Anläßlich der US-Wahl anno 2017 hatten ungezählte Prominente angekündigt auszuwandern, falls Trump wirklich Präsident werden sollte. Er wurde es – und offenkundig wanderte gar niemand deswegen aus.
Hierzulande sieht es etwas anders aus. Viele Leute, gerade im sogenannten rechten Milieu zeigen sich nicht nur auswanderungswillig, sondern ergreifen Maßnahmen. 1991 zählte Deutschland knapp 600 000 Auswanderer, davon hatten 500 000 keinen deutschen Paß. 2016 war mit 1,36 Millionen Auswanderern ein Höhepunkt erreicht, darunter 280 000 deutsche Staatsbürger. Signifikant ist der Sprung: In den Jahren zuvor waren stets rund 150 000 Deutsche ausgewandert.
Mittlerweile liegen wir bei rund einer Million Emigranten pro Jahr, darunter waren 2019 rund 270 000 und 2020 rund 220 000 deutsche Staatsbürger.
Ganz persönlich haben wir drei Bekannte, die in Ungarn investieren; drei weitere, die es nach Paraguay zieht. Tschechien, Polen, Slowenien, Schweden, Ukraine sind andere Fluchtländer, in denen bereits Immobilien erworben wurden. Kurzzeitige Ausreißer kennen wir zuhauf. Leute, die jahrelang durch Spanien oder Rumänien (als quasi „Gelobte Länder“) vagabundierten, aber in die Heimat zurückkehrten, weil entweder eine Geburt oder ein Krankheitsfall anstanden. Good old Germany, dieses vermaledeite Spießerland, hat anscheinend doch einige Vorzüge!
Wir selbst haben uns auch eine Zeitlang mit Auswanderungsoptionen getragen, falls man uns zu sehr zusetzen würde. Kroatien oder Südpolen? Ungarn schied früh aus, nicht nur wegen des dortigen Impffurors heute, sondern wegen der Sprache. (Vielleicht ist das ein kleineres Hindernis für Leute, die nicht hauptberuflich mit Sprache zu tun haben. Für uns erschien es bereits nach kurzem Aufenthalt unvorstellbar, an einem Ort zu leben, den man sich sprachlich auch in Jahren nicht erschließen würde.)
Aber überhaupt: Kann man denn so einfach die Segel streichen? Sich davonmachen, weil es gerade immens drückt? Wäre es nicht eine Art Fahnenflucht, ein Desertieren? Ich mag den angelsächsischen Spruch „You can run, but you can´t hide“. Dafür gibt es sicher eine ähnlich schlagende deutsche Übersetzung. (Max Frisch hat mit Stiller einen ganzen Roman dazu geschrieben.) „Los, lauf! Du kommst eh nicht davon.“
Also gut. Gründe für’s Auswandern: Die Steuerlast in Deutschland ist erdrückend. Die Überfremdung auch. Die Leute sind doch innerlich krank. Man darf ja nichts mehr sagen. Guck mal, was die hier den Schülern beibringen; apropos „Sexualkunde“. Hier herrscht Coronakratie. Die Gesetzeslage ist zum Schießen, aber ich darf ja nicht mal eine Waffe besitzen. Und schließlich: das Wetter.
Zuletzt hatte im August 2021 der ehemalige, langjährige Rußland-Korrespondent des Focus, Boris Reitschuster, ein interessantes Interview mit dem „Auswanderungspapst“ Christoph Heuermann veröffentlicht. Man sollte sich das unbedingt anschauen (hier entlang).
Nur: Ich sehe auf den allerersten Blick, daß ich völlig anders „ticke“ als diese beiden sicher sehr kompetenten Männer. Für die zwei mag es ein simpler, pragmatischer Wohnortwechsel sein. Vermutlich macht es einen Unterschied, ob man als „individuelles Individuum“ auswandert, und als jemand, der in Generationen denkt.
Allertrivialste Beispiele: Meine sieben Kinder sind mit mir in einer „Familienversicherung“ zu ziemlich geringem Preis mitversichert. Wo gibt es das sonst, weltweit? All meine Kinder besuchen oder besuchten Schulen, die auf ihre Talentenzugeschnitten sind. Das kostet/e uns nicht die Welt. Das liegt an den staatlichen Zuschüssen. Wo sonst gibt es diese Gelegenheit? Ich fürchte: nirgends.
In den vergangenen 20 Jahren habe ich mit den Kindern ungezählte Theaterstücke, Museen, Konzerte und Opern besucht. Dies war uns auf Stehrängen selbst zu einer Zeit möglich, als wir unser altes Rittergut renovierten. Der heutige Subventionsbetrieb im Kultursegment ist wahrlich katastrophal, weil auch Unsägliches gefördert werden. Es gibt sie aber noch, die echte Hochkultur. Und in Deutschland ist sie erschwinglich. In den meisten Ländern aber wäre es außer für Superreiche kaum finanzierbar, mit großer Kinderzahl gute Inszenierungen zu besuchen.
Nicht zuletzt: Ich war in den 24 Jahren meines Mutterdaseins auf drei unglaublich schöne und aufbauende Mutter-Kind-Kuren, die ich in bester Erinnerung habe. Gibt es dergleichen in Norddakota, Montenegro, Ungarn oder im polnischen Karpatenvorland? Ich fürchte; nein. Nein, ich weiß es: nein.
Via Twitter habe ich auf meine entsprechende Auswanderungsabfrage unglaublich viele Rückmeldungen erhalten. Der Großteil riet zum Standhalten. Es sei nun mal unser Land. Es seien unsere Leute und unsere Geschichte! Man wandere nicht pragmatisch dorthin, wo man weniger Steuern zahle oder leichter eine Waffe erwerben könne. Man tut es einfach nicht – weil man als Deutscher in Deutschland leben will.
Unter den „Gegentweets“ wurden, stets in völliger Überzeugung, folgende Optionen angeboten: Texas, Schweden (oh je, ausgerechnet dieses woke Multikultiland!), Süddakota, Ungarn, Schweiz und Ostpreußen. Und, vehement, Holland. Weil man dort generell „entspannter“ sei. Holland. Wo selbst Kinderspielplätze (klar, besonders tolle) Geld kosten und generell Progressivität der Stimmungsmacher ist seit je!
Das libertäre Monatsmagazin eigentümlich frei hatte sich schon vor Jahren in zahlreichen Folgen der Frage gewidmet, wohin man am besten (nämlich: in möglichst „unsozialistische“ Länder) auswandern könnte oder sollte. Leitmotive: Wo zahlt man wenig Steuern, wo ist die Bürokratie gering und die Freiheit groß?
Eine schöne Antwort gab ebendort im Oktober 2017 Roland Woldag, der einst (vor 1989) selbst sein Land verlassen hatte – nämlich die DDR. Er stellte sein Plädoyer für´s Standhalten unter ein schönes biblisches Motto, nämlich: „Der Gottlose flieht, auch wenn niemand ihn jagt, aber die Gerechten sind furchtlos wie ein junger Löwe.“ (Sprüche 28)
Zwei Absätze von Woldag möchte ich, leicht gekürzt, zitieren:
Wohin also gehen? In einen anderen EU-Staat, also vom Regen in die Traufe? Nach Polen oder Tschechien, wo sie gerade auf uns gewartet haben? Neuseeland und Australien, wo man kaum reinkommt, es sei denn, man ist Millionär oder jung und wird beruflich gebraucht? Nordamerika, wo die radikale Linke immer aggressiver auftritt und das sich anschickt, in einem bunten Bürgerkrieg zu versinken? Südamerika? Ist für einen Kulturmenschen unerträglich. Afrika? Wer Anthropologie auf die harte Tour studieren möchte, wird dort einer abgeklärten Weisheit am schnellsten nahekommen. Ich bevorzuge Ostasien. Allerdings ist Heimweh vorprogrammiert, denn die Mentalität und Kultur sind von der unseren sehr verschieden. Ich habe überall deutsche Kollegen im Ausland, die ich gut kenne. Entweder haben sie Heimweh, oder sie haben sich bis zur Lächerlichkeit angepasst, was bei den Einheimischen nicht goutiert wird.
Und Woldag zählt auf:
Im Ausland ist man ein Fremder, mit vielen Nachteilen. Rechtssicherheit: Sie haben keine Staatsbürgerschaft, keine oder schlechtere Sprachkenntnisse, Sie sind nicht vertraut mit den lokalen Rechtsgepflogenheiten (Mafia). Barrieren: Je attraktiver ein Einwanderungsland ist, desto härter sind dort die Aufenthaltsvoraussetzungen. Ausnahme: Das von gedungenen Opportunisten und Karrieristen zur Besetzung und Zerstörung freigegebene Deutschland. Wo man leicht hinkommt, dort sollte man nicht hin – wo man schwer hinkommt, dort wäre der rechte Ort. Soziale Einbindung: In Krisenzeiten zählen vor allem die Blutsbande, jedoch wird kaum jemals die gesamte Verwandtschaft mit Ihnen gehen. Wenn überhaupt, dann geht die Kernfamilie mit, was jedoch nicht viel ist in Krisenzeiten. Krankheiten: Man ist fremden Krankheitserregern gegenüber viel weniger widerstandsfähig als gegenüber jenen, mit denen man aufgewachsen ist. Aufwand und Kosten: Der Aufwand und die direkten und indirekten Kosten wie Verdienstausfall sind hoch bis sehr hoch für eine umfängliche Übersiedlung. In einer immer enger und feindlicher werdenden Welt gibt es kaum noch Rückzugsräume. Und die Globalisten arbeiten mit mephistophelischer Hinterhältigkeit und Perfidie daran, uns auch noch die letzte Alternative abzuschneiden. Daher wird Ihnen wohl nichts anderes übrigbleiben, als Ihren Posten nicht zu räumen, sondern standhaft am Ort zu bleiben, trotzig Ihr Feldzeichen in den Grund zu rammen und alles Ihnen Mögliche zu tun, die Allianz der Kulturvernichter abzuwehren. Pflegen Sie Ihre Familie! Bauen Sie sich ein unterstützendes Netzwerk in der Heimat auf! Bilden Sie Gemeinschaften Gleichkultivierter! Und streben Sie seelische wie physische Unabhängigkeit an!
Sehr ausführlich wie lehrreich hatte mir auf meinen Tweet hin ein anderer Leser geschrieben, nämlich dies:
Meine Vorfahren kommen aus Norditalien, Deutschland und Österreich-Ungarn und sind zwischen 1887 und 1912 nach Brasilien ausgewandert. Es war für sie keine Fahnenflucht, sondern die Suche nach einem besseren Leben für sich und ihre Familien, sie waren einfache Bauern. Sie sind alle in verschiedenen Regionen Südbrasiliens gelandet.
Meine Heimatstadt – im Bundesland São Paulo – war zur Zeit meiner Geburt, 1962, zu 90% weiß und europäisch geprägt: vor allem Italiener, Deutsche, Schweizer, die obligatorischen Portugiesen, aber auch Spanier, Russen, Litauer, Letten; die anderen waren Schwarze und Mischlinge, sogar eine kleine japanische Kolonie hatten wir dort. Die Stadt war ruhig, angenehm, sicher, verschlafen. Fast forward 60 Jahre und es hat sich alles geändert: eine der unsichersten Städte im Bundesland, und dank der innerbrasilianischen Einwanderung aus dem Nordosten sind dort jetzt andere Menschen in der Mehrheit: der Bevölkerungsaustausch, den ich persönlich erlebt habe.
Jene 8 Urgroßeltern haben geschätzt um die 300 Nachkommen, und von diesen 300 können nach meinem Wissen inzwischen nur 2 Deutsch bzw. Italienisch und gerade diese 2 sind zurück nach Europa gekommen: eine Cousine und ich. Die anderen wissen zwar über ihre Herkunft, sehen sich in vielen (nicht in allen!) Fällen immer noch irgendwie als “deutsch” oder “italienisch”, aber ihr Vaterland ist Brasilien, nicht Deutschland, nicht Italien, nicht Österreich. Auch haben sie keinen Kontakt mehr zu den ursprünglichen Kulturen und zu den Teilen ihrer Familien, die hier geblieben sind; sie haben sich von ihrem Volk losgelöst, unfreiwillig, unbewußt – aber sie sind in ein anderes Volk eingegangen; nicht wenige, vor allem aus der jetzigen, jüngeren Generation haben sich mit nicht-Weißen vermischt – und meine Familie ist keineswegs die einzige, was das alles betrifft.
Dieser Exkurs ins Persönliche nur als eine meines Erachtens notwendige Einführung, denn er berührt den in meinen Augen wichtigsten Einwand GEGEN eine Auswanderung aus Deutschland heute: Die Nachfahren der Auswanderer werden sich nicht nur integrieren, sondern auch assimilieren, es sei denn, sie würden alle geschlossen meinetwegen nach Sibirien auswandern und dort, wie die russisch-orthodoxen Altgläubigen, von der russischen Umwelt abgetrennt leben – das wird nicht passieren. Die jetzigen Auswanderungswilligen müssen verstehen, daß sie in der Fremde sein werden, egal, wie gut sie sich integrieren, egal, wie gut sie die jeweilige Sprache sprechen: sie entfernen sich von ihren Wurzeln, ein wurzelloser Baum wird fallen, und die Äste, die irgendwann zurück zu den alten Wurzeln hin möchten, werden womöglich ihr ganzes Leben in einem Zwischenstand verbringen, in einem Zustand des ewigen Suchens-Aber-Nicht-Mehr-Findens.
Ein zweiter Einwand: wo wollen sie denn hin? Die großen Länder der europäischen Diaspora – USA, Kanada, Australien, Neuseeland – werden sie nicht aufnehmen und jeder kann sowieso sehen, was dort zur Zeit passiert. Die Länder Mittel- und Osteuropas? Wie lange werden sich diese dem globalistischen Diktat widersetzen können? Rußland? Wer weiß, was nach Putin passiert? Südamerika, mit der Kriminalität und der wachsenden antiweißen Stimmung, dem wirtschaftlichen Chaos? Es gibt keinen Zufluchtsort, vielleicht für Individuen, aber nicht für Familien, nicht wenn man versucht, an die kommenden Generationen zu denken, wenn man möchte, daß sie weiterhin Teil des eigenen Volkes bleiben.
Eine relativ followerträchtige Twitterbekanntschaft, Tamara Breitschneider, war vor gar nicht langer Zeit nach Tschechien ausgewandert. Voller Überzeugung, das bessere Leben gewählt zu haben (sie betreibt einen Blog, der es aufzeichnet) bekennt sie nun, zurückwandern zu wollen:
Ich bin mittlerweile fest davon überzeugt, dass es woanders nicht besser ist, nur anders schlecht! Es gibt keinen Hort der Glückseligkeit oder Land der Unschuld mehr! Die Agenda 2030 der Vereinten Nationen, die Massenmigration, der ganze grünsozialistische Mist, ist ausgemachte Sache! Und zwar weltweit. Bei den einen kommt es früher, bei den anderen später. Kein Land kann sich der weltweiten Agenda entziehen. Und hört mir mit Schweden oder der Schweiz auf. Der bargeldlose Zahlungsverkehr und damit einer der Hauptwerkzeuge zur Massenüberwachung ist in Schweden so gut wie abgeschlossen. Und auch die Schweiz macht voll mit bei der Corona‑, Klima‑, und Gender-Agenda. Ich war erst kürzlich in der Schweiz und habe gesehen und gehört, wie es dort läuft. Dasselbe in grün, nur noch viel teurer.
Fest steht jedenfalls: Wir bleiben hier. Einige auswanderungsfreudige Zuschriften an mich enthielten das populäre Diktum „Yolo“, „You only live once“, „Du hast nur ein Leben.“ Der Punkt ist: Man wird sich rechtfertigen müssen, irgendwann. Vor Gott, vor den Nachkommen. Lauf! Aber davon kommst Du nicht!
RMH
Wenn die Sozialtransfers und das Lob auf die subventionierte Hochkultur einen sehr großen Teil dessen darstellt, warum man in Deutschland "gut und gerne lebt", dann haben die sog. Etablierten doch sehr viel richtig gemacht.