Dennoch wollen wir noch bis Anfang September Ruhe halten, vorbereiten, lesen, sammeln. Man ist nicht “ausgeschrieben”, aber ehrlich genug, um zuzugeben, daß man Durchhalteparolen, Empörungstexte und Revolutionserwartungen nicht formulieren möchte, obwohl eine wachsende Zahl von Leuten (also auch Lesern) genau darauf wartet – im besten Fall auf Orientierung hoffend, im schlechteren auf eine irre Mobilisierung, ein Erzwingenwollen von der Straße her, ein Anrennen gegen den unsichtbaren Feind.
Dieses äußere und innere Anrennen verhindert das, wozu der kleine Hobbit in der Lage war, während seine Weggefährten, die Zwerge, wie die Hühner durch die Gegend flitzten und rastlos nach einem Weg suchten (einige werden die Stelle im Buch kennen): Er setzte sich auf die Schwelle und dachte nach.
Wir machen weiterhin Pause, legen das Netztagebuch beiseite, lesen und sammeln mal drei Wochen lang und setzen Ende August neu an. Rat- und rastlos zu schreiben – das trägt auf Dauer nichts aus. Überhaupt nehmen wir einen Drang zum Analogen war, zum Handfesten und Durchführbaren: Abstand von Wünschbarkeiten und Maximalphantasien, Hinwendung zum Konkreten, zu dem, “was man noch in der Hand hat”. Dieses Bedürfnis machte aus unserem Tag der offenen Tür solch schöne, wichtige Tage für alle, die teilnehmen konnten.
Die kommende Sommerakademie ist ausgebucht, auch die Referentenliste steht. Ich hatte da einen Referenten im Auge, aber er schwieg zunächst, dann sagte er ab: Man könne ratlos nicht dozieren, und er wisse noch nicht, wann und wie er wieder etwas zu sagen habe. Dieser Mann ist einer der wenigen, dem ich diese Wendung abnehme, denn sie rührt bei ihm nicht von einer Sattheit oder einem Überdruß her, sondern davon, daß er das Geplauder und die mundwerksburschige Scharlatanerie verabscheut wie sonst kaum etwas.
In gewissem Sinne hat er dadurch die Meßlatte für uns anderen höhergelegt: Wir spüren noch deutlicher als sonst, daß wir etwas zu sagen haben müssen, wenn wir vom 17. bis 19. September in Schnellroda unter dem Motto “Lage 2021” tagen. Interessanterweise war es nicht schwierig, sehr gute Referenten zu gewinnen, die noch nie bei uns vortrugen.
Das gehört ja auch hierher: daß die irre Lage, in der wir uns befinden, und in der wir nur die Wahl zwischen Baerbock und Laschet haben, sehr interessante Leute zu uns finden, um wirklich einmal anders nachzudenken und zu diskutieren.
Sommerakademie also: Wie seit anderthalb Jahren üblich, verraten wir nichts über die Referenten, sondern geben nur die Themen bekannt:
- Corona und kein Ende: Krise als Normalität.
- Republik ohne Volk: Anmerkungen zur Entwicklung (west-)deutscher Staatlichkeit von 1945 bis 2021.
- Deutschlands Souveränität: außenpolitische Schlaglichter.
- Vier Jahre – Rück- und Ausblick auf die AfD im Bundestag.
- Österreich: zwischen Kickl und Symbolgesetzgebung.
- Kommunitarismus: ein Aufriß.
- Zur Lage des vorpolitischen Raumes
- Von der Notwendigkeit rechter Ökologie
Außerdem wird es abendliche Gesprächsrunden geben, aber das ist ja alles bekannt. Die Teilnehmerliste ist voll, wie erwähnt, das ging rasch, war ja klar, und nun herrscht erst einmal Ruhe. Lassen Sie uns sammeln, Fragen aufwerfen, nach Beschreibungsmöglichkeiten, Verhaltenslehren und Wegen aus dem Labyrinth suchen und nebenbei ganz in Ruhe unsere verlegerische Arbeit betreiben.
Es ist ja nicht so, daß hier nichts mehr liefe. Mir liegen für die nächste Dreier-Staffel der kaplaken-Reihe fertige Manuskripte von Stefan Scheil, Caroline Sommerfeld und Konstantin Fechter vor, außerdem hat Ellen Kositza Brittany Sellners (vormals Pettibone) Schilderung der politischen Jahre fertig übersetzt.
Die 103. Sezession ist ausgeliefert, die neue, bibliophile Reihe Mäander ist auf dem Weg zu den Lesern. Bis bald also!
Heinrich Loewe
Ich kann die Müdigkeit sehr gut verstehen. Der Sonnenschein-Patriot, der SiN liest, in der Hoffnung auf „Orientierung und Mobilisierung“, ist genau das Problem. Die Passivität. Die Staats-Hörigkeit. Das Sich-Fügen als Untertan.
In Amerika ist das Selbstverständnis als Bürger völlig anders. Schon die Unabhängigkeitserklärung hat ein für allemal klar gemacht, daß man sich von keiner Aristokratie (heute: herrschende politische Klasse) mehr vorschreiben lassen wird, wie man sein Leben zu führen hat.
Die deplorables wissen: niemand wird es für sie richten: den Coup vom 3. November herumzudrehen, die Invasion an der Grenze zu stoppen, den Müll der Critical Race Theory aus den Schulen fernzuhalten usw. Deswegen übernehmen dort die Leute massenhaft Verantwortung: in der Republikanischen Partei, ich den Schulräten, in den Medien, als Kandidaten für Ämter usf.
Ich finde es fatal, daß die Rechte über Amerika oft abschätzig denkt oder in Rasse-Kategorien, was den Punkt verfehlt. Wir könne da viel lernen: Das es auf Laschet vs. Baerbock hinausläuft (was für eine Wahl!), ist auch ein Ergebnis davon, daß sich einfach zu Wenige direkt engagieren!
Eine Strategie, die noch nicht recht diskutiert wurde, könnte sein, in großem Stil in die CDU einzutreten und diesen Apparat, diese Seilschaften von unten aufzurollen. -
Ich wünsche allen erholsame Sommertage!