Aber ob sie je bricht, das ist die Frage. Geschieht es, sähen die Menschen klar darin, wie sie monatelang während der “Pandemie” von exekutiven Maßnahmen eingeschränkt und in ihrem Alltag wie in ihren Geschäften behindert worden sind. “Corona” avancierte zum Exerzierplatz der Exekutiven. Medizinisches und Politisches greifen dabei eng ineinander.
Solange die Angst nicht bricht, wird die Entmündigung der Gesellschaft und die Erweiterung der Vormundschaftlichkeit fortschreiten. So das wahrscheinlichere Szenario. Abgesehen von allem, was in Rede steht, Virologen- und Medizinerauffassungen, Kanzler- und Ministerpräsidentenrunden, Verordnungspolitik usw. usf., bedürfte es primär einer Änderung, die so einfach wie unwahrscheinlich ist:
Die Menschen müßten sich damit abfinden, daß man an einer Infektionskrankheit nun mal erkranken und tragischsten Fall sterben kann. Sie akzeptieren dies grundsätzlich mit Blick auf alle Infektionskrankheiten, nur eben nicht hinsichtlich der einen, die von dem „neuartigen Coronavirus“ ausgelöst wird, das allerdings zu einer bekannten Viren-Familie gehört und “kein Virus ohne Ahnen” ist, wie Mike Yeadon, einstiger Forschungsleiter bei Pfizer, erklärt.
Wie dem auch sei: Entweder das Immunsystem ist, bald hoffentlich kraft Impfung, leistungsfähig genug oder tragischerweise nicht. Versagt es, greift immer noch medizinische Hilfe, soweit sie eben möglich ist. Mitunter ist sie es nicht.
Wir akzeptieren das bei jeder Erkrankung der Atemwege, sind aber nicht bereit, es gegenüber dem „neuartigen Coronavirus“ hinzunehmen. Spricht man diesen einfachen Sachverhalt nur aus, gilt man bestenfalls noch als verantwortungsloser Zyniker, schlimmstenfalls als kaltherziger Unmensch.
Eine Gesellschaft, der vermutlich noch verordnet wird, daß man das Fahrrad selbst auf abseitigen Wegen nur mit Helm, fluoreszierender Weste und rotblinkender Warnbeleuchtung benutzen darf, wie es die grün eingestellten Vorbildbürger längst tun, hat überhaupt das Bedürfnis nach Rückversicherungen und Garantien, die das Leben selbst nun mal nicht gewährt.
An kommunalen Badestellen werden Sprungtürme abgebaut, weil sich dort jemand verletzen und die Gemeinde in Haftung genommen werden könnte; an Wanderwegen stehen Warnschilder, die darauf hinweisen, einem könnten im Wald Äste auf den Kopf fallen. Und wenn man heute im Treppenhaus einem Nachbarn ohne “Alltagsmaske” begegnet, dann könnte das eben der Todesengel sein. Offenbar grassiert diese Paranoia viraler als das Virus selbst. Eine Stimmung, wie sie A. Paul Weber illustrieren könnte.
Mit der Folge, daß die „mündigen Bürger“ willfährig bereit sind, ihre Rechte für Schutzversprechen der Regierung aufzugeben, insbesondere für die Garantie, ein Beatmungsplatz wäre auf einer Intensivstation für sie gesichert bereit, wenn sie die Exekutive nur zur Fortführung der Erlaßpolitik ermächtigen. Paternalismus in reiner Gestalt.
Die Landesparlamente, die kaum je für existentielle Entscheidungen benötigt wurden, es jetzt aber um so mehr wären, kuschen vor den Landesregierungen. Ihre „Parlamentarier“ heben mit Ausnahme der dafür geschmähten AfD die Hand zu wahnwitziger Verschuldung und krasser Blockadepolitik und sacken weiter dicke Diäten für eigenen Lebenskomfort ein. Es ist ganz bequem, nichts mitentscheiden zu müssen und dies den Videokonferenzen bei Hofe überlassen zu können, die mittlerweile als eine Art Kronrat fungieren.
Der entschied ohne Legislative mal wieder “per Schalte”, der Lockdown bleibe bis zum 11. Januar des nächsten Jahres verlängert. Basta. Großer Ukas, keine Differenzierungen, wie sie medizinischer Rat empfiehlt, keine Regionallösungen, so allerdings auch kein gesonderter Schutz vulnerabler Gruppen, sondern einfach allgemeiner Ausnahmezustand nach dem Motto “Wir tun was!” – Hammerschlag. Wumms!
Wer sich profilieren will, verlangt laut nach Zugabe, gemäß Carl Schmitts “Souverän ist, wer über den Ausnahmezustand entscheidet.” An Souveränität liegt vor allem dem Kanzlerkandidaten in Wartestellung, Markus Söder. Prompt ruft er den Katastrophenfall aus und zeigt den anderen, was ohne Legislative exekutiv-initiativ alles noch geht. Immerhin wird die Zustimmung des Landtags am 8. Dezember verläßlich nachgeliefert. Karikaturen wie Karl Lauterbach steuern ungefragt die befürwortende Expertenmeinung bei: “Gefahr an Glühweinständen!”
Die Regierung spricht davon, niemanden im Stich zu lassen, und verspricht trostreich, alle stillgelegten Geschäfte und Firmen doch zu entschädigen, so als kämen die Mittel dazu von ihr. Sie kommen aber von den Geschädigten selbst! Und sie werden alsbald von ihnen zurückzuzahlen sein.
Alle Kritiker, die ganz vernünftigerweise erst zu zweifeln und dann zu handeln begannen, wobei ihnen ja nichts anderes bleibt als außerparlamentarische Demonstrationen und der zivile Ungehorsam, gelten als Verschwörungstheoretiker, die rechts infiziert sind. Wesentlich für dieses exekutive “Krisenmanagement” ist, daß seuchenmedizinische Maßnahmen mit politisch-operativen Vorgängen (passender DDR-Stasijargon) verbunden werden. Dem Robert-Koch-Institut obliegt das eine, dem Verfassungsschutz das andere: Gegen das Virus und gegen rechts. Keimfrei im einen wie im anderen.
Der polithygienische Einsatz des Verfassungsschutzes “gegen rechts” verschärft deutlich die seit langem spürbare Tendenz zur Moralisierung und Ideologisierung. Wolfgang Merkel schrieb dazu in der “Frankfurter Allgemeinen Zeitung” vom 04. Dezember:
“Sie (die Migrations‑, Klima- und Corona-Krise – d. Verf.) verändern das Verhalten der politischen Entscheidungseliten und der Bürger, sie moralisieren Konflikte in der Gesellschaft, kulturalisieren sie; sie ändern Rechtsnormen zugunsten der Exekutive und beschleunigen die Entparlamentarisierung der politischen Entscheidungen. (…) Der grundlegende Legitimationsmodus der Demokratie verschiebt sich von der Bürgerbeteiligung (input) und den parlamentarischen Entscheidungsverfahren (throughput) hin zum Output, also den Politikergebnissen.”
Angst ist der Kern jeder Neurose. Wir leben seit Jahrzehnten in einer Angst-Gesellschaft, die für das „neuartige Coronavirus“ nicht nur anfällig, sondern geradezu empfänglich war. Es hätte auch jedes andere und gern ein harmloseres Virus sein können, und es hätten sogar geringere Fallzahlen, weniger Todesziffern und noch tiefere R‑Werte ausgereicht. Vermutlich wäre die Gesellschaft schon von einem harmlosen Hautausschlag eingeknickt. Und noch dankbarer hätte die Regierung der Vorsorge- und Bevormundungsparteien für eine kollektive Diesel-Allergie sein dürfen.
Nein, ich will nichts verharmlosen und hatte ab März immer sauber gewaschene Hände. Aber ich wünschte mir mehr Nachdenklichkeit und mehr Selbst- oder Gottvertrauen, zudem den “Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen”, wie Immanuel Kant es 1784 ausdrückte, vor allem aber einen aufrechteren Gang. Man knicke nicht beständig ein, wenn mal was in der Luft liegt. Ein Jahr liefen wir ängstlich am Gängelband. Dies ein weiteres Jahr durchzuhalten würde die Republik vollständig pathologisieren, im politischen mehr als im medizinischen Sinne.
Oliver Lepsius meint im F.A.Z.-Feuilleton vom 7. Dezember: “Wer den Diskurs über den Lockdown weder moralisieren noch politisieren noch juridifizieren will, muß also einen aufgeklärten öffentlichen Diskurs führen. Für ihn tragen die Massenmedien eine Gewährleistungsverantwortung. Sich an der Verhältnismäßigkeit zu orientieren wäre das Angebot einer Diskursethik, das nicht ohne die Inanspruchnahme von Freiheitsrechten und die Suche nach Wirkungsketten zu haben ist.” Das wäre mindestens ein Ansatz.
Ordo
Clint Eastwood nannte diesen Vorgang schlicht "Pussyfizierung". Auf den Punkt gebracht.
Nebenbei: Die Rechte muss sich geistig endlich vom Staat lösen. Kubitschek hat schon die ersten Schritte gemacht. Es gibt auch ein Leben und eine Ordnung jenseits des Staates. Wahrscheinlich sogar eine bessere.