie­len als die Ver­nich­tung sei­ner bür­ger­li­chen Existenz.

Es besteht daher trotz der aktu­el­len media­len Auf­merk­sam­keit für die Vor­le­sungs­stö­run­gen bei dem Ex-AfD-Vor­sit­zen­den Bernd Lucke kein Grund zur Hoff­nung, es wer­de sich nun abseh­bar oder gar nach­hal­tig etwas zuguns­ten der Wis­sen­schafts- und Lehr­frei­heit an deut­schen Uni­ver­si­tä­ten ändern.

Sicher: Wenn ein seit Jah­ren zum Qua­si-Nazi (»Nazi« als »sozia­le und dis­kur­si­ve Kon­struk­ti­on«, als unwi­der­leg­ba­re rhe­to­ri­sche For­mel) hoch­ge­schrie­be­ner Wirt­schafts­li­be­ra­ler wie Bernd Lucke an der Aus­übung sei­ner Lehr­tä­tig­keit gehin­dert wird, ist dies Grund zu mehr als Sorge.

Denn an ihm wird ein Exem­pel sta­tu­iert, das auch und vor allem auf ande­re zielt. Die nöti­gen Voka­beln, die Haß und Het­ze gegen poten­ti­ell non­kon­for­me Wis­sen­schaft­ler legi­ti­mie­ren, wer­den heu­te unter dem Deck­man­tel des Jour­na­lis­mus und der »poli­ti­schen Bil­dung« auf allen Kanä­len groß­zü­gig unters Volk, par­don: »die Men­schen«, gebracht.

Das Prin­zip, miß­li­e­bi­ge Wis­sen­schaft­ler als »Ras­sis­ten« oder »Rech­te« zu dif­fa­mie­ren, ist ein beson­ders effi­zi­en­tes Mit­tel der mora­li­schen Dis­kre­di­tie­rung. Weil rand­un­scharf, so Arnold Geh­len, lie­ßen sich sol­che rhe­to­ri­schen For­meln nicht widerlegen.

Und sich von die­sen Eti­ket­tie­run­gen zu befrei­en, ist des­halb fast unmög­lich, wie Allan Bloom bemerkt hat. Roger Scrut­on hat­te die Funk­ti­on eines sol­chen »ideo­lo­gi­schen Spre­chens« früh klar beschrie­ben: Der Vor­wurf des Ras­sis­mus schließt bereits den Schuld­spruch in sich.

Daher gilt: Die Ein­füh­rung die­ser und ande­rer stig­ma­ti­sie­ren­der Eti­ket­ten in die aka­de­mi­sche Sphä­re ist der unent­schuld­ba­re Ver­such, die­se selbst in ihrem Kern zu tref­fen und zu zer­stö­ren. Aber all das ist nichts grund­le­gend Neu­es: Denn Dem­ago­gen und auf­ge­hetz­te Stu­den­ten haben es auch schon in den ver­gan­ge­nen Jahr­zehn­ten immer wie­der ver­stan­den, miß­li­e­bi­ge Per­so­nen wir­kungs­voll am Reden – inner­halb wie außer­halb der Uni­ver­si­tät – zu hindern.

Und es ist auch nichts Neu­es, daß ihre links­li­be­ra­len Sym­pa­thi­san­ten bis in die Spit­zen der Hoch­schu­len hin­ein die­sem Trei­ben nichts Ernst­haf­tes ent­ge­gen­set­zen, son­dern es mit eher wohl­wol­len­dem Ach­sel­zu­cken beglei­ten und nur das Aller­nö­tigs­te tun, wäh­rend sie den »Akti­vis­ten« gleich­zei­tig signa­li­sie­ren, eigent­lich ihrer Mei­nung zu sein.

Dafür gibt es seit 1968 mehr als genü­gend Bei­spie­le, auch wenn es die brei­te­re Öffent­lich­keit in der Regel nicht wei­ter küm­mert. Daß die­sem Neben­ein­an­der von »Akti­vist« und Admi­nis­tra­ti­on zudem das Wohl­wol­len der lin­ken Jour­na­lis­ten sicher ist, unter­streicht die­sen Schulterschluß.

Und auch im Fall Lucke zei­gen sich bei dem Prä­si­den­ten der Ham­bur­ger Uni­ver­si­tät und der grü­nen Wis­sen­schafts­se­na­to­rin ähn­li­che Mus­ter (sie­he ZEIT Nr. 45 vom 30. Okto­ber 2019). Sug­ges­tiv wird neu­er­dings auch von höchs­ten Stel­len die Pla­ti­tü­de ange­führt, Mei­nungs­frei­heit bedeu­te nicht, daß einem nicht wider­spro­chen wer­den dürfe.

Das Estab­lish­ment pro­du­ziert ent­spre­chend die­ser Ansa­ge der Kanz­le­rin nur mehr wert­lo­se Lip­pen­be­kennt­nis­se zur Frei­heit der Rede, wenn etwa eine taz-Jour­na­lis­tin wie Bet­ti­na Gaus es »schon auch schwie­rig« fin­det, Lucke an sei­ner beruf­li­chen Tätig­keit zu hin­dern, aber selbst­ver­ständ­lich eine Gren­ze zieht: Man dür­fe nicht alle rech­ten Poli­ti­ker in einen Topf werfen.

Im Klar­text heißt das: Lucke darf im Zwei­fels­fall – viel­leicht – reden, aber Jörg Meu­then, Ali­ce Wei­del oder Gott­fried Curio sicher nicht. Sie unter­streicht damit, was auch Lucke selbst noch gern für sich in Anspruch näh­me, näm­lich die Grenz­zie­hung zu denen, mit denen er nun nichts mehr zu tun haben möchte.

Er habe sich doch von der AfD getrennt, er sei ja auch gegen eine Ver­ro­hung der Spra­che und­so­wei­ter. Damit wird jedoch ver­kannt, wel­che Funk­ti­on die Ver­hin­de­rung frei­er Leh­re und For­schung hat: Es geht nicht um Neti­quet­te oder ähn­li­ches, son­dern gene­rell um die Unter­bin­dung kri­ti­scher Dis­kus­sio­nen; nicht dar­um, ob viel­leicht irgend jemand »wirk­lich« ein »Nazi« oder »Faschist« ist oder sich im Ton oder der Wort­wahl ver­grif­fen hat.

Im Rah­men des herr­schen­den Sys­tems der Pro-Migra­ti­ons-Ortho­do­xie wür­de auch noch die nüch­terns­ter Sach­lich­keit ver­pflich­te­te Rede, sobald sie als ent­schie­den migra­ti­ons­kri­tisch iden­ti­fi­ziert wäre und Aus­sicht auf nen­nens­wer­te poli­ti­sche Außen­wir­kung hät­te, eben­so hef­tig bekämpft wie tat­säch­lich het­ze­ri­sche Pöbeleien.

Die FAZ-Jour­na­lis­tin Hei­ke Schmoll hat­te schon 2011 kon­sta­tiert, es sei um die Uni­ver­si­tät als Lebens­form ein für alle­mal gesche­hen. Es gibt wenig Anlaß, die­ses Urteil zu revi­die­ren. An die­sen Uni­ver­si­tä­ten, die sich gegen ihre Schwä­chung durch »Bolo­gna« schon nicht zur Wehr setz­ten, herrscht seit­her das Duck­mäu­ser­tum in ideo­lo­gi­schen Dingen.

Soge­nann­te For­schungs­pro­jek­te, die sich im Ein­klang mit dem Zeit­geist befin­den, wer­den geför­dert, wäh­rend ansons­ten gera­de dort, wo der Idee nach die Repu­blik des Geis­tes der frei­en Aus­ein­an­der­set­zung ihren Ort haben soll­te, zuneh­mend Gesin­nungs­kor­ri­do­re den All­tag bestimmen.

Die­je­ni­gen Hoch­schul­an­ge­hö­ri­gen, die sich nicht als links ver­ste­hen, dürf­ten meist schon froh sein, wenn sie halb­wegs in Ruhe gelas­sen wer­den. Von ihnen kommt daher auch kei­ne offe­ne Kri­tik am ekla­tan­ten Niveau­ver­lust der For­schung durch die Poli­ti­sie­rung der Wis­sen­schaf­ten im Zei­chen von Mas­sen­mi­gra­ti­on, Gen­der Stu­dies, »Anti­ras­sis­mus« und »Kli­ma­schutz«.

Und eine spür­ba­re Soli­da­ri­sie­rung mit poli­tisch Ver­fem­ten wie Lucke, von ande­ren ganz zu schwei­gen, gibt es nicht. Vor­le­sungs­stö­run­gen, mit denen die Lehr­frei­heit aus­ge­he­belt wird, haben so auch immer den mao­is­ti­schen Zweck und Effekt, den Einen zu bestra­fen, um Hun­der­te oder Tau­sen­de zu »erzie­hen«.

Die so Erzo­ge­nen sol­len dazu gebracht wer­den, sich eben nicht zu expo­nie­ren, und zwar noch nicht ein­mal dadurch, daß man poten­ti­ell miß­li­e­bi­ge Per­so­nen über­haupt an die Uni­ver­si­tät ein­lädt – selbst harm­lo­se FDP-Vor­sit­zen­de kön­nen schon zu anstö­ßig sein.

Da kommt es dann auch, wie im Fal­le der Ein­la­dun­gen eines Sie­ge­ner Phi­lo­so­phen an Thi­lo Sar­ra­zin und Marc Jon­gen, zu dem, was man Mikro­schi­ka­nen nen­nen kann: Die sonst übli­chen Gel­der kön­nen auf ein­mal nicht ange­zapft wer­den, so daß Vor­trags­red­ner ihre Rei­se­kos­ten sel­ber bezah­len müs­sen; es soll nicht über die eigent­li­chen (da ja umstrit­te­nen) The­sen gespro­chen wer­den, son­dern nur über das The­ma Mei­nungs­frei­heit all­ge­mein etc.

Wenn das ein Pro­fes­sor ein­mal mit­ge­macht hat, läßt er es in den meis­ten Fäl­len beim nächs­ten Mal lie­ber sein. Das Prin­zip der Ein­schüch­te­rung hat damit bereits sei­nen Zweck erfüllt, wer­den so doch in jeder Bezie­hung die Kos­ten dafür in die Höhe getrie­ben, sich auch nur zag­haft gegen den Main­stream zu stellen.

Nicht nur die wirk­li­chen Dis­si­den­ten wer­den dis­zi­pli­niert, son­dern auch die poten­ti­el­len Sei­ten­wechs­ler, die sich wenigs­tens halb­wegs offen zei­gen und an dem Ide­al einer ergeb­nis­of­fe­nen Wis­sen­schaft festhalten.

Die öffent­lich­keits­wirk­sa­me­ren Fäl­le von poli­tisch bedeu­tungs­los gewor­de­nen Pro­fes­so­ren wie Lucke oder ehe­ma­li­gen Minis­tern wie Tho­mas de Mai­ziè­re, denen das Recht auf freie Rede in der Leh­re in der übli­chen anti­fa­schis­ti­schen Manier genom­men wird, soll­ten indes nicht über­se­hen las­sen, daß die wah­ren Pro­ble­me der deut­schen Uni­ver­si­tä­ten auf ande­ren Ebe­nen liegen.

Sie lie­gen dort, wo sie ihrer Natur nach gar nicht erst in das ohne­hin nur kurz­zei­ti­ge Ram­pen­licht der Öffent­lich­keit drin­gen. Hier sind auch nicht nur Pro­fes­so­ren betrof­fen: Denn wie sieht es bei­spiels­wei­se mit Habi­li­ta­ti­ons­ver­fah­ren aus, die aus poli­ti­schen Grün­den schei­tern oder gar nicht erst in die Wege gelei­tet werden?

Wie steht es um die Wei­ter­be­schäf­ti­gung von Aka­de­mi­kern in der Qua­li­fi­ka­ti­ons­pha­se, wenn sie den Kopf nicht ein­ge­zo­gen und der poli­ti­schen Kor­rekt­heit ihren Tri­but ver­wei­gert haben? Wie wirkt sich gen­der­fe­mi­nis­ti­sches Gemau­schel auf die Frei­heit der For­schung aus, wenn bedingt durch den Gen­der­bo­nus kei­ne Besten‑, son­dern eine Gesin­nungs­ge­nos­sin­nen­aus­le­se betrie­ben wird?

»Pro­fes­so­ren sind sel­ten Hel­den«, kon­sta­tiert der His­to­ri­ker Andre­as Röd­der nüch­tern und zutref­fend (NZZ vom 4. Novem­ber 2019).

Und Uni­ver­si­tä­ten waren sel­ten Wider­stands­nes­ter gegen den herr­schen­den Zeit­geist. Aus­nah­men bestä­ti­gen die Regel.

Ob die deut­schen Uni­ver­si­tä­ten selbst noch die Kraft zum Wider­stand auf­brin­gen wer­den, ist daher frag­lich. In Frank­reich for­dern pro­mi­nen­te Aka­de­mi­ker schon schlich­te Selbstverständlichkeiten:

Die Rede­frei­heit muss von den Uni­ver­si­täts­prä­si­den­ten garan­tiert und ver­tei­digt wer­den (…) Mit ihrem Haus­recht kön­nen und müs­sen sie sicher­stel­len, daß Vor­trä­ge und Kon­fe­ren­zen unbe­hel­ligt statt­fin­den kön­nen, wobei im Zwei­fels­fall auch die Poli­zei zu rufen ist.

Die heu­ti­ge Uni­ver­si­tät ist weit davon ent­fernt, ein Hort »herr­schafts­frei­er Dis­kur­se« zu sein; blo­ße Appel­le, die von Anti­fa­schis­ten gezielt ein­ge­setz­ten Aktio­nen »gin­gen nicht«, sind in kei­nem Fal­le hin­rei­chend, um irgend­et­was zu bewirken.

Es fehlt zudem auf allen Ebe­nen – von der Poli­tik über die Wirt­schaft und die Medi­en bis hin zu den Uni­ver­si­tä­ten selbst – auch nur der Ansatz eines Bewußt­seins für die Not­wen­dig­keit, die »hirn­ver­hee­ren­de Denk­hem­mung« des »Anti­fa­schis­mus« (Ber­nard Will­ms) zu überwinden.

An der Bedro­hung der Wis­sen­schafts- und Lehr­frei­heit miß­li­e­bi­ger Per­sön­lich­kei­ten wird sich ohne Eta­blie­rung einer sicht- und spür­ba­ren Gegen­macht nichts ändern. Auch im Bereich der Wis­sen­schaft und ihrer Orga­ni­sa­tio­nen gilt »das anthro­po­lo­gi­sche Gesetz von Macht und Entscheidung«.

Dar­aus, so Pana­jo­tis Kon­dy­lis’ ernüch­tern­de Schluß­fol­ge­rung, »ergibt sich der uto­pi­sche Cha­rak­ter der For­de­rung, aus der Wis­sen­schaft ein macht- und herr­schafts­frei­es Ter­rain zu machen«. Gewiß: Es hat noch zu kei­ner Zeit eine Gesell­schaft gege­ben, in der eine umfas­sen­de Frei­heit der Mei­nungs­äu­ße­rung herrschte.

Eine frei­heit­li­che Ver­fas­sungs­ord­nung soll­te aber eine sol­che Frei­heit nicht nur nor­ma­tiv, son­dern auch fak­tisch mög­lichst weit­ge­hend garan­tie­ren. Die staat­li­che Uni­ver­si­tät jeden­falls, so Ernst Topitsch, ist nur legi­ti­miert als »Raum insti­tu­tio­nell geschütz­ter Frei­heit empi­risch-ratio­na­ler Wahr­heits­fin­dung, wo sowohl die Ideo­lo­gien der an der Herr­schaft Sit­zen­den wie die der nach der Herr­schaft Stre­ben­den glei­cher­ma­ßen der Kri­tik aus­ge­setzt sind, die sie ihrer anma­ßen­den Abso­lut­heits­an­sprü­che entkleidet«.

Doch der­zeit ste­hen die Zei­chen auf eine immer wei­te­re Ver­en­gung die­ser Frei­heit, weil jede tat­säch­li­che Erwei­te­rung des Dis­ku­tier­ba­ren mit Not­wen­dig­keit auf eine Infra­ge­stel­lung der lin­ken poli­tisch-kul­tu­rel­len Hege­mo­nie hin­aus­lie­fe. Das aber ist für das jus­te milieu eine schier uner­träg­li­che, die »Gren­zen« ihrer »Tole­ranz« über­schrei­ten­de Vorstellung,der mit allen Mit­teln gewehrt wer­den muß.

Ange­sichts der Lage ist es mehr als ver­ständ­lich, wenn so man­cher Uni­ver­si­täts­an­ge­hö­ri­ge sich lie­ber für das »Mar­ty­ri­um des Schwei­gens« (David Fried­rich Strauß) ent­schei­det. Ein Ver­las­sen der Mei­nungs- und Gesin­nungs­kor­ri­do­re, die von einer Kom­bi­na­ti­on aus vor­mund­schaft­li­chem Staat und vor­ge­la­ger­ten Hilfs­trup­pen der »Zivil­ge­sell­schaft« eta­bliert wur­den, soll zudem unmög­lich gemacht wer­den, indem ihre fak­ti­sche Exis­tenz abge­strit­ten wird und gegen­tei­li­ge Behaup­tun­gen als fake news ent­larvt werden.

Doch es gibt auch anspor­nen­de Vor­bil­der für Gelehr­te, die Gesin­nungs­kor­ri­do­re nie akzep­tiert haben, von Johann Gott­lieb Fich­te bis Ernst Nol­te. Die Neu­grün­dung eines offen­siv agie­ren­den »Bun­des Frei­heit der Wis­sen­schaft« – und zwar aus den Hoch­schu­len her­aus – ist das Gebot der Stunde.

Denn nur so könn­te ers­tens kon­kre­te Soli­da­ri­tät über Par­tei­gren­zen orga­ni­siert und zwei­tens nach­hal­tig Öffent­lich­keit her­ge­stellt wer­den. Dies wäre nur ein ers­ter Schritt zum Auf­bau von Gegen­macht, denn all­zu­sehr ist das wis­sen­schaft­li­che Estab­lish­ment an allen Ecken und Enden, von der For­schungs­för­de­rung bis zur Per­so­nal­po­li­tik, heu­te mit den Kräf­ten der poli­ti­schen Kor­rekt­heit im Sin­ne des »kul­tur­wis­sen­schaft­li­chen Man­tras« von race, class, gen­der sowie cli­ma­te chan­ge verwoben.

Und die post­mo­der­ne Wahr­heits­in­dif­fe­renz, die dem aka­de­mi­schen Geist dia­me­tral ent­ge­gen­steht, ver­schärft die Pro­ble­me. Denn die vom post­mo­der­nen Den­ken mit­tels des Abschieds von der Logik sank­tio­nier­ten dop­pel­ten Maß­stä­be erlau­ben es ihren Ver­tre­tern, immer bei­des zu tun: laut­hals fake news zu bekla­gen und sie gleich­zei­tig selbst in die Welt zu set­zen; Mei­nungs­frei­heit, Demo­kra­tie und bun­te Viel­falt ver­bal zu beschwö­ren und durch die Tat zu unter­mi­nie­ren; zu den Klän­gen des Man­tras von Auf­klä­rung und »offe­ner Gesell­schaft« deren fak­ti­sche Des­avou­ie­rung zu betreiben.

Das ein­zi­ge, was die Macht der neu­en ideo­lo­gi­schen Ein­heits­front auch in den Bil­dungs­in­sti­tu­tio­nen zurück­drän­gen könn­te, um wenigs­tens ein »Par­al­le­lo­gramm der Kräf­te« (Gómez Dávila) zu eta­blie­ren, ist also Gegen­macht: die Prä­senz ver­netz­ter Akteu­re, die wis­sen, wor­um es geht, die sich erkenn­bar posi­tio­nie­ren und zumin­dest Waf­fen­gleich­heit für sich in Anspruch nehmen.

Die sich nicht davor scheu­en, stig­ma­ti­siert zu wer­den, son­dern ent­schlos­sen zum Gegen­an­griff auf die »zivil­ge­sell­schaft­lich« moti­vier­te Ver­brei­tung ideo­lo­gi­schen Mehl­taus an den Hoch­schu­len über­ge­hen. Es wäre noch viel Grund­la­gen­ar­beit zu leis­ten, um die­sen Mehl­tau – Röd­der bezeich­net die­se eman­zi­pa­to­risch-repres­si­ve Kon­stel­la­ti­on als »Regen­bo­gen« – abzu­strei­fen. Erst dann kann, in Abwand­lung eines Wor­tes von Spi­no­za, wie­der gelten:

In einer frei­en Uni­ver­si­tät muß jedem erlaubt sein, zu den­ken, was er will und zu sagen, was er denkt.

Nichts schreibt sich
von allein!

Das Blog der Zeitschrift Sezession ist die wichtigste rechtsintellektuelle Stimme im Netz. Es lebt vom Fleiß, von der Lesewut und von der Sprachkraft seiner Autoren. Wenn Sie diesen Federn Zeit und Ruhe verschaffen möchten, können Sie das mit einem Betrag Ihrer Wahl tun.

Sezession
DE58 8005 3762 1894 1405 98
NOLADE21HAL

Kommentare (0)