So titelt die Frankfurter Allgemeine Zeitung jedenfalls in ihrem Beitrag vom 15. Juni, der damit einsetzt, daß Le Pen »Hochkonjunktur« habe.
Christian Schubert verweist hierbei darauf, daß schon jetzt der Wahlkampf für die Präsidentschaftswahl 2022 begonnen hat. Erster Halt: die Regionalwahlen, deren erster Akt am Wochenende stattfinden wird:
Nach den jüngsten Umfragen liegt ihr Rassemblement National (RN, früher: Front National) in sechs der zwölf französischen Regionen vorne. Schon bei den Regionalwahlen 2015 hatte die Partei mit 27,7 Prozent das höchste prozentuale Ergebnis ihrer Geschichte erzielt, auch wenn ihre Kandidaten im zweiten Wahlgang keine einzige Region gewinnen konnten.
Man könnte munkeln: regional ist nicht national. Indes: Auch dort
sehen alle Umfrageinstitute Marine Le Pen in der Stichwahl der Präsidentschaftswahl 2022 – möglicherweise wieder gegen Emmanuel Macron wie fünf Jahre zuvor. Damals stand ihr freilich ein frischer Macron gegenüber, der noch nicht von den schweren Krisen der Pandemie, der “Gelbwesten”-Bewegung und der Rentenproteste gezeichnet war.
Macron gelang es – als unverbrauchter Kandidat mit eigener »schlanker« Parteiformation –, Linksliberale, Liberale, Liberalkonservative und auch enttäuschte Konservative anzusprechen, die ihre eigentliche Heimat freilich bei den Republikanern – der Nachfolgepartei der Sarkozy-Reste – haben. Doch just hier wildert nun der Rassemblement National:
Zugewinne ergattert Marine Le Pen derzeit vor allem im bürgerlich-konservativen Lager. Nach einer Umfrage sehen sie 42 Prozent der Franzosen dieser politischen Couleur in einem positiven Licht, 12 Punkte mehr als einen Monat zuvor. 39 Prozent der Anhänger der Republikaner-Partei, der eigentlichen Hausmacht der Konservativen, hegen Sympathien für Le Pen, 14 Prozentpunkte mehr als vor vier Wochen. “Marine Le Pen startet bei dieser Wählergruppe eine feindliche Übernahme”, analysiert der Politologe Gilles Ivaldi von der Pariser Universität Sciences Po.
Was macht Le Pen anders als 2017? Sie hat sich vier Jahre lang intensiv inhaltlich vorbereitet und versucht, einen Überblick über den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand zu erhalten, vor allem in ökonomischen Fragen, bei der theoretischer Sozialpatriotismus als Absichtserklärung dauerhaft nicht ausreichen kann, wenn man praktische Regierungsverantwortung übernehmen möchte – inhaltliche Vertiefung erscheint dann obligat.
Das war bei Marine Le Pen nicht immer so: Die großen Fernsehdebatte mit Macron 2017 verlor sie auch aufgrund fehlender Detailkenntnisse. Le Pen hat ihre Lektion begriffen – und nicht nur diese. Ihr gelang es auch, das RN-Programm zu professionalisieren, ohne die Synthese aus solidarischen und patriotischen Motiven zu beschädigen. Ihre größte Korrektur nahm sie beim »FREXIT«, der Forderung nach einem doppelten Ausstieg Frankreichs aus der EU und der Währungsunion, vor:
Denn mit sehr großer Mehrheit wollen die Franzosen in der Währungsunion bleiben. “Die Franzosen sagen uns: Macht es innerhalb des Euros. Also werden wir es innerhalb des Euros machen”, sagte Le Pen in einem Fernsehinterview. Sie kann der Gemeinschaftswährung sogar positive Seiten abgewinnen: “Der Euro schützt uns teilweise vor den Turbulenzen auf den Finanzmärkten.” .
Das Topos der Souveränität von Volk und Land bleibt indes auch hier zentral für jene Politikerin, die wiederholt von »intelligentem Protektionismus« anstelle bornierter Abschottung spricht:
“Wenn ein souveräner Staat sich einer externen Finanzquelle bedient, ist sein Wort unumstößlich”, schrieb sie und erinnerte an den letzten französischen Staatsbankrott des Jahres 1797, der sich nicht wiederholen dürfe. Die Schuldentilgung hätte sogar einen “wichtigen moralischen Aspekt”, meint sie. “Wer seine Schulden bezahlt, macht sich reicher.” Im gleichen Atemzug kündigte sie an, sich für mehr französische Zeichner der Staatsschulden starkzumachen. Japan mache mit seinem hohen Anteil japanischer Staatsschulden-Investoren deutlich, wie ein Land trotz hoher Schulden seine nationale Souveränität erhalten könnte.
Ein neuer Kursschwenk des RN ist also nicht zu vermelden. Einst war der Front National ja – speziell in den 1980er Jahren – eine Partei, die geschichtsrevisionistisch und wirtschaftsliberal ausgerichtet war. Ersteres korrigierte man im Rahmen der »Entdiabolisierung«, und auch das sozialökonomische Profil richtete man in den 1990er Jahren neu aus:
“In Sozialfragen bin ich links, in Wirtschaftsfragen rechts”, sagte Jean-Marie Le Pen im Jahr 2002. Seine Tochter setzte die Akzentverschiebung so weit fort, dass bei Wirtschafts- und Sozialthemen kaum noch Unterschiede zur Linken erkennbar waren. Der Ausbau des Sozialstaates und die Ablehnung von Privatisierungen gehörten zu ihren Kernforderungen. “Damit gewann sie viel Zustimmung unter Arbeitern. Diese Wählerschicht ist ihr bis heute treu. Ihr Expansionsgebiet liegt jetzt im bürgerlich-konservativen Lager”, analysiert der Parteienexperte Ivaldi.
Und während in Deutschland die Arbeitgeberlobbys und Marktfetischisten von der Rente mit 70 + x träumen, diskutierte man im Rassemblement National lange über die Rente mit 60. Auch hier nimmt Le Pen nun eine Korrektur vor, denn:
Diese würde eine Senkung des im internationalen Vergleich ohnehin niedrigen französischen Rentenalters von zwei Jahren bedeuten. Heute spricht sie stattdessen von Mindestbeitragsjahren von 40 Jahren. Mit 60 sollen nur jene in Rente gehen, die mit 20 die Arbeit aufgenommen haben. Seit Mitte der Siebzigerjahre ist das durchschnittliche Alter des Arbeitsmarkteintritts von 20 auf 27 Jahre geklettert.
Ob derartige (und weitere) Feinjustierungen Marine Le Pens wirklich dazu führten und führen werden, daß sich fortan weitere Wähler von Macrons bürgerlicher Plattform La République en Marche und von den liberalkonservativen Republikanern abwenden – oder ob es eher die offenbarten eklatanten Mängel beider Konkurrenten sind, die die Brandmauer gegen rechts einreißen, läßt Christian Schubert in der FAZ offen. Ich vermute tatsächlich eher letzteres, zumal Marine Le Pens Modifikationen an der Generallinie noch reichlich Interpretationsspielraum lassen.
Schubert dazu:
Marine Le Pen setzt dagegen weniger auf inhaltliche Kohärenz denn auf Wählerstimmen: “Wir sind schon Olympiasieger in den populären Klassen. Wenn wir jetzt noch im bürgerlichen Lager dazugewinnen, sind wir nicht mehr zu stoppen”, sagte kürzlich eine Führungskraft der Partei.
Die Regionalwahlen am Wochenende werden zeigen, ob sich diese selbstbewußte Ansage auf Fakten stützen kann.
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Selbstbewußt agiert in Deutschland derweil Hans-Georg Maaßen. Er, der seine Mitgliedschaft in der CDU-CSU-nahen WerteUnion ruhen läßt, weil ihm der Sozialkonservative Max Otte als neuer Bundesvorsitzender nicht ganz geheuer ist (zu patriotisch? zu wenig Transatlantiker?), läßt keine Gelegenheit aus, sich als Vorkämpfer gegen rechts im allgemeinen und die AfD im besonderen zu stilisieren – was freilich nichts daran ändert, daß bedauerlicherweise einige unbelehrbare Mandatsträger der AfD, fast ausnahmslos aus Westdeutschland stammend, auf sozialen Medien eine Cheerleader-Brigade des Maaßenismus inszenieren, auf die das Wort »Fremdscham« zu verwenden noch höfliche Untertreibung darstellte.
Was bejubelt man bei Maaßen? Das einer, der jahrzehntelang als Verantwortungsträger der bundesdeutschen Malaise fungierte (und leidlich von ihr profitierte), nach 2015 punktuell aufbegehrte? Das wäre verständlich, wenn er nicht fortwährend betonen würde, daß es nur einzelne Felder der Merkel-Ära sind, die es zu bearbeiten gelte. Oder ist es nach wie vor seine Aussage, daß es in Chemnitz anno dazumal keine »Hetzjagden« durch Deutsche auf Migranten gab? Das wäre verständlich, weil Maaßen mit dem Insistieren auf dieses Faktum ja tatsächlich – endlich – etwas riskierte (seinen Posten) und der vereinten politmedialen Meute widerständig gegenüber trat.
Nun darf man dies durchaus anerkennen, ohne seiner Selbstinszenierung als letzter freiheitlicher Demokrat auf den Leim zu gehen. Es ist fast schon bemitleidenswert, wie er um Anerkennung durch jene Mitte bettelt, aus der man ihn für moderates Abweichen verstoßen hat. Ein Beispiel findet sich in der NZZ (v. 21.5.2021), als er mit einem FDP-Kollegen diskutierte:
Herr Kuhle, als Mitglied des Innenausschusses wissen Sie, dass kaum ein Präsident des Verfassungsschutzes mehr gegen den Rechtsextremismus getan hat als ich. Einer meiner Vorgänger hatte die Abteilung für Rechtsextremismus abgebaut, ich habe sie wieder aufgebaut. Ich habe gegen den Willen des damaligen Innenministers beim Haushaltsausschuss neue Stellen für den Kampf gegen Rechtsextremismus beantragt und durchgesetzt.
Wer einzuwenden gedenkt, daß es dabei ja um den »wahren« Rechtsextremismus und »wahre« Rechtsextremisten ging, während es erst heute, unter Haldenwang, auch »unbescholtene Bürger« trifft, ignoriert bewußt oder unbewußt den Umstand, daß es Maaßens Amtszeit war, in der die jungen Patrioten der »Identitären Bewegung« sukzessive kriminalisiert wurden, in der man den losen Verbund einer Neuen Rechten allmählich in den Fokus nahm, in der man das Prüfverfahren gegen die AfD eröffnete, woran Maaßen übrigens selbst – auch in der NZZ – immer wieder erinnert.
Auch war es Maaßen, der bereits im Verfassungsschutzbericht 2016 (!), also ein Jahr nach dem Sommer der Migration, davor warnte, daß sich die »extreme Rechte« bürgerlicher Camouflage bedienen könnte, um »rechtsextremistische« (migrationsgegnerische) Argumentationslinien Stück für Stück in breitere Gesellschaftsschichten einsickern zu lassen.
Die Liste ließe sich fortsetzen, doch entscheidend ist lediglich, zu begreifen, daß Hans-Georg Maaßen keine sogenannte Kippfigur ist, die Trennlinien überwindet und Brücken baut, nein: Er ist der, der eine unüberwindbare Barrikade vor der Brücke errichtet, um von denen, die nicht auf sie gelassen werden, dafür frenetisch gefeiert zu werden, weil er sich imstande zeigt, mitunter zutreffende Sätze zu formulieren und christdemokratische Restvernunft zu konservieren.
Ohnehin: Maaßen ist Christdemokrat, war dies auch als VS-Behördenchef (eine Unsitte des bundesrepublikanischen Reglements) tritt im September als CDU-Bundestagskandidat in Thüringen an (ausgerechnet dort) und betont die Wichtigkeit des Erfolges Armin Laschets – eines CDU-immanenten Linksliberalen – über die AfD.
Er ist ein politischer Gegner, bei dem man, wie bei Boris Palmer oder Thilo Sarrazin auch, anerkennen kann, wenn er etwas Richtiges sagt, und ihn verteidigen kann, wenn er vom übergeordneten gegnerischen Komplex angegriffen wird. Aber ihn zu mystifizieren belegt nur die Ideen- und Hoffnungslosigkeit der deutschen Konservativen und »Konservativen«.
Angegriffen wird Maaßen seit einer Weile für die Verwendung des »Globalismus«-Begriffs. In einem Text mit dem Titel »Aufstieg und Fall des Postnationalismus« für das Magazin CATO hat er, gemeinsam mit dem Achgut-Pseudonymus Johannes Eisleben, den seriösen Globalismus-Kritikern einen Bärendienst erwiesen, als er davon raunte, daß »Wirtschaftsglobalisten« danach trachten würden, »globales Eigentum und globale Profite zunehmend auf einige tausend Familien zu konzentrieren, die sich daranmachen, bald alles zu besitzen«.
Anstelle fundierter Kritik der globalistischen Theorie und Praxis »von rechts« zu formulieren, reproduziert Maaßen die in Truther-Szenen und anderswo beliebte Komplexitätsreduzierung, es handle sich um personalisierte Fragen, die man auf wenige Akteure fokussieren könnte – und schon wäre ein Status quo ante wieder machbar bzw. mindestens erstrebenswert. Maaßen blendet politische und ökonomische Systemfragen aus, vermeidet es, diese auch nur aufzuwerfen und verwechselt damit patriotisch-souveränistische Kapitalismuskritik mit ressentimentgeladener Superreichenschelte.
Anders als prominente Verfassungsschützer und selbsternannte »Rechtsextremismusexperten« meinen, offenbart das keinen »sekundären Antisemitismus« Maaßens. Es zeigt vielmehr, daß jemand, der jahrzehntelang Teil des falschen Ganzen – des politmedialen Komplexes und seiner liberalen Ideologie – war, auch nach seiner Verbannung aus dem Juste Milieu an den prinzipiellen Glaubenslehren der Etablierten festhält, und zwar auch dann, wenn er einige ihrer Fehler kundig ausgemacht hat.
Doch nicht die politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Prozesse der seit Dezennien herrschenden »Mitte« werden analysiert, durchdrungen, kritisiert, theoretisch umgekehrt. Nur weil »einige tausend Familien«, eine »kleine Elite« und »Globalisten« dies und jenes tun würden, wären schließlich die Verhältnisse, wie wir sie vorfinden. Eine solche Weltsicht beinhaltet schlechterdings eine Entlastung der herrschenden Verhältnisse als solcher und stellt eine Ablenkung von Fragen systemischen Charakters dar.
Um Zweifel auszuräumen: Ja, der derzeitige realpolitische Hauptwiderspruch des jungen 21. Jahrhunderts verläuft zwischen Globalisten und Anti-Globalisten, präziser: zwischen »entgrenztem Globalismus und volksbezogenem Populismus« (Armin Schäfer/Michael Zürn). Doch »Globalismus« ist nicht im luftleeren Raum entstanden, sondern stellt die zeitgemäße Entwicklung der vorherrschenden Produktions- und Lebensweise dar.
Ohne Verständnis dessen ist ein politisch wirksamer Antiglobalismus unmöglich oder kapriziert sich seinerseits auf Ablenkziele. Die derzeit vollzogene Vereinheitlichung der Welt unter marktorientierten, immer häufiger auch woken, postmodern-linken Prinzipien (Globalismus) ist der Widerpart der von rechts angestrebten Bewahrung der Vielgestaltigkeit der Welt in ihrer gewachsenen Differenz (Antiglobalismus).
Maaßen indes konzentriert sich auf linke Ideologen und einige Familien, denen er Allmacht zuschreibt, ohne sich zu fragen, weshalb die neoliberale Epoche diese und weitere Trends auslöste, verstärkte, zementierte, bevor wir nun darauf aufbauend in eine neue Mischform aus staatsmonopolistischem Kapitalismus, Big-Tech-Herrschaft und woker Ausgestaltung des Überbaus gelangen. Maaßens Ignoranz gegenüber sozioökonomischen Kontinuitäten und der liberalen Wurzel der Probleme frappiert deshalb um so mehr, da er selbst wiederholt auf Quinn Slobodian und dessen Studie Globalisten verwiesen hat und als »Literaturtipp« bewarb.
Hat Maaßen den kanadischen Historiker aber überhaupt gelesen? Dieser leistet eine wirkmächtige Globalismuskritik, die viel von dem enthält, was Maaßen ausblendet und seine Fehler, die er begeht, konstant vermeidet. Darauf von der Welt (v. 7.6.2021) angesprochen, zeigt sich Slobodian durchaus interessiert an der deutschen Debatte um Maaßen und erläutert den Terminus des »Globalismus«:
„Globalismus“ und „Globalist“ sind interessante Begriffe. Es gibt sie im Englischen seit den 1930er Jahren. Und immer haben sie eine Art Doppelkarriere gehabt. Einerseits benutzten Leute in der Welt der internationalen Beziehungen und der Außenpolitik Gegensätze wie „Globalismus versus Regionalismus“ oder „Globalismus versus Nationalismus“, wenn sie darüber diskutierten, was die Rolle Amerikas nach dem Zweiten Weltkrieg sein sollte. (…) Sollten sie eine Art Weltpolizei sein oder sollten sie sich an der Monroe- Doktrin orientieren.
Und es gab Leute, die sagten, wir nehmen eine globalistische Position ein, wir befürworten den Globalismus. Und dann gab es gleichzeitig solche, die das als Ideologie bezeichneten und kritisierten. Sie suggerierten dabei oft, dass es kleine Interessengruppen hinter dem größeren Plan gibt. Es gibt heute eine Begriffsverschiebung in Richtung dieser Bedeutung.
Gegen die Begriffsverschiebung schreibt Slobodian an, dem es um »eine bestimmte politische Philosophie« gehe:
Es gibt eine Art von planetarischer Vision, die die Neoliberalen, über die ich schreibe, für ihre Weltanschauung in Anspruch nahmen. Und weil sie die Welt als einen einzigen Wirtschaftsraum sahen, sahen sie die Notwendigkeit für Institutionen, die den ganzen Planeten regieren.
Hier sieht Slobodian die Adepten der globalistischen Vordenker Hayek, Friedman, Mises und Co. eingereiht, verweist aber auch darauf, daß es neuerdings »Antiglobalisten« gebe, die sich – ihrer Widersprüche vermutlich im unklaren – just positiv auf die ideellen Grundlagen der genannten »Globalisten« beziehen. Mit einiger Zuspitzung bezeichnet Slobodian sie als »populistische Bastarde des Neoliberalismus«. Sie sind seine Kinder, entstammen seiner Ideologie, lesen seine theoretischen Vordenker – und wenden sich nun verbal gegen einige seiner eigenen, praktischen Konsequenzen.
Slobodians klarer Standpunkt bedeutet aber keineswegs, daß er sich einer Diskussion verschließt:
Wenn Maaßen über Ideen diskutieren will, dann nur zu. Ein Gespräch, das sich darum dreht, Wortverwendungen ohne Kontext als Anklage oder Verteidigung zu benutzen, ist kein wirkliches Gespräch. Das ist völlig unproduktiv, weil alles dann in einer Echokammer bereits existierender politischer Positionen verhallt, in denen sich jeder immer tiefer verschanzt.
Diesen Schlag führt Slobodian damit nicht gegen Maaßen, sondern gegen seine antifaschistischen Kritiker von Luisa Neubauer bis Stephan Kramer. Wenn Maaßen also über Bande doch noch eine fruchtbare Debatte über die Gefahren des Globalismus ausgelöst hat, ist ihm nach »Chemnitz« tatsächlich ein zweites Fleißbienchen zu verleihen. Das war’s dann aber auch.
Dietrichs Bern
Die "Marktfetischisten" träumen mitnichten von einer Rente mit 70. Der Marktfetischist will überhaupt niemandem vorschreiben, wann er in Rente zu gehen hat.
Das ist ein Ansinnen der Staatsgläubigen. Die Rente mit 70ff. (eigentlich geht es ja nur um Kürzung der Rente) ist eine simple Folge eines Umlagesystems, dass unter grassierendem Beitragszahlerschwund einerseits und einer Aufblähung der Anspruchsteller, die z. T. wenig bis nichts einzahlen.
Da der Staatsdienst grundsätzlich nur die anzieht, deren Wirken obsolet ist, wird das System zwangsläufig an die Wand fahren.