Befreiung 1945? Ein Europalexikon

PDF der Druckfassung aus Sezession 97/ August 2020

Erik Lehnert

Erik Lehnert ist promovierter Philosoph.

»Die Geschich­te Euro­pas in den ers­ten Nach­kriegs­jah­ren«, so for­mu­lier­te es der bri­ti­sche His­to­ri­ker Keith Lowe in sei­ner Stu­die Der wil­de Kon­ti­nent (Stutt­gart 2014), »war nicht in ers­ter Linie eine Geschich­te des Wie­der­auf­baus. Zunächst war es eine Geschich­te des Abstiegs in die Anar­chie«. Anar­chie, gekenn­zeich­net durch die Abwe­sen­heit von Recht, Ord­nung und Sicher­heit, paar­te sich in vie­len Län­dern mit anti­fa­schis­ti­schem Ver­gel­tungs­rausch und nie­der­träch­tigs­ten Ver­hal­tens­wei­sen: »Rache war ein ele­men­ta­rer Bestand­teil des Fun­da­ments, auf dem das Nach­kriegs­eu­ro­pa errich­tet wur­de.« Heu­te wird die Bedeu­tung die­ses Fazits von Keith Lowe in der Regel unterschlagen.

Erik Leh­nert (EL), Bene­dikt Kai­ser (BK) und Götz Kubit­schek (GK) haben daher einen kur­so­ri­schen Über­blick ange­fer­tigt, der nahe­legt, daß der Krieg in Euro­pa am 8. Mai 1945 nicht zu Ende war. Ver­trei­bung, Ver­gel­tung, Ver­schlep­pung und Mord tra­fen nicht nur die unter­le­ge­nen Deut­schen, son­dern in vie­len Län­dern Kol­la­bo­ra­teu­re, Min­der­hei­ten, poli­ti­sche Geg­ner, sogar Kin­der. In eini­gen Län­dern reg­te sich indes auch der Wider­stand gegen die Rache­sys­te­me der Sieger.

 

Frank­reich

Mit der libé­ra­ti­on Frank­reichs durch die West­al­li­ier­ten unmit­tel­bar ein­her ging die épur­a­ti­on, die Säu­be­rung. Sie ist als eine zwei­glied­ri­ge Über­gangs­pha­se von 1944 bis 1946 anzu­se­hen, die zunächst, wäh­rend der End­pha­se des Zwei­ten Welt­kriegs, den Cha­rak­ter einer anhal­ten­den Ver­gel­tungs­ak­ti­on durch die viel­schich­ti­ge Résis­tance und ihr Umfeld trug: Zwi­schen 7000 und 105 000 Ermor­de­ten in der Pha­se von Son­der­ge­rich­ten und »außer­ge­richt­li­chen« Abrech­nun­gen schwan­ken die Schät­zun­gen; in der Regel hin­gen und hän­gen sie vom poli­ti­schen Stand­punkt des His­to­ri­kers ab. Die kor­rek­te Zahl dürf­te in der Mit­te liegen.

Nach dem 8. Mai 1945 und der fina­len Restau­ra­ti­on fran­zö­si­scher Staats­ge­walt und Auto­ri­tät wur­den die wil­den Säu­be­run­gen mit ihren Mor­den, Ver­ge­wal­ti­gun­gen und offi­zi­el­len Hin­rich­tun­gen (dar­un­ter am 6. Febru­ar der popu­lä­re Roman­cier Robert Bras­il­lach) ersetzt durch eine insti­tu­tio­na­li­sier­te, »jus­ti­ti­el­le« Säu­be­rung in Behör­den, Betrie­ben, Redak­tio­nen und so wei­ter von jenen, die ver­däch­tigt wur­den, ent­we­der mit der deut­schen Besat­zungs­macht kol­la­bo­riert und / oder sich dem Vichy-Staat ange­schlos­sen zu haben. Gleich­wohl waren auch die – for­mal kor­rek­ten –Pro­zes­se gegen Maré­chal Pétain oder ver­ant­wort­li­che Poli­ti­ker wie Pierre Laval von einer Stim­mung des Has­ses und der Rache­sehn­sucht geprägt, so daß auch die insti­tu­tio­na­li­sier­te épur­a­ti­on ihre wil­den Momen­te kannte.

Zwi­schen die­sen bei­den – gro­ben –Pha­sen anzu­sie­deln ist die her­ab­wür­di­gen­de Mas­sen­ak­ti­on gegen deutsch­freund­li­che Frau­en um das offi­zi­el­le Kriegs­en­de her­um –eine abscheu­li­che Erschei­nung, die etwa auch in Bel­gi­en gras­sier­te. Vor allem links­ori­en­tier­te Män­ner räch­ten sich am ver­meint­li­chen oder tat­säch­li­chen Ver­rat »ihrer« Frau­en durch ent­mensch­li­chen­de Ritua­le in der Öffent­lich­keit. Tau­sen­den Frau­en wur­den in den Stra­ßen von Paris der Kopf gescho­ren, wobei sie dabei unter Beob­ach­tung des Pöbels wie auch höhe­rer Gesell­schafts­schich­ten bespuckt und ver­höhnt sowie zur nach­hal­ti­gen Demü­ti­gung zum Teil wie Gefan­ge­ne durch die Stra­ßen getrie­ben wurden.

Die Atmo­sphä­re des Has­ses gegen jene Krei­se, die 1940 bis 1944 ver­stän­di­gungs- und deutsch­freund­lich agier­ten, wur­de –neben den gewöhn­li­chen Umstän­den Zeit und Ver­drän­gen– durch zwei Fak­to­ren »been­det«: Zum einen favo­ri­sier­te Prä­si­dent Charles de Gaul­le Amnes­tie­ge­set­ze, die von 1947 bis 1953 erlas­sen und durch­ge­setzt wur­den, um die erfor­der­li­che Ruhe für den Auf­bau des neu­en Staa­tes, der Vier­ten Repu­blik, zu gewin­nen. Zum ande­ren benö­tig­te man die Kampf­kraft ehe­ma­li­ger fran­zö­si­scher Waf­fen-SS-Frei­wil­li­ger, Vichy-Par­tei­gän­ger und rech­ter Mili­zio­nä­re für die eska­lie­ren­den Kolo­ni­al­kämp­fe in Asi­en und Nord­afri­ka. Vie­le derer, die die Rache der Sie­ger über­leb­ten, ver­blu­te­ten für die­se im Viet Bac oder in Dien Bien Phu. Ande­re for­mier­ten sich trotz Repres­sio­nen neu und wirk­ten in der poli­ti­schen Fun­da­men­tal­op­po­si­ti­on zum Gaul­lis­mus, aus der wie­der­um Jah­re spä­ter der Front Natio­nal her­vor­ging. (BK)

 

Nor­we­gen

Anders als im Fall der Natio­nen Ost­eu­ro­pas und Frank­reichs ver­bin­det man mit Nor­we­gen heut­zu­ta­ge nicht zwin­gend poli­ti­sche Gewalt und Rache­wel­len am Ende des Zwei­ten Welt­kriegs. Dabei sind drei mar­kan­te Erschei­nun­gen in die­sem Kon­text anzuführen.

Ers­tens ist die sys­te­ma­ti­sche Dis­kri­mi­nie­rung und Ent­mensch­li­chung von etwa 12 000 deutsch-nor­we­gi­schen Kin­dern zu nen­nen, die zum Teil von NS-Ras­sen­ideo­lo­gen gezielt gezeugt, zum über­wie­gen­den Teil aber aus klas­si­schen Lie­bes­be­zie­hun­gen zwi­schen Nor­we­ge­rin­nen und deut­schen Sol­da­ten her­vor­gin­gen. Als Tysker­bar­na (»Deut­schen­kin­der«) von Tysker­tøs (»deut­sche Flitt­chen«) gin­gen sie nach 1945 schwe­ren Zei­ten ent­ge­gen. Man erwog sogar ihre Ver­trei­bung nach Aus­tra­li­en, da die­se Kin­der »min­der­wer­ti­ger« und »geis­tes­kran­ker« Kon­sti­tu­ti­on wären. Der kol­lek­ti­ven Aus­schif­fung ent­gin­gen die Her­an­wach­sen­den zwar, nicht aber sys­te­ma­ti­scher sexu­el­ler Gewalt, erzwun­ge­nen Adop­tio­nen und Miß­hand­lun­gen, fer­ner medi­zi­ni­schen Expe­ri­men­ten und zwangs­ver­ord­ne­tem Dro­gen­kon­sum. Die bun­des­deut­sche Ant­wort auf die­se insti­tu­tio­na­li­sier­te Schän­dung deutsch­stäm­mi­ger­Min­der­jäh­ri­ger fiel in Form von 50 Mil­lio­nen Mark aus –an den nor­we­gi­schen Staat. Die­ser soll­te »ent­schä­digt« wer­den für die Kos­ten, die er auf­grund der Besat­zungs­kin­der erlit­ten habe.

Zwei­tens ist auf der poli­ti­schen Ebe­ne die anhal­ten­de Ver­gel­tungs­po­li­tik gegen rech­te und NS-affi­ne Kräf­te anzu­füh­ren, ob gegen Tau­sen­de Kriegs­frei­wil­li­ge oder gegen Zehn­tau­sen­de poli­tisch Akti­ve. Die natio­na­lis­ti­sche Samm­lungs­be­we­gung Nas­jo­nal Sam­ling (dt.: Natio­na­le Ver­ei­ni­gung) des Kol­la­bo­ra­teurs Vid­kun Quis­ling wur­de bei­spiels­wei­se kon­zen­triert zer­schla­gen, Quis­ling selbst am 24. Okto­ber 1945 neben zwei sei­ner Füh­rungs­ka­der hin­ge­rich­tet. Die juris­ti­schen Vor­aus­set­zun­gen hier­für wur­den von der Exil­re­gie­rung bereits wäh­rend des Krie­ges geschaf­fen, wes­halb deren Lega­li­tät in pra­xi höchst umstrit­ten war. Gleich­wohl erfaß­te ab Mai 1945 eine Wel­le von Ver­haf­tun­gen das Land. Die bloß ver­mu­te­te Mit­glied­schaft im Nas­jo­nal Sam­ling – bis zur Beset­zung Nor­we­gens 1940 eine unter vie­len wei­te­ren lega­len Par­tei­en – reich­te aus. In einem ein­woh­ner­zahl­schwa­chen Land wie Nor­we­gen kam man auf über 100 000 zeit­wei­se oder lang­fris­tig Inter­nier­te; 37 150 von ihnen wur­den frei­ge­spro­chen. Das Schand­zei­chen des »Quis­lings«, des Lan­des­ver­rä­ters, blieb. Zehn­tau­sen­de ehe­ma­li­ge Sym­pa­thi­san­ten des Nas­jo­nal Sam­ling wur­den zeit­le­bens dis­kri­mi­niert – schu­lisch, beruf­lich, gesell­schaft­lich. Das wirk­te nach und schweiß­te zusam­men. Eine Erhe­bung von 1973 (!) unter ehe­ma­li­gen Betrof­fe­nen der Säu­be­run­gen ergab, daß 89 Pro­zent der Befrag­ten ihre eins­ti­ge Mit­glied­schaft trotz der Repres­sio­nen nach Kriegs­en­de nicht bedauerten.

Drit­tens anzu­füh­ren ist der Fall des Lite­ra­tur­no­bel­preis­trä­gers Knut Ham­sun (1859 – 1952). Als Lan­des­ver­rä­ter und Kol­la­bo­ra­teur der Deut­schen wur­de er noch mit 86 Jah­ren unter Haus­ar­rest gestellt und für vier Mona­te in eine psych­ia­tri­sche Kli­nik in Oslo ein­ge­wie­sen (»Ich war ein gesun­der Mensch, ich wur­de Gelee.«). Den Ver­such, ihn als psy­chisch krank zu stig­ma­ti­sie­ren und straf­recht­lich somit zu »ent­las­ten«, parier­te Ham­sun. Doch der Pro­zeß, der bis 1948 andau­er­te, zer­stör­te die mate­ri­el­le und bür­ger­li­che Exis­tenz der Ham­suns. In Auf über­wach­se­nen Pfa­den (1949) leg­te der Schrift­stel­ler Zeug­nis der bit­te­ren Jah­re von 1945 bis 1948 ab. (BK)

 

Ita­li­en

Die epur­a­zio­ne, die ita­lie­ni­sche Vari­an­te der Säu­be­rung, ist im Rück­blick von gro­ßer Ambi­va­lenz gekenn­zeich­net. Einer­seits wur­den Faschis­ten und ihre Koope­ra­ti­ons­part­ner bru­tal ver­folgt, zum Teil in zügel­lo­sen Gewalt­ta­ten miß­han­delt oder getö­tet. Ande­rer­seits ging dies vie­len Anti­fa­schis­ten nicht weit genug; sie spra­chen trotz der real exis­tie­ren­den Abrech­nungs­wel­le von einer epur­a­zio­ne man­ca­ta, einer aus­ge­blie­be­nen Säu­be­rung. In der Tat konn­te von einer voll­stän­di­gen Säu­be­rung kei­ne Rede sein, wenn man bedenkt, daß Ita­li­en über 20 Jah­re lang faschis­tisch regiert wur­de, wes­we­gen ein Gros des Vol­kes natur­ge­mäß direkt oder indi­rekt mit faschis­ti­schen Stel­len inter­agier­te. Die offi­ziö­sen Säu­be­rungs­wel­len fie­len daher ab 1944 vor­sich­ti­ger und, wenn man so will, umsich­ti­ger aus als bei­spiels­wei­se in Deutsch­land, wo auch die Alli­ier­ten als Fak­tor stär­ker auf har­te Bestra­fun­gen setz­ten und kol­lek­ti­ve Schuld ver­mu­te­ten, wäh­rend in Ita­li­en das Haupt­au­gen­merk den erwie­se­nen Faschis­ten und deren Umfel­dern galt, die bis zuletzt auf Sei­te der Ita­lie­ni­schen Sozi­al­re­pu­blik Beni­to Mus­so­li­nis kämpf­ten. Die­sen wur­de kein Par­don gewährt, die Lis­te der con­ti aper­ti (offe­ne Rech­nun­gen) war lang; man geht –spek­tren­über­grei­fend – von 15 000 über­wie­gend »wil­den«, also außer­ge­richt­li­chen Hin­rich­tun­gen aus, wäh­rend ordent­li­che Gerich­te 500 bis 1000 Ita­lie­ner zum Tode ver­ur­teil­ten. Rechts der Mit­te wer­den ver­ein­zelt nach wie vor deut­lich höhe­re Zah­len ange­führt. Ent­schei­dend ist, daß vie­le der Ermor­dun­gen kei­nes­wegs so poli­tisch moti­viert gewe­sen sind, wie Kom­mu­nis­ten und ande­re Anti­fa­schis­ten vor­ga­ben. Oft­mals ging es um per­sön­li­chen Besitz, Eifer­süch­te­lei­en und rei­ne Mordlust.

Am 22. Juni 1946 wur­de dem Trei­ben ein Ende gesetzt; ein Amnes­tie­ge­setz trat in Kraft. Zwar leer­ten sich Gefäng­nis­se und Lager, doch die Ein­drü­cke und Erleb­nis­se blie­ben in vie­len Köp­fen haf­ten. Die Prä­ge­kraft auf die Opfer und deren Ver­wand­te durch die erbar­mungs­lo­sen Ver­gel­tungs­ak­tio­nen anti­fa­schis­ti­scher Lin­ke ist nicht zu unter­schät­zen. Denn auch die­ser Umstand trug dazu bei, daß sich neu­fa­schis­ti­sche Struk­tu­ren nach 1946 fes­tig­ten und wie­der zu einem fun­da­men­tal­op­po­si­tio­nel­len Lager ent­wi­ckel­ten. Das gemein­sam erfah­re­ne Leid des unmit­tel­ba­ren Nach­kriegs schweiß­te die hete­ro­ge­ne Rech­te vor­über­ge­hend zusam­men und schuf lang­le­bi­ge Unver­söhn­lich­keit gegen­über dem poli­ti­schen Geg­ner. (BK)

 

Ukrai­ne

Die Ukrai­ne gehör­te ter­ri­to­ri­al zu den gro­ßen Gewin­nern des Zwei­ten Welt­kriegs, da erst­mals alle als ukrai­nisch ange­se­he­nen Gebie­te zu einem Staat, der aller­dings als Sowjet­re­pu­blik nur über eine Schein­selb­stän­dig­keit ver­füg­te (die sie immer­hin zu einem Grün­dungs­mit­glied der UNO mach­te), ver­eint waren. Damit wur­den die in der Fol­ge des Ers­ten Welt­kriegs gezo­ge­nen Gren­zen nach 1939 zum zwei­ten und letz­ten Mal revi­diert. Aus der Ver­ei­ni­gung von Ost­ga­li­zi­en und Wol­hy­ni­en, Nord­bu­ko­wi­na und Süd­bes­sa­ra­bi­en und schließ­lich der Kar­pa­ten-Ukrai­ne mit der Ukrai­ni­schen Sowjet­re­pu­blik folg­te der Dua­lis­mus zwi­schen West- und Ost­ukrai­ne. In den west­ukrai­ni­schen Gebie­ten, die größ­ten­teils 1939 / 40 über­haupt erst sowje­tisch gewor­den waren, wur­den die deut­schen Trup­pen zunächst als Befrei­er begrüßt, aber auch in der Rest­ukrai­ne war die Bereit­schaft zur Kol­la­bo­ra­ti­on mit den Deut­schen, auf­grund der Erfah­rung des Holo­do­mor, des mil­lio­nen­fa­chen Hun­ger­to­des, stär­ker als in ande­ren Gebieten.

Daher ging mit der Wie­der­errich­tung der sowje­ti­schen Par­tei- und Ver­wal­tungs­struk­tu­ren seit Herbst 1944 eine neue Wel­le des Sta­li­nis­ti­schen Ter­rors ein­her. Beson­ders zu lei­den hat­ten repa­tri­ier­te Ost­ar­bei­ter und aus der deut­schen Gefan­gen­schaft ent­las­se­ne Rot­ar­mis­ten, die pau­schal im Ver­dacht stan­den, Vater­lands­ver­rä­ter zu sein. Hin­zu kamen der Kampf gegen die Kir­chen und die Ver­trei­bung der natio­na­len Min­der­hei­ten aus der West­ukrai­ne. In den bereits vor dem Krieg sowje­ti­schen Gebie­ten ver­lief die Reso­wje­ti­sie­rung rei­bungs­los, wäh­rend es in der West­ukrai­ne eine star­ke natio­na­le Wider­stands­be­we­gung gab, die vor allem von der Ukrai­ni­schen Auf­stands­ar­mee (UPA) getra­gen wur­de. Die­se konn­te sich weit­ge­hend ohne aus­län­di­sche Hil­fe bis in die 1950er Jah­re gegen die Sowjet­macht behaup­ten. Die ideo­lo­gisch und per­so­nell auf natio­na­lis­ti­sche Krei­se der Zwi­schen­kriegs­zeit zurück­ge­hen­de UPA wur­de 1943 gegrün­det, um die Gunst des deutsch-sowje­ti­schen Krie­ges für den Auf­bau eines eige­nen Staa­tes zu nut­zen. Nach Ende der deut­schen Besat­zung zähl­te sie ca. 40 000 Mann. Die soge­nann­te Ban­den­be­kämp­fung gestal­te­te sich für die Sowjet­macht schwie­rig. Auch wenn die Pro­pa­gan­da Wir­kung zeig­te und es im Lau­fe der Jah­re vie­le Über­läu­fer gab, gin­gen zwi­schen 1944 und 1955 14 500 Anschlä­ge und Ter­ror­ak­te auf das Kon­to der UPA, bei denen 30 000 Per­so­nen getö­tet wur­den. Die Sowjet­macht ver­haf­te­te, töte­te und depor­tier­te im glei­chen Zeit­raum in der West­ukrai­ne ca. eine hal­be Mil­li­on Men­schen, ohne daß der Wider­stand völ­lig ver­stumm­te. (EL)

 

Bal­ti­kum

Die drei bal­ti­schen Staa­ten ver­bin­det, obwohl sprach­lich und eth­nisch nicht zusam­men­ge­hö­rig, ein gemein­sa­mes Schick­sal, das ihnen im 20. Jahr­hun­dert zwei­mal die Unab­hän­gig­keit von Ruß­land bzw. der Sowjet­uni­on bescher­te: 1918 und, nach­dem die Län­der 1940 in die Sowjet­uni­on ein­ge­glie­dert wor­den waren, 1991. Da die Sowjets kurz vor dem Aus­bruch des Deutsch-Sowje­ti­schen Krie­ges am 22. Juni 1941 mehr als 40 000 Men­schen aus den Län­dern nach Sibi­ri­en depor­tiert hat­ten, wur­den die deut­schen Trup­pen zunächst als Ret­ter vor dem sowje­ti­schen Ter­ror begrüßt. Ent­spre­chend hoch war die Bereit­schaft, in den euro­päi­schen Divi­sio­nen der Waf­fen-SS zu die­nen, was rund 50 000 Esten und 100 000 Let­ten taten, wohin­ge­gen die Litau­er ent­spre­chen­de Auf­ru­fe und Rekru­tie­run­gen boy­kot­tier­ten. Die Litau­er kämpf­ten aller­dings bereits im Juli 1944 gegen die pol­ni­sche Hei­mat­ar­mee, die Wil­na für Polen bean­spruch­te. Die Rück­kehr der Roten Armee 1944 wur­de von den meis­ten Bal­ten auf­grund der vor­her­ge­hen­den Erfah­run­gen nicht als Befrei­ung emp­fun­den. Jeder Bal­te, der nicht geflo­hen war, stand daher bei den Sowjets im Ver­dacht, mit den Deut­schen koope­riert zu haben. Alle drei Staa­ten muß­ten Gebie­te an die Bela­rus­si­sche SSR abtre­ten, Litau­en bekam das Memel­land und Wil­na, das in der Zwi­schen­kriegs­zeit von Polen annek­tiert wor­den war. Die Hoff­nun­gen der Bal­ten, daß der Wes­ten Sta­lin das Bal­ti­kum nicht über­las­sen wür­de, erfüll­ten sich nicht. Aber auch die Besitz­nah­me durch die Kom­mu­nis­ten ver­lief nicht rei­bungs­los: Im gan­zen Bal­ti­kum bil­de­ten die »Wald­brü­der« eine Wider­stands­be­we­gung, die sich vor allem in Litau­en, wo sich rund 50 000 Men­schen aktiv dar­an betei­lig­ten, lan­ge hal­ten konn­te. Erst die Kol­lek­ti­vie­rung der Land­wirt­schaft (1947 – 1952) zer­stör­te auch hier die Ver­sor­gungs­struk­tu­ren, ein­zel­ne Wald­brü­der sol­len erst in den 1970er Jah­ren auf­ge­spürt wor­den sein. In Litau­en reagier­te die Sowjet­macht daher bereits im Mai 1948 mit einer Depor­ta­ti­on von 40 000 Men­schen, der Ende März 1949 eine Mas­sen­de­por­ta­ti­on von fast 100 000 Per­so­nen aus allen drei Län­dern folgte.(EL)

 

Polen

Die »West­ver­schie­bung« Polens war bereits auf der Kon­fe­renz in Tehe­ran 1943 beschlos­sen wor­den. Die Sowjet­uni­on war nicht bereit, die bis 1939 ost­pol­ni­schen Gebie­te wie­der abzu­tre­ten, son­dern bestand auf der soge­nann­ten Cur­zon-Linie, der auch der heu­ti­ge Grenz­ver­lauf zwi­schen Ukrai­ne und Polen annä­hernd folgt. Auf der Pots­da­mer Kon­fe­renz wur­de die West­gren­ze Polens kon­kre­ti­siert, indem man sich auf die von Sta­lin favo­ri­sier­te Oder-Nei­ße-Linie einig­te. Polen ver­klei­ner­te sich damit um ca. 77 000 Qua­drat­ki­lo­me­ter und bestand jetzt vor allem aus ehe­mals preu­ßi­schen Gebie­ten. Die ost­deut­schen Gebie­te waren stark zer­stört und von den sowje­ti­schen Trup­pen aus­ge­plün­dert wor­den. Da die­se neu­en Gebie­te trotz­dem wirt­schaft­lich wesent­lich höher zu bewer­ten waren als die ver­lo­re­nen Gebie­te im Osten, muß­ten die Polen jähr­lich acht bis 13 Mil­lio­nen Ton­nen schle­si­sche Koh­le an die Sowjet­uni­on zu einem Bruch­teil des Markt­prei­ses lie­fern. Spä­tes­tens seit­dem die Rote Armee im Janu­ar 1944 die alte pol­nisch-sowje­ti­sche Gren­ze über­schrit­ten hat­te, geriet sie in den Bereich der pol­ni­schen Hei­mat­ar­mee, die im Unter­grund kämpf­te und seit der Auf­de­ckung des sowje­ti­schen Mas­sen­mords in Katyn wenig Sym­pa­thien für die Kom­mu­nis­ten hat­te. Trotz punk­tu­el­ler Koope­ra­ti­on betrach­te­te die Sowjet­uni­on die Hei­mat­ar­mee als Kon­kur­renz um die Vor­herr­schaft in Polen und ver­folg­te ihre Ange­hö­ri­gen gna­den­los, wenn sie nicht bereit waren, sich den pol­nisch-kom­mu­nis­ti­schen Trup­pen anzu­schlie­ßen. Als am 31. Juli 1944 der War­schau­er Auf­stand begann, unter­nahm die öst­lich War­schaus ste­hen­de Rote Armee nichts, um den Auf­stand zu unter­stüt­zen und ver­bot den West­al­li­ier­ten jede Unter­stüt­zung. Die anschlie­ßen­de sowje­ti­sche Beset­zung Polens bedeu­te­te den Wech­sel von einer Okku­pa­ti­on zur ande­ren. Vie­le Ange­hö­ri­ge der Hei­mat­ar­mee blie­ben im Unter­grund und glaub­ten lan­ge nicht, daß sie von den West­al­li­ier­ten an Sta­lin aus­ge­lie­fert wor­den waren. Die Her­stel­lung eines völ­kisch homo­ge­nen pol­ni­schen Staa­tes erfolg­te zwi­schen 1944 und 1947, indem Mil­lio­nen Deut­sche, Ukrai­ner, Weiß­rus­sen, Juden und Polen ermor­det, ver­trie­ben und umge­sie­delt wur­den. Bereits im Herbst 1944 erfolg­te die Aus­sied­lung der im zukünf­ti­gen pol­ni­schen Staats­ge­biet ver­blie­be­nen Ukrai­ner und Weiß­rus­sen in die Sowjet­uni­on (ca. 500 000), die Res­te wur­den im Rah­men der »Akti­on Weich­sel« 1947 von den Polen in das neue West­po­len umge­sie­delt (ca. 150 000) und ihre Dör­fer dem Erd­bo­den gleich­ge­macht, um der hier gegen die Polen ope­rie­ren­den UPA kei­ner­lei Rück­zugs­raum zu las­sen. Die Ver­trei­bung aus den Sowjet­re­pu­bli­ken betraf mehr als eine Mil­li­on Polen. Die all­ge­mei­ne Ver­wahr­lo­sung der Gesell­schaft zeig­te sich nicht nur bei den Ver­trei­bun­gen, son­dern auch bei anti­jü­di­schen Pogro­men. Die kom­mu­nis­ti­sche Gleich­schal­tung war 1949 abge­schlos­sen. (EL)

 

Ruß­land

Den Sieg im »Gro­ßen Vater­län­di­schen Krieg« hat­te das Sowjet­volk unter Füh­rung der Rus­sen errun­gen. So lau­te­te die inte­gra­ti­ve Bot­schaft, mit der Sta­lin 1945 die Natio­na­li­tä­ten­fra­ge in der Sowjet­uni­on beant­wor­te­te. Der Krieg dien­te der Sinn­stif­tung und sta­bi­li­sier­te die sozio­öko­no­mi­sche Ord­nung, die durch die Erfah­run­gen der Roten Armee in den besetz­ten Län­dern gefähr­det schien. Ins­be­son­de­re das hohe Lebens­ni­veau in den nicht­kom­mu­nis­ti­schen Län­dern war für die Sol­da­ten scho­ckie­rend, da die sowje­ti­sche Pro­pa­gan­da das Gegen­teil behaup­tet hat­te. Das führ­te zu Hoff­nun­gen auf Bes­se­run­gen nach dem Sieg, die bit­ter ent­täuscht wur­den. Neben Woh­nungs­not präg­ten Ver­wahr­lo­sung, Wai­sen­kin­der, Hun­ger und Gewalt das Leben. Die Dür­re-Kata­stro­phe von 1946, die durch die Erfül­lung von Lie­fer­ver­trä­gen mit dem Aus­land ver­schärft wur­de und ca. 1,5 Mil­lio­nen Todes­op­fer for­der­te, gab Anlaß für den »Sta­lin-Plan zur Umge­stal­tung der Natur«, mit der sol­che Natur­ka­ta­stro­phen in Zukunft aus­ge­schlos­sen wer­den soll­ten. Das Gulag-Sys­tem, das die not­wen­di­gen Arbeits­kräf­te lie­fer­te, erreich­te nach dem Krieg einen neu­en Höhe­punkt. Obwohl im Juli 1946 600 000 Häft­lin­ge im Rah­men einer Amnes­tie ent­las­sen wur­den, ver­dop­pel­te sich die Häft­lings­zahl in den nächs­ten Jah­ren und betrug 1950 ca. 2,5 Mil­lio­nen. Allein am Bau des Wol­ga-Don-Kanals waren von 1948 bis 1953 mehr als 236 000 Gulag-Häft­lin­ge ein­ge­setzt. Die Kriegs­ge­fan­ge­nen und Ost­ar­bei­ter, die aus Deutsch­land heim­kehr­ten, gal­ten als Ver­rä­ter und wur­den ent­spre­chend behan­delt. 2,7 Mil­lio­nen Zivi­lis­ten und 1,5 Mil­lio­nen Kriegs­ge­fan­ge­ne wur­den bis März 1946 repa­tri­iert, teil­wei­se gegen ihren Wil­len von den West­al­li­ier­ten aus­ge­lie­fert. Sie durch­lie­fen soge­nann­te Fil­trier­la­ger, wo sie nach Gefähr­lich­keit in Grup­pen ein­ge­teilt wur­den. 608 000 Repa­tri­ier­te kamen in Arbeits­ba­tail­lo­ne, 273 000 muß­ten in Lagern des NKWD Zwangs­ar­beit leis­ten, dar­un­ter alle Offi­zie­re, die in deut­scher Gefan­gen­schaft gewe­sen waren. Von 57 kriegs­ge­fan­ge­nen Gene­rä­len wur­den 23 erschos­sen, die ehe­ma­li­gen Wlas­sow-Sol­da­ten muß­ten bis Mit­te der 1950er Jah­re in Son­der­sied­lun­gen leben, die Offi­zie­re wur­de als Ver­bre­cher betrach­tet, Gene­ral Wlas­sow und eini­ge Offi­zie­re wur­den hin­ge­rich­tet. Der begin­nen­de Kal­te Krieg sorg­te dafür, daß die Repa­tri­ier­ten noch lan­ge als Men­schen zwei­ter Klas­se betrach­tet wur­den. (EL)

 

Jugo­sla­wi­en

Die ent­hemm­te Rache der Sie­ger ver­lief nach dem for­ma­len Kriegs­en­de vom 8. / 9. Mai 1945 nir­gends blu­ti­ger als auf dem Gebie­te Jugo­sla­wi­ens –und zwar weit über das Kriegs­en­de hin­aus. Stär­ker als bei ande­ren Län­dern muß die Vor­ge­schich­te gewich­tet wer­den, die aus einem Pan­ora­ma ent­fes­sel­ter Gewalt bestand, aus einer Ver­schrän­kung von unge­zähm­tem Natio­na­li­tä­ten­haß und ideo­lo­gi­schem Bürgerkrieg.

War bei­spiels­wei­se das Stre­ben der Kroa­ten nach ihrem eige­nen Natio­nal­staat his­to­risch ver­ständ­lich und von brei­ten Volks­schich­ten getra­gen, sorg­ten doch die Unta­ten der »wil­den Usta­sche« ab Mai 1941 dafür, daß auch patrio­ti­sche Kroa­ten auf Abstand gin­gen. Das maß­lo­se Vor­ge­hen gegen Ser­ben und ande­re sorg­te für eben­so ent­hemm­te Wider­stands­tä­tig­keit und ein Anwach­sen der kom­mu­nis­tisch domi­nier­ten, gesamt­ju­go­sla­wi­schen Par­ti­sa­nen­be­we­gung unter Josip »Tito« Broz. Ver­gleich­ba­re Greu­el­ta­ten aller (bürger)kriegsbeteiligten Sei­ten voll­zo­gen sich in den meis­ten wei­te­ren Lan­des­tei­len Jugo­sla­wi­ens, so daß 1945 kei­ne Zäsur dar­stell­te, son­dern den Höhe­punkt einer grau­si­gen Ent­wick­lung wech­sel­sei­ti­gen Aus­mor­dens: Bis zum offi­zi­el­len Kriegs­en­de star­ben in Jugo­sla­wi­en eine Mil­li­on Men­schen aller ansäs­si­gen Nationalitäten.

Besag­ter Höhe­punkt der Ent­wick­lung wur­de schließ­lich erreicht, als im Mai 1945, im öster­rei­chi­schen Blei­burg (50 Kilo­me­ter von der slo­we­ni­schen Gren­ze ent­fernt) bri­ti­sche Gene­rä­le zusa­hen, wie weni­ge Tage nach Kriegs­en­de Hun­dert­tau­sen­de Kriegs­ver­lie­rer – kroa­ti­sche Usta­sche, slo­we­ni­sche Weiß­gar­dis­ten, ser­bi­sche Tschet­niks, bos­nia­ki­sche und alba­ni­sche Frei­wil­li­ge, mon­te­ne­gri­ni­sche Natio­na­lis­ten und Res­te der Hee­res­grup­pe E der Wehr­macht sowie bis zu 100 000 (!) Zivi­lis­ten – in die Hän­de anti­fa­schis­ti­scher Häscher fie­len. Zehn­tau­sen­de Men­schen, Waf­fen­trä­ger wie Zivi­le, wur­den kalt­blü­tig abge­schlach­tet: »Die Gefan­ge­nen wur­den mas­sen­wei­se ermor­det. Es war eine Orgie rach­süch­ti­gen Zorns«, wie der His­to­ri­ker Slav­ko Gold­stein resü­miert. Kate­go­risch for­mu­liert der Autor, daß »Blei­burg« ein Kriegs­ver­bre­chen war, »das jeder mora­li­schen, poli­ti­schen oder juris­ti­schen Recht­fer­ti­gung ent­behrt«– und das auch nicht dadurch ent­schärft wer­den kann, daß der Par­ti­sa­nen­füh­rer Tito Mit­te Mai das Ein­stel­len des Mas­sen­mords anord­ne­te. Ohne­hin ent­sprach dies ledig­lich einer schein­hu­ma­nen For­ma­li­tät für die Welt­po­li­tik und deren Medi­en. Ob in Mari­bor oder bei Cel­je, ob auf den Inseln der Kvar­ner Bucht oder im Gebiet der Gott­schee– eine Ket­te von Ver­nich­tungs­stät­ten durch­zieht Slo­we­ni­en und Nord­kroa­ti­en, all­ge­mei­ner: ganz Nord­ju­go­sla­wi­en, mit Aus­läu­fern bis in den Westbanat.

Todes­mär­sche, Mas­sen­er­schie­ßun­gen und Fol­ter kenn­zeich­ne­ten den unmit­tel­ba­ren Nach­krieg. Deut­lich mehr als 100 000 Volks­deut­sche, Slo­we­nen, Kroa­ten und Bos­nia­ken, aber auch poli­tisch »unzu­ver­läs­si­ge« (also: mon­ar­chis­ti­sche, natio­na­lis­ti­sche etc.) Ser­ben und Mon­te­ne­gri­ner fan­den zwi­schen Mai 1945 und Ende 1946 den Tod, und zwar nicht auf­grund von Ver­bre­chen ein­zel­ner Anti­fa­schis­ten, wie Keith Lowe her­vor­hob, son­dern in »gut« und »zen­tral orga­ni­sier­ten« Mas­sa­kern. Als beson­ders schreck­lich erwies sich jene anti­fa­schis­ti­sche Beson­der­heit, Hun­der­te Men­schen, oft Zivi­lis­ten, in Karst­höh­len zu pfer­chen, um die­se dann auf engs­tem Raum durch Spren­gun­gen zu töten. Danach wur­den die schlucht­ar­ti­gen Spal­ten im Karst ver­schlos­sen: Noch in den 1990er Jah­ren fand man Tau­sen­de Schä­del und Kno­chen in ent­spre­chen­den Höh­len. Wer der­ar­ti­ge Greu­el­ta­ten über­leb­te und im nun­mehr kom­mu­nis­tisch regier­ten Land ver­blieb, war für vie­le Jahr­zehn­te im gesell­schaft­li­chen All­tag »markiert«.(BK)

 

Rumä­ni­en

Rumä­ni­sche Trup­pen kämpf­ten mit Beginn des Prä­ven­tiv­schlags gegen die Sowjet­uni­on auf deut­scher Sei­te. Als sich das Blatt wen­de­te, ver­such­te der im Exil leben­de König Micha­el I. die Beset­zung Rumä­ni­ens durch die Rote Armee dadurch abzu­wen­den, daß er nach sei­nem geglück­ten Putsch im August 1944 Deutsch­land den Krieg erklär­te. Sei­ne Rech­nung ging aller­dings nicht auf: Rumä­ni­en war bereits zum Zeit­punkt des Frie­dens­ver­trags mit der Sowjet­uni­on am 12. Sep­tem­ber voll­stän­dig besetzt. Micha­el I. stand der Macht­über­nah­me durch die Kom­mu­nis­ti­sche Par­tei Rumä­ni­ens letzt­lich macht­los gegen­über. Er selbst muß­te 1947 abdan­ken und das Land verlassen.

In sei­ne Regie­rungs­zeit fällt die schwe­re und in ihrer Dras­tik ein­drück­li­che Kol­lek­tiv­be­stra­fung der deut­schen Volks­grup­pen in Rumä­ni­en: Rund 75 000 Sie­ben­bür­ger Sach­sen, Bana­ter und Sath­ma­rer Schwa­ben wur­den im Janu­ar 1945 aus­ge­ho­ben und in Vieh­wag­gons zur Zwangs­ar­beit in die Sowjet­uni­on ver­schleppt. Die Lis­ten für die­se Akti­on waren in den Mona­ten zuvor aus­ge­fer­tigt wor­den. Betrof­fen waren Män­ner zwi­schen 17 und 45, Frau­en zwi­schen 18 und 30 Jah­ren. Ent­schei­dend war die Kopf­zahl: Waren Auf­ge­führ­te nicht auf­find­bar, wur­den die Trans­por­te mit deut­lich jün­ge­rem oder älte­rem Ersatz auf­ge­füllt. Dabei spiel­ten poli­ti­sche Ori­en­tie­rung oder sogar die Ange­hö­rig­keit in einer kom­mu­nis­ti­schen Grup­pie­rung eben­so­we­nig eine Rol­le wie die Lebens­um­stän­de der zurück­blei­ben­den, damit oft eltern­lo­sen Kin­der. Allein die Volks­zu­ge­hö­rig­keit war ent­schei­dend. Rund fünf­zehn Pro­zent der Zwangs­ar­bei­ter über­leb­ten nicht und ein Groß­teil der Rück­keh­rer wur­de nicht wie­der nach Rumä­ni­en gebracht, son­dern in die alli­ier­ten Besat­zungs­zo­nen in Deutsch­land entlassen.

Die letz­ten Heim­keh­rer fan­den 1949 / 1950 voll­stän­dig ent­eig­ne­te deut­sche Volks­grup­pen vor. Bereits im März 1945 wur­den Acker­land und Wald, Bau­ern­hö­fe und Inven­tar, Maschie­nen und Vieh an Rumä­nen, Zigeu­ner und ande­re Volks­grup­pen ver­teilt. In den Fol­ge­jah­ren geschah das­sel­be mit dem Besitz von Kauf­leu­ten und Hand­wer­kern und schließ­lich von Indus­tri­el­len. Die­se Ent­eig­nun­gen wur­den erst in den fünf­zi­ger Jah­ren teil­wei­se rück­gän­gig gemacht. Die Nach­kriegs­re­pres­sio­nen gegen Rumä­nen betra­fen in ers­ter Linie die Ange­hö­ri­gen der »Eiser­nen Gar­de«, einer radi­ka­len, kle­ri­kal­fa­schis­ti­schen Bewe­gung um die Anfüh­rer Cor­ne­liu Zelea Cod­re­a­nu (1938 hin­ge­rich­tet) und Horia Sima (der ab August 1944 bis zum Kriegs­en­de eine wir­kungs­lo­se Exil­re­gie­rung führ­te). Die soge­nann­ten Legio­nä­re gal­ten als welt­an­schau­li­che Urfein­de des Kom­mu­nis­mus und wur­den nach dem Frie­dens­schluß Rumä­ni­ens mit der Sowjet­uni­on zunächst halb­her­zig, ab 1947 aber sys­te­ma­tisch ver­folgt. Tau­sen­de von ihnen erla­gen in Lagern und Gefäng­nis­sen Fol­ter, Erschöp­fung und expe­ri­men­tel­ler Umer­zie­hung. Ohne nen­nens­wer­ten Erfolg, aber von gro­ßer sym­bo­li­scher Bedeu­tung war der bewaff­ne­te Wider­stand gegen das kom­mu­nis­ti­sche Regime. In ver­streut ope­rie­ren­den Grup­pen und Ban­den kämpf­ten tau­sen­de Stu­den­ten, Bau­ern, Legio­nä­re, ver­ein­zelt auch ehe­ma­li­ge Wehr­machts­an­ge­hö­ri­ge gegen die Staats­macht und vor allem um ihr Leben. Man hoff­te ähn­lich wie im Bal­ti­kum ver­geb­lich auf Waf­fen­hil­fe aus den USA. Berühmt gewor­den ist die Grup­pe um Ion Gavrilă Ogora­nu, die im Foga­rasch-Gebir­ge ope­rier­te und nie gestellt wer­den konn­te. (GK)

Erik Lehnert

Erik Lehnert ist promovierter Philosoph.

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