Zeitzeugen zum Volkstrauertag
Ich habe heute ein Video gesehen, das ist eigentlich unglaublich. Veröffentlicht wurde es auf dem Twitterkanal des Regierungssprechers Steffen Seibert. Es trägt den Titel „Besondere Helden“ und, was soll ich sagen: Das war wohl das erste Video der Bundesregierung, das mich bis ins Innerste berührt hat.
In dem Film (eigentlich sind es sogar zwei Spots) treffen wir die Lehmanns. Ein älteres Ehepaar – sie, Luise, Asiatin, er, Anton, Deutscher – welches in einer großelterlich-dandyhaften Wohnung sitzt und im Stil eines Zeitzeugenberichtes von seiner Studentenzeit im Jahr 2020 und „der Zweiten Welle“ erzählt.
Man könnte Gevatter Lehmann auf den ersten Blick auch für einen gealterten 68er-Opa halten, wie er da mit selbstgerechtem Blick und Tweedsakko auf dem Sofa hockt und vor einem epischen Soundteppich vom Schicksal seiner Generation schwadroniert. Es geht wohl um Corona, man erwartet also eine rührende Story über selbstloses Einkaufen für das Großmütterchen, eine Rettungsaktion für die örtliche Stammkneipe und irgendwelche dummen Telefonkonferenzen; aber die Pointe ist eine andere.
Denn die Lehmanns haben 2020 genau das getan, was die Bundesregierung von ihnen erwartet hat. Nämlich gar nichts. Und das macht sie in den Augen der Filmemacher zu Helden.
Wer sind also diese Helden, derer unser Land bedarf? Wenn man den Spots glauben darf, vor Allem multiethnische Studentenpärchen, die „wie die Waschbären“ „schimmeln“ und „gammeln“ und gar nicht mehr aus dem Schlafanzug herauskommen.
In einer regelrecht ikonischen Szene sieht man zum Beispiel die junge Luise Lehmann, wie sie unterlegt vom schwellenden Pathos der Konservenmusik das Fenster ihrer Wohneinheit zuschließt und mit zarten, weißen Seidenvorhängen die Sonne aussperrt, bevor sie sich erleichtert wieder Ihrem im Bett lungernden Ehegespons zuwendet. Dieser liegt Fastfood kauend in den Laken und salutiert ihr grinsend zu, im Hintergrund läuft der Fernseher.
Um ihren Lebensunterhalt müssen sich die beiden offenbar keine Sorgen machen, auch nicht um den Einzelhandel, oder überhaupt sonst irgendwen. Denn alles was sie für ihre große Heldentat brauchen, bekommen sie von internationalen Großkonzernen mund- und mattscheibengerecht angeliefert. Ihr einziger Sinn, die große schicksalshafte Aufgabe ihres Lebens ist der Kampf gegen „die unsichtbare Gefahr, die nicht nur unser Land, sondern die ganze Welt bedrohte“.
„Unsere Couch war die Front und unsere Geduld war unsere Waffe“ – die zwei Spots ziehen ihren ganzen Witz daraus, dass dieser Satz ernstgemeint und eigentlich gar nicht lustig ist, weil er den Schritt vom Menschenleben hin zum insektoiden Vegetieren mit dem toten Lächeln der Lehmanns vollzieht.
In seiner dystopischen Wucht ist dieses Machwerk so ironisch-unironisch, so böse, lebensfeindlich und drohnenhaft unter-menschlich, dass es schon fast einer Befreiung gleichkommt:
Endlich mal keine Aufnahmen der sonst so angepriesenen „Homeworkouts“, keine Szenen von heimischen Backexperimenten, oder dem Einkauf mit Mindestabstand und selbstgenähtem Mundschutz. Es gibt wirklich nur noch zwei beliebige Humanapparate in ihrer Wohnkapsel, die nichts tun, außer Kentucky Fried Chicken, Coca Cola und Netflix zu konsumieren.
Heute ist Volkstrauertag. Und wenn jemand jetzt auf dieses Video zeigt und mir erzählt, dass es Menschen an der Spitze dieses Staates gibt, die unser Volk und alles was es ausmacht zerstören und vernichten wollen, dann glaube ich ihm und werde wütend.
Aber dann muss ich doch lachen, wenn ich sehe, dass man die ollen Lehmanns ausgerechnet nach Chemnitz gesetzt hat. Das haben sich die Macher wohl als gewieften Seitenhieb vorgestellt, in Wirklichkeit bleibt es doch ein Eingeständnis: Da hat etwas wehgetan, da hat ein Schlag gesessen, da ist eine Wunde im feisten Wanst der Bundesrepublik noch nicht verheilt. Gut so.
RMH
Diese Spots sind wahrhaft ekelhaft. Billigstes Product-Placement (oder in deutsch: Schleichwerbung) von KFC und Cola und eine Welt, die es auch trotz Corona eigentlich gar nicht gibt. In Wahrheit arbeitet die Masse, die Kinder gehen zu Schule. Die neue soziale Frage ist eher, wer bekommt Staatsknete und darf Homeoffice, und wer darf ganz real den Müll abräumen. Wer (außer Rentner und Arbeitslose) kann - ohne gefeuert zu werden - einfach zu Hause bleiben und nix machen?
Gerade, Sonntag Abend, wird der "Great Reset" ganz offen bei Anne Will diskutiert. Die Hosen sind runter, der Kaiser ist nackt. Schwafle keiner mehr was von Verschwörung. Eine Verschwörung hat das Element der Geheimhaltung. Alles geht offen vor ...