In Der böse gute Wille (vgl. Sezession 75) griff der ehemalige außerplanmäßige Professor der TU Chemnitz zur Feder, um dem moralischen Universalismus der lautstarken Zuwanderungsbefürworter auf die Pelle zu rücken. Nun legt Fritze mit dem Angriff auf den freiheitlichen Staat ein Kompendium zur Ideologie- und Herrschaftskritik vor. Über Macht und ideologische Vorherrschaft, so der Untertitel, reflektiert Fritze, und das Ergebnis fällt angesichts der bundesrepublikanischen Malaise erwartbar schonungslos aus.
»Erwartbar« impliziert indes nicht, daß eine Lektüre obsolet wäre. Im Gegenteil. Fritze nutzt das gesamte Besteck politikwissenschaftlichen Arbeitens und philosophischen Denkens, um ein Werk vorzulegen, das verschiedene Stränge gesellschaftskritischen Denkens aus dezidiert freiheitlicher Perspektive zu einem klugen Bande verknüpft. Gewiß: Wer sich aktiv am politischen Zeitgeschehen betätigt, wird die ein oder andere Erkenntnis über Herrschaftsmethoden und ‑praktiken des linksliberal ausgerichteten politmedialen Komplexes zur Genüge kennen. Und auch ein Steckenpferd Fritzes – die Kritik an der liberal-universalistischen Grundorientierung des hypermoralisch agierenden Establishments – kann womöglich als bekannt vorausgesetzt werden.
Doch der besondere Wert des Buches ist gerade in seiner Vollständigkeit zu suchen: Ob die geistige Situation der BRD oder die Rolle der repräsentativen Demokratie als Elitenherrschaft; ob Betrachtungen zu den Kampfmethoden des linksliberalen Kartells; ob Kommunikationsverhältnisse der Leitmedien und Bloßstellung ihrer Gesinnungsvehemenz; ob Nachdenken über die anhaltende Selbstverdummung der Deutschen oder über die Ausgrenzung via moralischer Ächtung; ob Zerstörung der Gedanken- und Meinungsfreiheit durch den herrschenden Block oder der neue Kulturkampf gegen Familie, Volk und den neutralen Staat – Fritze setzt Baustein auf Baustein und kommt zu seinem skeptisch-resignierenden Ausblick auf eine bundesdeutsche Demokratie, die sich auf totalitäre Abwege begibt.
Naturgemäß sind jene Passagen besonders aufschlußreich, in denen der langjährige (1993 – 2019) Forscher des Hannah-Arendt-Instituts für Totalitarismusforschung (TU Dresden) seine ureigenen Metiers seziert. Verwiesen werden kann etwa auf Fritzes Darlegung der Bereitschaft zur ideologischen Konformität unter den ökonomisch abhängigen Wissenschaftlern oder auf die mediale Zertrümmerung seiner Heimatstadt Chemnitz im Nachgang von fiktiven und längst widerlegten »Hetzjagden« auf Ausländer 2018 ff. Als Leser spürt man Fritzes Verärgerung über einen Staat, der sich von einer linksliberalen Zivilgesellschaft seines Wesens entfremden läßt und im Zuge dieses Prozesses auf antifreiheitliche Abwege geraten ist, deren Wirkungen sich stetig verschlimmern.
Ein roter Faden des gelehrten wie engagierten Buches ist ganz in diesem Sinne Fritzes Leiden an einem einst freiheitlichen Staat, der seine Bürger mit einer Ideologie ausstatten möchte, anstatt sich weltanschaulich neutral zu verhalten und politisch-korrekter Zensur zu verweigern. Fritze gelingt es hierbei, den Kampf um Hegemonie seitens der Machthaber entlang ihrer einseitig individualistischen und moralisch-universalistischen Ausrichtung zu beschreiben. Daß er als Forscher und Autor ein seltener Vertreter jener sorgfältig wie aufrichtig arbeitenden »alten Schule« ist, realisiert man dann nicht zuletzt anhand der breit aufgestellten verwendeten Literatur: Staatstragende Wissenschaftler wie Eckhard Jesse und Uwe Backes werden ebenso einbezogen wie alternative Köpfe von Dominique Venner bis Thor v. Waldstein. Daß allein dies schon für das Gros der politologischen Kollegen Lothar Fritzes einem Skandal gleichkommen dürfte, beweist nichts weniger als die Richtigkeit der in diesem Buch dargelegten Sorge um den Fortbestand freier Rede in einem freien Staat.
Lothar Fritze: Angriff auf den freiheitlichen Staat. Über Macht und ideologische Vorherrschaft, Marburg: Basilisken-Presse 2020. 284 S., 24.80 € – hier bestellen.