Verena Hartbaum und Stephan Trüby versuchten im Stil »antifaschistischer« Trüffelschweine Kollhoff zu diskreditieren, indem sie ihn in die Nähe des Antisemitismus rückten. Beide stammen aus der Kernzelle der linken Bautheorie, dem Institut für Grundlagen moderner Architektur und Entwerfen (IGMA) an der Universität Stuttgart. Trüby fungiert als Institutsleiter, Hartbaum arbei-tet dort als wissenschaftliche Mitarbeiterin. Gegner des dominierenden Baumodernismus werden von dort aus aufgespürt, negativ verwertbares Material über sie wird gesucht, um sie dann in Interviews oder Zeitungsartikeln anzuklagen. Zuletzt mußte auf diese Weise der Architekt Christoph Mäckler dran glauben.
Der Geist, vor dem sich diese Architektenschaft ängstigt, müsse unbedingt »in der Flasche« gehalten werden, äußert Kollhoff nun. Der Aufhänger zur Attacke gegen ihn war der von ihm 2000 halbmodern-neoklassizistisch gestaltete Berliner Walter-Benjamin-Platz. Die ideologisch beseelten Sucher schnüffelten und wurden auf dem Areal bei einer kleinen, bislang kaum beachteten Bodenplatte fündig. Die Platte trug ein kritisches Zitat zu »usura«, dem italienischen Wort für »Wucher«. Sie fanden rasch heraus, daß der nicht genannte Autor der Zeilen der amerikanische Schriftsteller Ezra Pound ist, der sich einst negativ über Juden geäußert und Mussolini verehrt hatte. Die übliche Pressemaschinerie konnte nun gegen Kollhoff in Gang gesetzt und die unscheinbare Bodenplatte selbstverständlich 2020 ordnungsgemäß entfernt werden.
Doch das Trüffelschwein hat bekanntlich ein feines Sensorium, und Kollhoff beweist mit seinem Bändchen Architektur, daß er keinesfalls ungefährlich für das Milieu der modernistischen Bestandswahrer ist. Ohne Respekt vor der gegenwärtigen Architektenzunft legt er eine vernichtende Bestandsaufnahme unserer Baukultur und des dahinterstehenden materialistischen Ungeistes vor. Urbaner Raum komme nicht mehr zustande, weil statt Gemeinschaft, die ein Einordnen erfordere, und Identifikation mit dem Gemeinwesen nur noch die narzißtische Gier nach Aufmerksamkeit und das kurzfristige Denken der Profitmaximierung die Köpfe beherrschten.
Kollhoff spricht offen von »Machwerken«, die uns heute im Feuilleton als große Architektur verkauft werden. Kurzlebige Moden, schlecht alternde Experimentalbauten, bezugslose Solitäre und Abschreibungsobjekte, die nach 25 Jahren wieder abgerissen werden, zerstören das Bild der europäischen Stadt. Monströse Megastrukturen haben vielerorts die klassische Form des Hauses, bei der die meisten Menschen Behaglichkeit empfinden, verdrängt. Es sei diejenige Architektur, die von einer globalistisch agierenden Elite bevorzugt werde. Der Sündenfall lag für Kollhoff dabei in der völligen Abkehr traditioneller Stadtbauprinzipien nach dem Zweiten Weltkrieg. Mittlerweile sei sogar die Denkmalpflege modernistisch korrumpiert worden.
Der Autor spart nicht mit Kulturkritik an plattem Entertainment und Konsum ohne Bereitschaft, auch etwas Geld in die Schönheit der Stadt zu investieren. Doch er gibt auch Hoffnung auf Änderung. Eine neue Schicht von Bauherren werde sich nach dem Durchschreiten aller Täler der Unkunst schrittweise aus den Fesseln des alt gewordenen Modernismus lösen und den Weg zurück zu traditionellen Prinzipien finden. Demut und Achtsamkeit würden wiederentdeckt. Die Liebe zum Schmuck werde wieder Einzug halten. Die europäische Stadt werde nicht sterben. Kollhoff plädiert für einen »dem Zeitgeist diametral entgegengesetzten« Konservatismus, der dazu berufen sei, das europäische Erbe zu bewahren. Der “unheiligen Allianz aus Political Correctness und skrupellosem Wirtschaftsgebaren” gelte es, “das Aristokratische als Haltung” entgegenzusetzen: “Ich hoffe, das klingt zuversichtlich, wenngleich junge Architekten nun vieles vergessen dürfen, was sie heute an der Hochschule lernen.”
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Hans Kollhoff: Architektur. Schein und Wirklichkeit, Springe: zu Klampen 2020. 128 S., 14€
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