Wenn es nicht aus Feigheit oder Anpassung heraus erfolgt. Im Motto der „Sezession“ „Etiam si omnes ego non.“ ist das letzte Wort wichtiger als das vorletzte. Ein Negationspartikel. Mehr nicht. Aber wichtig. Vom „ego“ kommt ohnehin keiner los; aber je mehr er dies mindestens im Zustande des Als-ob versucht, um so freier wird er sein.
Wer schon sprechen muß, spreche zuerst mit sich selbst. Ruhige Selbstverständigung im Sinne des Denkens und Nachdenkens also. Ansonsten: Tief ein- und ausatmen. Das können die meisten schon nicht mehr; allein deswegen fehlt es an Kraft. Daß Corona den Atem verschlug, paßt auf unheimliche Weise zu unseren Schwächen.
Folgerichtig, daß die unmittelbare Gegenwart ein Bedürfnis Richtung Neo-Stoizismus und nach buddhistischen Übungen erkennen läßt, wobei Letzteres oft nachgeahmt und allzu modisch wirkt. Aber die Peilung stimmt: weniger Anhaftung, Gelassenheit, Konzentration, andererseits neue Bescheidenheit, Zugewandtheit, Aufmerksamkeit, Zurücktreten der Konjunkturgründe gegenüber dem eigenen Heil – nicht zuletzt so im Vermögen, anderen helfen zu können. Dort, wo es wirklich notwendig ist. Man vergeude nichts, gerade nicht die eigene Kraft.
Zu seinem Wort stehen zu können, das heißt auch: Möglichst wenig Worte brauchen, ansonsten kann man sie nicht halten. Bescheidenheit kommt von „sich bescheiden“, also von der Trennung und Abgrenzung, dem Vermögen, die Triebe und Affekte regieren und regulieren zu können – im Sinne der Impulskontrolle, die heute bereits Kindern aberzogen wird, indem man ihnen einbleut: Du bist wichtig! Sag was! Misch dich ein! Setz dich durch im Geblöke der anderen.
Geschwätz gehört zur Gattung. Aber wie vieles andere inflationiert es. Die erste Gutenbergsche Revolution wuchs in ihre digitale Phase hinüber. Worte, Mitteilungen und Texte sind allgegenwärtig und daher umgehend vergessen. Was eben getwittert wurde, interessiert schon jetzt niemanden mehr; es verschwindet im neuen Gezwitscher und Gekrächz.
Die guten und schönen Stimmen herauszuhören, die Beiträge von Belang, setzt aufmerksame Auswahl voraus. Beides wird immer wichtiger: Aufmerksamkeit, um gerichtet das Substantielle zu erfassen, und dafür krasse Selektion. Fehlt dazu die Kraft, kann man nur abschalten. Abschalten, sich abwenden, Umkehr als Abkehr praktizieren, das ist stets richtig.
Wer eine Tastatur bedienen kann, erzeugt sogleich „Print“. Zwischen der „Verlautbarung“ und der „Veröffentlichung“ sind längst keine kulturellen Institutionen mehr geschaltet. Alles wird rausgehauen; das soll man demokratisch finden.
Die Demokratie kann auch als ein Inflationsraum von Gedanken und Beweggründen gelten. Damit schwand eine aristokratische Art des Daseins – die Haltung. Haltung besteht nicht zuletzt im Vermögen, etwas aushalten zu können, bei sich zu bleiben und eben nicht außer sich zu sein. Beharrlichkeit, Widerständigkeit, Bewahrung der Fähigkeit zum Trotzdem: Ich nicht!
Die Demokratie verheißt: Ihr sollt eben nicht bei euch bleiben. Ihr sollt sämtlich gehört werden. Jeder ist es wert, reden zu dürfen, weil jedem gleichermaßen Wert und Würde zukommen. Per se. Ohne daß beides erst erworben werden müßte. Wer diese Voraussetzung, diese Setzung in Frage stellt, wird an dem ihm entgegenschlagenden Gegeifer der Demokraten spüren, daß er bei einem entzündlichen Thema ist, also genau richtig liegt.
Nur wer zu schweigen versteht, kann in Ruhe beobachten. Redet er mit, mischt er sich ein, engagiert er sich (Was als so tugendhaft gilt!), ist er involviert, verstrickt, zwangsvereinnahmt und zudem gezwungen, sich zu behaupten, also den Kopf höher zu heben in der Masse. Nur vermag er von dort nicht besser zu beobachten. Das gelingt lediglich von außen. Nicht abgehoben, nein, aber konzentriert, aus der eigenen Mitte und Festigkeit heraus.
Abständig zu bleiben heißt nicht unbedingt, kalt oder gar arrogant zu sein. Dem Irrsal und Wirrsal, dem sich die anderen hingeben, weil der Jahrmarkt der Eitelkeiten als Tummelplatz der Narzißten eben zwangsläufig Trubel erzeugt, diesem Klamauk also distanziert zuzusehen, um sich ein Urteil zu bilden, das sollte mit Freundlichkeit und Wohlwollen und nicht “abgehoben” geschehen. Wir alle sind eitel. Es gehört Übung zur Selbstbeherrschung. Reifung!
Die Rechte steht gut, weil sie gezwungen ist, dem Irrsinn der „bunten Gesellschaft“ vom Rande her zuzusehen. Sie wird zurückgewiesen, ausgegrenzt, verächtlich gemacht. Damit aber ist der Glücksfall einer günstigen Perspektive verbunden. Wir müssen nicht mitrennen. Statt dessen: Einatmen und ausatmen, sich üben, konzentrieren, vorbereiten, die Kraft bewahren.
Und wenn wirklich notwendig etwas zu sagen ist, dann mit Prägnanz und Gewicht – substantiell, kurz gefasst, essentiell.
Gelddrucker
Wenn wir keine Fehler machen und in sinnlose Drohungen und Gewalt verfallen, werden wir automatisch Zulauf bekommen.
Soll natürlich kein Aufruf zu Tatenlosigkeit sein.
Worauf ich mal die Aufmerksamkeit lenken möchte: Es wäre an der Zeit, die Auswanderwilligen wieder einzufangen, denn das würde vor allem im Falle einer grünen Kanzlerin deutlich mehr werden.
Als "Rechter" oder Patriot sich über Einwanderer beklagen und dann selbst woanders einwandern. Selbst dem Dümmsten müsste klar werden, wie perplex und feige das ist, vor allem wenn man bedenkt, dass die einen aus Drittweltländern auswandern und die angeblichen Patrioten aus Wohlfahrtsstaaten wie Deutschland, wo man abseits von ein paar Großstadtvierteln ein völlig sorgenfreies Leben führen könnte.