In Bayern ist man bereits seit ein paar Tagen dazu verpflichtet, in anderen bundesdeutschen Ländern gibt es unterschiedliche Regelungen, oben ohne kommt allerdings keine Verordnung mehr aus.
Auf die gesundheitlichen Risiken, die medizinischen Bewertungsgrundlagen und wirtschaftlichen Absprachen will ich hier nicht eingehen. Mich interessiert das Soziale.
Martin Lichtmesz bemerkte auf Twitter
Mit den Coronamasken ist das NPC-Mem buchstäblich wahr geworden.
Gemeint ist dieses in verschiedenen Versionen kursierende Bild von den grauen Mainstream-Einheitsmännchen:
Die Kollektivmaske hat nicht allein äußerlich vereinheitlichenden Charakter. Sie wirkt auch durch bis hinein ins Seelenleben:
Während man eine physische Maske trägt, bildet sich im Innern eine zweite Maske, die aus Anpassung, Gehorsam und Angst besteht. Diese bekommt man auch auf lange Sicht nicht mehr von der Seele abgezogen. Sie verändert ihre Träger von außen nach innen.
Der Konformitätsdruck wird bei der FFP2-Maske und verwandeten Bauformen noch gesteigert, da sie nicht einmal mehr die “individuelle” Buntheit der kleidsam zum Kostümchen designten Stoff-“Alltagsmasken” zuläßt.
Im Zusammenhang mit der elendigen “Burka”-Debatte wurde immer wieder argumentiert, dieses Kleidungsstück verhülle die Individualität der Frauen, und Individualität wäre nun einmal der zentrale “unserer westlichen Werte”. Nur das unverhüllte Gesicht ermöglicht Minenspiel als sozialen Ausdruck der eigenen Persönlichkeit.
In einem Video sah ich einen aufgebrachten jungen Vater auf einer Demo, der sich vehement dagegen verwahrte, daß sein anderthalbjähriges Kind in Maskengesichter zu blicken lernen soll. Tatsächlich wirkt ein unverhülltes Erwachsenengesicht entwicklungspsychologisch entschieden persönlichkeitsfördernder auf Kinder als ein verhülltes.
Aus meiner leichten Süffisanz in Hinblick auf die Bunte-Alltagsmasken-“Individualität” konnte man vielleicht schon herauslesen, daß es sich bei der Individualität wesentlich vetrackter verhält, als man auf den ersten Blick und in emotional getriggerter Abwehr des “Maskenzwangs” merkt. Bin ich nur mit Bekleidung und Accesoires, die im Rahmen der Warenästhetik meine “Individualität” erzeugen, ich selbst? Hier stoßen wir auf ein altes Paradox.
Der Mensch ist – frei nach Gehlen – ein Mängelverhüllungswesen. Kleidung überhaupt, Masken im Sinne von sozialen personae (“Person” kommt von per-sonare = hindurchtönen durch die Theatermaske im antiken Drama) sind eine anthropologische Konstante. Masken gehören zur Indirektheit des sozialen Spiels: “Direkt und echt im Ausdruck ist auch das Tier; hätte die Natur nur dies gewollt, wäre sie beim Tier geblieben und hätte sich den Umweg über die Gebrochenheit des Menschen erspart” (Helmuth Plessner).
Anders ausgedrückt: ich bin nicht deshalb kein Individuum, weil ich äußeren Verhüllungen unterworfen bin und diese uniformierenden Charakter haben (Mode ist das naheliegendste Beispiel und wird deshalb auch so gern von kritischen Kulturwissenschaftlern “dekonstruiert”). Doch taugt dieses lustigerweise gern von Progressiven vorgebrachte Argument aus der Tradition nicht im Falle unseres Masken-Problems. Denn anthropologisch zu argumentieren, der Mensch habe “schon immer” soziale Masken getragen, ähnelt strukturell dem 2015er-Argument, Migration hätte es auch “schon immer” gegeben.
Der entscheidende Unterschied ist die bewußte Manipulation: disruptiv wird das “alte Normal” durch ein neues ersetzt.
Die Gefahr der “Normopathie” (Hans-Joachim Maaz) entsteht, wenn die Massen nach einem Jahr Psy-Op nun auch noch für jedermann sichtbar in Einheitsgesichter gepreßt werden. Sie wächst in dem Maße, wie die Masse eine Eigendynamik entwickelt. Die bloße Maske als solche erzeugt nicht automatisch NPCs. Meine These ist: Erst diese Eigendynamik wird zur Gefahr für das Individuum.
Ein Freund schrieb mir vor kurzem folgenden bemerkenswerten Gedanken:
Merkel: “Wir wollen nämlich keine Impfflicht einführen, wenn das mehr als 40, 50, 60 % der Bevölkerung sein sollten, dann werden wir noch sehr lange eine Maske tragen müssen, und zwar sehr viel länger als das, weil wir dann die Herdenimmunität nicht erreichen.”
Mao: “Bestrafe einen, erziehe hundert” war gestern.
Heute Makarenko: “Bestrafe hundert, die werden dann aus Rache den einen erziehen” (das Kollektiv erzieht seine Mitglieder selbst).
Der sowjetische Pädagoge Anton S. Makarenko selber hat diesen Grundsatz unverblümt so formuliert:
Disziplinarische Maßnahmen zu ergreifen, die in einem gefestigten Kollektiv so nachhaltig und gut wirken, barg Gefahren in sich. Denn es waren eine Menge Störenfriede; mit ihnen fertig zu werden, war eine komplizierte Sache, die viel Zeit erforderte und wenig Nutzen versprach, weil jede Strafmaßnahme nur dann eine nützliche Wirkung hervorbringt, wenn sie einen Menschen aus den Reihen der Gemeinschaft ausstößt und unterstützt wird durch ein unzweifelhaftes Urteil der gesellschaftlichen Meinung.
Die normopathische Eigendynamik, die neue Makarenko-Erwachsenformatierung, ist auf Dauer – zunächst: so lange ausprobieren, wie es noch geht – nicht durch “Maskenverweigerung” (Wie weit soll diese gehen bei polizeilich kontrolliertem Zwang und hohen Bußgeldern?) aufzuhalten. Sie ist es schon gar nicht durch reservatio mentalis (ein innerlich unter der Maske vor sich hin gemurmeltes “Eigentlich-mach-ich-das-alles-ja-nicht-Mit”). Und wie weit die vielen “Maskenlos-durch-die-Stadt”-Demos dieser Tage uns tragen werden, steht in den Sternen.
Die Eigendynamik ist am ehesten aufzuhalten durch entschiedenes und bewußtes Annehmen dieser Form der Unterdrückung. Was soll das heißen, außer sich zu fügen und nach langem Herumdiskutieren am Ende doch brav FFP2 zu tragen? Kann man überhaupt einen Unterschied zwischen bewußtem Annehmen und Gezwungensein ausmachen? Ich glaube, daß man das sehr wohl kann.
Individualität ist nicht bloß die äußere Unterscheidbarkeit. Diese trägt jedoch (von außen nach innen wirkend) dazu bei, daß sich im Menschen im Laufe seiner Entwicklung Ich-Bewußtsein ausbildet.
Es gibt auch die umgekehrte Richtung: von innen nach außen wirkt das Ich auf die Mitwelt. Wenn ich nun auf eine Art und Weise mit dieser NPC-Verkleidung umgehe, die meine Persönlichkeit durchblicken läßt, dann bekommen andere das (mehr oder minder unbewußt) mit.
Wenn man genau hinschaut, erkennt man, wer aus verinnerlichtem Sozialdruck (unsäglich verängstigte alte Menschen oft) oder gar aus vorauseilender Tugendprahlerei schon Wochen vor dem Inkrafttreten des Gesetzes die “Strebermaske” (Lichtmesz) vor sich her trägt, und wer dies nicht tut.
Daran läßt sich sozial üben. Eindrückesammeln üben und vor allem: eigenen Ausdruck üben. Denn jemand, der ein Leiden (das auch ein Mit-Leiden mit allen anderen Gezwungenen ist) angenommen hat, strahlt eine Kraft aus, die derjenige, der mit den Zähnen knirscht, nicht aufbringen kann. Dessen Kraft reibt sich zwischen den Zähnen auf.
Mit Leuten, die auf diese Weise mit der Maske umgehen, läßt sich kein NPC-Makarenko-Staat machen. Und auch nicht Žižeks erhoffte “Post-Menschlichkeit”.
Solution
Brachte meine 88jährige Mutter in die Augenklinik, kurz bevor diese geschlossen wurde. Hinter dem Eingang, wo ich nicht mit hin durfte, mußte sie die FFP2-Maske abnehmen und gegen eine einfache Stoffmaske auswechseln. Das war an dem Tag, als es kostenlose Masken für Senioren gab (natürlich nur für einen Teil, da schnell "vergriffen"). Auf den ausgebenen Masken stand links unten in einem grünen Feld "non medic", womit sich bestätigt hat, daß es sich um Bauarbeitermasken für den Einmalgebrauch und keine medizinischen Masken handelt. Die FFP2-Masken sind gegen Baustaub, aber nicht gegen Viren geeignet. Und was ist mit den Bartträgern? Da geht man nicht ran, weil man sich nicht mit dem Islam anlegen will. Hier stimmt gar nichts mit dem offiziellen Narrativ.