Netzfundstücke (79) – Nagelprobe, Köppel, Lethen

Die am Rande der Gesellschaft gegenüber dem Netzwerk Wissenschaftsfreiheit geäußerte Kritik erwies sich schneller als gedacht als gerechtfertigt.

In der letz­ten Fol­ge, Nr. 14, des Pod­casts »Am Ran­de der Gesell­schaft« auf dem kanal schnell­ro­da wur­de das frisch ins Leben geru­fe­ne Netz­werk Wis­sen­schafts­frei­heit sehr zurück­hal­tend auf­ge­nom­men und mit einer guten Por­ti­on Skep­sis beäugt. Wie sich nun her­aus­ge­stellt hat, waren die Vor­be­hal­te voll­kom­men angebracht.

Denn nach­dem der sach­sen-anhal­ter AfD-Land­tags­ab­ge­ord­ne­te und habi­li­tier­te Islam­wis­sen­schaft­ler Dr. Hans-Tho­mas Till­schnei­der bei dem von mir mode­rier­ten »Lagebesprechung«-Podcast der Bür­ger­initia­ti­ve Ein Pro­zent zu Gast gewe­sen war (hier rein­hö­ren) und wir im Zusam­men­hang des von ihm durch sei­ne schar­fe Kri­tik an der Pro­fes­so­rin für Kind­heit und Dif­fe­renz (Diver­si­ty Stu­dies), Dr. Mai­sha-Mau­re­en Auma, los­ge­tre­te­nen hoch­schul­po­li­ti­schen »Eklats« auf das Netz­werk Wis­sen­schafts­frei­heit zu spre­chen kamen, reagier­te eben­je­ne neue Ver­ei­ni­gung zur Ver­tei­di­gung der Wis­sen­schafts­frei­heit prompt und distan­zier­te sich von Tillschneider.

Anlaß für Sezes­si­on-Chef­re­dak­teur Götz Kubit­schek, IfS-Lei­ter Dr. Erik Leh­nert, Sezes­si­on- Lite­ra­tur­re­dak­teu­rin Ellen Kositza und Sezes­si­on-Redak­teur Bene­dikt Kai­ser auch bei der neus­ten Aus­ga­be des Pod­casts »Am Ran­de der Gesell­schaft« noch ein­mal auf das Netz­werk zu spre­chen zu kommen.

Fer­ner stand die The­ma­tik »Staat oder Pri­vat­recht­ge­sell­schaft?« aus­ge­hend von dem Vor­ha­ben des US-Bun­des­staa­tes Neva­da, Regie­rungs­macht an Tech-Fir­men abzu­tre­ten (hier geht es zum von Bene­dikt Kai­ser erwähn­ten hei­se online-Arti­kel), im Fokus der Diskussion.

Den Abschluß mach­te dann die Cau­sa »Wer­ner J. Pat­z­elt«, der immer wie­der in der Gestalt des gut­mei­nen­den Rat­ge­bers für die AfD auf­tritt. Die Jun­ge Frei­heit räumt ihm dafür regel­mä­ßig gehö­rig Platz in der Zeit­schrift ein, ver­schlei­ert dabei aber die CDU-Mitl­gie­d­schaft des Poli­tik­wis­sen­schaft­lers und damit den Kon­text, in den man Pat­z­elts Aus­sa­gen not­wen­di­ger­wei­se stel­len müßte.

2019 arbei­te­te er noch an der Wahl­kampf-Stra­te­gie des CDU-Kan­di­da­ten und heu­ti­gen säch­si­schen Minis­ter­prä­si­den­ten Micha­el Kret­schmer mit. Ob die AfD sol­che Rat­ge­ber braucht? Die Ant­wor­ten gibt es hier:


Einen wohl bes­se­ren Rat­ge­ber als Pat­z­elt wür­de die AfD mit Sicher­heit im Welt­wo­che-Chef­re­dak­teur Roger Köp­pel fin­den, spe­zi­ell im Hin­blick auf die dro­hen­de, nun erst ein­mal gericht­lich für einen gewis­sen Zeit­raum auf­ge­scho­be­ne Beob­ach­tung durch den Verfassungsschutz.

Vor allem Jörg Meu­thens Appease­ment-Poli­tik kommt bei Köp­pel nicht gut weg. Bereits nach Meu­thens kata­stro­pha­ler Rede auf dem Par­tei­tag in Kal­kar hat­te Köp­pel die­se Vor­ge­hens­wei­se scharf kri­ti­siert. Nun legt er in sei­nem »Welt­wo­che Daily«-Vlog aus gege­be­nem Anlaß noch ein­mal nach. Ein Auszug:

Und es kann doch nicht für Jour­na­lis­ten ein Kri­te­ri­um sein, ob eine Par­tei jetzt irgend etwas sagt, was einem nicht so gefällt, und was nur im ent­fern­tes­ten Sin­ne viel­leicht recht­fer­ti­gen könn­te, daß man sie mit den Metho­den des Spit­zel­staa­tes über­wacht – das ist unde­mo­kra­tisch, wenn eine Regie­rung die Oppo­si­ti­on auf die­se Art und Wei­se stig­ma­ti­sie­ren, anschwär­zen kann, und auch über­wa­chen kann, ist das nicht gut.

Man muß aller­dings hin­zu­fü­gen, daß die Par­tei sich auch sel­ber gescha­det hat, und zwar vor allem durch ihren Vor­sit­zen­den Jörg Meu­then, der in einer Brand­re­de, die ich kri­ti­siert habe, vor eini­gen Mona­ten, sei­ne Par­tei kri­ti­siert hat, und eben ein­zel­ne Expo­nen­ten sei­ner Par­tei in die Nähe des Rechts­extre­mis­mus gedrängt hat.

Damit hat er dem Ver­fas­sungs­schutz sei­ne Legi­ti­ma­ti­ons­grund­la­ge gelie­fert, die AfD unter das Mikro­skop der Staats­si­cher­heit zu legen. Also: Meu­then hat den Fein­den, den Geg­nern der AfD, der Kon­kur­renz der AfD, die Instru­men­te, die Waf­fen in die Hand geliefert.

Die­ser Par­tei­vor­sit­zen­de ist jetzt ver­mut­lich auch blo­ckiert in der Ver­tei­di­gung sei­ner Par­tei. Also, was man dar­aus ablei­ten kann, viel­leicht auch als Schluß­ge­dan­ke: Wenn Sie in der Oppo­si­ti­on sind, egal in wel­chem Land, wenn Sie in der Oppo­si­ti­on sind, dann wer­den Sie ange­grif­fen. Das ist völ­lig klar. Sie kön­nen nicht Oppo­si­ti­ons­po­li­tik machen und glau­ben, Sie sind der Lieb­ling der Medi­en, oder der ande­ren Par­tei­en, im Gegenteil.

Oppo­si­ti­on bedeu­tet Nach­tei­le auf sich neh­men. In Deutsch­land bedeu­tet das, daß man die Mit­tel der Staats­si­cher­heit, der Bespit­ze­lung, daß die Regie­rung alles auf­bie­tet, um die Oppo­si­ti­on, die jetzt von rechts kommt, das ist natür­lich im neu­ro­ti­schen Politzu­sam­men­hang die­ser gan­zen Mora­li­sie­rung und Geschichts­in­ter­pre­ta­ti­on und Geschichts­miß­brauchs irgend­wo nach­voll­zieh­bar, aber trotz­dem nicht zu recht­fer­ti­gen, in die­sem Kon­text heißt es eben auch, daß man dies als AfD in Kauf wird neh­men müs­sen, daß sie der Ver­fas­sungs­schutz angreift, und Meu­then hat ver­sucht hier, durch Appease­ment-Poli­tik, durch Beschwich­ti­gungs­po­li­tik, qua­si die oppo­si­tio­nel­le Rol­le etwas zurückzudrängen.

Zum gan­zen Video geht es hier. Ab Minu­te 27:30 kom­men­tiert Köp­pel die VS-Beob­ach­tung der AfD:


Der Mann von Sezes­si­on-Autorin Caro­li­ne Som­mer­feld, der lin­ke Kul­tur­wis­sen­schaft­ler Hel­mut Lethen, hat sei­ne Auto­bio­gra­phie Denn für die­ses Leben ist der Mensch nicht schlau genug vor­ge­legt. Grund für den Deutsch­land­funk der Per­son Hel­mut Lethen ori­en­tiert an sei­ner Auto­bio­gra­phie ein »Fea­ture« von rund einer Stun­de zu widmen.

Der Bei­trag, in dem sowohl Hel­muth Lethen und sei­ne Frau als auch Lethens Weg­ge­fähr­ten zu Wort kom­men, zeich­net in einer unauf­ge­reg­ten Wei­se das Leben eines lin­ken Intel­lek­tu­el­len nach, der im Gegen­satz zu vie­len sei­ner Geis­tes­ge­nos­sen nie davor zurück­scheu­te, über den Tel­ler­rand sei­nes Welt­an­schau­ungs­kos­mos hin­aus­zu­bli­cken und sich daher ein­ge­hend mit rech­ten Autoren und Den­kern wie Ernst Jün­ger oder Carl Schmitt auseinandersetzte.

Viel­leicht mag die­se grund­sätz­li­che Offen­heit gegen­über Per­so­nen mit völ­lig kon­trä­ren Posi­tio­nen zur eige­nen ihren Bei­trag dazu geleis­tet haben, war­um die Ehe Lethen-Som­mer­feld nicht an den tief­grei­fen­den Mei­nungs­ver­schie­den­hei­ten ab dem Jahr 2015 in die Brü­che ging. Natür­lich kommt der Bei­trag nicht umhin, gera­de das welt­an­schau­li­che Span­nungs­ver­hält­nis zwi­schen Lethen und Som­mer­feld in den Fokus zu rücken.

Hier geht es zum »Fea­ture«:

Der Kul­tur­wis­sen­schaft­ler Hel­mut Lethen schreibt über sein Leben – Auto­bio­gra­fie  als Befreiungsschlag


Zurück zur Auto­bio­gra­phie – der Ver­lag, Rowohlt, beschreibt das Buch wie folgt:

Hel­mut Lethen berich­tet in sei­ner Auto­bio­gra­phie, was ihn geprägt hat: von poli­ti­schen und den­ke­ri­schen Expe­ri­men­ten, von Weg­ge­fähr­ten sowie Ideen­ge­bern wie Ador­no und Enzens­ber­ger. Ein Ent­wick­lungs­ro­man der Bun­des­re­pu­blik – wie ihn nur noch weni­ge Intel­lek­tu­el­le zu erzäh­len vermögen.

Die Auto­bio­gra­phie Lethens erhal­ten Sie natür­lich wie immer beim kon­ser­va­ti­ven Ver­sand­buch­han­del Ihres Ver­trau­ens, direkt hier, bei Antaios.

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Kommentare (2)

Waldgaenger aus Schwaben

7. März 2021 18:02

An einer  "Professorin für Kindheit und Differenz" übt man auch keine Kritik. Das heißt ja man nähme das auch nur ansatzweise ernst. Satire ist das Mittel der Wahl.

Vor fünfzig Jahren erfand Monty Python das   Das Ministerium für alberne Gangarten

Der Abstand zwischen Satire und Realität reicht heute angesichts einer "Professorin für Kindheit und Differenz" nicht mehr aus. Vielleicht gelingt einem begnadeten Satiriker wie Bernd Zeller ein update. 

Gracchus

9. März 2021 00:48

Komisch, dass hier niemand kommentiert. Das Lethen-Feature finde ich interessant. Ist es meiner Schwäche für Boulevardeskes geschuldet, wenn ich bei Lektüre von Lethens Autobiographie zu den "Szenen einer Ehe" vorblättere? Nicht nur. Meine eigener Zwiespalt zeigt sich darin. Vor dem Sprung, wie ihn Caroline Sommerfeld vollzogen hat, zögere ich. Es würde mir eher darum gehen, den Zwiespalt auszutragen und produktiv werden zu lassen. Lethen selbst sucht ja die Auseinandersetzung mit rechten Denkern. Es muss da ja eine gewisse Affinität bestehen. Was das ist, tritt mir nicht so deutlich vor Augen, es scheint mir von intellektuellen Formeln zugedeckt. 

Die Autobiographie ist da - und also eher gegen Ende hin - am langweiligsten, wo sie sich im intellektuellen Milieu verliert. Dieses Milieu hat etwas Steriles. Es täte gut daran, denkt man, sich von rechtem Denken irritieren oder unter Spannung setzen zu lassen. Meine Entfremdung von diesem Milieu begann im Übrigen mit der Hinwendung zur Religion. Die Religion als das Verdrängte. Dadurch bleibt ein sehr wesentlicher Bereich von Wirklichkeit versperrt. Auch Theweleit scheint dieser Bereich versperrt, ausser vielleicht wenn er Jimi Hendrix hört. Religion - das ist auch die Frage nach einem höheren Sinn und nach dem Opfer, letztlich der Frage, wofür man lebt und notfalls zu sterben bereit ist. 

 

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